goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Gedichte der Romantik in Randzeichnungen

Optimiert für Firefox
Stand: Mai 2018

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Gliederung

1. Gedichte und Illustrationen
2. Biographische Hinweise zu den Künstlern
3. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Gedichte und Illustrationen

Vorlage:
Deutsche Dichtungen mit Randzeichnungen Deutscher Künstler. 2 Bde. Hrsg. von der Verlagshandlung Julius Buddeus Düsseldorf [1849-50?]. Berlin, Gropius'sche Kunst- u. Buchhandlung. Druck v. H. Felsing in Darmstadt. London, Hering &. Remington 153 Regentstreet. Höhe: 30, Breite23 cm. - Auswahl von 10 Gedichten., in der Reihenfolge der Vorlage.

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Friedrich Schlegel
Roland's-Lied

Radierung von Alfred Rethel

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Lied wird gesungen,
Kampf dann begunnen,
Wohlauf ihr Gesellen
Froh in Reih'n zu stellen.

Sonne hoch da leuchtet,
Wies' im Thaue feuchtet,
Einer läßt vor allen,
Seine Stimm' wohl schallen.

Wie die weiß' und rothe
Blüth' im Sturm zu Boden,
Also blut't der Ritter
In der Freunde Mitte.

So in rothen Wunden
Alles Leid's gesunder,
Höret wie Roland all
Fiel dort in Roncisvall.

War er da verrathen;
Manchen Schlag doch that er.
Muß in Blute sinken,
Ehrenkranz da findet.

Starb mit ihm Oliver,
Hat er deß hohe Ehr.
Alle seine Starken
Sah' da fallen Karle.

Roland blieb noch eine,
Sah der Mannen keinen,
Noch sein Horn erklungen,
Daß es mitten sprunge.

Lied muß erklingen,
Schlacht dann beginnen,
Höret wie Roland all
Fiel dort in Roncisvall.

Erst in Blut befeuchtet,
Dann im Kranze leuchtet,
Immerdar nun ruht er,
Sitzt auf goldnem Stuhle.

Ist er da bei Gotte,
Für ihn starb er Todes,
Schimmert hoch in Ehren,
Ewig muß das währen.

Wir Sankt Roland bitten,
Führ' in Todes Mitten,
Hell noch scheint die Lanze
Bald in rothem Glanze.

Lied ist nun gesungen,
Kampf wird begunnen.
Gedenkt wie Roland all
Fiel dort in Roncisvall.

Roland. Ein Heldengedicht in Romanzen nach Turpins Chronik. 14. Romanze, Auszug. Aus: Friedrich Schlegel: Gedichte. Berlin: Julius Eduard Hitzig 1809, hier S. 231f. (Digitalisierung durch Google)

Roland ist der berühmteste Held aus dem Sagenkreis von Karl dem Großen und seinen Paladinen. Er soll bei dem Angriff der Vaskonen auf die Nachhut des 778 aus Spanien zurückkehrenden Kaisers Karl sein Leben verloren haben. Die Sage macht ihn zum Neffen Karls und zum Ideal eines christlichen Ritters. Turpin, Benediktinermönch im Kloster St.-Denis, war der Sage nach Karls des Großen Geheimschreiber, Freund und Waffengefährte. Die unter Turpins Namen vorhandene lateinische Chronik über Karls Zug nach Spanien ist eine um 1150 verfasste Fälschung (Pseudo-Turpin).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. 1905–1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003. Hier Bd. 17, S. 64 über Roland und Bd. 19, S. 840 zu Turpin.

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Friedrich von Hardenberg (Novalis)
Lied der Kreuzfahrer

Radierung von Eduard Steinbrück

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Das Grab steht unter wilden Heiden;
Das Grab, worin der Heiland lag,
Muß Frevel und Verspottung leiden
Und wird entheiligt jeden Tag.
Es klagt heraus mit dumpfer Stimme:
»Wer rettet mich von diesem Grimme!«
 
Wo bleiben seine Heldenjünger?
Verschwunden ist die Christenheit!
Wer ist des Glaubens Wiederbringer?
Wer nimmt das Kreuz in dieser Zeit?
Wer bricht die schimpflichsten der Ketten,
Und wird das Heil'ge Grab erretten?

