goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Goethes Geburtshaus in Frankfurt a.M.
auf alten Postkarten

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Eingestellt: März 2017
Stand: April 2020

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Das Geburtshaus und das Leben im Hirschgraben in Frankfurt hat Goethe in "Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit" ausführlich beschrieben. Das Goethezeitportal gibt die Memoiren im Auszug wieder und ergänzt sie durch fast 60 Ansichten auf Postkarten: 25 Außenansichten des Goethehauses vor und nach dem Umbau 1755 sowie dem "Höfchen" mit dem "Prinzessinnenbrunnen", 6 Ansichten des Erdgeschosses, mit Hausflur, Wohnstube bzw. Speisezimmer und der Küche, 11 Ansichten des ersten Stockes, mit Aufgang, Musikzimmer, "Staatszimmer" und den Thorancbildern, 8 Ansichten des zweiten Stockes mit Geburtszimmer, dem Zimmer der Mutter, Frau Rat Goethe, dem Gemäldekabinett und dem Studierzimmer bzw. der Bibliothek des Herrn Rat, 7 Ansichten des dritten Stockes mit Goethes Arbeitszimmer, auch "Dichterzimmer" genannt. Ergänzend werden Postkarten der alten Museumsräume gezeigt.

Im Text bzw. Bild vorgeführt werden ferner einzelne Vorkommnisse wie die Anekdote von den mecklenburgischen Prinzessinnen, späteren Königinnen von Hannover und Preußen, am Brunnen im Innenhof; der Musikunterricht und der Umgang mit dem Königsleutnant Graf Thoranc, der während seiner Einquartierung in Goethes Vaterhaus im Zuge des Siebenjährigen Krieges die Frankfurter Maler um sich scharte, bei Ihnen Bilder in Auftrag gab und kaufte - ein künstlerisches Leben und Treiben, an dem der junge Goethe lebhaften Anteil nahm.

Skizziert wird das Schicksal von Goethes Geburtshaus bis zum Kauf durch das Freie Deutsche Hochstift 1863 und seiner Einrichtung als Memorialstätte. Ernst Beutler, 1925 zum Direktor des Freien Deutschen Hochstifts und Leiter des Goethemuseums berufen, konzipierte das Frankfurter Goethemuseum als "Versuch einer, freilich höchst bruchstückhaften, Biographie in Bildern". Der sinnliche Eindruck des Hauses mit seinen Bildern und Gegenständen stand am Anfang und sollte zur Beschäftigung mit dem Werk Goethes führen. Da nur wenige Ausstattungsgegenstände der Familie Goethe überliefert sind, musste man diese überkommenen Originale mit geschenkten und angekauften goethezeitlichen Objekten kombinieren. Wie Ausstattungsstücke immer wieder ausgetauscht und damit ein überzeugender zeittypischer "Originalstil" fürs Goethehaus zu erreichen versucht wurde, wird im Vergleich der Ansichten deutlich und am Beispiel von Goethes Arbeitszimmer thematisiert.

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Zur Geschichte des Gebäudes

Nach dem Abbruch der Frankfurter Stadtmauer zwischen Katharinenpforte und Weißfrauenkloster 1552 wurde der Hirschgraben, in dem man bis dahin die Hirsche für das öffentliche Ratsessen und andere Gelage bereit hielt, aufgefüllt und nach dem Protokoll der Rechenmeister die erste Platzverteilung anfangs August 1586 vorgenommen. In Goethes Kindheit gehörte der Große Hirschgraben zwar nicht zu den bewegtesten, jedoch auch nicht zu den stillen Straßen der Stadt. Es wohnten damals mehrere reiche und angesehene Familien, daneben aber auch Geschäftsleute hier.

Im Jahre 1733 kaufte Goethes Großmutter, Cornelia Goethe (1668-1754), die Witwe des Gasthalters Friedrich Georg Goethe (1657-1730), als Wohnsitz für sich und ihren Sohn Johann Caspar zwei gotische Häuser am Großen Hirschgraben, die etwa 1590 errichtet worden waren. In dem südlichen, größeren von ihnen wurde Johann Wolfgang Goethe am 28. August 1749 geboren. Als er sechs Jahre alt war (Frühjahr 1755 - Frühjahr 1756), vereinigte sein Vater, der Kaiserliche Rat Johann Caspar Goethe, die beiden Häuser zu einem.

Quellen
Oberer Abschnitt: Goethe-Handbuch. Hrsg. von Julius Zeitler. Bd. II. Stuttgart: Metzler 1917, S. 98.
Unterer Abschnitt: Das Goethe-Haus in Frankfurt am Main. Zehnte, erweiterte Auflage, auf Grund des Textes von Ernst Beutler. Frankfurt: Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum 1978, S. 3.

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Modell des Goethehauses vor dem Umbau 1775

Über das "Geräms", das im Modell deutlich zu sehen ist, schreibt Goethe im Brief an Graf Reinhard vom 13. Februar:

Was das Geräms betrifft, wornach Sie fragen, so kann man, wie Sie schon vermuthen, sich den Ursprung desselben am ersten denken, wenn man sich vorstellt, wie zur Sommerszeit Bürgersleute Stühle und Bänke vor ihre Häuser setzten, wo sie unter den weit vorspringenden Überhängen der oberen Stockwerke, sogar bei einem mäßigen Regen, ruhig sitzen konnten. Hatte man so durch gedachte Überhänge und durch das oben vorspringende Dach schon in die Rechte der Straße gleichsam Eingriffe gethan, so lag es, besonders in weniger polizeilichen Zeiten, ganz nahe, sich einen hölzernen Käfich herauszubauen, um nicht den Augen jedes Vorübergehenden ausgesetzt zu seyn. Dieses Geräms war wirklich meistenteils oben offen, weil es von jenen Überhängen genügsam bedacht war. Es hing durch eine besondere Thüre mit dem Hausflur zusammen, welche Nachts ebenso sorgfältig als die Hausthüre selbst verschlossen wurde. Dieses Geräms war für die Familie um so wichtiger, als man in jenen Zeiten oft die Küchen nach der Straße zu, die Zimmer aber nach den Höfen zu anlegte, wodurch die Häuser sämtlich eine burgartige Gestalt erhielten und man nur durch das gedachte Geräms eine gewisse Communication mit der Straße und dem Öffentlichen gewann.

Quelle:
Die Stadt Goethes. Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. Nachdruck der Auflage von 1932. Frankfurt a.M.: Weidlich Reprints 1982, Modell S. 371 und Schutzumschlag; über das Geräms Zitat S. 375.

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Goethe über sein Vaterhaus
vor und nach dem Umbau

Wenn man sich erinnern will, was uns in der frühsten Zeit der Jugend begegnet ist, so kommt man oft in den Fall dasjenige, was wir von andern gehört, mit dem zu verwechseln, was wir wirklich aus eigner anschauender Erfahrung besitzen. Ohne also hierüber eine genaue Untersuchung anzustellen, welche ohnehin zu nichts führen kann, bin ich mir bewusst, dass wir in einem alten Hause wohnten, welches eigentlich aus zwei durchgebrochenen Häusern bestand. Eine turmartige Treppe führte zu unzusammenhängenden Zimmern, und die Ungleichheit der Stockwerke war durch Stufen ausgeglichen. Für uns Kinder, eine jüngere Schwester und mich, war die untere weitläuftige Hausflur der liebste Raum, welche neben der Türe ein großes hölzernes Gitterwerk hatte, wodurch man unmittelbar mit der Straße und der freien Luft in Verbindung kam. Einen solchen Vogelbauer, mit dem viele Häuser versehen waren, nannte man ein Geräms. Die Frauen saßen darin, um zu nähen und zu stricken; die Köchin las ihren Salat; die Nachbarinnen besprachen sich von daher miteinander, und die Straßen gewannen dadurch in der guten Jahrszeit ein südliches Ansehen. Man fühlte sich frei, indem man mit dem Öffentlichen vertraut war. So kamen auch durch diese Gerämse die Kinder mit den Nachbarn in Verbindung [...].

Meines Vaters Mutter, bei der wir eigentlich im Hause wohnten, lebte in einem großen Zimmer hinten hinaus, unmittelbar an der Hausflur, und wir pflegten unsere Spiele bis an ihren Sessel, ja, wenn sie krank war, bis an ihr Bett hin auszudehnen. Ich erinnere mich ihrer gleichsam als eines Geistes, als einer schönen, hagern, immer weiß und reinlich gekleideten Frau. Sanft, freundlich, wohlwollend ist sie mir im Gedächtnis geblieben.

Wir hatten die Straße, in welcher unser Haus lag, den Hirschgraben nennen hören; da wir aber weder Graben noch Hirsche sahen, so wollten wir diesen Ausdruck erklärt wissen. Man erzählte sodann, unser Haus stehe auf einem Raum, der sonst außerhalb der Stadt gelegen, und da, wo jetzt die Straße sich befinde, sei ehmals ein Graben gewesen, in welchem eine Anzahl Hirsche unterhalten worden. Man habe diese Tiere hier bewahrt und genährt, weil nach einem alten Herkommen der Senat alle Jahre einen Hirsch öffentlich verspeiset, den man denn für einen solchen Festtag hier im Graben immer zur Hand gehabt, wenn auch auswärts Fürsten und Ritter der Stadt ihre Jagdbefugnis verkümmerten und störten, oder wohl gar Feinde die Stadt eingeschlossen oder belagert hielten. Dies gefiel uns sehr, und wir wünschten, eine solche zahme Wildbahn wäre auch noch bei unsern Zeiten zu sehen gewesen.

