goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Ernst Barlach
Goethes Walpurgisnacht

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STIMME:
  Welchen Weg kommst du her?
STIMME:
                                                Übern Ilsenstein!
  Da guckt' ich der Eule ins Nest hinein,
  Die macht' ein Paar Augen!
STIMME:
                                            O fahre zur Hölle!
  Was reitst du so schnelle!
STIMME:
  Mich hat sie geschunden,
  Da sieh nur die Wunden!
HEXEN, CHOR:
  Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
  Was ist das für ein toller Drang?
  Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
  Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
HEXENMEISTER, HALBER CHOR:
  Wir schleichen wie die Schneck' im Haus,
  Die Weiber alle sind voraus.
  Denn, geht es zu des Bösen Haus,
  Das Weib hat tausend Schritt voraus.
ANDRE HÄLFTE:
  Wir nehmen das nicht so genau,
  Mit tausend Schritten macht's die Frau;
  Doch, wie sie sich auch eilen kann,
  Mit einem Sprunge macht's der Mann.
STIMME (oben):
  Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
STIMMEN (von unten):
  Wir möchten gerne mit in die Höh'.
  Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;
  Aber auch ewig unfruchtbar.
BEIDE CHÖRE:
  Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
  Der trübe Mond verbirgt sich gern.
  Im Sausen sprüht das Zauberchor
  Viel tausend Feuerfunken hervor.
STIMME (von unten):
  Halte! Halte!
STIMME (oben):
  Wer ruft da aus der Felsenspalte?
STIMME (von unten):
  Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
  Ich steige schon dreihundert Jahr,
  Und kann den Gipfel nicht erreichen.
  Ich wäre gern bei meinesgleichen.
BEIDE CHÖRE:
  Es trägt der Besen, trägt der Stock,
  Die Gabel trägt, es trägt der Bock;
  Wer heute sich nicht heben kann,
  Ist ewig ein verlorner Mann.
HALBHEXE (unten):
  Ich tripple nach, so lange Zeit;
  Wie sind die andern schon so weit!
  Ich hab' zu Hause keine Ruh,
  Und komme hier doch nicht dazu.
CHOR DER HEXEN:
  Die Salbe gibt den Hexen Mut,
  Ein Lumpen ist zum Segel gut,
  Ein gutes Schiff ist jeder Trog;
  Der flieget nie, der heut nicht flog.
BEIDE CHÖRE:
  Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
  So streichet an dem Boden hin,
  Und deckt die Heide weit und breit
  Mit eurem Schwarm der Hexenheit.

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