Gewaltig geht auf Land und Meeren
In tiefer Nacht ein heil'ger Sturm;
Die trägen Schläfer aufzustören,
Umbraust er Lager, Stadt und Turm,
Ein Klaggeschrei um alle Zinnen:
»Auf, träge Christen, zieht von hinnen.«

Es lassen Engel aller Orten
Mit ernstem Antlitz stumm sich sehn,
Und Pilger sieht man vor den Pforten
Mit kummervollen Wangen stehn;
Sie klagen mit den bängsten Tönen
Die Grausamkeit der Sarazenen.

Es bricht ein Morgen, rot und trübe,
Im weiten Land der Christen an.
Der Schmerz der Wehmut und der Liebe
Verkündet sich bei jedermann.
Ein jedes greift nach Kreuz und Schwerte
Und zieht entflammt von seinem Herde.

Ein Feuereifer tobt im Heere,
Das Grab des Heilands zu befrein.
Sie eilen fröhlich nach dem Meere,
Um bald auf heil'gem Grund zu sein.
Auch Kinder kommen noch gelaufen
Und mehren den geweihten Haufen.

Hoch weht das Kreuz im Siegspaniere,
Und alte Helden stehn voran.
Des Paradieses sel'ge Türe
Wird frommen Kriegern aufgetan;
Ein jeder will das Glück genießen
Sein Blut für Christus zu vergießen.

Zum Kampf ihr Christen! Gottes Scharen
Ziehn mit in das Gelobte Land.
Bald wird der Heiden Grimm erfahren
Des Christengottes Schreckenshand.
Wir waschen bald in frohem Mute
Das Heilige Grab mit Heidenblute.

Die heilge Jungfrau schwebt, getragen
Von Engeln, ob der wilden Schlacht,
Wo jeder, den das Schwert geschlagen,
In ihrem Mutterarm erwacht.
Sie neigt sich mit verklärter Wange
Herunter zu dem Waffenklange.

Hinüber zu der heilgen Stätte!
Des Grabes dumpfe Stimme tönt!
Bald wird mit Sieg und mit Gebete
Die Schuld der Christenheit versöhnt!
Das Reich der Heiden wird sich enden,
Ist erst das Grab in unsern Händen.

Aus Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Novalis Werke. Hrsg. u. kommentiert von Gerhard Schulz. München: C.H. Beck 1969, S. 169-171.

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Joseph von Eichendorff
Sehnsucht

Radierung von Hermine Stilke

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Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.

Erstdruck: Dichter und ihre Gesellen. Novelle von Joseph von Eichendorff, 1834. 3. Buch, 24. Kapitel. "Im Roman ein Lied der Fiametta, die sich nach ihrer Heimat Italien sehnt. Vorbild sind Goethes Gedichte aus Wilhelm Meisters Lehrjahren: 'Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn' und 'Nur wer die Sehnsucht kennt'." Gedichte der Romantik. Hrsg. von Wolfgang Frühwald. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1984, S. 422.

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Heinrich Heine
Die Wallfahrt nach Kevlaar

Radierung von Karl Andreae

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1

Am Fenster stand die Mutter,
Im Bette lag der Sohn
»Willst du nicht aufstehn, Wilhelm,
Zu schaun die Prozession?«

»Ich bin so krank, o Mutter,
Daß ich nicht hör und seh;
Ich denk an das tote Gretchen,
Da tut das Herz mir weh.« -

»Steh auf, wir wollen nach Kevlaar,
Nimm Buch und Rosenkranz;
Die Mutter Gottes heilt dir
Dein krankes Herze ganz.«

Es flattern die Kirchenfahnen,
Es singt im Kirchenton;
Das ist zu Köllen am Rheine,
Da geht die Prozession.

Die Mutter folgt der Menge,
Den Sohn, den führet sie,
Sie singen beide im Chore:
Gelobt seist du, Marie!