Die Hinterseite des Hauses hatte, besonders aus dem oberen Stock, eine sehr angenehme Aussicht über eine beinah unabsehbare Fläche von Nachbarsgärten, die sich bis an die Stadtmauern verbreiteten. Leider aber war, bei Verwandlung der sonst hier befindlichen Gemeindeplätze in Hausgärten, unser Haus und noch einige andere, die gegen die Straßenecke zu lagen, sehr verkürzt worden, indem die Häuser vom Rossmarkt her weitläufige Hintergebäude und große Gärten sich zueigneten, wir aber uns durch eine ziemlich hohe Mauer unsres Hofes von diesen so nah gelegenen Paradiesen ausgeschlossen sahen.

Im zweiten Stock befand sich ein Zimmer, welches man das Gartenzimmer nannte, weil man sich daselbst durch wenige Gewächse vor dem Fenster den Mangel eines Gartens zu ersetzen gesucht hatte. Dort war, wie ich heranwuchs, mein liebster, zwar nicht trauriger, aber doch sehnsüchtiger Aufenthalt. Über jene Gärten hinaus, über Stadtmauern und Wälle sah man in eine schöne fruchtbare Ebene; es ist die, welche sich nach Höchst hinzieht. Dort lernte ich Sommerszeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die Gewitter ab, und konnte mich an der untergehenden Sonne, gegen welche die Fenster gerade gerichtet waren, nicht satt genug sehen. Da ich aber zu gleicher Zeit die Nachbarn in ihren Gärten wandeln und ihre Blumen besorgen, die Kinder spielen, die Gesellschaften sich ergetzen sah, die Kegelkugeln rollen und die Kegel fallen hörte: so erregte dies frühzeitig in mir ein Gefühl der Einsamkeit und einer daraus entspringenden Sehnsucht, das, dem von der Natur in mich gelegten Ernsten und Ahndungsvollen entsprechend, seinen Einfluss gar bald und in der Folge noch deutlicher zeigte.

Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen düstere Beschaffenheit des Hauses war übrigens geeignet, Schauer und Furcht in kindlichen Gemütern zu erwecken. Unglücklicherweise hatte man noch die Erziehungsmaxime, den Kindern frühzeitig alle Furcht vor dem Ahnungsvollen und Unsichtbaren zu benehmen und sie an das Schauderhafte zu gewöhnen. Wir Kinder sollten daher allein schlafen, und wenn uns dieses unmöglich fiel, und wir uns sacht aus den Betten hervormachten und die Gesellschaft der Bedienten und Mägde suchten, so stellte sich, in umgewandtem Schlafrock und also für uns verkleidet genug, der Vater in den Weg und schreckte uns in unsere Ruhestätte zurück. Die daraus entspringende üble Wirkung denkt sich jedermann. Wie soll derjenige die Furcht los werden, den man zwischen ein doppeltes Furchtbare einklemmt? Meine Mutter, stets heiter und froh, und andern das gleiche gönnend, erfand eine bessere pädagogische Auskunft. Sie wusste ihren Zweck durch Belohnungen zu erreichen. Es war die Zeit der Pfirschen, deren reichlichen Genuss sie uns jeden Morgen versprach, wenn wir nachts die Furcht überwunden hätten. Es gelang, und beide Teile waren zufrieden.

Innerhalb des Hauses zog meinen Blick am meisten eine Reihe römischer Prospekte auf sich, mit welchen der Vater einen Vorsaal ausgeschmückt hatte, gestochen von einigen geschickten Vorgängern des Piranesi, die sich auf Architektur und Perspektive wohl verstanden, und deren Nadel sehr deutlich und schätzbar ist. Hier sah ich täglich die Piazza del Popolo, das Coliseo, den Petersplatz, die Peterskirche von außen und innen, die Engelsburg und so manches andere. Diese Gestalten drückten sich tief bei mir ein, und der sonst sehr lakonische Vater hatte wohl manchmal die Gefälligkeit, eine Beschreibung des Gegenstandes vernehmen zu lassen. Seine Vorliebe für die italienische Sprache und für alles, was sich auf jenes Land bezieht, war sehr ausgesprochen. Eine kleine Marmor- und Naturaliensammlung, die er von dorther mitgebracht, zeigte er uns auch manchmal vor, und einen großen Teil seiner Zeit verwendete er auf seine italienisch verfasste Reisebeschreibung, deren Abschrift und Redaktion er eigenhändig, heftweise, langsam und genau ausfertigte. Ein alter heiterer italienischer Sprachmeister, Giovinazzi genannt, war ihm daran behülflich. Auch sang der Alte nicht übel, und meine Mutter musste sich bequemen, ihn und sich selbst mit dem Klaviere täglich zu akkompagnieren; da ich denn das »Solitario bosco ombroso« bald kennen lernte, und auswendig wusste, ehe ich es verstand. [...]

Solange die Großmutter lebte, hatte mein Vater sich gehütet, nur das mindeste im Hause zu verändern oder zu erneuern; aber man wusste wohl, dass er sich zu einem Hauptbau vorbereitete, der nunmehr auch sogleich vorgenommen wurde. In Frankfurt, wie in mehrern alten Städten, hatte man bei Aufführung hölzerner Gebäude, um Platz zu gewinnen, sich erlaubt, nicht allein mit dem ersten, sondern auch mit den folgenden Stocken überzubauen; wodurch denn freilich besonders enge Straßen etwas Düsteres und Ängstliches bekamen. Endlich ging ein Gesetz durch, dass, wer ein neues Haus von Grund auf baue, nur mit dem ersten Stock über das Fundament herausrücken dürfe, die übrigen aber senkrecht aufführen müsse. Mein Vater, um den vorspringenden Raum im zweiten Stock auch nicht aufzugeben, wenig bekümmert um äußeres architektonisches Ansehen, und nur um innere gute und bequeme Einrichtung besorgt, bediente sich, wie schon mehrere vor ihm getan, der Ausflucht, die oberen Teile des Hauses zu unterstützen und von unten herauf einen nach dem andern wegzunehmen, und das Neue gleichsam einzuschalten, so dass, wenn zuletzt gewissermaßen nichts von dem Alten übrig blieb, der ganz neue Bau noch immer für eine Reparatur gelten konnte. Da nun also das Einreißen und Aufrichten allmählich geschah, so hatte mein Vater sich vorgenommen, nicht aus dem Hause zu weichen, um desto besser die Aufsicht zu führen und die Anleitung geben zu können: denn aufs Technische des Baues verstand er sich ganz gut; dabei wollte er aber auch seine Familie nicht von sich lassen. Diese neue Epoche war den Kindern sehr überraschend und sonderbar. Die Zimmer, in denen man sie oft enge genug gehalten und mit wenig erfreulichem Lernen und Arbeiten geängstigt, die Gänge, auf denen sie gespielt, die Wände, für deren Reinlichkeit und Erhaltung man sonst so sehr gesorgt, alles das vor der Hacke des Maurers, vor dem Beile des Zimmermanns fallen zu sehen, und zwar von unten herauf, und indessen oben auf unterstützten Balken gleichsam in der Luft zu schweben, und dabei immer noch zu einer gewissen Lektion, zu einer bestimmten Arbeit angehalten zu werden – dieses alles brachte eine Verwirrung in den jungen Köpfen hervor, die sich so leicht nicht wieder ins gleiche setzen ließ. Doch wurde die Unbequemlichkeit von der Jugend weniger empfunden, weil ihr etwas mehr Spielraum als bisher und manche Gelegenheit, sich auf Balken zu schaukeln und auf Brettern zu schwingen, gelassen ward.

Hartnäckig setzte der Vater die erste Zeit seinen Plan durch; doch als zuletzt auch das Dach teilweise abgetragen wurde, und, ohngeachtet alles übergespannten Wachstuches von abgenommenen Tapeten, der Regen bis zu unsern Betten gelangte: so entschloss er sich, obgleich ungern, die Kinder wohlwollenden Freunden, welche sich schon früher dazu erboten hatten, auf eine Zeitlang zu überlassen und sie in eine öffentliche Schule zu schicken. [...]

Das Haus war indessen fertig geworden, und zwar in ziemlich kurzer Zeit, weil alles wohl überlegt, vorbereitet und für die nötige Geldsumme gesorgt war. Wir fanden uns nun alle wieder versammelt und fühlten uns behaglich: denn ein wohlausgedachter Plan, wenn er ausgeführt dasteht, lässt alles vergessen, was die Mittel, um zu diesem Zweck zu gelangen, Unbequemes mögen gehabt haben. Das Haus war für eine Privatwohnung geräumig genug, durchaus hell und heiter, die Treppe frei, die Vorsäle luftig, und jene Aussicht über die Gärten aus mehrern Fenstern bequem zu genießen. Der innere Ausbau, und was zur Vollendung und Zierde gehört, ward nach und nach vollbracht, und diente zugleich zur Beschäftigung und zur Unterhaltung.

Das erste, was man in Ordnung brachte, war die Büchersammlung des Vaters, von welcher die besten, in Franz- oder Halbfranzband gebundenen Bücher die Wände seines Arbeits- und Studierzimmers schmücken sollten. Er besaß die schönen holländischen Ausgaben der lateinischen Schriftsteller, welche er der äußern Übereinstimmung wegen sämtlich in Quart anzuschaffen suchte; sodann vieles, was sich auf die römischen Antiquitäten und die elegantere Jurisprudenz bezieht. Die vorzüglichsten italienischen Dichter fehlten nicht, und für den Tasso bezeigte er eine große Vorliebe. Die besten neusten Reisebeschreibungen waren auch vorhanden, und er selbst machte sich ein Vergnügen daraus, den Keyßler und Nemeiz zu berichtigen und zu ergänzen. Nicht weniger hatte er sich mit den nötigsten Hülfsmitteln umgeben, mit Wörterbüchern aus verschiedenen Sprachen, mit Reallexiken, dass man sich also nach Belieben Rats erholen konnte, so wie mit manchem andern, was zum Nutzen und Vergnügen gereicht.

