goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Dichter- und Zitaten-Quartett
Mit Bildnissen von Karl Bauer

Eine Dokumentation

Eingestellt im Januar 2013
Stand:März 2013
Mit Dank an Christine Haug

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Dichter- und Zitaten-Quartett. Verlag Jos. Scholz, Mainz. Schachtel mit Bildnis von Friedrich SchillerQuartett-Spielkarte, Rückseite mit Marke des Verlages Jos. Scholz, Mainz

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Gliederung

1. Vorbemerkung
2. Karten mit Bildnissen und Texten
3. Dichterquartette
4. Notizen zu Karl Bauer
5. Notizen zum Verlag Joseph Scholz
6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Vorbemerkung

Vorlage:
Dichter- und Zitaten-Quartett. Verlag Jos. Scholz, Mainz. Nr. 4985 [1937] Original-Karton. Ohne Spielanleitung. Je vier Karten zu 12 Dichtern mit einem Zitat aus deren Schriften auf jeder Karte.

Eine Analyse des Dichter-Quartetts kann sich stützen auf: (a) den Künstler und (b) das Verlagsprogramm, in dessen Rahmen das Quartett erscheint, (c) die Auswahl der Dichter, (d) die Auswahl der Zitate aus deren Schriften und (e) den Stil der Bildnisse. Notizen zum Künstler und dessen Stil sowie zum Verlag und seinem Programm siehe unten. Zur Auswahl der Dichter und der Zitate einige einführende Hinweise:

Bei der Auswahl der Autoren von Lessing bis Eckart wird Heinrich Heine, vom Nationalsozialismus als Jude disqualifiziert, übergangen, obschon Bauer das überaus populäre "Buch der Lieder" illustriert hatte (Stuttgart. Verlag Greiner & Pfeiffer, 1898). Die Mehrzahl der liberalen und mehr oder weniger gesellschaftskritischen, zur Zeit der Entstehung des Quartetts bekannten und geschätzten Dichter des 19. Jahrhunderts, wie zum Beispiel Fontane, Raabe oder Storm bleiben ebenso außen vor wie alle Vertreter der Moderne (Hofmannsthal, Rilke, Thomas Mann u.v.m.). Das Bild, das die Zitate von Keller zeigen, dem einzigen realistischen Autor, der berücksichtigt wird, ist mehr als einseitig. Der jüngste Dichter, mit dem das Quartett schließt, ist der Antisemit Dietrich Eckart (1868-1923), Mitbegründer der NSDAP und deren 'Parteidichter', Chefredakteur des "Völkischen Beobachter", Mentor und Ideengeber Hitlers, wegen seiner Inhaftierung nach dem Hitlerputsch als "Märtyrer der Bewegung" gefeiert. Von ihm stammt das "Sturmlied" der SA mit dem Schlachtruf "Deutschland erwache!" Dieser Schlusspunkt - und Zielpunkt? - verweist am deutlichsten auf die nationalsozialistische Literaturpolitik, der sich das Quartett verpflichtet zeigt. Durch die Auswahl der Textstellen werden ihr Lessing, die Klassiker, Grillparzer und Uhland dienstbar gemacht.

Unter den Zitaten findet man ethische Maximen eines rechten Lebens und vorbildlichen Verhaltens, mit der Verpflichtung den 'Ahnen' gegenüber, patriotische Aufrufe und Erinnerungen an 'große Zeiten' (insbesondere Körner) sowie Texte, die man unter den Oberbegriff deutschen Empfindens und Seelenlebens subsumieren könnte (insbesondere Eichendorff), wozu auch die Treue zur 'Heimat' und die Sakralisierung des 'deutschen Waldes' zählen. Die Abwendung von der 'Stadt' und die Hinwendung zum 'Bauern' als "Kulturträger" und "Rasseerhalter" (Löns) entsprechen der nationalsozialistischen Ideologie. Zum Stil der "Charakterköpfe" siehe die Notizen zu Karl Bauer.

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2. Karten mit Bildnissen und Texten

Hinweis: Die Karten zu einem Dichter, jeweils 4 Stück, werden en bloc abgebildet. Es folt ein Link zur Vergrößerung des jeweiligen Porträts. Anschließend werden die Zitate aus deren Schriften wiedergegeben.

Gotthold Ephraim Lessing

Karl Bauer, Porträt von Gotthold Ephraim LessingKarl Bauer, Porträt von Gotthold Ephraim Lessing
Karl Bauer, Porträt von Gotthold Ephraim LessingKarl Bauer, Porträt von Gotthold Ephraim Lessing

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Oben links: Miß Sara Sampson.
Was ist göttlicher als vergeben? (III,5)
Oben rechts: Emilia Galotti.
Tu, was du nicht lassen kannst! (II,3)
Unten links: Minna von Barnhelm.
Ich wüßte auch nicht, was mir an einem Soldaten, nach dem Prahler, weniger gefiele, als das Klagen. (II, 9)
Unten rechts: Der Adler (eine Fabel).
Man fragte den Adler: Warum erziehst du deine Jungen so hoch in der Luft? - Der Adler antwortete: Würden sie sich, erwachsen, so nahe zur Sonne wagen, wenn ich sie tief an der Erde erzöge?

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Johann Wolfgang von Goethe

Karl Bauer, Porträt von Johann Wolfgang von GoetheKarl Bauer, Porträt von Johann Wolfgang von Goethe
Karl Bauer, Porträt von Johann Wolfgang von GoetheKarl Bauer, Porträt von Johann Wolfgang von Goethe

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Oben links: Götz von Berlichingen.
Der Wein erfreut des Menschen Herz und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. (I)
Oben rechts: Iphigenie auf Tauris.
Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, / der froh von ihren Taten, ihrer Größe / den Hörer unterhält und, still sich freuend, / am Ende dieser schönen Reihe sich / geschlossen sieht! (I,3)
Unten links: Hermann und Dorothea.
Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist, / der vermehrt das Uebel und breitet es weiter und weiter; / aber wer fest auf dem Sinn beharrt, der bildet die Welt sich.
Unten rechts: Faust (I)
Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen, / der Erde Lust, der Erde Glück zu tragen, / mit Stürmen mich herumzuschlagen / und in des Schiffsbruchs Knirschen nicht zu zagen.