2

Die Mutter Gottes zu Kevlaar
Trägt heut ihr bestes Kleid;
Heut hat sie viel zu schaffen,
Es kommen viel kranke Leut.

Die kranken Leute bringen
Ihr dar, als Opferspend,
Aus Wachs gebildete Glieder,
Viel wächserne Füß und Händ.

Und wer eine Wachshand opfert,
Dem heilt an der Hand die Wund;
Und wer einen Wachsfuß opfert,
Dem wird der Fuß gesund.

Nach Kevlaar ging mancher auf Krücken,
Der jetzo tanzt auf dem Seil,
Gar mancher spielt jetzt die Bratsche,
Dem dort kein Finger war heil.

Die Mutter nahm ein Wachslicht,
Und bildete draus ein Herz.
»Bring das der Mutter Gottes,
Dann heilt sie deinen Schmerz.«

Der Sohn nahm seufzend das Wachsherz,
Ging seufzend zum Heiligenbild;
Die Träne quillt aus dem Auge,
Das Wort aus dem Herzen quillt:

»Du Hochgebenedeite,
Du reine Gottesmagd,
Du Königin des Himmels,
Dir sei mein Leid geklagt!

Ich wohnte mit meiner Mutter
Zu Köllen in der Stadt,
Der Stadt, die viele hundert
Kapellen und Kirchen hat.

Und neben uns wohnte Gretchen,
Doch die ist tot jetzund -
Marie, dir bring ich ein Wachsherz,
Heil du meine Herzenswund.

Heil du mein krankes Herze -
Ich will auch spät und früh
Inbrünstiglich beten und singen:
Gelobst seist du, Marie!«

3

Der kranke Sohn und die Mutter,
Die schliefen im Kämmerlein;
Da kam die Mutter Gottes
Ganz leise geschritten herein.

Sie beugte sich über den Kranken,
Und legte ihre Hand
Ganz leise auf sein Herze,
Und lächelte mild und schwand.

Die Mutter schaut alles im Traume,
Und hat noch mehr geschaut;
Sie erwachte aus dem Schlummer,
Die Hunde bellten so laut.

Da lag dahingestrecket
Ihr Sohn, und der war tot;
Es spielt auf den bleichen Wangen
Das lichte Morgenrot.

Die Mutter faltet die Hände,
Ihr war, sie wußte nicht wie;
Andächtig sang sie leise:
Gelobt seist du, Marie!


Aus Heine: Buch der Lieder / Die Heimkehr. Heinrich Heine. Sämtliche Werke. Hrsg von Klaus Briegleb.  Bd. 1. München: Carl Hanser 1968, S. 163-165.

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Joseph von Eichendorff
Das zerbrochene Ringlein

Radierung von Otto Speckter

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In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Meine Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnet hat.
  
Sie hat mir Treu versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
  
Ich möcht als Spielmann reisen
Weit in die Welt hinaus,
Und singen meine Weisen,
Und gehn von Haus zu Haus.
  
Ich möcht als Reiter fliegen
Wohl in die blutge Schlacht,
Um stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.
  
Hör ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ich will –
Ich möcht am liebsten sterben,
Da wärs auf einmal still!

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Joseph von Eichendorff
Mittagsruh

Radierung von Hermann Kauffmann

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Über Bergen, Fluß und Thalen,
Stiller Lust und tiefen Qualen
Webet heimlich, schillert, Strahlen!
Sinnend ruht des Tag's Gewühle
In der dunkelblauen Schwüle,
Und die ewigen Gefühle,
Was dir selber unbewußt,
Treten heimlich, groß und leise
Aus der Wirrung fester Gleise,
Aus der unbewachten Brust,
In die stillen, weiten Kreise.

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Joseph von Eichendorff
Der Jäger Abschied

Radierung von Johann Wilhelm Schirmer

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Wer hat dich, du schöner Wald,
Aufgebaut so hoch da droben?
Wohl den Meister will ich loben,
So lang noch mein' Stimm' erschallt.
Lebe wohl,
Lebe wohl, du schöner Wald!