Die andere Hälfte dieser Büchersammlung, in saubern Pergamentbänden mit sehr schön geschriebenen Titeln, ward in einem besondern Mansardzimmer aufgestellt. Das Nachschaffen der neuen Bücher, so wie das Binden und Einreihen derselben, betrieb er mit großer Gelassenheit und Ordnung. Dabei hatten die gelehrten Anzeigen, welche diesem oder jenem Werk besondere Vorzüge beilegten, auf ihn großen Einfluss. Seine Sammlung juristischer Dissertationen vermehrte sich jährlich um einige Bände.

Zunächst aber wurden die Gemälde, die sonst in dem alten Hause zerstreut herumgehangen, nunmehr zusammen an den Wänden eines freundlichen Zimmers neben der Studierstube, alle in schwarzen, mit goldenen Stäbchen verzierten Rahmen, symmetrisch angebracht. Mein Vater hatte den Grundsatz, den er öfters und sogar leidenschaftlich aussprach, dass man die lebenden Meister beschäftigen, und weniger auf die abgeschiedenen wenden solle, bei deren Schätzung sehr viel Vorurteil mit unterlaufe. Er hatte die Vorstellung, dass es mit den Gemälden völlig wie mit den Rheinweinen beschaffen sei, die, wenn ihnen gleich das Alter einen vorzüglichen Wert beilege, dennoch in jedem folgenden Jahre ebenso vortrefflich als in den vergangenen könnten hervorgebracht werden. Nach Verlauf einiger Zeit werde der neue Wein auch ein alter, ebenso kostbar und vielleicht noch schmackhafter. In dieser Meinung bestätigte er sich vorzüglich durch die Bemerkung, dass mehrere alte Bilder hauptsächlich dadurch für die Liebhaber einen großen Wert zu erhalten schienen, weil sie dunkler und bräuner geworden, und der harmonische Ton eines solchen Bildes öfters gerühmt wurde. Mein Vater versicherte dagegen, es sei ihm gar nicht bange, dass die neuen Bilder künftig nicht auch schwarz werden sollten; dass sie aber gerade dadurch gewonnen, wollte er nicht zugestehen.

Nach diesen Grundsätzen beschäftigte er mehrere Jahre hindurch die sämtlichen Frankfurter Künstler: den Maler Hirt, welcher Eichen- und Buchenwälder und andere sogenannte ländliche Gegenden sehr wohl mit Vieh zu staffieren wusste; desgleichen Trautmann, der sich den Rembrandt zum Muster genommen, und es in eingeschlossenen Lichtern und Widerscheinen, nicht weniger in effektvollen Feuersbrünsten weit gebracht hatte, so dass er einstens aufgefordert wurde, einen Pendant zu einem Rembrandtischen Bilde zu malen; ferner Schütz, der auf dem Wege des Sachtleben [Hermann Sachtleben, 1609-1685] die Rheingegenden fleißig bearbeitete; nicht weniger Junckern, der Blumen- und Fruchtstücke, Stillleben und ruhig beschäftigte Personen, nach dem Vorgang der Niederländer, sehr reinlich ausführte. Nun aber ward durch die neue Ordnung, durch einen bequemern Raum, und noch mehr durch die Bekanntschaft eines geschickten Künstlers die Liebhaberei wieder angefrischt und belebt. Dieses war Seekatz, ein Schüler von Brinckmann, darmstädtischer Hofmaler, dessen Talent und Charakter sich in der Folge vor uns umständlicher entwickeln wird.

Man schritt auf diese Weise mit Vollendung der übrigen Zimmer, nach ihren verschiedenen Bestimmungen, weiter. Reinlichkeit und Ordnung herrschten im ganzen; vorzüglich trugen große Spiegelscheiben das Ihrige zu einer vollkommenen Helligkeit bei, die in dem alten Hause aus mehrern Ursachen, zunächst aber auch wegen meist runder Fensterscheiben gefehlt hatte. Der Vater zeigte sich heiter, weil ihm alles gut gelungen war; und wäre der gute Humor nicht manchmal dadurch unterbrochen worden, dass nicht immer der Fleiß und die Genauigkeit der Handwerker seinen Forderungen entsprachen, so hätte man kein glücklicheres Leben denken können, zumal da manches Gute teils in der Familie selbst entsprang, teils ihr von außen zufloss.

Quelle:
Goethe: Aus meinem Leben.
Dichtung und Wahrheit.
Erster Teil. Erstes Buch.

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Außenansichten

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Oben: Goethes Geburtshaus vor 1755. Offizielle Postkarte des Frankfurter Goethe-Museums. Nicht gelaufen.
Unten links: Frankfurt a. M. Das Goethehaus vor dem Umbau 1755. Adressseite, rechts unten: 5234. Beschrieben und datiert 1917. Nicht gelaufen.
Unten rechts: Frankfurt a. M., Goethes Geburtshaus vor dem Umbau. Photogravur-Kupferdruck Nr. 271. Jacobs Kunstanstalt Frankfurt a.M.. Nicht gelaufen.

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Gruss aus dem Goethehaus zu Frankfurt a.M. Goethe und seine Eltern. 31 L. Klement, Frankfurt a.M. Handschriftlich: 10 August 1902. Adressseite, Stempel: Goethehaus Frankfurt a.M. Nicht gelaufen. Adressseite ungeteilt.

Zu Goethes Familie siehe die Seite
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3396

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1. Karte von oben: Frankfurt a. Main. Goethes Geburtshaus. Bildnis Johann Wolfgang v. Goethe. Verlag v. G. Blümlein & Co., Frankfurt a. M. Handschriftlich: 6. Juni 1902 u. ö. Nicht gelaufen. Adressseite ungeteilt.
2. Karte von oben: Frankfurt a. M. Goethehaus. 98. Handschriftlich: Maison ou naquit Goethe. Nicht gelaufen. Adressseite ungeteilt.
3. Karte von oben: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite: 6700. R. Mannewitz, Frankfurt a. M. Gelaufen. Poststempel 1908.
4. Karte von oben: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite, rechts unten: 13715. Nicht gelaufen.
5. Karte von oben: Frankfurt a.M., Goethehaus. Adressseite: M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Jaco[!] Photographie Nr. 139. Im Briefmarkenfeld: Echte Bromsilber Photographie. Nicht gelaufen.
6. Karte von oben: Frankfurt a. M. Goethehaus. Bildnis Goethe. Rechts: Kunst u. Antiquitäten Bernhard Levy. Gelaufen. Feldpost. Poststempel 1916.

Bei Bernhard Levy handelt es sich möglicherweise um Levi, Bernhard, geb. 19.11.1881 in Bergen, Kreis Hanau, Hessen-Nassau. Letzte Anschrift: Frankfurt M., Röderbergweg 8. Vgl. Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden. Bearb. von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle. Hrsg. vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. München: Saur 2003, S. 139.

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Goethe's Geburtshaus Frankfurt a. M. Rechts: Goethe im 40. Lebensjahre rad. G. Schwenzer Aug. 99. Adressseite: A. H. John, Frankfurt A.[!] M. Gelaufen. Poststempel 1899. Adressseite ungeteilt.

Gregor Wilhelm Schwenzer wurde als "Gregorius Guilelmus Schwenzer" 1868 in Isenburg in Kreis Neuwied, unweit Koblenz geboren. Er studierte in Mainz an der Akademie für Bildende Künste, dann 1894 und 1895 unter Professur Carl Ernst Forberg an der Kunstakademie der Düsseldorfer Malerschule. Er starb 1941. (Dank an Tracey J. Evans, Mail vom 28. 02. 2020)

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Links: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite: Verlag Ludwig Lenheim, Frankfurt a. M. Photo Splendit 1. Nicht gelaufen - Prägedruck mit Rahmen.
Rechts: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite: Verlag Gebrüder Roos, Frankfurt a. Main. "Brillantam" gesetzlich geschützt. Nicht gelaufen.  - Prägedruck mit Rahmen.

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Oben links: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite, Verl.: G. Gabrilowitsch, Frkft. a. M. Rechts unten: 3020. Nicht gelaufen.
Oben rechts: Frankfurt a. M. Goethehaus. Adressseite, Signet: VKD im Kreis. Vereinigte Kunst-Druckereien Metz & Lautz G.M.B.H. Darmstadt. IX 1530. Gelaufen. Datiert und Poststempel 1910.
Unten: Frankfurt a. M., Goethehaus. Adressseite: Gerhard Blümlein & Co., Frankfurt A. M. Originalaufnahme. Nr. 22 / 23. Nicht gelaufen.

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Zu den auf Postkarten verwendeten sowie im Goethe-Haus und im Goethe-Museum ausgestellten Bildnissen Goethes siehe die Seiten

Stielers Goethe-Bildnis und seine Adaptionen
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=435

Zeitgenössische Goethe-Porträts und ihre Adaptionen
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=433

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Links: Frankfurt a/M Goethehaus. Dietrich. 692. Adressseite: Cramer's Kunstanstalt, Dortmund. Original-Kupferdruck u. Kupfer-Radierung. Gelaufen. Poststempel 1918.

Rechts: Ohne Titel. Adressseite: XI. Deutsches Sängerbundesfest Frankfurt am Main 1932. Bundesfestkarte Nr. 4. Das Goethehaus, im Großen Hirschgraben zu Frankfurt am Main. Tiefdruck der Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt a. M. Nach einer Zeichnung von Rich. Enders, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Der Kunstmaler Richard Enders (1894-1973) ist bekannt für seine Zeichnungen aus dem alten Frankfurt, die häufig im Kupferdruck erschienen.

