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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen-Motive auf Postkarten

Das Riesenspielzeug

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Stand: Januar 2016

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Das Riesenspielzeug. Im Bild signiert: M. Grengg. Verso: Signet: Verlag Deutscher Schulverein. Karte Nr. 1257. Postkarte. Nicht gelaufen.

Biographische Notiz zu Marie Grengg: östereichische Illustratorin und Autorin, geb. in Stein/Donau 1889 und gest. in Wien-Rodaun 1963. Illustrierte Märchen und andere Kinder- und Jugendbücher. Vgl. Hans Ries: Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914. Osnabrück: Wenner 1992, S. 558f.

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Gliederung

1. Jacob und Wilhelm Grimm: Das Riesenspielzeug
2. Postkarte: Das Riesenfräulein von Nideck
3. Ludwig Bechstein: Das Riesenspielzeug
4. Postkarte: Das Riesenfräulein von Burg Nideck
5. Adelbert von Chamisso: Das Riesenspielzeug
6. Kindergedicht von Friedrich Güll, mit Holzschnitt von Franz Pocci
7. Postkarte: Das Riesenspielzeug; Gemälde von Otto Tragy
8. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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1. Jacob und Wilhelm Grimm
Das Riesenspielzeug

Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berg bei einem Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal ging das Riesenfräulein herab ins Tal, wollte sehen, wie es da unten wäre, und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, das ihr alles etwas Neues war. "Ei", sprach sie und ging herzu, "das nehm ich mir mit. " Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und tat's hinein. Nun lief sie ganz vergnügt nach Haus, den Felsen hinaufspringend; wo der Berg so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da tat sie einen Schritt und war droben.
      Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. "Ei, mein Kind", sprach er, "was bringst du da, die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus. " Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hineinblicken. "Was hast du so Zappeliges darin?" – "Ei Vater, gar zu artiges Spielding! So was Schönes hab ich mein Lebtag noch nicht gehabt." Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden; lief herum, schaute es an, lachte und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin und her bewegte. Der Vater aber sprach: "Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ins Tal." Das Fräulein weinte, es half aber nichts. "Mir ist der Bauer kein Spielzeug", sagt der Ritter ernsthaftig, "ich leid's nicht, daß du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsennest nichts zu leben."

Brüder Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 17: Das Riesenspielzeug. Online im Projekt Gutenberg.DE. – Digital auf CD-ROM: Deutsche Märchen und Sagen. Hg. Von Hans-Jörg Uther (Digitale Bibliothek; 80) Berlin: Directmedia Publishing, S. 25972 f.

Literatur:
* Valerie Höttges: Die Sage vom Riesenspielzeug (Deutsche Arbeiten der Universität Köln) Jena: Eugen Diederichs Verlag 1931 (grundlegend). 

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2. Das Riesenfräulein von Nideck

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Riesenfräulein von Nideck. Verso: Nachdruck wird verfolgt. Postkarte. Nicht gelaufen.

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3. Ludwig Bechstein
Das Riesenspielzeug

An einem wilden Wasserfall in der Nähe des Breuschtales im Elsaß liegen die Trümmer einer alten Riesenburg, Schloß Nideck geheißen. Von der Burg herab ging einstmals ein Fräulein bis schier gen Hasloch, das war des Burgherrn riesige Tochter, die hatte noch niemals Menschenleute gesehen, und da gewahrte sie unversehens einen Ackersmann, der mit zwei Pferden pflügte, das dünkte ihr etwas sehr Gespaßiges, das kleine Zeug; sie kauerte sich zum Boden nieder, breitete ihr Schürztuch aus und raffte mit der Hand Bauer, Pflug und Pferde hinein, schlug die Schürze um sich herum, hielt's mit der Hand recht fest und lief, was sie nur laufen konnte, und sprang eilend den Berg hinauf.
      Mit wenigen Schritten, die sie tat, war sie droben und trat jubelnd über ihren Fund und Fang vor ihren Vater, den Riesen, hin, der gerade beim Tische saß und sich am vollen Humpen labte. Als der die Tochter so mit freudeglühendem Gesicht eintreten sah, so fragte er: Nu min Kind, was hesch so Zwaselichs in di Furti? Krom's us, krom's us! – O min Vater! rief die Riesentochter, gar ze nettes Spieldinges ha i funden. – Und da kramte sie aus ihrem Vortuch aus, Bauer und Pferde und Pflug, und stellt's auf den Tisch hin und hatte ihre Herzensfreude daran, daß das Spielzeug lebendig war, sich bewegte und zappelte. Ja min Kind, sprach der alte Riese, do hest de ebs Schöns gemacht, dies is jo ken Spieldings nit, dies is jo einer von die Burn; trog alles widder fort und stells widder hin ans nämlich Plätzli, wo du's genommen hast! – Das hörte das Riesenfräulein gar nicht gern, daß sie ihren Fund wieder forttragen sollte, und greinte, der Riese aber ward zornig und schalt: Potz tusig! daß de mir net murrst! E Bur ist nit e Spieldings! Wenn die Burn net ackern, so müssen die Riesen verhungern! – Da mußte das Riesenfräulein seinen vermeintlichen Spielkram als wieder forttragen und stellte alles wieder auf den Acker hin.
      Diese Sage wird auch von manchem andern Ort in Deutschland erzählt, und zwar auf ganz ähnliche Weise, vom Schlosse Blankenburg oder Greifenstein ohnweit Schwarzburg im Thüringerlande, auch vom Lichtenberg im Odenwalde, allwo gewaltige Riesen hausten.

Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Erstausgabe 1853. Hier nach der Ausgabe von Karl Martin Schiller 1930. Nr. 31. Quelle: CD-ROM: Deutsche Märchen und Sagen. Hg. Von Hans-Jörg Uther (Digitale Bibliothek; 80) Berlin: Directmedia Publishing, S. 8352 f.).

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4. Das Riesenfräulein von Burg Nideck

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Das Riesenfräulein von Burg Nideck, Vogesen. Mit der ersten und letzten Strophe des Gedichtes "Das Riesenspielzeug" von Adelbert von Chamisso. Verso: Kunstverlag W. Springer Söhne, Strassburg i.E. 20. 5. 15. No 133. Gelaufen. Poststempel 1915.

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5. Adelbert von Chamisso
Das Riesenspielzeug
(1831)

Burg Nideck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
Die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer;
Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervor,
Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor,
Und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein,
Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.
   
Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
   
Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.
   
"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm' ich mit nach Haus."
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus
Und feget mit den Händen, was sich da alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt,
   
Und eilt mit freud'gen Sprüngen – man weiß, wie Kinder sind –
Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
"Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn."
   
Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
"Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei!."
   
Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.
   
Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
"Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin!
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!
   
Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
Denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor;
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!"
   
Burg Nideck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt,
Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer;
Und fragst Du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Chamissos Werke in drei Teilen. Auf Grund der Hempelschen Ausgabe neu hg. von Hans Sydow. Berlin u.a.: Deutsches Verlagshaus Bong & Co. o.J. Hier: Erster Teil, S. 185 f. – Online im Projekt Gutenberg.DE.

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6. Kindergedicht von Friedrich Güll,
mit Holzschnitt von Franz Pocci

Ein Märchen, und das merkt euch fein,
Vom Bauern und Riesentöchterlein

Es geht das Riesentöchterlein
   Hinunter in das Tal,
Und ihre Schritte sind nicht klein
   fünfzig von uns zumal.

Es hat das Riesentöchterlein
   Just an den neuen Schurz,
Dran mögen hundert Ellen sein,
   Und fast ist er zu kurz.

Es kommt das Riesentöchterlein:
   Da steht mit Gaul und Pflug
Der Bauer stutzig an dem Rain,
   Und schaut und wird nicht klug.

Und husch, das Riesentöchterlein
   Ist eben gar nicht faul,
Es kramt in seinen Schurz hinein
   Den Bauern samt dem Gaul.

Es läuft das Riesentöchterlein
   Nun noch einmal so frisch,
Und packt den Bauern bei dem Bein
   Und stellt ihn auf den Tisch.

Hei! lacht das Riesentöchterlein,
   Du, Vater, schau den Spass,
Mit diesem will ich spielen fein
   Und ohne Unterlass.

Der Vater spricht: "Mein Töchterlein,
   So tust du gar nicht wohl,
Der Bauer muss im Felde sein
   Und bauen Korn und Kohl.

Und wär', mein liebes Töchterlein,
   Zum Spiel der Bauer bloß,
Du würdest nicht gewachsen sein
   Wie ich, so stark und groß."

Da springt das Riesentöchterlein
   Hinunter in das Tal,
Und lässt den Bauern Bauer sein;
   Und merkt's ein ander Mal.

Friedrich Güll, Franz Pocci: Kinderheimat in Liedern und Bildern (insel taschenbuch; 111) Frankfurt a.M.: Insel 1975, S. 64-66. Erste Ausgabe mit Holzschnitten Poccis 1846. - Zu Friedrich Güll (1812-1879) und Franz Graf von Pocci (1807-1876) siehe die Einträge in Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Güll
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Pocci

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7. Das Riesenspielzeug

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[Ohne Titel] Verso: Das Riesenspielzeug. Signet: CCM&S im Kreis [C. C. Meinhold & Söhne, Dresden]. Märchen Nr. 312. Gelaufen. Datiert 1918, Poststempel unleserlich.

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Otto Tragy, Das Riesenspielzeug

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Das Riesenspielzeug. Nach dem Gemälde von O. Tragy. Photographie und Verlag von Franz Hanfstängl in München. In: Junge Mädchen. Ein Almanach. Hrsg. von Frida Schanz. 7. Jg. Bielefeld und Leipzig: Velhagen & Klasing o.J., nach S. 186. - Der Kunstmaler, Maler, Entwerfer und Kunstgewerbler Otto Tragy, 1866-1928, war Mitglied der Künstlerkolonie Obermenzing (München).

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Einen Überblick über die Märchen- und Sagenmotive
im Goethezeitportal finden sie hier.

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8. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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Ludwig-Maximilians-Universität München
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