Gottfried August Bürger: Sämtliche Werke. Hrsg. von Günter und Hiltrud Häntzschel. München: Carl Hanser Verlag 1987, S.193-197. Erstdruck: Vossischer Musenalmanach 1777. ***** Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild. Oben: Belagerung der Burg Weibertreu durch Kaiser Konrad III. 1140. - Linke Banderole: Durch treue Weiber, Wein und Sang / Hat Weinsberg seinen guten Klang. - Rechte Banderole: Getragen hat mein Weib mich nicht, aber ertragen. / Das war ein schwereres Gewicht, als ich mag sagen. Justinus Kerner. - Verso: Eigentum v. Wilh. Gerling, Darmstadt. Nachdr. verboten. Nr. 552. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1928. ***** 2. Adelbert von Chamisso: |
Der erste Hohenstaufen, der König Konrad, lag Mit Heeresmacht vor Winsperg seit manchem langen Tag; Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest, Die unverzagten Städter, die hielten es noch fest. Der Hunger kam, der Hunger! das ist ein scharfer Dorn; Nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn. »Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen wert, Und öffnet ihr die Tore, so trifft euch doch das Schwert.« Da sind die Weiber kommen: »Und muß es also sein, Gewährt uns freien Abzug! wir sind vom Blute rein. «Da hat sich vor den Armen des Helden Zorn gekühlt, Da hat ein sanft Erbarmen im Herzen er gefühlt. »Die Weiber mögen abziehn, und jede habe frei, Was sie vermag zu tragen und ihr das Liebste sei! Laßt ziehn mit ihrer Bürde sie ungehindert fort! Das ist des Königs Meinung, das ist des Königs Wort.« Und als der frühe Morgen im Osten kaum gegraut, Da hat ein seltnes Schauspiel vom Lager man geschaut: Es öffnet leise, leise sich das bedrängte Tor, Es schwankt ein Zug von Weibern mit schwerem Schritt hervor. Tief beugt die Last sie nieder, die auf dem Nacken ruht, Sie tragen ihre Ehherrn, das ist ihr liebstes Gut. »Halt an die argen Weiber!« ruft drohend mancher Wicht; - Der Kanzler spricht bedeutsam: »Das war die Meinung nicht.« Da hat, wie er's vernommen, der fromme Herr gelacht: »Und war es nicht die Meinung, sie haben's gut gemacht; Gesprochen ist gesprochen, das Königswort besteht, Und zwar von keinem Kanzler zerdeutelt und zerdreht.« So war das Gold der Krone wohl rein und unentweiht. Die Sage schallt herüber aus halbvergessner Zeit. Im Jahr elfhundertvierzig, wie ich's verzeichnet fand, Galt Königswort noch heilig im deutschen Vaterland. |
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Chamissos Werke in drei Teilen. Auf Grund der Hempelschen Ausgabe neu herausgegeben mit Einleitungen und Anmerkungen versehen von Max Sydow. Berlin u.a.: Deutsches Verlagshaus Bong & Co. o.J. Teil I, S. 191. Deutsche Volkssagen. 4. Die Weiber von Winsperg.
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Linke Banderole: Durch treue Weiber Wein u. Sang / Hat Weinsberg seinen guten Klang. Rechte Banderole: Getragen hat mein Weib mich nicht, aber ertragen. / Das war ein schwereres Gewicht, als ich mag sagen. Justinus Kerner. Verso: Weinsberg. Belagerung der Burg durch Kaiser Konrad III im Jahre 1140. Nr. 21. M. Ruoff, Ansichtskarten-Manufaktur, Heilbronn. Beschrieben, aber nicht gelaufen.
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Überm Städtchen Weinsberg liegt eine Burgtrümmer, insgemein die Weibertreue geheißen, von der die Sage eine der allbekanntesten ist in allen deutschen Gauen.