Zur Hauserpresse Hans Schaefer siehe den Eintrag "Werner und Winter" in Wikipedia, URL:
https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_und_Winter

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Geburtshaus Innenhof

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1. Bild von oben: Gruss aus dem Goethehaus zu Frankfurt a.M. Signet: Kleeblatt mit LKF [L. Klement, Frankfurt a. M.]. Adressseite: L. Klement, Frankfurt a. M. Kupferdruck-Imitation. No. 60. Nicht gelaufen. Adressseite ungeteilt. Mit folgendem Text "Goethe an Klinger":

An diesem Brunnen hast auch du gespielt,
Im engen Raum die Weite vorgefühlt;
Den Wanderstab aus frommer Mutter Hand
Nahmst du getrost ins fernste Lebensland,
Und magst nun gern verloschnes Bild erneun,
Am hohen Ziel des ersten Schritts dich freun.

Der in den Versen angesprochene Schriftsteller Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) wurde 1751 in Frankfurt a.M. geboren und war ein Jugendfreund Goethes.

2. Bild von oben: Ohne Titel. Adressseite: Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Der Hof mit dem Prinzessinnenbrunnen und Durchblick nach dem Museumsgarten. Signet: R. Mannewitz, Frankfurt a. M. B. Serie 271, No. 3. Offizielle Postkarte des Goethe Museum. Nicht gelaufen.

3. Bild von oben: Ohne Titel. Adressseite: Goethehaus, Frankfurt am Main. Höfchen mit Brunnen. Selbstverlag Frankfurter Goethemuseum. Foto Molzahn-Altheim, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Bei "Molzahn-Altheim" handelt es sich möglicherweise um Marianne Louise Molzahn-Altheim, deren Lebensdaten nicht ermittelt wurden.

4. Bild von oben: Frankfurt a. M. Die Prinzessinen bei Frau Rath Goethe am Brunnen im Goethehaus nach Amberg. Adressseite, Signet: Kleeblatt mit LKF. L. Klement, Frankfurt a. M. 226 B. Stempel: Goethehaus Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Zum Maler Wilhelm Amberg (1822-1899) siehe den Eintrag in Wikipedia, URL:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Amberg

5. Bild von oben: Ohne Titel. Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Der Hof des Goethehauses m. d. Prinzessinenbrunnen. Adressseite, mit Signet: "Knackstedt & Näther Lichtdruck. Hamburg." A. Serie 271, No. 2. Im Briefmarkenfeld: Offizielle Postkarte des Goethe-Museum. Nicht gelaufen.

Zu Druckerei und Verlag Knackstedt & Näther siehe den Eintrag in Wikipedia, URL: 
https://de.wikipedia.org/wiki/Knackstedt_%26_Näther

 

Prinzessinnenbrunnen

[Zur Krönung Kaiser Leopolds II. 1790 waren die mecklenburgischen Prinzessinnen Friederike und Luise, seit 1797 preußische Königin, bei Frau Rat einquartiert. Darauf bezieht sich die folgende Anekdote.]

An der Mauer ist noch die ursprüngliche sogenannte "Regenpumpe", die in einer Zisterne das Regenwasser in sich aufnahm, mit steinerner Nische, Schale und Bedachung vorhanden, während der eigentliche Haushaltungsbrunnen in der Küche sich befindet. Hier an diesem Brunnen im Hofe war es, wo die beiden mecklenburgischen Prinzessinnen Friederike und Louise, die späteren Königinnen von Hannover und von Preußen, während ihres Aufenthaltes in Frankfurt a.M. bei der Krönung Kaiser Leopolds II. im Jahre 1790, sich ergetzten.

Quelle:
Heinrich Pallmann: Das Goethehaus in Frankfurt. Im Auftrage des Freien Deutschen Hochstiftes beschrieben. 2. Aufl. Frankfurt a.M.: Gebrüder Knauer. Faksimile der Ausgabe 1893. Delhi: Facsimile Publisher 2016. ISBN 8888000004288 Hier S. 12.

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[...] Auch diesmal wurde die Geschichte mit vielem Genuss vorgetragen und noch manche andre, z.B. wie sie [Frau Rat] den Prinzessinnen den Genuss verschaffte, sich im Hof am Brunnen recht satt Wasser zu pumpen, und die Hofmeisterin durch alle mögliche Argumente abhält, die Prinzessinnen abzurufen, und endlich, da diese nicht darauf Rücksicht nimmt, Gewalt braucht und sie im Zimmer einschließt. "Denn", sagte die Mutter [Frau Rat], "ich hätte mir eher den ärgsten Verdruss über den Hals kommen lassen, als dass man sie in den unschuldigen Vergnügungen gestört hätte, das ihnen nirgendwo gegönnt war als in meinem Hause; auch haben sie mir's beim Abschied gesagt, dass sie nie vergessen würden, wie glücklich und vergnügt sie bei mir waren."

Quelle:
Bettina von Arnim: Werke 1. Goethes Briefwechsel mit einem Kinde. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1986. Hier: Bettina von Arnim: An Goethe. 5. März, S. 129f.

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Frankfurt a. M. Garten im Goethemuseum. Adressseite: M. Jacobs, Kunstanstalt, Frankfurt a. M. Kupferdruck No. 476. Nicht gelaufen. - Die Mädchenfigur hat Georg Kolbe 1937 für den Garten des Goethemuseums geschaffen.

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Geburtshaus von innen
Erdgeschoss

Grundriss
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(Pallmann: Goethehaus)

Die "gelbe Stube", genannt nach der Wandfarbe, wurde auch "Weimarer Stube" genannt, "weil in ihr alle von Weimar kommenden Geschenke aufbewahrt wurden." Die "blaue Stube" war das Speisezimmer der Familie, "später der gewöhnliche Aufenthaltsort, die "Wohnstube", der Frau Rat."

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Oben: Hausflur, Erdgeschoss. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 1. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen.

Unten: Hausflur, Erdgeschoss. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 1. Signet. J. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Handschriftlich: 5.8.1927. Nicht gelaufen.

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1. Karte von oben: Erdgeschoss, Speisezimmer. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethemuseums. Kupfertiefdruck Nr. 2. Signet: Kleeblatt mit LKF. Ludwig Klement Ansichtskarten-Industrie, Frankfurt a. M. Im Briefmarkenfeld Wiederholung des Signets und Walze mit Inschrift: Echt Kupfertiefdruck. Darunter: (Photo-Gravure). Nicht gelaufen.

2. Karte von oben : Wohnstube, Erdgeschoss. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 2. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5.8.1927.

3. Karte von oben: Küche der Frau Rat, Erdgeschoss. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 3. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5.8.1927. - Rechts der Spülstein. Das Wasser wurde aus dem Brunnen im Keller herauf gepumpt.

4. Karte von oben: Küche mit dem Blick nach dem Luisenbrunnen. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 4. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5.8.1927.

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Erster Stock

Grundriss
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(Pallmann: Goethehaus)

Das "große Zimmer" ist die "Staatsstube" des Hauses. "Hier und in den beiden Nebenräumen wohnte Graf Thoranc und später Herzog Karl August von Weimar, und zwar diente es beiden Herren als Eingangs- und Zuspruchszimmer." Das "innere Zimmer" oder das "kleine Stübchen" war das Schlafzimmer des Grafen Thoranc und des Herzogs Karl August. Das "Kaminstübchen" erhielt seinen Namen "von den darin angebrachten Heizstätten für das große und das innere Zimmer". "Während des Aufenthaltes von Thoranc und Herzog Karl August diente es als Dienerzimmer." (Pallmann, S. 18f.) Goethe verwendete das "Kaminstübchen" wohl als Anwaltskanzlei. "Hier sind alle die Klienten ein und aus gegangen, die der Advokat Goethe in den 28 Prozessen seiner vier Anwaltsjahre auf dem Römer vertreten hat." (Das Goethe-Haus, 10. Aufl. 1978, S. 15) Das "graue Zimmer" ist das Musikzimmer. Dem Instrumentalunterricht, "Teil des väterlichen Erziehungsplans", dienten ein Cembalo und ein Clavichord (Maisak / Dewitz, Goethe-Haus, S. 56). 

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Oben: Aufgang zum I. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 5. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen.

Mitte: Vorsaal. I. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 5. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. 

Unten: Ohne Titel. Adressseite: Goethehaus, Frankfurt am Main. Vorplatz im 1. Stock. Selbstverlag Frankfurter Goethemuseum. Foto Molzahn-Altheim, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

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Musikzimmer

13,2

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Oben: Musikzimmer, I. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 6. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Mitte: Musikzimmer, I. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 6. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen.

Unten: Ohne Titel. Adressseite: Goethehaus, Frankfurt am Main. Musikzimmer. Selbstverlag Frankfurter Goethemuseum. Foto Hartig, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Der Fotograf ist wahrscheinlich Siegfried Hartig, dessen Lebensdaten unbekannt sind.

Beim Flügel handelt es sich um eine Sonderform, genannt "Giraffe" oder "Pyramide". Rechts ein Clavichord.

Über dem Clavichord hängt das Gemälde "Die Familie Goethe in Schäfertracht" nach Johann Conrad Seekatz. Es wurde 1762 im Auftrag von Goethes Vater geschaffen, und hängt hier in einer Kopie von Hermann Junker. Vgl. Beutlers Bildbeschreibung in: Bilder aus dem Frankfurter Goethe Museum, S. 26-28, mit Abbildung 20.