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Friedrich von Schiller

Karl Bauer, Porträt von Friedrich SchillerKarl Bauer, Porträt von Friedrich Schiller
Karl Bauer, Porträt von Friedrich SchillerKarl Bauer, Porträt von Friedrich Schiller

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Oben links: Wallensteins Tod.
Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort, / das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide. (II,2)
Oben rechts: Wilhelm Tell.
Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an, / das halte fest mit deinem ganzen Herzen, / hier sind die Wurzeln deiner Kraft.
Unten links: Die Braut von Messina.
Dies eine fühl' ich und erkenn' es klar: / Das Leben ist der Güter höchstes nicht, / der Uebel größtes aber ist die Schuld.
Unten rechts: Das Lied von der Glocke.
Denn wo das Strenge mit dem Zarten, / wo Starkes sich und Mildes paarten, / da gibt es einen guten Klang.

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Heinrich von Kleist

Karl Bauer, Porträt von Heinrich von KleistKarl Bauer, Porträt von Heinrich von Kleist
Karl Bauer, Porträt von Heinrich von KleistKarl Bauer, Porträt von Heinrich von Kleist

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Oben links: Germania an ihre Kinder.
Frei, auf deutschem Grunde, walten / laßt uns, nach dem Brauch der Alten, / seines Segens selbst uns freun: / Oder unser Grab ihn sein.
Oben rechts: An die Königin von Preußen
Wie groß du warst, das ahndeten wir nicht! / Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert; / du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert, / wenn er durch finstre Wetterwolken bricht.
Unten links: Die Hermannsschlacht.
Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts, / und laßt, im Hain der stillen Eichen, / Wodan für das Geschenk des Siegs uns danken - ! / Uns bleibt der Rhein noch schleunig / zu ereilen, damit vorerst der Römer keiner / von der Germania heil'gem Grund entschlüpfe: / Und dann - nach Rom selbst mutig aufzubrechen! (V,24)
Unten rechts: Prinz Friedrich von Homburg. Das Vaterland ........., / das wird sich ausbaun in der Zukunft, / erweitern unter Enkels Hand, verschönern, / mit Zinnen üppig, feenhaft, zur Wonne / der Freunde und zum Schrecken aller Feinde. (IV,1)

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Joseph von Eichendorff

Karl Bauer, Porträt von Joseph von EichendorffKarl Bauer, Porträt von Joseph von Eichendorff
Karl Bauer, Porträt von Joseph von EichendorffKarl Bauer, Porträt von Joseph von Eichendorff

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Oben links: Abschied.
O Täler weit, o Höhen! O schöner, grüner Wald, / du meiner Lust und Wehen andächt'ger Aufenthalt! / Da draußen, stets betrogen, saust die geschäft'ge Welt, / schlag noch einmal die Bogen um mich du grünes Zelt!
Oben rechts: Das zerbrochene Ringlein.
Ich möcht' als Spielmann reisen / weit in die Welt hinaus / und singen meine Weisen / und gehn von Haus zu Haus.
Unten links: Mondnacht.
Es war, als hätt' der Himmel / die Erde still geküßt, / daß sie im Blütenschimmer / von ihm nur träumen müßt'.
Unten rechts: Der frohe Wandersmann.
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, / den schickt er in die weite Welt, / dem will er seine Wunder weisen / in Berg und Wald und Strom und Feld.

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Theodor Körner

Karl Bauer, Porträt von Theodor KörnerKarl Bauer, Porträt von Theodor Körner
Karl Bauer, Porträt von Theodor KörnerKarl Bauer, Porträt von Theodor Körner

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Oben links: Lützows wilde Jagd 14. April 1813.
Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein? / Hör's näher und näher brausen. / Es zieht sich herunter in düsteren Reihn, / Und gellende Hörner schallen darein / und erfüllen die Seele mit Grausen. / Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt, / das ist Lützows wilde verwegene Jagd.
Oben rechts: Gebet während der Schlacht.
Vater, ich rufe dich! / Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze, / sprühend umzucken mich rasselnde Blitze. / Lenker der Schlachten, ich rufe dich! / Vater, du führe mich!
Unten links: Zriny.
Wer mutig für sein Vaterland gefallen, / der baut sich selbst ein ewig Monument / im treuen Herzen seiner Landesbrüder, / und dies Gebäude stürzt kein Sturmwind nieder. (II,2)
Unten rechts: Brief an seinen Vater (10. März 1813).
.... Ja, lieber Vater, ich will Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. ...

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Ludwig Uhland

Karl Bauer, Porträt von Ludwig UhlandKarl Bauer, Porträt von Ludwig Uhland
Karl Bauer, Porträt von Ludwig UhlandKarl Bauer, Porträt von Ludwig Uhland

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Oben links: Siegfrieds Schwert.
"Nun hab' ich geschmiedet ein gutes Schwert, / nun bin ich wie andere Ritter wert."
Oben rechts: Der gute Kamerad.
Ich hatt' einen Kameraden, / einen bessern find'st du nit.
Unten links: Freie Kunst.
Singe, wem Gesang gegeben, / in dem deutschen Dichterwald! / Das ist Freude, das ist Leben, / wenn's von allen Zweigen schallt.
Unten rechts: Herzog Ernst.
Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst, / er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst, / er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod / und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst.

