goethe


Friedrich Bodenstedt:
Album deutscher Kunst und Dichtung.
Auswahl aus einem Prachtwerk der Gründerzeit

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Wilhelm Müller: Kinderlust

Nun feget aus den alten Staub
Und macht die Laube blank!
Laßt ja kein schwarzes Winterlaub
Mir liegen auf der Bank!
  

  Ich sitz' und seh' dem Spiele zu
  Und spiel' im Herzen auch:
  Du lieber Lenz, ein Kind bist du
  Und übest Kinderbrauch.
  

Die erste weiße Blüthe flog
Mir heut ins Angesicht,
Willkommen, Lenz! ich lebe noch
Und weiß vom Leide nicht,
  

  Wie viel du hast, du weißt es kaum
  Und schüttest Alles aus.
  Nehmt, Kinder, nehmt! es ist kein Traum,
  Es kommt aus Gottes Haus!
  

Und schaue hell wie du hinein
In Gottes schöne Welt,
Und möcht' ein kleiner Bube sein
Und kollern durch das Feld.
  

  Und wenn du nun ganz fertig bist,
  Hast keine Blumen mehr:
  Dann gehst du wieder ohne Frist,
  Kein Abschied wird dir schwer;
  

O seht, da plätschern schon am See
Die lieben Kinderlein
Und ziehn die Hemdchen in die Höh'
Und wollen gern hinein.
  

  Und rufst dem Bruder Sommer zu:
  Bringst du die Früchte her?
  Was ich versprach, das halte du!
  Ei, ei, dein Korb ist schwer.
  

Wie lockt der warme Sonnenschein,
Der auf dem Spiegel ruht!
Da ist kein Fuß zu weich, zu klein,
Er probt, wie's Wasser thut.
  

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