Tief die Welt verworren schallt,
Oben einsam Rehe grasen,
Und wir ziehen fort und blasen,
Daß es tausendfach verhallt:
Lebe wohl,
Lebe wohl, du schöner Wald!

Banner, der so kühle wallt!
Unter deinen grünen Wogen
Hast du treu uns auferzogen,
Frommer Sagen Aufenthalt!
Lebe wohl,
Lebe wohl, du schöner Wald!

Was wir still gelobt im Wald,
Wollen's draußen ehrlich halten,
Ewig bleiben treu die Alten:
Deutsch Panier, das rauschend wallt,
Lebe wohl!
Schirm' dich Gott, du schöner Wald!

"Durch Felix Mendelssohn-Bartholdys Vertonung des Gedichts als Chorlied ist der Text so berühmt geworden, dass er schon 1848 zum Standardrepertoire der Männer-Gesangsvereine gehörte, wobei der Textdichter völlig hinter dem Komponisten zurücktrat. Die Dilettantenlyriker des 19. Jahrhunderts schwärmten insbesondere von diesen Chören, die seit 1870 in den deutschen Soldatenliederbüchern weit verbreitet wurden." Gedichte der Romantik. Hrsg. von Wolfgang Frühwald. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1984, S. 417.

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Ludwig Tieck
Schlaflied

Radierung von Ludwig Richter

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Ruhe, Süßliebchen, im Schatten
   Der grünen dämmernden Nacht,
Es säuselt das Gras auf den Matten,
Es fächelt und kühlt dich der Schatten,
   Und treue Liebe wacht.
      Schlafe, schlaf ein,
   Leiser rauschet der Hain -
   Ewig bin ich dein.

Schweigt, ihr versteckten Gesänge,
   Und stört nicht die süßeste Ruh!
Es lauschet der Vögel Gedränge,
Es ruhen die lauten Gesänge,
   Schließ, Liebchen, dein Auge zu.
      Schlafe, schlaf ein,
   Im dämmernden Schein -
   Ich will dein Wächter sein.

Murmelt fort ihr Melodieen,
   Rausche nur, du stiller Bach,
Schöne Liebesphantasieen
Sprechen in den Melodieen,
   Zarte Träume schwimmen nach,
      Durch den flüsternden Hain
   Schwärmen goldene Bienelein,
   Und summen zum Schlummer dich ein.

Aus Tieck: Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence, 1796. Kap. 10: Wie Magelone mit ihrem Ritter entfloh. Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Hrsg. von Marianne Thalmann. Bd. II. München: Winkler o.J., S.141. - Vertont von Johannes Brams, Ludwig Spohr u.a.

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Adelbert von Chamisso
Rede des alten Kriegers Bunte-Schlange im Rathe der Creek-Indianer