Es geschah im Jahre des Herrn 1140, daß König Konrad III. von Hohenstaufen die Stadt Winesberg am Neckar belagerte, die dem Herzoge Welf von Bayern zuständig war. König Konrad von Schwaben war zu Waiblingen geboren und wurde von seinem Kriegsvolk der Waiblinger geheißen, der Bayerherzog aber, Konrads Gegner, hieß Welf, daraus entstanden die Feldschreie: Hie Welf, hie Waibling! Dieses verwelschten hernach italienische Truppen in Guelf und Ghibellin, und so ist die Benennung Welfen und Ghibellinen aufgekommen.
Da nun Welf eine Schlacht bei Waiblingen verloren hatte, warf er sich mit den Seinen in das Schloß Weinsberg, konnte aber eine lange Belagerung darin nicht aushalten, sondern mußte um Gnade nachsuchen. Nun hatte der Kaiser auf dringendes Bitten den Frauen freien Abzug gewährt, und daß eine jede von ihrem Schatz mit sich tragen dürfe, soviel sie könne, die Männer aber sollten alle über die Klinge springen. Die Frauen aber dachten mehr an die Treue, die sie ihren Männern schuldig waren, als daran, ihre Fahrnis zu retten und zu bergen, und nahm eine jede ihren Mann auf den Rücken, und ging die Herzogin Jutta mit ihrem Gemahl Welf voran den Berg hinab, und die andern folgten in langer Reihe.
Das gefiel dem Kaiser über die Maßen wohl, und begnadigte auch die Männer, obschon sein Bruder, Herzog Friedrich, Einsprache tat und solche Gnade nicht guthieß. Da antwortete ihm aber der Kaiser: Regium verbum non decere immutari: am Königswort ziemt nicht zu rütteln.
Als der Florentiner Fürst Lorenz von Medici, da er erkrankt war, auf seinem Lager dieses Ereignis las, lachte er sich gesund darüber, so wohl gefiel ihm dieser treue deutsche Ernst, den er wohl nicht für Scherz nehmen mochte, wie Deutsche selbst getan, welche die schöne Frauentat aus der Geschichte hinaus haben leugnen oder spötteln wollen.
Es findet diese Sage von der Weibertreue, welcher Name auf die Burg Weinsberg vom Volke vor undenklicher Zeit übertragen ward, in deutschen Gauen mehr als an einem Ort ihren Widerhall, wenn auch nur immer eine einzelne Frau das tut, was hier von vielen geschah.
Im Sachsenlande war ein Ritter von Staupitz in Fehde mit einem Ritter von Beerwalde und gewann diesem sein Schloß Kriebstein ab, warf sich mit den Seinen hinein und wehrte sich wacker, als Friedrich der Streitbare, der erste Kurfürst von Sachsen, beider Ritter Lehensherr, von dem verdrängten Beerwalder zu Hülfe gerufen, den Kriebstein belagerte. Da erflehte auch, wie sich die Burg nicht länger halten konnte, die Frau von Staupitz freien Abzug mit ihrem Heiratsgut, und der Kurfürst gewährte ihr dessen, so viel sie tragen könne. Und da trug sie ihren Gatten auf ihren Schultern herab als ihr bestes Gut, das sie erheiratet, und Kurfürst Friedrich sprach dasselbe, was Konrad III. gesprochen: Wenn einem Fürsten die Treue nichts mehr gilt, für wen soll sie dann noch einen Wert haben? - Das trug sich zu im Jahr 1415.
Gleich treuer Sinn lebte in der Königstochter, die vom König Grünewald freien Abzug für sich und ihr Gut begehrte und ihren Vater von dannen führte, und im Schwabenlande selbst hat sich's 1499 begeben, daß die Freifrau von Thengen auf Burg Rosenegg im Hegau, ohnweit Hohentwiel, im Schwabenkriege ebensolche Treue an ihrem Gemahl bewies.
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch (1853). Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S.47.444-47.446. Absätze eingefügt.
Vgl. das Ritter-Staupitz-Geld der Stadt Döbeln.