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Musikunterricht und "Musikbetrieb"
im Vaterhaus

Um diese Zeit ward auch der schon längst in Beratung gezogne Vorsatz, uns in der Musik unterrichten zu lassen, ausgeführt; und zwar verdient der letzte Anstoß dazu wohl einige Erwähnung. Dass wir das Klavier lernen sollten, war ausgemacht; allein über die Wahl des Meisters war man immer streitig gewesen. Endlich komme ich einmal zufälligerweise in das Zimmer eines meiner Gesellen, der eben Klavierstunde nimmt, und finde den Lehrer als einen ganz allerliebsten Mann. Für jeden Finger der rechten und linken Hand hat er einen Spitznamen, womit er ihn aufs lustigste bezeichnet, wenn er gebraucht werden soll. Die schwarzen und weißen Tasten werden gleichfalls bildlich benannt, ja die Töne selbst erscheinen unter figürlichen Namen. Eine solche bunte Gesellschaft arbeitet nun ganz vergnüglich durcheinander. Applikatur und Takt scheinen ganz leicht und anschaulich zu werden, und indem der Schüler zu dem besten Humor aufgeregt wird, geht auch alles zum schönsten vonstatten.

Kaum war ich nach Hause gekommen, als ich den Eltern anlag, nunmehr Ernst zu machen und uns diesen unvergleichlichen Mann zum Klaviermeister zu geben. Man nahm noch einigen Anstand, man erkundigte sich; man hörte zwar nichts Übles von dem Lehrer, aber auch nichts sonderlich Gutes. Ich hatte indessen meiner Schwester alle die lustigen Benennungen erzählt, wir konnten den Unterricht kaum erwarten, und setzten es durch, daß der Mann angenommen wurde.

Das Notenlesen ging zuerst an, und als dabei kein Spaß vorkommen wollte, trösteten wir uns mit der Hoffnung, dass, wenn es erst ans Klavier gehen würde, wenn es an die Finger käme, das scherzhafte Wesen seinen Anfang nehmen würde. Allein weder Tastatur noch Fingersetzung schien zu einigem Gleichnis Gelegenheit zu geben. So trocken wie die Noten, mit ihren Strichen auf und zwischen den fünf Linien, blieben auch die schwarzen und weißen Claves, und weder von einem Däumerling noch Deuterling noch Goldfinger war mehr eine Silbe zu hören; und das Gesicht verzog der Mann so wenig beim trocknen Unterricht, als er es vorher beim trocknen Spaß verzogen hatte. Meine Schwester machte mir die bittersten Vorwürfe, dass ich sie getäuscht habe, und glaubte wirklich, es sei nur Erfindung von mir gewesen. Ich war aber selbst betäubt und lernte wenig, ob der Mann gleich ordentlich genug zu Werke ging: denn ich wartete immer noch, die frühern Späße sollten zum Vorschein kommen, und vertröstete meine Schwester von einem Tage zum andern. Aber sie blieben aus, und ich hätte mir dieses Rätsel niemals erklären können, wenn es mir nicht gleichfalls ein Zufall aufgelöst hätte.

Einer meiner Gespielen trat herein, mitten in der Stunde, und auf einmal eröffneten sich die sämtlichen Röhren des humoristischen Springbrunnens; die Däumerlinge und Deuterlinge, die Krabler und Zabler, wie er die Finger zu bezeichnen pflegte, die Fakchen und Gakchen, wie er z.B. die Noten f und g, die Fiekchen und Giekchen, wie er fis und gis benannte, waren auf einmal wieder vorhanden und machten die wundersamsten Männerchen. Mein junger Freund kam nicht aus dem Lachen, und freute sich, dass man auf eine so lustige Weise so viel lernen könne. Er schwur, dass er seinen Eltern keine Ruhe lassen würde, bis sie ihm einen solchen vortrefflichen Mann zum Lehrer gegeben.

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Auf den Gedanken, Pensionen zu errichten, war man durch die Notwendigkeit gekommen, welche jedermann empfand, dass die französische Sprache lebendig gelehrt und überliefert werden müsse. Mein Vater hatte einen jungen Menschen erzogen, der bei ihm Bedienter, Kammerdiener, Sekretär, genug, nach und nach alles in allem gewesen war. Dieser, namens Pfeil, sprach gut Französisch und verstand es gründlich. Nachdem er sich verheiratet hatte und seine Gönner für ihn auf einen Zustand denken mussten, so fielen sie auf den Gedanken, ihn eine Pension errichten zu lassen, die sich nach und nach zu einer kleinen Schulanstalt erweiterte, in der man alles Notwendige, ja zuletzt sogar Lateinisch und Griechisch lehrte. Die weitverbreiteten Konnexionen von Frankfurt gaben Gelegenheit, daß junge Franzosen und Engländer, um Deutsch zu lernen und sonst sich auszubilden, dieser Anstalt anvertraut wurden. Pfeil, der ein Mann in seinen besten Jahren, von der wundersamsten Energie und Tätigkeit war, stand dem Ganzen sehr lobenswürdig vor, und weil er nie genug beschäftigt sein konnte, so warf er sich bei Gelegenheit, da er seinen Schülern Musikmeister halten musste, selbst in die Musik, und betrieb das Klavierspielen mit solchem Eifer, dass er, der niemals vorher eine Taste angerührt hatte, sehr bald recht fertig und brav spielte. Er schien die Maxime meines Vaters angenommen zu haben, dass junge Leute nichts mehr aufmuntern und anregen könne, als wenn man selbst schon in gewissen Jahren sich wieder zum Schüler erklärte, und in einem Alter, worin man sehr schwer neue Fertigkeiten erlangt, dennoch durch Eifer und Anhaltsamkeit Jüngern, von der Natur mehr Begünstigten, den Rang abzulaufen suche.

Durch diese Neigung zum Klavierspielen ward Pfeil auf die Instrumente selbst geführt, und indem er sich die besten zu verschaffen hoffte, kam er in Verhältnisse mit Friederici in Gera, dessen Instrumente weit und breit berühmt waren. Er nahm eine Anzahl davon in Kommission, und hatte nun die Freude, nicht nur etwa einen Flügel, sondern mehrere in seiner Wohnung aufgestellt zu sehen, sich darauf zu üben und hören zu lassen.

Auch in unser Haus brachte die Lebendigkeit dieses Mannes einen größern Musikbetrieb. Mein Vater blieb mit ihm, bis auf die strittigen Punkte, in einem dauernden guten Verhältnisse. Auch für uns ward ein großer Friedericischer Flügel angeschafft, den ich, bei meinem Klavier verweilend, wenig berührte, der aber meiner Schwester zu desto größerer Qual gedieh, weil sie, um das neue Instrument gehörig zu ehren, täglich noch einige Zeit mehr auf ihre Übungen zu wenden hatte; wobei mein Vater als Aufseher, Pfeil aber als Musterbild und antreibender Hausfreund abwechselnd zur Seite standen.

Quelle:Goethe: Aus meinem Leben.
Dichtung und Wahrheit.
Erster Teil. Viertes Buch

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Staatszimmer

Staatszimmer, in Schlössern und Pallästen der Fürsten und anderer Großen diejenigen Zimmer, welche sich durch ihre reichen und prachtvollen Verzierungen aller Art, das heißt, durch reiche Verzierung der Wände mit schönen Tapeten und Gemälden, schöner Täfelung der Fußböden, Ausschmückung mit Büsten und Bildsäulen, geschmackvollen Möbeln etc. auszeichnen, und zum Empfange hoher Fremden etc. bestimmt sind. Die Prunk= und Putzzimmer in den Häusern und Wohnungen anderer Staatsbewohner sind Nachbildungen dieser Staatszimmer, die man auch nach den Vermögensumständen der Bewohner bald reich, bald minder reich und geschmackvoll verziert findet.

Quelle:
Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, 242 Bände, 1773-1858. Eintrag "Staatszimmer". Online Version: 
http://kruenitz1.uni-trier.de/

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1. Bild von oben: Durchblick durch die Staatszimmer I. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 7. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

2. Bild von oben: Ohne Titel. Adressseite: Goethehaus, Frankfurt am Main. Staatszimmer. Selbstverlag Frankfurter Goethemuseum. Foto Hartig, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

3. Bild von oben: Das grosse Staatszimmer, I. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 8. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 1936.

4. Bild von oben: Das grosse Staatszimmer, I. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 8.  M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5.8.1927.

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Thorancbilder

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Durchblick durch die Staatszimmer mit den Thorancbildern, I. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethemuseums. Kupfertiefdruck Nr. 7. Signet: Kleeblatt mit LKF. Ludwig Klement Ansichtskarten-Industrie, Frankfurt a. M. Im Briefmarkenfeld Wiederholung des Signets und Walze mit Inschrift: Echt Kupfertiefdruck. Darunter: (Photo-Gravure). Nicht gelaufen.

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Königsleutnant Thoranc,
die Frankfurter Maler
und Goethes Teilnahme
am Kunstgeschehen

Diese unerwartete, seit vielen Jahren unerhörte Last [Einquartierung französischer Truppen im Zuge des 7jährigen Krieges, 1756-1763] drückte die behaglichen Bürger gewaltig, und niemanden konnte sie beschwerlicher sein als dem Vater, der in sein kaum vollendetes Haus fremde militärische Bewohner aufnehmen, ihnen seine wohlaufgeputzten und meist verschlossenen Staatszimmer einräumen, und das, was er so genau zu ordnen und zu regieren pflegte, fremder Willkür preisgeben sollte; er, ohnehin preußisch gesinnt, sollte sich nun von Franzosen in seinen Zimmern belagert sehen: es war das Traurigste, was ihm nach seiner Denkweise begegnen konnte. Wäre es ihm jedoch möglich gewesen, die Sache leichter zu nehmen, da er gut französisch sprach und im Leben sich wohl mit Würde und Anmut betragen konnte, so hätte er sich und uns manche trübe Stunde ersparen mögen; denn man quartierte bei uns den Königslieutenant, der, obgleich Militärperson, doch nur die Zivilvorfälle, die Streitigkeiten zwischen Soldaten und Bürgern, Schuldensachen und Händel zu schlichten hatte. Es war Graf Thoranc, von Grasse in der Provence ohnweit Antibes gebürtig, eine lange, hagre, ernste Gestalt, das Gesicht durch die Blattern sehr entstellt, mit schwarzen feurigen Augen, und von einem würdigen zusammengenommenen Betragen. Gleich sein Eintritt war für den Hausbewohner günstig. Man sprach von den verschiedenen Zimmern, welche teils abgegeben werden, teils der Familie verbleiben sollten, und als der Graf ein Gemäldezimmer erwähnen hörte, so erbat er sich gleich, ob es schon Nacht war, mit Kerzen die Bilder wenigstens flüchtig zu besehen. Er hatte an diesen Dingen eine übergroße Freude, bezeigte sich gegen den ihn begleitenden Vater auf das verbindlichste, und als er vernahm, dass die meisten Künstler noch lebten, sich in Frankfurt und in der Nachbarschaft aufhielten, so versicherte er, dass er nichts mehr wünsche, als sie baldigst kennen zu lernen und sie zu beschäftigen.