Radierung von Henry Ritter

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Im Rat der Creek-Indianer ward der Bote
   Des Präsidenten Jackson vorgelassen;
   Der Brief, den er verlas, enthielt Gebote.
Die Landmark, welche diesseits sie besaßen
   Des Mississippi, sollten gleich sie räumen,
   Und der Entschluß blieb ihnen nur zu fassen.
Und starr und stumm beharrten, wie in Träumen,
   Die Oberhäupter, man vernahm noch lange
   Das Säuseln nur des Windes in den Bäumen.
Da hob sich aus der Männer erstem Range
   Der hundertjährge waffenmüde Greis,
   Ein Nestor seines Volks, der Bunte-Schlange.
Er trat gestützt von Zweien in den Kreis,
   Und wie gespannt ein jeder auf ihn sah,
   Begann er seine Rede klug und weis:
Ihr, meine Brüder, höret selber ja,
   Was unsers großen Vaters Meinung ist;
   Er liebet seine roten Kinder ja.
Er ist sehr gut, – ihr, meine Brüder, wißt,
   Ich habe früher oft sein Wort vernommen –
   Er ist sehr gut, wohl ohne Falsch und List.
Wie erst vom großen Wasser er gekommen,
   Er war sehr klein, er trug ein rotes Kleid,
   Es mocht ihm länger nicht im Boote frommen.
Der weiße Mann tat unsern Brüdern leid;
   Er bat um Land, sein Feuer anzuzünden,
   Und wartete geruhig auf Bescheid.
Er wollte, gab er vor, uns bloß verkünden,
   Was vieles wir zu unserm Glücke brauchten;
   Wir aber wollten uns mit ihm verbünden.
Am Ufer des Savannah-Stromes rauchten
   Die Muskotshihs mit ihm die Friedenspfeife;
   Dort wars, wo in den Wind den Rauch sie hauchten.
Sie machten ihm ein Feuer an; die Steife
   Der Glieder wärmte da der weiße Mann;
   Sie gaben Land ihm, wo nach Wild er schweife.
Er war sehr klein; es feindeten ihn an
   Des Südens blasse Männer, die um Beute
   Sich wider ihn erhoben; Krieg begann.
Für ihn ergriffen unsre jungen Leute
   Den Tomahawk, und gaben ihn nicht bloß
   Dem Messer zu skalpieren, das er scheute.
Und wie darauf er, seines Feindes los,
   Sich unter uns erwärmet und genährt,
   Da wuchs er auf, da ward er riesengroß;
Da hat sein Tritt das Jagdrevier verheert,
   Da hat er überholt die fernsten Horden,
   Und Wald und Flur und See für sich begehrt.
Nach Süden reichte seine Hand und Norden,
   Und seine Stirne zu des Mondes Schild;
   Da ist er unser großer Vater worden.
Zu seinen roten Kindern sprach er mild, –
   Er liebt sie ja: geht weiter, weiter! hört!
   Sonst tret ich euch, so wie im Forst das Wild.
Er stieß sie mit dem Fuße, unerhört!
   Den Oconih hinüber; dann zertrat er
   Die Gräber ihrer Väter ungestört.
Und immer war er unser großer Vater
   Und liebte seine roten Kinder sehr,
   Und ihnen wiederum zu wissen tat er:
Ihr seid mir noch zu nah, entfernt euch mehr.
   Eins war, wie jetzt, schon damals zu bedauern:
   Es fanden Schlechte sich in unserm Heer.
Die sah man um der Väter Gräber trauern,
   Und finstern Sinnes schleichen in die Runde,
   Und um den Fußtritt unsers Vaters lauern.
Und ihre Zähne bissen eine Wunde
   In seinen Fuß; da liebt' er uns nicht minder,
   Doch ward er bös auf uns zur selben Stunde.
Da trieb er mit Kanonen uns geschwinder,
   Weil träg er uns und ungelehrig fand:
   Und dennoch liebt' er seine roten Kinder. -
Wie unsern großen Vater ich verstand,
   Am Tag er zu uns sprach im Zorne sein:
   Geht weiter abwärts, dort ist schönes Land;
So sprach er auch: dies Land soll euer sein,
   So lang ihm nicht des Himmels Tau gebricht,
   So lang es grünet in der Sonne Schein.
Gehöret hab ich, was er heute spricht;
   Er spricht: das Land, das ihr zur Zeit bewohnet,
   Nicht euer ist es, es gehört euch nicht.
Durchkreuzt den Missisippi, drüben lohnet
   Das Wild dem Jäger, euch gehört der Ort;
   Wohnt dort, so lang die Sonn am Himmel thronet.
Wird unser großer Vater nicht auch dort
   Zu uns hinüberreichen? – Nein, er sagt,
   Er werde nicht, und Wahrheit ist sein Wort. –
Ihr Brüder, unser großer Vater klagt,
   Daß unsre schlechten Menschen ihn betrübt,
   Mit Mord an einen Weißen sich gewagt. –
Wo sind die roten Kinder, die er liebt?
   So zahlreich wie im Walde sonst das Laub,
   Wie kommts, daß ihre Zahl wie Laub zerstiebt?
Ach! seinen weißen Kriegern sind zum Raub
   Gar viele worden, viele sind erschlagen,
   Und viele trat sein Fuß selbst in den Staub.
Ich habe, Brüder, weiter nichts zu sagen.