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Franz Grillparzer

Karl Bauer, Porträt von Franz GrillparzerKarl Bauer, Porträt von Franz Grillparzer
Karl Bauer, Porträt von Franz GrillparzerKarl Bauer, Porträt von Franz Grillparzer

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Oben links: Feldmarschall Radetzky.
Glück auf, mein Feldherr, führe den Streich! / Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer, / in deinem Lager ist Oesterreich, / wir andern sind einzelne Trümmer.
Oben rechts: Die Ahnfrau.
O, es ist süß und labend, / das, was uns die Väter gaben, / seinen Kindern hinzugeben / und sich selbst zu überleben. (1)
Unten links: Medea.
Weil eine Fremd' ich bin, aus fernem Land, / und unbekannt mit dieses Bodens Bräuchen, / verachten sie mich, sehn auf mich herab, / und eine scheue Wilde bin ich ihnen, / die unterste, die letzte aller Menschen, / die ich die erste war in meiner Heimat.
Unten rechts: Rede am Grabe Beethovens (1827).
Kein Lebendiger tritt in die Hallen der Unsterblichkeit ein. Der Leib muß fallen, dann erst öffnen sich ihre Pforten.

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Gottfried Keller

Karl Bauer, Porträt von Gottfried KellerKarl Bauer, Porträt von Gottfried Keller
Karl Bauer, Porträt von Gottfried KellerKarl Bauer, Porträt von Gottfried Keller

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Oben links: An das Vaterland.
Werf' ich von mir einst dies mein Staubgewand, / beten will ich dann zu Gott dem Herrn: / "Lasse strahlen deinen schönsten Stern / nieder auf mein irdisch Vaterland"
Oben rechts: Am Vorderrhein.
Nun wallt der Hirtensohn hernieder, / hin in mein zweites Vaterland: / O grüß mir all die deutschen Brüder, / die herrlichen, längs deinem Strand!
Unten links: Abendlied.
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, / von dem goldnen Ueberfluß der Welt.
Unten rechts: Der grüne Heinrich.
Denn ich befand mich auf deutschem Boden und hatte von jetzt an das Recht und die Pflicht, die Sprache der Bücher zu reden, aus denen meine Jugend sich herangebildet hatte und meine liebsten Träume gestiegen waren.

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Detlev von Liliencron

Karl Bauer, Porträt von Detlev von LiliencronKarl Bauer, Porträt von Detlev von Liliencron
Karl Bauer, Porträt von Detlev von LiliencronKarl Bauer, Porträt von Detlev von Liliencron

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Oben links: Meiner Mutter.
Wie oft sah ich die blassen Hände nähen, / ein Stück für mich - wie liebevoll du sorgtest! / Ich sah zum Himmel deine Augen flehen, / ein Wunsch für mich - wie liebevoll du sorgtest!
Oben rechts: Spruch.
Gib den Flamberg nie aus Händen, / in Triumph selbst und Genuß, / denn du brauchst ihn aller Enden / bis zum letzten Atemschluß.
Unten links: Die Musik kommt.
Der Grenadier in strammen Tritt, / in Schritt und Tritt und Tritt und Schritt, / das stampft und tönt und klappt und flirrt, / Laternenglas und Fenster klirrt.
Unten rechts: Abschied und Rückkehr.
Es schreit mein Herz, es jauchzt und bebt / der alten Heimat heiß entgegen; / und was als Kind ich je durchlebt, / klingt wieder mir auf allen Wegen.

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Hermann Löns

Karl Bauer, Porträt von Hermann LönsKarl Bauer, Porträt von Hermann Löns
Karl Bauer, Porträt von Hermann LönsKarl Bauer, Porträt von Hermann Löns

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Oben links: Husarenlied.
Rote Husaren, / die reiten niemals Schritt, / herzliebstes Mädchen / du kannst nicht mit.
Oben rechts: Rosengarten.
Grün ist die Heide, die Heide ist grün, / aber rot sind die Rosen, eh' sie verblühn.
Unten links: Die weiße Stille.
Was frag' ich nach den Menschen / und nach der lauten Stadt, / wenn mich die Bergwaldwildnis, /die weiße Stille hat.
Unten rechts: Der Wehrwolf.
Der Bauer ist das Volk, ist der Kulturträger, ist der Rasseerhalter. Ehe die Stadt war mit ihrem Lack, war der Bauer da.

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Dietrich Eckart

Karl Bauer, Porträt von Dietrich EckartKarl Bauer, Porträt von Dietrich Eckart
Karl Bauer, Porträt von Dietrich EckartKarl Bauer, Porträt von Dietrich Eckart

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Oben links: Bismarck (am 100. Geburtstage, 1. 4. 1915).
Siehe, Verklärter, herab aus deiner seligen Stille. / segne die Ernste der Zeit, wie du gesegnet die Saat.
Oben rechts: Adolf Hitler (zu seinem Geburtstag, 20. 4. 1923)
Die Herzen auf! Wer sehen will, der sieht! / Die Kraft ist da, vor der die Nacht entflieht!
Unten links: Deutschland erwache!
Läutet Sturm, daß die Erde sich bäumt, / unter dem Donner der rettenden Rache! / Wehe dem Volk, das heute noch träumt! / Deutschland erwache!
Unten rechts: Die Entscheidung.
Zum Sturm, zum Sieg! Die alten Adler schweben, / Judas erbleicht, er wankt, er stürzt, er fällt! / Frei ist das Reich, das Vaterland, das Leben, / und frei - die Welt!

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3. Dichterquartette

Quartette als eigene Gattung von Kartenspielen entstanden in England 1851; in Deutschland gibt es dergleichen Kartenspiele, die sich vornehmlich an Kinder wandten, wohl seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, (1) seit 1907 setzten sie sich "nahezu lawinenartig" durch (Krumbein, S. 41).