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Weinsberg Weibertreu. Linke Banderole: Durch treue Weiber, Wein u. Sang / Hat Weinsberg seinen guten Klang. Rechte Banderole: Getragen hat mein Weib mich nicht, aber ertragen. / Das war ein schwereres Gewicht, als ich mag sagen. Justinus Kerner. Verso: No. 233. Original-Eigentum Emil Roth, Tübingen. Nachbildung verboten. Wilh. Käser, Buch u. Papierhdlg. Stempel: Weibertreu Weinsberg. Gelaufen. Poststempel 1910.
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[Ohne Titel.] Verso: Die deutschen Burgen. Signet links: LKF in Kleeblatt. Neckar-Serie in 12 Künstlerkarten. Maler Gg. Rothgeb. Verlag: Ludwig Klement, Frankfurt am Main. Signet der Kunstdruckerei rechts. Im Briefmarkenfeld Auflistung der 12 Burgen; Weibertreu Nr. 12. Nicht gelaufen. Handschriftlich: am 15. Juli 1914.
Text auf Rückseite: Weinsberg (Weibertreu). 1 Stunde von Heilbronn. 1525 von rebell. Bauern zerstört. Sie ist bekannt durch die Geschichte von den Weibern von Weinsberg (s. Bürgers Ballade). Erhaltung der Ueberreste sind Justinus Kerner zu verdanken. Interessantes: 3 Aeolsharfen, Inschriften u. Verse an den Ruinen von Dichtern u. berühmten Männern.
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88087 Weinsberg. Verso: Original-Eigentum Gebr. Metz, Tübingen. Nachbildung verboten. 1904. Postkarte. Nicht gelaufen.
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Justinus Kerner, Dichter und medizinischer Schriftsteller, wurde am 18. September 1786 in Ludwigsburg geboren und verstarb am 21. Februar 1862 in Weinsberg. 1818 wurde er als Oberamtsarzt nach Weinsberg versetzt, wo er sich am Fuße der Burg Weibertreu ein Haus (Kernerhaus) baute, das zu einem Mittelpunkt der Geselligkeit des schwäbischen Dichterkreises wurde. Kerner trat für die Erhaltung und Pflege der als Steinbruch genutzten Ruine ein und betrieb zu diesem Zweck die Stiftung eines Frauenvereins. Die Ruine samt inliegenden Weinberg wurde von König Wilhelm I. gekauft und 1824 dem Frauenverein geschenkt, der sie restaurieren ließ und dem Publikum zugänglich machte. Über den Einsatz von Justinus Kerner schreibt sein Sohn:
Mein Vater war jeden Tag mit Tagesanbruch oben und überwachte die Ausgrabungen; denn Türme und Gewölbe waren mit Schutt und Asche angefüllt. Die Taglöhner waren von äußerstem Fleiße, jeder wollte der erste an der Arbeit sein; sie hofften, einen Schatz zu finden, in welchem Glauben sie mein Vater, um sie zum Geschäfte zu treiben, bestärkte, indem er hie und da eine abgeschliffene Münze, farbige Glasperlen und so weiter in den Schutt steckte. (Theobald Kerner: Das Kernerhaus und seine Gäste, s.u., S. 19).
In die Schießscharten des "Dicken Turmes" stiftete Kerner Aeolsharfen. Sein Sohn ließ an die Mauern die Namen bekannter Besucher und Verse anbringen, die einen Bezug zur Burg haben. So entstand ein "Steinernes Album". Am achteckigen Turm sind die Verszeilen »Getragen hat mein Weib mich nicht ...« eingeschrieben, die einem Gedicht Kerners entstammen:
Auf einen Stein der Burg Weibertreue
Schrieb einer wohl in seines Herzens Reue:
»Getragen hat mein Weib mich nicht,
Aber - ertragen!
Das war ein schwereres Gewicht,
Als ich mag sagen.«
Jedwedem fällt der Stein dort ins Gesicht,
Die Männer schnell an ihm vorübergehen,
Die Frauen aber bleiben bei ihm stehen.
Die Propaganda Kerners und seines Sohnes sowie die bekannten Balladen von Bürger und Chamisso trugen dazu bei, dass die Burg Weibertreu »zu einem romantischen Wallfahrtsort« (Theobald Körner, S.20) wurde.