Adelbert von Chamisso: Werke in zwei Bänden. Hrsg. von Werner Feudel u. Christel Laufer. Leipzig: Insel-Verlag Anton Kippenberg 1980. Hier Bd. 1, S. 753. Versmaß: Terzinen. - Zum geschichtlichen Zusammenhang vgl. die Artikel Muskogee (Volk) und Creek-Krieg (1836) in Wikipedia, der freien Enzyklopädie 

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Ludwig Tieck
Wohl dem Mann, der in der Stille ...

Radierung von Ludwig Richter

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Wohl dem Mann, der in der Stille
   Seine kleine Herde führt,
Weit von Menschen, in der Hülle
   Dunkler Bäume sie regiert.

Wo er wohnet, sind die Götter,
   Sitzen bei dem kleinen Mahl,
Ewig sonnt ihn Frühlingswetter,
   Fern von ihm die rege Qual,

Die mit ihren schwarzen Flügeln
   Um den Unzufriednen schwärmt,
Daß er sich von Tal zu Hügeln
   Und von Hügeln talwärts härmt.

Aber hier ist Abendröte
   Widerschein von Morgenrot,
Und die kleine Schäferflöte
   Klinget bis zu unserm Tod.

 Aus Tieck: Die verkehrte Welt. Ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen, 1798. Zweiter Akt, Erste Szene. Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Hrsg. von Marianne Thalmann. Bd. II. München: Winkler o.J., S.288.

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2. Biographische Hinweise zu den Künstlern

Andreae, Karl (Christian), Maler, Zeichner und Radierer, geboren 3. 2. 1823 in Mühlheim a. R. 1839–1844 Schüler von Karl Sohn und Schadow an der Düsseldorfer Akademie. 1845–1849 in Rom, wo er zu Steinle, Overbeck und besonders zu Cornelius in andauernde freundschaftliche Beziehung trat. Nach einem längeren Aufenthalt in Berlin kehrte er für mehrere Jahre wieder nach Italien zurück. 1857–1881 lebte Andreae in Dresden und gründete dort 1859 den Verein für christliche Kunst. Nach dem Tode seiner Eltern 1881 übernahm er den Familienbesitz Helenaberg bei Sinzig a. d. Ahr, und entfaltete von dort aus bis zu seinem Tode am 23. 5. 1904 eine umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiete der monumentalen kirchlichen Malerei. (Thieme-Becker)

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Kauffmann, Hermann, der Ältere, Maler, Radierer u. Lithograph, geb. 7. 11. 1808 in Hamburg, gestorben 24.5.1889 ebenda. Begann seine künstlerische Lehrzeit 1824 bei Gerdt Hardorff d. Ä. Neben dem Zeichnen nach Gips und ersten Malversuchen machte er zusammen mit G. Haeselich Naturstudien im Freien. Schon 1826 stellte er im Kunstverein erstmalig 5 Arbeiten aus. Über Dresden u. Nürnberg, wo er Joh. Ad. Klein kennenlernte, zog Kauffmann 1827 nach München. Hier traf er sich mit seinen Landsleuten G. Haeselich, J. Gensler, Fr. Heesche u. Chr. Morgenstern zu gemeinsamen Arbeit auf der Akademie und im Freien. 1833 musste er häuslicher Verhältnisse wegen heimkehren. In Hamburg schloss sich Kauffmann dem neugegründeten Künstlerverein an und blieb, bis zu seinem Tode unermüdlich tätig, in Hamburg ansässig. 1843 besuchte er auf Anregung des Fürsten Colloredo Norwegen, 1856 den Schwarzwald, seit der Niederlassung seines Sohnes Hugo in München und Prien (1871) auch das oberbayr. Hochland.