Die Bilder auf Quartettkarten haben Vorläufer in den Illustrationen auf Tarockkarten. Zur „Förderung allgemeiner Kenntnisse“ drängte man „die Serienzeichen oben und seitlich zusammen und füllte den gewonnenen Platz mit belehrenden Darstellungen, die dann der Spieler bewusst oder unbewusst in sich aufnahm“ (Tilley, S. 91). Das „illustrierte Kartenspiel“ ging im 17. Jahrhundert von Frankreich aus, wo Kardinal Mazarin als Erzieher Ludwigs XIV. 1643 eine Reihe illustrierter Kartenspiele bestellte, "um die Bildung seines Zöglings zu fördern“ (Tilley, S. 94). Thematisch gab es bald die unterschiedlichsten Illustrationen, beispielsweise Porträts von Herrschern und Königinnen, Bilder aus der Wappenkunde und der Kriegskunst, aber auch aus der Philosophie, Geschichte, Mythologie, Geographie, Astronomie u.a.m. Die Karten aus dem Spiel von „Berühmten Personen“, erschienen 1685 bei Johann Strindberg in Augsburg, "zeigen in der oberen Mitte die Büste einer berühmten Persönlichkeit in ornamentgeschmücktem Medaillon; das Serienzeichen befindet sich oben rechts, und unten wird in einem Dutzend Druckzeilen über die großen Taten des Helden berichtet." (Tilley, S. 103) Hier findet sich also schon die Kombination von Bildnissen mit kurzen Texten, wie sie für das hier behandelte Dichter- und Zitaten-Quartett charakteristisch ist. Vereinzelt finden sich auch Dichterbildnisse oder Illustrationen literarischer Texte auf Tarockkarten. Da die Französische Revolution König, Dame und Bube aus den Tarockkarten verbannte, mussten sie ersetzt werden; an die Stelle der Könige traten z.B. Voltaire, La Fontaine, Molière und Rousseau (Hoffmann, S. 59). Seit dem späteren 18. Jahrhundert finden sich Spielkarten mit Illustrationen zu Dichtungen. (2)

Die Dichterquartette zeigen Gruppen von Schriftstellern, meist eine mehr oder weniger kanonisierte Auswahl aus der Weltliteratur ("Weltliteratur", Ravensburg bei Otto Maier, 1925) oder einer Nationalliteratur - wie im hier dokumentierten Fall (3) -, auf zeitgenössische Schriftsteller ("Zeitgenössische deutsche Schriftsteller", Ravensburger Gesellschafts- und Beschäftigungsspiele, Nr. 260, um 1920) oder auf einzelne Schriftsteller (Goethe, Schiller, Karl May), eine Werkgruppe wie die Märchen ("Deutsche Märchen", Ravensburger Spiele No. 241, ca. 1920), vereinzelt auch auf ein einzelnes Werk. Eine Abart der Dichterquartette sind die Zitatenquartette. Bis heute gibt es (ohne Varianten) "ungefähr 100 verschiedene Dichterquartette" (Höpfner, siehe: Katalog der Dichterquartette).

Auf dem Quartettmarkt konkurrierten eine Reihe von Verlagen: "Spear (Nürnberg), Gustav Weise (Stuttgart), Adolf Sala (Berlin), Joseph Scholz (Mainz), Bernhard Dondorf (Frankfurt), Schmidt & Römer (Leipzig) und Pichler´s Witwe (Wien)" (Höpfner) u.a., wozu die großen Kinder- und Jugendbuchverlage Enßlin & Laiblin in Reutlingen und Otto Maier, Ravensburg, kommen. Durch Gewinnung namhafter Künstler, die namentlich ausgewiesen wurden, hebt sich Scholz von seinen Konkurrenten ab (Krumbein, S. 41-43). Die Quartette aus diesem Verlag behandeln die verschiedensten Wissensgebiete. Vor und während des Ersten Weltkriegs trugen sie zur Personalisierung und Heroisierung der Geschichte wie zum Kult um Führerfiguren bei ("Die Großen ihrer Zeit", Nr. 5048, um 1910; "Führer der Menschheit", Nr. 5075, um 1910; "Deutschlands große Söhne", Nr. 5138, um 1915; Führer und Helden im Weltkriege, Nr. 5191), von den 20er Jahren an unterstützten "Foto-Heimatquartette" den Heimatgedanken. (4) Auf literarischem Gebiet gab es neben Märchen-Quartetten (Märchen, Nr. 5012, um 1908; Märchen-Quartett, Nr. 5202, um 1930-38) vor allem Dichter- und Schiller-Quartette (Schiller-Quartett, Nr. 5096, um 1910, illustriert von Franz Stassen; Neuauflage Nr. 5292 um 1923). Das Dichter-Quartett (Nr. 5008, um 1908 bis 1923) enthielt Arndt, Chamisso, Freiligrath, Goethe, Grillparzer, Heine, Körner, Lessing, Rückert, Schiller, Shakespeare und Uhland. 1924 werden Bilder ausgetauscht und dabei "Arndt, Freiligrath und Shakespeare durch Bürger, Eichendorff und Kleist ersetzt" (Krumbein, Anm. 17).

Von Karl Bauer, der schon um 1914 ein "Dichter- und ein "Citatenquartett" für Otto Maier, Ravensburg, mit je 16 farbigen Porträts herausgegeben hatte (Ries, S. 412), wurden im Scholz-Verlag außer dem hier behandelten Dichter- und Zitaten-Quartett von 1937 zwei weitere Quartette illustriert: "Ehrt eure deutschen Meister" (Nr. 4905, um 1935, von Walter von der Vogelweide bis Andreas Schlüter) und "Deutsche Führer" (Nr. 4904, um 1935). Zeitlich in unmittelbarem Anschluss an das Dichter- und Zitaten-Quartett von 1937 veröffentlichte der Verlag eine Reihe von Quartetten, welche die Leistungen des sog. 'Dritten Reiches' feierten ("Unsere Reichsautobahnen", Nr. 4966, um 1938) und Propaganda für die deutsche Armee machten: "Unsere Wehrmacht" (Nr. 4961, 1938), "Unser deutsches Heer" (Nr. 4961 [!], 1939), "Unsere Luftwaffe" (Nr. 4967, 1939), "Unsere Kriegsmarine" (Nr. 4968).