Aber auch diese Annäherung von seiten der Kunst vermochte nicht die Gesinnung meines Vaters zu ändern, noch seinen Charakter zu beugen. Er ließ geschehen, was er nicht verhindern konnte, hielt sich aber in unwirksamer Entfernung, und das Außerordentliche, was nun um ihn vorging, war ihm bis auf die geringste Kleinigkeit unerträglich.

Graf Thoranc indessen betrug sich musterhaft. Nicht einmal seine Landkarten wollte er an die Wände genagelt haben, um die neuen Tapeten nicht zu verderben. Seine Leute waren gewandt, still und ordentlich; aber freilich, da den ganzen Tag und einen Teil der Nacht nicht Ruhe bei ihm ward, da ein Klagender dem andern folgte, Arrestanten gebracht und fortgeführt, alle Offiziere und Adjutanten vorgelassen wurden, da der Graf noch überdies täglich offne Tafel hielt: so gab es in dem mäßig großen, nur für eine Familie eingerichteten Hause, das nur eine durch alle Stockwerke unverschlossen durchgehende Treppe hatte, eine Bewegung und ein Gesumme wie in einem Bienenkorbe, obgleich alles sehr gemäßigt, ernsthaft und streng zuging. [...]

Gleich in den ersten Tagen der Anwesenheit des Grafen wurden die sämtlichen Frankfurter Maler, als [Wilhelm Friedrich] Hirt, [Christian Georg] Schütz, [Johann Georg] Trautmann, [Johann Andreas Benjamin] Nothnagel, [Justus] Juncker, zu ihm berufen. Sie zeigten ihre fertigen Gemälde vor, und der Graf eignete sich das Verkäufliche zu. Ihm wurde mein hübsches helles Giebelzimmer in der Mansarde eingeräumt und sogleich in ein Kabinett und Atelier umgewandelt: denn er war willens, die sämtlichen Künstler, vor allen aber [Johann Conrad] Seekatz in Darmstadt, dessen Pinsel ihm besonders bei natürlichen und unschuldigen Vorstellungen höchlich gefiel, für eine ganze Zeit in Arbeit zu setzen. Er ließ daher von Grasse, wo sein älterer Bruder ein schönes Gebäude besitzen mochte, die sämtlichen Maße aller Zimmer und Kabinette herbeikommen, überlegte sodann mit den Künstlern die Wandabteilungen, und bestimmte die Größe der hiernach zu verfertigenden ansehnlichen Ölbilder, welche nicht in Rahmen eingefasst, sondern als Tapetenteile auf die Wand befestigt werden sollten. Hier ging nun die Arbeit eifrig an. Seekatz übernahm ländliche Szenen, worin die Greise und Kinder, unmittelbar nach der Natur gemalt, ganz herrlich glückten; die Jünglinge wollten ihm nicht ebenso geraten, sie waren meist zu hager; und die Frauen missfielen aus der entgegengesetzten Ursache. Denn da er eine kleine dicke, gute aber unangenehme Person zur Frau hatte, die ihm außer sich selbst nicht wohl ein Modell zuließ, so wollte nichts Gefälliges zustande kommen. Zudem war er genötigt gewesen, über das Maß seiner Figuren hinauszugehen. Seine Bäume hatten Wahrheit, aber ein kleinliches Blätterwerk. Er war ein Schüler von Brinckmann, dessen Pinsel in Staffeleigemälden nicht zu schelten ist.

Schütz, der Landschaftmaler, fand sich vielleicht am besten in die Sache. Die Rheingegenden hatte er ganz in seiner Gewalt, sowie den sonnigen Ton, der sie in der schönen Jahreszeit belebt. Er war nicht ganz ungewohnt, in einem größern Maßstabe zu arbeiten, und auch da ließ er es an Ausführung und Haltung nicht fehlen. Er lieferte sehr heitre Bilder.

Trautmann rembrandtisierte einige Auferweckungswunder des Neuen Testaments, und zündete nebenher Dörfer und Mühlen an. Auch ihm war, wie ich aus den Aufrissen der Zimmer bemerken konnte, ein eigenes Kabinett zugeteilt worden. Hirt malte einige gute Eichen- und Buchenwälder. Seine Herden waren lobenswert. Juncker, an die Nachahmung der ausführlichsten Niederländer gewöhnt, konnte sich am wenigsten in diesen Tapetenstil finden; jedoch bequemte er sich, für gute Zahlung, mit Blumen und Früchten manche Abteilung zu verzieren.

Da ich alle diese Männer von meiner frühsten Jugend an gekannt, und sie oft in ihren Werkstätten besucht hatte, auch der Graf mich gern um sich leiden mochte, so war ich bei den Aufgaben, Beratschlagungen und Bestellungen wie auch bei den Ablieferungen gegenwärtig, und nahm mir, zumal wenn Skizzen und Entwürfe eingereicht wurden, meine Meinung zu eröffnen gar wohl heraus. Ich hatte mir schon früher bei Gemäldeliebhabern, besonders aber auf Auktionen, denen ich fleißig beiwohnte, den Ruhm erworben, dass ich gleich zu sagen wisse, was irgend ein historisches Bild vorstelle, es sei nun aus der biblischen oder der Profangeschichte oder aus der Mythologie genommen; und wenn ich auch den Sinn der allegorischen Bilder nicht immer traf, so war doch selten jemand gegenwärtig, der es besser verstand als ich. So hatte ich auch öfters die Künstler vermocht, diesen oder jenen Gegenstand vorzustellen, und solcher Vorteile bediente ich mich gegenwärtig mit Lust und Liebe. Ich erinnere mich noch, dass ich einen umständlichen Aufsatz verfertigte, worin ich zwölf Bilder [von Trautmann] beschrieb, welche die Geschichte Josephs darstellen sollten: einige davon wurden ausgeführt.

Nach diesen für einen Knaben allerdings löblichen Verrichtungen will ich auch einer kleinen Beschämung, die mir innerhalb dieses Künstlerkreises begegnete, Erwähnung tun. Ich war nämlich mit allen Bildern wohl bekannt, welche man nach und nach in jenes Zimmer gebracht hatte. Meine jugendliche Neugierde ließ nichts ungesehen und ununtersucht. Einst fand ich hinter dem Ofen ein schwarzes Kästchen; ich ermangelte nicht, zu forschen, was darin verborgen sei, und ohne mich lange zu besinnen, zog ich den Schieber weg. Das darin enthaltene Gemälde war freilich von der Art, die man den Augen nicht auszustellen pflegt, und ob ich es gleich alsobald wieder zuzuschieben Anstalt machte, so konnte ich doch nicht geschwind genug damit fertig werden. Der Graf trat herein und ertappte mich. – »Wer hat Euch erlaubt, dieses Kästchen zu eröffnen?« sagte er mit seiner Königslieutenantsmiene. Ich hatte nicht viel darauf zu antworten, und er sprach sogleich die Strafe sehr ernsthaft aus: »Ihr werdet in acht Tagen«, sagte er, »dieses Zimmer nicht betreten.« – Ich machte eine Verbeugung und ging hinaus. Auch gehorchte ich diesem Gebot aufs pünktlichste, so dass es dem guten Seekatz, der eben in dem Zimmer arbeitete, sehr verdrießlich war: denn er hatte mich gern um sich; und ich trieb aus einer kleinen Tücke den Gehorsam so weit, dass ich Seekatzen seinen Kaffee, den ich ihm gewöhnlich brachte, auf die Schwelle setzte; da er denn von seiner Arbeit aufstehen und ihn holen musste, welches er so übel empfand, dass er mir fast gram geworden wäre.

Quelle:
Goethe: Aus meinem Leben.
Dichtung und Wahrheit.
Erster Teil. Drittes Buch.

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Zweiter Stock

Grundriss
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(Pallmann: Goethehaus)

Geburtszimmer

Der Nachweis, dass Goethe hier am 28. August 1749 geboren wurde, "muß freilich ausbleiben, da die Geburt vor dem Umbau des Hauses [1755] erfolgte, der die Grundrisse und auch die Nutzung der meisten Räume veränderte." (Maisak / Dewitz: Goethe-Haus, S. 70)

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Oben: Blick ins Geburtszimmer Goethes, II. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 11. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Mitte: Blick ins Geburtszimmer Goethe's, II. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 11. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen.

Unten: Geburtszimmer. Adressseite: Frankfurter Goethemuseum. Offizielle Postkarte. J. B. Obernetter, München.

Auf einem Piedestal steht die Goethe-Büste von Alexander Trippel (1744-1793). Goethe kam mit dem Bildhauer in Rom 1787 in Berührung und wurde von ihm modelliert (Hinweis auf Trippel von Dietmar Pravida). Auf zwei Fotos ist an der Büste ein Kranz angebracht. Die karge Ausstattung entspricht der Bestimmung des Zimmer als Gedenkraum.