Literaturhinweise:
* Theobald Kerner: Das Kernerhaus und seine Gäste. Eine Auswahl. Heilbronn: Eugen Salzer-Verlag 1964. Darin: Die Weibertreu, S. 16-21.
* "Zweimal ist kein Traum zu träumen". Die Weiber von Weinsberg und die Weibertreu. Bearbeitet von Rosemarie Wildermuth (Marbacher Magazin 53 / 1990) Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1990. - Hier auch über den gescheiterten Plan des Architekten Carl Alexander von Heideloff (1788-1865), auf der Weibertreu. als Gegenstück zur Walhalla bei Regensburg, eine Ruhmeshalle für bedeutende deutsche Frauen zu errichten.
* Irene Ferchl, Wilfried Setzler: Landpartien in die Romantik. Auf den Spuren der Dichter durch Baden-Württemberg.Tübingen: Silberburg-Verlag 2006. Darin: Weinsberg und Justinus Kerner, S. 35-44.
Siehe auch:
Richard Meißner: Ein steinernes Album. Namen und Inschriften auf der Burg Weibertreu. Weinsberg: Buchdruckerei von Wilhelm Röck 1920.
Weblinks:
* Justinus Kerner. Eine Seite von Günther Emig.
* Justinus-Kerner-Verein und Frauenverein Weinsberg e.V.
* Ulrich Maier: Das "Steinerne Album" von Theobald Kerner auf Burg Weibertreu in Weinsberg. Diese reich bebilderte Dokumentation – der die obigen Verse entnommen sind – ist im Landesbildungsserver Baden-Württemberg publiziert worden. Unter dem Suchbegriff "Weibertreu" finden Sie weitere einschlägige Seiten.
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Gäste des Kernerhauses zu Weinsberg. Handschriftlich: 30/6.18. Verso: Wilh. Käser, Buchbinderei und Papierhandlung. Im Briefmarkenfeld: 70945 BNA. Stempel: Kernerhaus Weinsberg. Nicht gelaufen. – Dargestellt sind von links nach rechts: Theobald Kerner (Sohn), Nikolaus Lenau, Ludwig Uhland, Alexander von Württemberg, Gustav Schwab, Justinus Kerner (sitzend in Bildmitte), Rickele (Frau), Karl Mayer, Karl August Varnhagen von Ense.
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Ia Weinessig. Marke: Weibertreu. Georg Friedrich Rund Heilbronn a.N. 6teilige Folge: 1. Weibertreu; 2. Belagerung der Burg; 3. Abzug der treuen Weiber; 4. Dichterturm mit Äolsharfe; 5. Kernerhaus mit Geisterturm; 6. Kernerdenkmal. Maße: 6 cm hoch, 4,3 cm breit.
"Als älteste Firma Heilbronns können wir auf gelebte und bewegte Geschichte blicken, die im Jahr 1727 mit der Gründung der Firma Georg Friedrich Rund begonnen hat. Die Firma Georg Friedrich Rund, die auch im 21. Jahrhundert unter diesem Namen Essig vertreibt, wurde ab dem Jahr 1760 von der Familie Mertz geführt. Im Jahr 1887 wurde die Essig- und Hefefabrik Lindenmeyer übernommen. Heute hat sich die Lindenmeyer GmbH & Co. KG auf Malzextrakte und Essige spezialisiert."
Homepage: http://www.lindenmeyer.de/
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Die Weinsbergerin von Gottfried Schadow
http://hans-huebner.de/schadow-die-weinsbergerin
Der Link führt zur Statuette der Weinsbergerin (Bisquitporzellan, 400 mm hoch / Sockel 135x135mm) von Gottfried Schadow. Die Weinsbergerin (1845) ist die letzte figürliche Arbeit des bereits halb erblindeten Schadow. Über sie berichtet er in seinen Lebenserinnerungen, die auf dieser Seite zitiert werden.
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Einen Überblick über die Märchen- und Sagenmotive
im Goethezeitportal finden sie hier.
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