Typologisch handelt es sich bei den Quartetten - im Unterschied zu den 'Kampfspielen' - um 'Zusammenzählspiele'. "Die Regeln sind einfach: Alle Karten werden ausgeteilt, und der Spieler links vom Kartengeber fragt einen beliebigen Mitspieler nach der Karte, die er zur Vervollständigung eines Kartensatzes braucht. Der Spieler sollte versuchen, alle Karten zu einer Familie zu sammeln. Wenn er die vier Karten hat, legt er sie verdeckt als Stich auf den Tisch. [...] Wenn der angesprochene Spieler die Karte nicht hat, antwortet er ‚Nicht zu Hause‘, und dann ist er an der Reihe zu fragen. So geht es weiter, bis alle Familien-Kartensätze vollständig sind. Der Spieler mit der größten Anzahl Stiche gewinnt. Die Spieler dürfen nur nach bestimmten Karten fragen, wenn sie bereits ein Mitglied dieser Familie haben, und die Mitspieler müssen die geforderte Karte hergeben, falls sie diese besitzen." (Höpfner)

Anmerkungen:
Die Verlagsproduktion von Scholz-Mainz wird nach den Angaben von Krumbein zitiert. Die Angaben, die auf eigenen Recherchen (Fachliteratur, Antiquariatsangebote, KVK u.a.m.) beruhen, sind nicht immer vollständig und konnten nicht überprüft werden.
(1) So Höpfner mit Verweis auf Firma "Jacques of London", die mit dem Quartett "Happy Families" (Familien mit je vier Mitgliedern) das Quartettspiel ab 1851 in England popularisierte. Siehe die Seite: "The World of Playing Cards. Jacques' Happy Families Jacques of London".
www.wopc.co.uk/games/jaques-happy-families.html
(2) Beispiele: La Fontaine-Tarock, hergestellt von Peter Friedrich Ulrich, Leipzig 1770. Die Karten II bis XXI illustrieren die La Fontaineschen Fabeln. Hoffmann, Nr. 162 mit Abb. S. 178. - Die Cottaschen Spielkarten-Almanache 1805-1811 enthalten eine Reihe von Personen Schillerscher Dramen ("Wallenstein", "Die Jungfrau von Orleans"), eine Illustration zu Bürgers "Lenore" u.a.m. - Spiel mit Szenen aus der Literatur des späten 18. Jahrhunderts und der Klassik, einschließlich Goethes und Schillers, hergestellt von Max Uffenheimer in Wien 1834. Inventar-Katalog Nr. 50 mit Abb. S. 35. -  „Ein Kartenspiel mit Gestalten aus der ‚Jungfrau von Orléans‘ erschien noch 1870 bei Fromme und Bunte in Darmstadt.“ (Tilley, S. 110)
(3) Weitere Beispiele: "Dichter-Quartett-Spiel", Enßlin & Laiblin, 1925; "Deutsche Dichter", Ravensburger Spiele Nr. 351)
(4) "Von den 58 Quartettspielen, die der Katalog von 1927 ausweist, erscheinen allein zwanzig in Kupfertiefdruck als Foto-Heimatquartett" (Krumbein, S. 46)

Literatur:
* Ernst Krumbein: Quartette oder: wie der Scholz-Verlag Bildung förderte. In: Spiel mit! Papierspiele aus dem Verlag Jos. Scholz Mainz. Mainz: Gutenberg-Museum 2006, S. 40-51. ISBN 3-9805506-9-9
* Detlev Hoffmann: Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte. Mit einer Dokumentation von Margot Dietrich zu den Spielen des Deutschen Spielkarten-Museums Leinfelden-Echterdingen. Marburg: Jonas Verlag 1995. ISBN 3-89445-191-2
* Hans Ries: Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914. Osnabrück: Wenner 1992, S. 412f. ISBN 3-87898-329-8
* Erika Kroppenstedt, Detlef Hoffmann: Inventar-Katalog der Spielkarten-Sammlung des Stadtmuseums Linz. Ausstellung des Deutschen Spielkarten-Museums in Bielefeld 1969.
* Detlef Hoffmann, Erika Kroppenstedt: Die Cotta'schen Spielkarten-Almanache 1805-1811. Deutsches Spielkarten-Museum in Bielefeld 1968.
* Roger Tilley: Spielkarten. Stuttgart: Parkland [1957].

Weblinks:
* Deutsches Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen
* Niels Höpfner: Dichterquartett
* The World of Playing Cards. Jacques' Happy Families

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4. Notizen zu Karl Bauer

Karl Bauer, Maler, Radierer und Zeichner, geboren am 7. Juli 1868 in Stuttgart, verstorben am 6. Mai 1942 in München, studierte in Stuttgart und München (bei Wilhelm Lindenschmit) sowie an der Académie Julian in Paris. Ab 1895 lebte Bauer dauerhaft in München. Er fand Zugang zu George und seinem Kreis: Von ihm stammen etwa 30 Porträts Georges von 1892 bis 1903 nach selbst aufgenommenen Fotos; 11 Gedichte fanden Eingang in die "Blätter für die Kunst". Auch "die Gestalten des frühen Georgekreises, Gundolf, Hofmannsthal, Klages, Vollmöller, und vor allem sich selber" (Wolfskehl, S. 3) hat er gezeichnet. Zu seinem 60. Geburtstag würdigte ihn Karl Wolfskehl in den "Münchener neuesten Nachrichten". Seine Porträts von Hitler und anderen Größen des Nationalsozialismus (Goebbels, Eckart) und seine Auszeichnung mit der Goethe-Medaille, die ihm Hitler zu seinem 70. Geburtstag 1938 verlieh, dokumentieren seine "Nähe zum Nationalsozialismus" (Zanucchi).