Zu den Goethe-Plastiken siehe die gleichnamige Seite im Goethezeitportal:
www.goethezeitportal.de/index.php

Über Johann Baptist Obernetter (1840-1887) orientiert der Eintrag in Wikipedia, URL:
de.wikipedia.org/wiki/Johann_Baptist_Obernetter

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Zimmer der Frau Rat

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Oben: Zimmer der Frau Rat, II. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 7. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 1936.

Unten: Ohne Titel. Adressseite: Goethehaus, Frankfurt am Main. Zimmer der Mutter. Selbstverlag Frankfurter Goethemuseum. Foto Molzahn-Altheim, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

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Gemäldekabinett

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Gemäldekabinett, II. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 9. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Rat Goethe besaß um 1755 50 bis 60 Gemälde, nach dem Umbau des Hauses kamen über 50 Bilder hinzu, so dass "das Kabinett von Goethes Vater 100 bis 120 Gemälde umfasst haben mag." (Bilder, S. XXVI.). Über die Künstler, ihren Stil und ihre Motive äußert sich Goethe in "Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit" (siehe oben).

"Auch der Rat Goethe hat, der Zeitsitte folgend, zunächst damit angefangen, dass er einige Holländer gesammelt hat. Dann aber ist er ganz seine eigenen Wege gegangen und hat im ausgesprochenen Gegensatz zu allen seinen Mitbürgern nur Frankfurter Maler aus seiner Zeit gekauft. Das hat seinem Kabinett die besondere Note gegeben." (Bilder, S. XXVII)

Literatur:
Bilder aus dem Frankfurter Goethe Museum. Hrsg. von Ernst Beutler und Josefine Rumpf. Frankfurt a.M.: Verlag der Goldene Brunnen 1949. - Grundlegend über die Bildersammlung von Goethes Vater, die Kunstsammlungen und die zeitgenössische Kunstszene in Frankfurt.

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Studierzimmer des Herrn Rat
(Bibliothek des Vaters)

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Oben: Studienzimmer des Herrn Rat, II. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 10. M. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen.

Unten: Studierzimmer des Herrn Rat, II. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 10. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen.

"Fensterecke in der Bibliothek des Vaters. Wegen des kleinen Seitenfensters, das der Vater eigens aus der Brandmauer hatte brechen lassen, mied sein Sohn beim abendlichen Heimkommen diese Seite des Hauses." (Goethehaus. Fotos Jaenicke, S. 81)

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"Ein kurzer Überblick über die einzelnen Werke [im gedruckten Auktionskatalog 1794] zeigt, dass Herr Rat nicht einseitig als Jurist gesammelt hat, obgleich sein Fach sehr wohl vertreten war, nicht weniger wie das der Medizin und Theologie, letztere hauptsächlich in populären Darstellungen. Besonders war sein Augenmerk auf Reisebeschreibungen und Landkarten gerichtet. Schriften zur Altertumskunde, natürlich auch geschichtliche Werke und Biographien, unter diesen die des Götz von Berlichingen aus dem Jahre 1731, fehlten nicht. Unter den Quellen zur neueren Geschichte seien besonders Friedrichs des Großen Antimachiavell (à la Haye 1741) und die Tischreden des Weltweisen von Sanssouci aus dem Jahre 1761 erwähnt, dgl. deuten eine Abhandlung über Preußens Stärke und Österreichs Schwäche, sowie die "Staatsschriften zwischen dem Berliner und dem chursächsischen Hofe den 7jährigen Krieg betreffend" vom Jahre 1756 auf die politische Stellungnahme des Herrn Rat.

Im Bereiche der sog. schönen Literatur verzeichnet der Katalog eine große Anzahl von Werken englischer, italienischer und französischer Dichter. Natürlich sind auch die deutschen zahlreich vertreten; neben den älteren, wie Haller, Ewald von Kleist, Bodmer und Breitinger, fehlen auch die jüngeren nicht, Lenz, H.L. Wagner und Maler Müller. Sogar Klopstock erscheint mit seiner "Gelehrten Republik" und dem Trauerspiel "David". Nach Dichtung und Wahrheit (2tes Buch) hatte sich der Vater gehütet, Klopstocks Messias anzuschaffen; trotzdem verzeichnet der Katalog die Ausgabe Halle 1751. Zu seinem Verständnis mag wohl auch "Meiers Beurteilung des Heldengedichtes" herangezogen worden sein."

Quelle:
Robert Hering: Das Elternhaus Goethes und das Leben in der Familie. In: Die Stadt Goethes. Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. Nachdruck der Auflage von 1932. Frankfurt a.M.: Weidlich Reprints 1982, S. 363-446. Hier S. 400f.

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Dritter Stock

Goethes Arbeitszimmer
(Dichterzimmer)

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Oben: Goethe's Arbeitszimmer, III. Stock. Adressseite: Goethehaus Frankfurt a. M. Offizielle Postkarte Nr. 12. Hauserpresse (Hans Schaefer) Frankfurt am Main. Nicht gelaufen. - Bei der Skulptur auf der Kommode handelt es sich um einen Gipsabdruck des Kopfes des Laokoon.

Unten: Goethes Arbeitszimmer III. Stock. Adressseite: Aus dem Frankfurter Goethehause. Offizielle Postkarte des Goethe-Museums. Kupferdruck Nr. 12. J. Jacobs, Kunstverlag, Frankfurt a. M. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5.8.1927.

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Ausstellungssaal
(Museumssaal)

Das Hochstift errichtete 1897 hinter dem Goethehaus ein Bibliotheksgebäude, in dem im Erdgeschoss ein "Museumssaal" eingebaut wurde, auch "Ausstellungssaal" oder "Schauraum" genannt. Er war "ganz der Zeit des jungen Goethe gewidmet und, inklusive der Schaukästen und Schränke, 'im Rokokostil mit Säulen und Pilastern und in hellen zarten Tönen gehalten'." (Seng: Goethe-Enthusiasmus, S. 152).

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1. Karte von oben: Ausstellungssaal. Adressseite: Frankfurter Goethemuseum. Offizielle Postkarte. J. B. Obernetter, München. Nicht gelaufen.

2. Karte von oben: Ohne Titel. Adressseite: Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Museumsaal. Signet: "Knackstedt & Näther Lichtdruck. Hamburg." B. Serie 271, No. 7. Offizielle Postkarte des Goethe-Museum. Nicht gelaufen.

3. Karte von oben: Ohne Titel. Adressseite: Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Museumsaal. Signet: "Knackstedt & Näther Lichtdruck. Hamburg." A. Serie 271, No. 8. Im Briefmarkenfeld: Offinzielle Postkarte des Goethe-Museum. Nicht gelaufen.

4. Karte von oben: Ohne Titel. Adressseite: Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Museumsaal. Signet: "Knackstedt & Näther Lichtdruck. Hamburg." B. Serie 271, No. 9. Offizielle Postkarte des Goethe-Museum. Nicht gelaufen.

5. Karte von oben: Ohne Titel. Adressseite: Das Goethe-Museum zu Frankfurt a. M. Museumsaal. Signet: "Knackstedt & Näther Lichtdruck. Hamburg." B. Serie 271, No. 6. Offizielle Postkarte des Goethe-Museum. Nicht gelaufen.

Die Bemühungen um einen eigenen Museumsbau zogen sich hin. 1932, hundert Jahre nach Goethes Tod, wurden zwei Nachbarhäuser des Goethehauses, das alte Haus "Zum Grünen Laub" und das von Metzlersche Stadthaus, zu einem Goethe-Museum umgebaut. Ermöglicht wurde der 1932 mit einer Rede von Thomas Mann eröffnete Bau durch die "Deutsche Volksspende für Goethes Geburtsstätte".

Literatur:
* Bilder aus dem Frankfurter Goethe Museum. Hrsg. von Ernst Beutler und Josefine Rumpf. Frankfurt a.M.: Verlag der Goldene Brunnen 1949, S. L.
* Joachim Seng: Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum 1881-1960. Göttingen: Wallstein Verlag 2009, S. 152, 343 ff. ISBN 978-3-8353-0536-6

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Goethes Geburtshaus
bis zum Kauf durch das Freie Deutsche Hochstift
und seiner Einrichtung als Memorialstätte

"Dieses Haus, wie wir es [nach dem Umbau 1755 und 1756] jetzt noch unverändert vor uns haben, wurde nach dem am 25. Mai 1782 erfolgten Tode des Herrn Rat Goethe von der Mutter des Dichters bis zum Jahre 1795 bewohnt. Am 1. Mai dieses Jahres verkaufte es die Frau Rat an den Weinhändler Johann Gerhard Blum, aus dessen Händen es am 17. Februar 1796 in die von Frau Anna Katharina Rössing, Witwe des Prokurators Johann Nicolaus Alexander Rössing, überging. Es blieb dann im Besitze der Familie Rössing bis zum Jahre 1861, nachdem eine 1858 von dem "Verein für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a.M." angeknüpfte Ankaufsunterhandlung erfolglos geblieben war. Am 1. Juni 1861 erwarb es Herr Johann Georg Clauer, Tapezierer, der es am 1. März 1863 an das Freie Deutsche Hochstift unter dem damaligen Obmann Herrn Dr. Otto Volger käuflich abtrat."

Quelle:
Heinrich Pallmann: Das Goethehaus in Frankfurt. Im Auftrage des Freien Deutschen Hochstiftes beschrieben. 2. Aufl. Frankfurt a.M.: Gebrüder Knauer. Faksimile der Ausgabe 1893. Delhi: Facsimile Publisher 2016. ISBN 8888000004288 Hier S. IV.