In seinen frühesten Arbeiten reiner Landschafter (wie Haeselich; J. Gensler, Morgenstern), wendet er sich unter dem Einfluss der Münchner Sittenschilderer Bürkel, Hess, Wagenbauer der Darstellung bäuerlicher und ländlicher Volksszenen zu. Die beim Publikum beliebten bayr. Motive verlieren sich auch nicht in seiner späteren Produktion. Vor allem aber wählte er seine Vorwürfe aus Holstein, von der Wasserkante und aus der Heide und wurde der bedeutendste Vertreter dieses Faches in Norddeutschland. Bemerkenswert sind die scharfe Beobachtung, das sichere Können und der echte Stimmungscharakter seiner Bilder. In seinen Radierungen kehren die Motive seiner Bilder wieder. Genannt seien die Blätter: Dorfpartie an einem Teich mit Figuren, und: Mittagsruhe (zu Eichendorffs Liedern und Bildern, Düsseldorf 1843). 1845 entstanden, wohl durch Richter oder O. Speckter angeregt, einige Lithographien mit Darstellungen aus dem Volksleben. (Thieme-Becker)

***

Rethel, Alfred, Maler, geb. 15. Mai 1816 in Haus Diepenbend bei Aachen, gest. 1. Dez. 1859 in Düsseldorf, bildete sich auf der Akademie in Düsseldorf unter W. Schadow, begab sich aber, weil der auf der Akademie herrschende Geist nicht seiner strengeren Richtung entsprach, 1836 nach Frankfurt a. M., wo er sich an Ph. Veit und Steinle, später an Schwind anschloss.

Nachdem er, aus einer Konkurrenz als Sieger hervorgegangen, vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen den Auftrag erhalten, im Kaisersaal zu Aachen acht Fresken aus dem Leben Karls des Großen auszuführen, und die Entwürfe dazu vollendet hatte, ging er 1844-45 nach Italien, wo er eine Auferstehung Christi für die Nikolaikirche in Frankfurt malte. Von 1847-51 führte er während der Sommermonate vier der Fresken aus (Kaiser Otto in der Gruft Karls des Großen, Sturz der Irminsäule, Maurenschlacht bei Córdova, Einzug in Pavia), kam aber nicht zur Vollendung der übrigen, da ihn eine Nervenkrankheit befiel, von der er 1852-53 vergebens in Italien Heilung suchte. Er starb in völliger Geisteszerrüttung.

Die Fresken in Aachen hat Kehren nach Rethels Entwürfen vollendet. An Größe des Stiles und an Energie des Ausdrucks kommen ihnen gleich die Zyklen: der Hannibalzug (1842-44, in Holzschnitt ausgeführt von H. Bürkner, 1875), und: Auch ein Totentanz, aus dem Jahre 1848, mit erklärendem Text von R. Reinick (zuerst als Bilderbogen herausgegeben, oftmals neu gedruckt).

Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905-1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 164.422f. Redigiert und gekürzt, Absätze eingefügt.

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Richter, Ludwig, Maler, Radierer, Zeichner für Holzschnitt und andere Illustrationsmedien, geboren 28. 9. 1803 Dresden, gestorben 19. 6. 1884 ebda. Empfing Unterricht im Zeichnen und Radieren vom Vater. 1820/21 begleitete er sieben Monate lang den russ. Fürsten Narischkin als Zeichner nach Südfrankreich. Italienreise 1823/26. 1828/35 lebte Richter in Meißen als Zeichenlehrer an der Porzellanmanufaktur, dann bis an sein Ende in Dresden als Professor (Nachfolger seines Vaters) an der Kunstakademie (pensioniert 1876). Richter entwickelte sich zu einem führenden, äußerst beliebten und erfolgreichen Illustrator. (Thieme-Becker)