Bekannt wurde Bauer durch Federzeichnungen und lithografierte "Charakterköpfe", die große Verbreitung fanden: als Illustrationen in Büchern, in der Presse, in Kalendern, auf Postkarten, in Quartett-Spielen usw. Über sein Vorgehen schreibt Bauer 1913: "Lebende Männer und Frauen nach dem Leben gezeichnet (alle), unsterbliche (mit wenig Ausnahmen) mit Hilfe lebender Modelle, zeitgenössischer Berichte und Bildnisse nach den Gesichtsmasken gezeichnet in eigener Auffassung mit möglichster physiognomischer und psychologischer Richtigkeit“ (1). Seine Porträtkunst "verbindet detailgetreue Zeichnung mit Hell-Dunkel-Kontrasten, erstrebt physiognomische Treue [...], wird aber insgesamt von einem stark idealisierenden und vor allem heroisierenden Pathos getragen" (Zanucchi). Wolfskehl hat Bauers Bildnisse 1928 wie folgt gewürdigt:

"Ganz und gar Zeichner, Bildner, ja Plastiker, mit dem Stift wie mit dem Pinsel, auch hierin altdeutsch, hat er im Bildnis sein Bestes gegeben. Hat aus einer warmen liebevoll geöffneten und doch männlich bestimmten Künstlerseele heraus mit Strenge, Kraft, Genauigkeit und viel Subtilität den lebendigen Menschen zusammengefaßt wie er ihn sah, hervorsah aus Zufall und Gelegenheit, in seiner Ganzheit zusammensah oder wie auf Grund überkommener Zeugnisse und des Eindringens ins Werk ihm der geschichtliche Mensch in der Seele wuchs und gegenübertrat. Seine Köpfe europäischer, besonders natürlich deutscher Geistesleuchten von Dante und Spinoza bis zu Goethe, Schiller, Beethoven, Hölderlin und so vielen, vielen anderen, wie der großen Männer unserer Staaten- und Kriegsgeschichte bis in die neueste Zeit, haben eine spezifisch deutsche Walhalla geschaffen."

Charakteristisch für sein reiches Oeuvre sind bildlastige Publikationen. Viele - manchmal im Quartformat - bündeln Zeichnungen oder Lithografien auf Tafeln in Mappen oder Umschlägen, denen ein Begleittext beigegeben ist.

Goethe und Schiller hat Bauer mehrere Publikationen gewidmet: "Goethes Kopf und Gestalt" (1908, Berlin bei Ernst Siegfried Mittler & Sohn), "Sсhillers äußere Erscheinung" (1909, in: Marbacher Schillerbuch, 3, S. 222-291), "Aus Goethes Leben. 6 Federzeichnungen" (1921, Potsdam, Stiftungsverlag), "Schiller, sein Leben und sein Wirken in 16 Bildern" (1923, Mainz bei J. Scholz), "Goethes 'Faust' erster Teil. 6 Original-Radierungen" (1928, Berlin bei Hanfstaengl) u.a.m. Über die zahlreichen Goethebildnisse schreibt Wolfskehl:

"An manchen Aufgaben hat er [Bauer] sich wieder und wieder versucht. So ist seine Folge verschiedenartigster Bildnisse Goethes aus allen dessen Zeit- und Stimmungsstufen geradezu eine originelle Art bildnerischer Goethebiographie. Freilich hat er sich auch in nichts so sehr versenkt, als in dieses olympische Haupt, und sein ganz vortreffliches Büchlein über Goethes Aussehen, über Bildung und Ausdruck des goethischen Hauptes und Antlitzes zeigt Bauer als den zweifellos größten physiognomischen Goethekenner, der je da war."

Seine Goethe-Bildnisse waren gerade auch in nationalen und völkischen Kreisen beliebt. Dies belegt die Publikation "Der nationale Goethe. Ein Wegweiser für unsere Tage, zusammengestellt von Ernst Schrumpf", die im J. F. Lehmanns Verlag in München, bekannt für seine Unterstützung rassistischer und völkischer Gedanken, 1927 und in zweiter Auflage 1932 erschien. Schrumpf möchte Goethe als nationale Führergestalt etablieren: "Er ist in der Tat der Führer ohnegleichen, der turmhohe Wegweiser, insonderheit seiner Nation." (S. 7) (Außentitel siehe unten).

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Ernst Schrumpf, Der nationale Goethe

Karl Bauer, Porträtstudien

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild
Porträt-Studien. Original-Steinzeichnungen von Karl Bauer.

Anzeige in: Goethes Kopf und Gestalt von Karl Bauer. Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Königl. Hofbuchhandlung 1908.