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Zur Konzeption des Goethe-Hauses
und Goethe-Museums in Frankfurt

Otto Volger, der das Freie Deutsche Hochstift 1859 gründete, sah dessen Aufgabe darin, "möglichst viele Gegenstände zu sammeln [...], die sich speziell auf Goethe beziehen oder irgendwie eine Erinnerung an diesen verbinden" und der Nachwelt diese Sammlung "in seinem Vaterhaus zur wissenschaftlichen Benutzung bereit zu halten" (zit. Seng: Bilder, S. 151). Mit dem Ankauf des Geburtshauses 1863 ging das bereits 1840 eingerichtete Dichterzimmer mit Gegenständen aus Goethes Besitz als Grundstock der Sammlung in den Besitz des Hochstifts über. Dieser "Goetheschatz" vermehrte sich durch Schenkungen und Käufe um zahlreiche "Erinnerungsgegenstände: Möbel, Bilder, Büsten, Silhouetten, Bücher, Handschriften und Zeichnungen" (Seng: Bilder, S.153). Parallel zum Aufbau eines Goethe-Museums galt es, "das Elternhaus des Dichters baulich wieder in jenen Zustand zurückzuversetzen, den es zu Goethes Jugendzeit hatte," und somit zur Gedenkstätte auszugestalten. Überlegungen zum Verhältnis von Memorialstätte und Museum begleiten die Geschichte beider Institutionen. Dabei wurde das Goethe-Museum "als eine museale Ergänzung zum Goethe-Haus", als "ein mit Lebenszeugnissen bebilderter 'Kommentar' zu Goethes Leben" aufgefasst. "In Goethes Elternhaus sollten keine Vitrinen oder Erläuterungen die Atmosphäre des Authentischen stören. (Seng: Bilder, S. 155f.)

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Da keine vollständigen Zimmerausstattungen überliefert sind, musste man überkommene Originale aus dem Goethehaus mit geschenkten und angekauften "Goetheschätzen" kombinieren. Diese können vom Dichter selbst und seiner Familie, den Freunden und Bekannten oder dem weiteren Umkreis stammen. Zumindest müssen sie aus der gleichen Zeit herrühren und im gleichen Stil gehalten sein wie das verlorene, zu ersetzende Original. Legt man die Aufnahmen des gleichen Zimmers aus verschiedenen Zeiten nebeneinander, so erkennt man die Veränderungen. 

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Ernst Beutler, 1925 zum Direktor des Freien deutschen Hochstifts und Leiter des Goethemuseums berufen, konzipierte das Frankfurter Goethemuseum als "Versuch einer, freilich höchst bruchstückhaften, Biographie in Bildern. Da Goethe vorzüglich das Auge als das Organ gerühmt hat, mit dem er die Welt erfasste, durfte der Versuch gewagt werden, sein Wesen und sein Schaffen von der sinnlichen Anschauung her tiefer verständlich zu machen." (Goethemuseum, Führer, S. 3) Der sinnliche Eindruck des Hauses mit seinen Bildern und Gegenständen stand am Anfang und sollte zur Beschäftigung mit dem Werk Goethes führen: "Das Haus ist wirklich ein Zugang zur seinen Werken. Die Leute kamen, sahen, dann erst lasen sie 'Dichtung und Wahrheit', von da aus fanden sie zu den Briefen, zum Werther und nun zu dem Werk als Ganzen." (zit. Seng: Goethe-Enthusiasmus, S. 459) In diesem Sinn bildete das Goethe-Haus nicht nur entwicklungsgeschichtlich, sondern auch konzeptionell den "Keim" des Goethe-Museums und fungierte als "sein inneres Zentrum" (Seng: Bilder, S. 154).

Das Freie Deutsche Hochstift begann bereits 1885, allerdings noch im Saal der Polytechnischen Gesellschaft in Frankfurt, mit Kunstausstellungen, deren erste Joseph Ritter von Führich gewidmet war. Ausstellungen mit Katalog zu Ludwig Richter, Moritz von Schwind, Alfred Rethel, Bernhard Mannfeld, und Julius Schnorr von Carolsfeld folgten. Die anschließenden literarischen Goethe-Ausstellungen, 1892 zu Goethes "Werther", 1893 zum "Faust" etc. wurden im Goethehaus gezeigt. Die Beschäftigung mit der Frankfurter Malerei des 18. Jahrhunderts fand ihr Zentrum im Goethemuseum, nachdem der Gemäldesalon des Grafen Thoranc 1907 komplett erworben werden konnte. Entstanden war die Sammlung zeitgenössischer Frankfurter Künstler im Auftrag des französischen Offiziers während seines Aufenthaltes in Frankfurt, einquartiert bei Goethes Eltern - sozusagen unter den Augen des jungen Goethe (s. oben den Bericht in "Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit").

Zitatnachweise:
* Joachim Seng: "Bilder sind Chiffren des Geistes". Das Frankfurter Goethe-Museum und seine Erweiterung durch Ernst Beutler. In: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk: Literatur ausstellen. Museale Inszenierungen der Weimarer Klassik. Jahrbuch der Klassik Stiftung  Weimar 2012. Göttingen 2012, S. 151-170.
* Joachim Seng: Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum 1881-1960. Göttingen: Wallstein Verlag 2009, S. 202-212. ISBN 978-3-8353-0536-6
* Führer durch das Frankfurter Goethemuseum. Text: Ernst Beutler. 3. neubearb. u. erweiterte Auflage. Frankfurt: Freies Deutsches Hochstift 1961.

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Literatur und Weblinks

Goethehaus

* Robert Hering: Das Elternhaus Goethes und das Leben in der Familie. In: Die Stadt Goethes. Frankfurt am Main im XVIII. Jahrhundert. Nachdruck der Auflage von 1932. Frankfurt a.M.: Weidlich Reprints 1982, S. 363-446

* Heinrich Pallmann: Das Goethehaus in Frankfurt. Im Auftrage des Freien Deutschen Hochstiftes beschrieben. 2. Aufl. Frankfurt a.M.: Gebrüder Knauer. Faksimile der Ausgabe 1893. Delhi: Facsimile Publisher 2016. ISBN 8888000004288

* Führer durch das Frankfurter Goethemuseum. Text: Ernst Beutler. 3. neubearb. u. erweiterte Auflage. Frankfurt: Freies Deutsches Hochstift 1961.

* Das Goethe-Haus in Frankfurt am Main. Zehnte, erweiterte Auflage, auf Grund des Textes von Ernst Beutler. Frankfurt: Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum 1978.

* Petra Maisak, Hans-Georg Dewitz: Das Goethe-Haus in Frankfurt am Main (insel taschenbuch; 2225) Frankfurt a.M.: Insel Verlag 1999. ISBN 3-458-33925-6 (grundlegend)

* Das Goethehaus, Gerbermühle und Willemerhäuschen in Frankfurt am Main.12 Bilder von Bernhard Paul Scheffler. Hrsg. vom Frankfurter Goethe-Museum. Selbstverlag, um 1920.

* Das Goethehaus in Frankfurt am Main. Fotos von Anselm Jaenicke. Einführung und Erläuterungen von Detlev Lüders. Frankfurt: Umschau Verlag 1968.


Freies Deutsches Hochstift

* Joachim Seng: Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum 1881-1960. Göttingen: Wallstein Verlag 2009. ISBN 978-3-8353-0536-6


Gemälde des Goethe-Museums und Frankfurter Malerei

* Bilder aus dem Frankfurter Goethe Museum. Hrsg. von Ernst Beutler und Josefine Rumpf. Frankfurt a.M.: Verlag der Goldene Brunnen 1949. - Grundlegend über die Bildersammlung von Goethes Vater und die Kunstsammlungen in Frankfurt.

* Freies Deutsches Hochstift. Frankfurter Goethe-Museum. Katalog der Gemälde. Bearbeitet von Sabine Michaelis (Reihe der Schriften; 26) Tübingen: Max Niemeyer 1982. ISBN 3-484-33026-X

* Die Josephs-Geschichte, Goethes Anregungen und Johann Georg Trautmanns Gemälde-Zyklus. Einführung von Detlev Lüders. Frankfurt: Freies Deutsches Hochstift, Frankfurter Goethe-Museum 1977.

* Frankfurter Malerei zur Zeit des jungen Goethe. Hrsg. von Klaus Gallwitz. Katalog: Hans-Joachim Ziemke. Frankfurt a.M.: Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut 1982.

* Das Frankfurter Goethe-Museum zu Gast im Städel. Hrsg. von Christoph Perels. Katalog: Petra Maisak. Mainz: Verlag Hermann Schmidt 1994. ISBN 3-87439-516-X

* Joachim Seng: "Bilder sind Chiffren des Geistes". Das Frankfurter Goethe-Museum und seine Erweiterung durch Ernst Beutler. In: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk: Literatur ausstellen. Museale Inszenierungen der Weimarer Klassik. Jahrbuch der Klassik Stiftung  Weimar 2012. Göttingen 2012, S. 151-170.

* Gerhard Kölsch: „Königsleutnant“ Thoranc als Hausgast am Frankfurter Hirschgraben  und als Auftraggeber Frankfurter Maler der Goethezeit. URL:
http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/goethe/koelsch_thoranc.pdf


Weblinks

* Frankfurter Goethe-Haus, Homepage
http://www.goethehaus-frankfurt.de/

* Goethe-Haus in Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Goethe-Haus

* Das Haus mit den drei Leiern. In: Die Gartenlaube, 1867, Heft 3 u. 6, S. 43-46, 84-88.
Digitalisiert durch Wikipedia, URL:
https://de.wikisource.org/wiki/Das_Haus_mit_den_drei_Leiern

* Freies Deutsches Hochstift, Homepage
http://www.goethehaus-frankfurt.de/freies-deutsches-hochstift/freies-deutsches-hochstift

* Freies Deutsches Hochstift, Eintrag in Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Freies_Deutsches_Hochstift

* François de Théas Graf von Thoranc, Eintrag in Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/François_de_Théas_Graf_von_Thoranc

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Zu Goethes Leben in Bildern auf Postkarten siehe:

Woldemar Friedrich
Goethe's Leben
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=1870

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