***

Ritter, Henry, Genremaler und Lithograph, geboren 24. 5. 1816 in Montreal (Kanada), gestorben 24. 2. 1853 in Düsseldorf, Sohn eines in der englischen Armee als Offizier dienenden Hannoveraners und einer Engländerin. Kam jung nach Hamburg, hier Schüler Grögers, besuchte 1836 ff. die Düsseldorfer Akademie (Karl Friedrich Sohn). Schloss sich Rudolf Jordan an, dessen Stoffgebiet (Szenen aus dem Seemannsleben) er übernahm. – Lithographische Folgen: Schattenseiten Düsseldorfer Maler usw., 1845 (zusammen mit Camphausen); Deutsche Sprichwörter … in Bildern und Gedichten, o. J.; Politischer Struwelpeter, 1849. – Illustrationen für die „Düsseldorfer Monatshefte“. (Thieme-Becker)

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Schirmer, Johann Wilhelm, Landschaftsmaler, Radierer und Lithograph, geboren 7. 9. 1807 Jülich, gestorben 11. 9. 1863 Karlsruhe. Seit 1825 Schüler der Akademie Düsseldorf (Kolbe, Schadow). 1827 gemeinsame Landschaftsstudien mit K. F. Lessing. 1839/40 in Italien, 1851 in Südfrankreich. 1840/54 Lehrer an der Akademie Düsseldorf, 1854/63 Leiter der neu gegründeten Kunstschule in Karlsruhe. Bedeutend durch seine Landschaftsbilder. (Thieme-Becker)

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Speckter, Otto, geboren 9. November 1807 in Hamburg, gestorben 29. April 1871 in Hamburg, war ein deutscher Maler, Illustrator und Lithograph.

Otto Speckter war der Sohn von Johannes Michael Speckter, dessen lithographische Anstalt er 1834 übernahm, und der Bruder von Erwin Speckter. Er machte sich zuerst durch Lithographien (mehr als 1.000 Bildnisse) bekannt. Seine Neigungen gehörten der Schilderung des Tierlebens und der Illustration, vor allem von Kinderbüchern ("der norddeutsche Richter"). So illustrierte er Luthers "Kleinen Katechismus", Adolf Böttgers "Pilgerfahrt der Blumengeister", August G. Eberhards "Hannchen und die Küchlein", Klaus Groths "Quickborn", Fritz Reuters "Hanne Nüte", Theodor Storms Novelle "Abseits", Märchen wie "Brüderchen und Schwesterchen" oder den "Gestiefelten Kater" u.a.m. Die größte Verbreitung fanden seine Bilder zu Wilhelm Heys "50 Fabeln für Kinder". Daneben hat er eine Fülle von Gelegenheitsblättern gezeichnet.

Quellen: Artikel "Otto Speckter" in Wikipedia, der freien Exnzyklopädie; Thieme / Becker; Ries.

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Steinbrück, Eduard, Maler, geboren 2. 5. 1802 Magdeburg, gestorben 3. 2. 1882 Landeck i. Schles. Studierte seit 1822 in Berlin, 1829 in Düsseldorf, November 1829/Juli 1830 in Rom. 1830/33 in Berlin, dann in Düsseldorf, vorübergehend in Frankfurt a. M., 1846/76 in Berlin ansässig, seitdem in Landeck. Seit 1841 Mitglied der Berliner Akad., 1854 Professor. 1858 Übertritt zum Katholizismus. (Thieme-Becker)

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Stilke, Hermine, geb. Peipers, Zeichnerin und Blumenmalerin, geboren 3. 3. 1804 Eupen, gestorben 23. 5. 1869 Berlin. Leitete in Berlin eine private Zeichenschule für Damen. Zeichnete Buchschmuck: Initialen, Arabesken und Randleisten. – Illustrationswerke: Das Jahr in Blüten und Blättern. Mit Orig.-Gedichten von E. Geibel und Gust. zu Putlitz, 1864; Eine Reise in Bildern. Mit Benutzung von Photographien entworfen und in 15 chromolith. Illustr. ausgeführt, 1866; Die christlichen Feste (mit poet. Texten von Gerok, Rückert, Spitta), 1866; Blumen der Liebe. Lyrische Dichtungen, 1868; Im Frühling. Lenzlieder von verschiedenen Dichtern, 1869 u.a. (Thieme-Becker)

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Randzeichnungen zu Gedichten Ludwig Uhlands aus demselben Werk:

http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6412

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