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Bauer hat mehrere Zusammenstellungen von "Charakterköpfen" der deutschen (Kultur)Geschichte herausgegeben und sie als Führer und Helden, mithin als Vorbilder stilisiert: "Charakterköpfe zur deutschen Geschichte. 32 Federzeichnungen" (1906, Leipzig bei B. G. Teubner), "Charakterköpfe aus Deutschlands grosser Zeit. 16 Federzeichnungen" (1913, Leipzig bei B. G. Teubner), "Führer und Helden. Federzeichnungen" (1914, Leipzig bei B. G. Teubner), "Deutsche Führer in großer Zeit. Kunstblätter nach Gemälden von Karl Bauer" (1915, zwei Mappen, Begleitwort von Arthur Dobsky,, Stuttgart im Verlag für Volkskunst Rich. Keutel), "Von festem und gewissem Geist. Köpfe und Bekenntnisse [Fichte, Goethe, Kant, Nietzsche, Schiller, Schleiermacher]" (1923, gemeinsam mit Alexander von Gleichen-Rußwurm, Leipzig im Verlag von Max Koch). Zu Luther und Bismarck gibt es eigene "Bildermappen fürs deutsche Haus". All diese Publikationen sollen einer historischen Rückbesinnung auf 'große Zeiten' Deutschlands - wie der antinapoleonischen Befreiungskriege oder der Kultur der Goethezeit - und einer ethischen Erneuerung Deutschlands dienen. (Nach Recherchen im KVK)

Anmerkungen:
(1) Geistiges und künstlerisches München in Selbstbiographien. Hg. von Wilhelm Zils. München: Kellerer 1913. Zitiert nach DBA NF 336.

Literatur:
* Mario Zanucchi: Bauer, Karl. In: Stefan George und sein Kreis. Ein Handbuch. Bd. 3, Berlin: De Gruyter 2012, S. 1268-1270 (mit Porträt Bauers). ISBN 978-3-11-018461-7
* Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2009. Eintrag Bauer, Karl, S. 32. ISBN 978-3-596-17153-8
* Karl Wolfskehl: Charakterkopf und Charakterköpfe. Karl Bauer zum 60. Geburtstag. In: Münchener neueste Nachrichten (MNN), 7. Juli 1928, S. 3.

Weblinks:
* Artikel "Karl Bauer" in Wikipedia

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5. Notizen zum Verlag Joseph Scholz

Die Firma Jos. Scholz wurde in den 1790er Jahren in Wiesbaden gegründet (Bilderfreuden, S. 12-15) und war seit 1830/31, zunächst nur mit einer Filiale, in Mainz ansässig. Es wurden Schreibfedern aus Gänsekielen, später auch Siegellack hergestellt und mit Schreibmaterialien gehandelt. Der Aufstieg zu einem Weltunternehmen verdankt sich der Lithografie (1852 20 Handpressen in der Steindruckerei, um 1860 Einführung der Steindruckschnellpressen; Bilderfreuden, S. 16f.) und der Ausrichtung des Programms auf Kinder. Ein Großteil der Erzeugnisse "geht auf das Grundprodukt des Lithografiebogens zurück, der entweder als 'reiner' Bilderbogen (zu dekorativen Zwecken) auftrat, oder als Spielebogen, aufgeklebt auf Pappe oder dünnes Holz und ausgestanzt oder ausgesägt als Puzzlespiel, als Figurenbogen, Kulisse oder Proszenium für das Papiertheater, als Ausschneidebogen z.B. für Lampenschirme, Ankleidepuppen oder Schießscheibenfiguren, als Zeichenvorlage oder zum Ausmalen, als Schriftmusterblatt, Modellbaubogen u.v.m." (Bilderfreuden, S. 17, mit Abbildungen im Katalogteil). Da viele Produkte keinen oder nur wenig Text beinhalteten, eigneten sie sich für den internationalen Markt. Die Firma "beschäftigte um die Mitte des 19. Jahrhunderts ca. 200 Arbeiter (darunter 100 Koloristen) und besaß 20 Pressen in der Steindruckerei" (Bilderfreuden, S. 19f.; vgl. Kornfeld, S. 152 und 150) und war einer der führenden Kinderverlage seiner Zeit.

"An der Wende zum 20. Jahrhundert erfuhr der Scholz-Verlag eine deutliche Veränderung" (Schneider, S. 232): Die Herstellung wechselte vom Steindruck zur Algraphie, bei der eine für den Rotationsdruck geeignete Aluminiumplatte den Stein ersetzt; die Produktion wurde auf den deutschsprachigen Markt ausgerichtet, "patriotisches, ja oft chauvinistisches Gedankengut" fand Eingang in die Kinder- und Jugendbücher (Schneider, S. 233), die künstlerisch anspruchsvoller und moderner gestaltet wurden; neue Illustratoren (1) wurden gewonnen. "Der Anteil patriotischer Literatur an der Bilderbuchproduktion stieg von 20 % im Jahre 1912 bis auf etwa 80 % im Jahre 1915." (Kornfeld, S. 150) Die Devise "Kunst für das Kind!" wurde umgesetzt in den Reihen "Das deutsche Bilderbuch" (ab 1903, 1911 umbenannt in "Scholz' Künstler-Bilderbücher") und "Das deutsche Malbuch" (ab 1904, 1911 umbenannt in "Scholz' künstlerische Malbücher"; Kornfeld, S. 147f.). Erweitert wurde das Verlagsprogramm um volksbildende "Kunstgaben" (Hans Thoma, Max Liebermann, Giovanni Segantini, Wilhelm Steinhausen, Fritz von Uhde, Wilhelm Trübner u.a.m.), die von der "Freien Lehrervereinigung für Kunstpflege" in Berlin herausgegeben wurden.

