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Jutta Assel | Georg Jäger

»Sagenmotive auf Postkarten«
Eine Dokumentation

Die Sage vom Mägdesprung

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Stand: Juni 2015

 

Die Sage vom Mägdesprung, Graphische Kunstanstalt Löffler & Co., Greiz

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Die Sage auf der Rückseite der Karten:

In alter Zeit erwartete einst eine Riesenjungfrau auf den Höhen des Selketales ihre Freundin, ein Riesenfräulein aus Thüringen. Nachdem sie lange ausgespäht hatte, sah sie die Freundin in Riesenschritten jenseits des Tales herankommen. Da die Felsen zu steil waren, um hinabklettern zu könuen, rief die Riesin aus Thüringen, welche von dem weiten Weg ermüdet war, ihrer Freundin zu, doch herüber zu springen. Aber die Riesenjungfrau zögerte den grossen Sprung zu machen. Da hörte sie höhnend hinter sich rufen: "Sie ist so gross und wagt den Sprung nicht!" Die Riesin bemerkte einen Bauern, der einen grossen mit Holz beladenen Wagen führte. Sie nahm den Bauern mitsamt Pferden und Wagen in ihren Rockschoss und sprang mit riesigem Satze über das Selketal hinüber. Dort setzte sie den erschrockenen Bauern mit seinem Fuhrwerk nieder und ging lachend mit der Freundin weiter. Der Ort am Fusse des Berges wurde danach "Mägdesprung" genannt.

Obere Postkarte: Harz. Die Sage vom Mägdesprung. Handschriftlich: 15/7 09. Verso: Text, wie oben. Signet: Autochrom. Louis Glaser, Leipzig. 4375. Gelaufen. Poststempel 1909. | Mittlere Postkarte: Harz. Die Sage vom Mägdesprung. Verso: Text, wie oben. Signet: Chrom Iris. Louis Glaser, Leipzig. 4375. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1937. – Über Jahrzehnte wurde dieselbe Komposition benutzt, doch veränderte sich die Farbdrucktechnik. | Untere Postkarte: Die Sage vom Mägdesprung (Harz). Verso: Text, wie oben, mit kleinen Änderungen. Graphische Kunstanstalt Löffler & Co., Greiz. Im Briefmarkenfeld: 17930. Phototypie. Nicht g elaufen.

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Jacob und Wilhelm Grimm
Der Mägdesprung

Zwischen Ballenstedt und Harzgerode in dem Selketal zeigt das Volk auf einen hohen, durch eine Säule ausgezeichneten Felsen, auf eine Vertiefung im Gestein, die einige Ähnlichkeit mit der Fußtapfe eines Menschen hat und achtzig bis hundert Fuß weiter auf eine zweite Fußtapfe. Die Sage davon ist aber verschieden.
      Eine Hünin oder Riesentochter erging sich einst auf dem Rücken des Harzes, von dem Petersberge herkommend. Als sie die Felsen erreicht hatte, die jetzt über den Hüttenwerken stehen, erblickte sie ihre Gespielin, die ihr winkte, auf der Spitze des Rammberges. Lange stand sie so zögernd, denn ihren Standort und den nächsten Berggipfel trennte ein breites Tal. Sie blieb hier so lange, daß sich ihre Fußtapfe ellentief in den Felsen drückte, wovon heutzutag noch die schwachen Spuren zu sehn sind. Ihres Zögerns lachte höhnisch ein Knecht des Menschenvolks, das diese Gegend bewohnte, und der bei Harzgerode pflügte. Die Hünin merkte das, streckte ihre Hand aus und hob den Knecht samt Pflug und Pferden in die Höhe, nahm alles zusammen in ihr Obergewand und sprang damit über das Tal weg, und in einigen Schritten hatte sie ihre Gespielin erreicht.
      Oft hört man erzählen: Die Königstochter sei in ihrem Wagen gefahren gekommen und habe auf das jenseitige Gebirg gewollt. Flugs tat sie den Wagen nebst den Pferden in die Schürze und sprang von einem Berg nach dem andern.
      Endlich werden die Fußtritte einer Bauerdirne zugeschrieben, die zu ihrem Liebhaber, einem Schäfer, jenseits den Sprung gemacht und beim Ansatz so gewaltsam aufgetreten habe, daß sich ihre Spur eindrückte. Auch ein Ziegenbock scheint hierbei im Spiel gewesen zu sein.

Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Erstausgabe 1816/18. Hier nach der von Hermann Grimm besorgten dritten Auflage von 1891. Nr. 320. Quelle: Deutsche Märchen und Sagen. Hg. von Hans-Jörg Uther. Digitale Bibliothek 80, S. 26530 f. – Der Text ist auch online verfügbar im Projekt Gutenberg.DE, URL gutenberg.spiegel.de/grimm/sagen/g320.htm.

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Die Mägdesprung-Sage. Mit unten stehendem Text. Verso: Rudolf Lohse, Halberstadt - S. 34 - 1911. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1912.

Die Mägdesprung-Sage

Auf den Bergen des Selketales erwartete einst ein Harzer Riesenfräulein ihre Freundin aus Thüringen. Nach kurzer Zeit gewahrte sie dieselbe jenseits des Tales. Wegen der steilen Felsen war es der Freundin nicht möglich hinab zu klettern. Da sie von dem weiten Weg ermüdet war, rief sie ihrer Harzer Freundin zu, doch über das Tal zu springen. Doch diese zögerte. Da hörte sie hinter sich rufen: "Sie wagt den Sprung nicht und ist so groß!" und bemerkte einen Bauern mit einem holzbeladenen Wagen. Sie ergriff den Bauern samt Pferd und Wagen und sprang über das Selketal. Dann setzte sie den erschrockenen Mann mit dem Wagen nieder und ging lachend mit der Freundin weiter. Seit dieser Zeit nennt man den Ort am Fuße des Berges "Mägdesprung."

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Ludwig Bechstein
Der Mägdesprung

Im Selketale gipfelt sich eine schroffe Felswand empor, ähnlich dem Ilsenstein im Ilsetale, auch auf dem Gipfel mit einem eisernen Kreuze geziert, dem, wie jenem, ein anderer, nur minder hoher Felsen so gegenübersteht, als hätten beide zusammengehört. Auf beiden wird eine in den Fels tief eingedrückte Fußtapfe gezeigt und auch eine ähnliche Sage wie vom Ilsensteine erzählt.
      Eine Liebende, deren Geliebter auf dem gegenüberstehenden Felsen ihrer harrte, ward von so heftiger Sehnsucht zu ihm getrieben, daß sie den gewaltigen Sprung hinüber wagte, und hüben und drüben drückten ihre Fußspuren sich dem Felsen ein. Daß nur eine Hünentochter solches vermochte, liegt in der Örtlichkeit bedingt.
      Andere erzählen, daß bloß, um bei einer lieben Gespielin zu sein, die junge Hünin, vom Petersberge herkommend, welche erstere drüben auf dem Rammberge unter der Teufelsmühle erblickte, den Sprung gewagt. Da sie eine Weile unschlüssig stand und die Sprungweite maß, während die Freundin ihr drüben winkte, sah sie drunten ein Knechtlein, das in der Harzgeroder Gegend pflügte und ihr lachend zurief: Springe doch, springe doch, Riesenmaid! Da bog die Hünenmagedein den ungeheuern Leib zu Tale, und streckte den Arm so lang aus wie die Jungfrau Helvetia im Bilde auf den neuen Schweizer Münzen, und raffte das Knechtlein samt Pferden und Pflug empor, und tat ihren Hupf hinüber samt allem, was sie in ihr Schürztuch geladen hatte, und da haben die beiden Hünentöchter tausend Spaß mit dem niedlichen Spielzeug, dem Menschlein, den Pferdlein und dem seltsamen Geräte, dem Ackerpflug, gehabt.

Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Erstausgabe 1853. Hier nach der Ausgabe von Karl Martin Schiller 1930. Nr. 405. Quelle: Deutsche Märchen und Sagen. Hg. von Hans-Jörg Uther. Digitale Bibliothek 80, S. 8352 f.).

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Ludwig Richter
Mägdesprung

Zeichnung von Mägdesprung von Ludwig Richter, um 1840. Von Hejkal bearbeiteter Stahlstich von W. Deeble. Quelle: Wikipedia, die freie Enzyklopädie (Bild:Mägdesprung.jpg). – Im Hintergrund die Eisenhütte Mägdesprung bei Harzgerode. – Vgl. den Artikel Burg Heinrichsberg.

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Einen Überblick über die Märchen- und Sagenmotive
im Goethezeitportal finden sie hier.

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