Das neue Verlagsprogramm ist verbunden mit Wilhelm Kotzde-Kottenrodt (1878-1948), der die "Mainzer Volks- und Jugendbücher" (ab 1908), für die der „vaterländische Gedanke“ (2) im Zentrum stand, und das "Vaterländische Bilderwerk" (ab 1912) im Verlag herausgab. Der Volksschullehrer, Schriftsteller und Publizist Wilhelm Kotzde war Mitglied im "Deutschbund", einer frühen und zentralen Organisation der antisemitischen völkischen Bewegung, gründete 1920 die erste Gruppe des völkisch geprägten Jugendbundes "Adler und Falken" und war ein führendes Mitglied des radikal-völkischen Siedlungsbundes der "Artamanen". Er beteiligte sich an dem von Thomas Westerich herausgegebenen "Jugendgeleitbuch Gedenke, daß du ein Deutscher bist" von 1914, "bei dem nahezu die gesamte völkische Prominenz als Autoren versammelt war" (Handbuch, S. 281). Im nationalsozialistischen Reich nahm Kotzde kulturpolitische Funktionen im Rahmen der "Volkstumsarbeit" wahr (Mohr, S. 24 ff.). Aus Privatbriefen nach 1933 geht hervor, dass Kotzde im Führer die Erfüllung seiner Wünsche fand: "Wir aber müssen zum Führer stehen. [...] Wir werden der weißen Menschheit unser Gesetz geben, das Gesetz Luthers, Schillers, Bachs, Goethes, Kants. Und das danken wir allein Hitler." (Mohr, S. 56 ff. Zitat aus einem Brief vom 13. März 1935 auf S. 58) (3)

In der Reihe des "Vaterländischen Bilderwerks" erschienen von Karl Bauer ca. 1913 das Bismarckbuch und 1921 das Schillerbuch. Andere Titel verherrlichen das Preußentum ("Der Große Kurfürst", "Friedrich der Große", mit Bildern von Franz Müller-Münster, 1867-1936), feiern die Befreiungskriege ("Zehn Jahre deutscher Not", 1803-1812; "Frühling und Freiheit", 1813; "Nach Frankreich hinein", 1814-1815, illustriert von Angelo Jank, 1868-1940) und den Sieg über Frankreich 1870/71. Bauer publizierte somit, auch mit seinen Dichterquartetten, in einem nationalistischen und völkischen Kontext, den die genannten Reihen unter dem Mentorat von Kotzde bilden.

Anmerkungen:
(1) Es handelt sich hauptsächlich um "Jugendstilkünstler aus dem Umkreis der Münchener 'Jugend' und der 'Wiener Sezession'" (Kornfeld, S. 148 mit Anm. 512).
(2) "Der Deutsche soll sich fühlen lernen, daß er nicht mehr von fremden Worten sich benebeln läßt, damit er die Stellung in der Welt erringt, die ihm zukommt." (Zitat aus dem Jahr 1913 bei Kornfeld, S. 148f.) - Mit der Broschüre "Vaterländische Erziehung! Eine Antwort auf die Hamburger Rechtfertigung" (Verlag von Jos. Scholz, Mainz, Anfang 1912) wenden sich Herausgeber und Verleger der "Mainzer Volks- und Jugendbücher" gemeinsam gegen die Hamburger Richtung der Reformpädagogik, die sich mit dem Namen Heinrich Wolgast verbindet.
(3) Siehe auch die Programmatik der seit 1927 bestehenden "Wilhelm-Kottenrodt-Gemeinde": Als "Vorkämpfer des Dritten Reichs" feiert Woldemar Alexander Krannhals in seinem Vortrag im "Kampfbund für Deutsche Kultur" zu Dessau den Dichter Kotzde-Kottenrodt (Und deutsch sei die Erde! Der Dichter Wilhelm Kotzde-Kottenrodt und sein Werk. Broschüre der Wilhelm Kottenrodt-Gemeinde 1934). - Ein glühendes Bekenntnis ("Was uns eint") zu Hitler und dem Nationalsozialismus ("Wir sehen im Nationalsozialismus das Lebensgesetz des deutschen Volkes.") in: Der deutsche Wanderer. Zum 65. Geburtstag Wilhelm Kotzde-Kottenrodts am 1. März 1943 (Freiburg i. Br.: Sturmhut Verlag 1943, gleichfalls eine Publikation der Gemeinde), S. 3.

Literatur:
* Bilderfreuden. Die Verlagsproduktion von Jos. Scholz Mainz im 19. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Bibliotheken der Stadt Mainz; 58) Mainz 2010.
* Spiel mit! Papierspiele aus dem Verlag Jos. Scholz Mainz. Mainz: Gutenberg-Museum 2006. ISBN 3-9805506-9-9
* Cornelia Schneider: Die Sammlung „Scholz Mainz“ in der Stadtbibliothek. In: 200 Jahre Stadtbibliothek Mainz. Hg. Von Annelen Ottermann und Stephan Fliedner (Veröffentlichungen der Bibliotheken der Stadt Mainz; 52) Wiesbaden: Harrassowitz 2005, S. 229-234.
* Heike Kornfeld: Die Entwicklung des Druckgewerbes in Mainz vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1816-1914) (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz; 31) Mainz 1999. Kap. 5.6 (grundlegend). ISBN 3-924708-22-3
* Rolf Dörrlamm: Es begann vor 200 Jahren. Festschrift zum Jubiläum der Firma Gutenberg Werk für Bürobedarf in Verbindung mit Skizzen zum kulturhistorischen Umfeld. Mainz: Edition Erasmus (1993). Kap. VI. Belehrung in unterhaltsamer Form. ISBN 3-925131-42-6

Zu Wilhelm Kotzde, dem "Deutschbund", dem Jugendbund "Adler und Falken" und den "Artamanen" vgl. die Einträge in Wikipedia. - Im Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871-1918, hg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht, München: K G Saur 1996, siehe den Beitrag von Dieter Fricke: Der "Deutschbund", S. 328-340, sowie zum "Jugendgeleitbuch", S. 281 mit Anm. 19. - Aufschlussreich das Kapitel "Die Leitfigur 'Vater Kotzde' und seine Weltanschauung" in: Klaus Mohr, Vom Singen und Tanzen im Hohenloher Land. Die Singwochen und Singtreffen von Hanna und Heinrich Mohr de Sylva von 1925-1962. Eine Beschreibung in Wort und Bild nach den im Hause Mohr hinterlassenen Akten und Bildern, Tübingen-Kilchberg 2009. Als PDF-Datei online verfügbar.

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