Aus: Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke. Hrsg. Johannes Franke. Leipzig 1916. Bd. 9 Gesammelte Gedichte, Seite 217. Kurz nach Vollendung eines Festlieds zum 500. Jubiläum der Universität Heidelberg starb Joseph Victor von Scheffel, der nicht erst im Alter häufig krank gewesen war, am 9. April 1886 im Karlsruher Elternhaus. NachbemerkungScheffel hatte 1853 zwar den Plan, Maler zu werden, aufgegeben. Doch er zeichnete und malte bis an sein Lebensende, vor allem auf seinen vielen Reisen und Wanderungen. Diese Zeichnungen waren „Erinnerungsbilder“ für ihn selbst und seine Freunde. Erst in den letzten Jahren ist Scheffels umfangreicher bildkünstlerischer Nachlass publik gemacht und dessen Qualität erkannt worden. Einige der Bilder Scheffels sind zugänglich unter URL: Wenig bekannt ist auch, dass Scheffel zahlreiche Reiseberichte verfasst und veröffentlicht hat. Wer sie heute liest, kann Scheffel „als geschichtlich und vor allem kulturgeschichtlich versierten Beobachter und als ebenso präzisen wie humorvollen Erzähler“ entdecken (Mahal, Seite 37). Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke. Hrsg.: Johannes Franke. Leipzig 1916. Bd. 7 und 8: Episteln und Reisebilder. URL: Literatur: ***** 2. Anton von Werner,
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 81) | Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 488)
Ekkehard hatte sich auf eine Anrede besonnen und gedachte mit Anwendung tadellosen Lateins die sonderbare Freiheit zu rechtfertigen, aber wie sie stolz und gebietend vor ihm stand, versagte ihm die Stimme, und die Rede blieb, wo sie entstanden – in seinen Gedanken. Aber er war unverzagten Mutes und umfaßte mit starkem Arm die Herzogin, die schmiegte sich vergnüglich an ihren Träger und lehnte den rechten Arm auf seine Schulter. Fröhlich schritt er unter seiner Bürde über die Schwelle, die kein Frauenfuß berühren durfte, der Abt ihm zur Seite, Kämmerer und Dienstmannen folgten, hoch schwangen die dienenden Knaben ihre Weihrauchfässer (…)
Die Naturverständigen sagen, daß durch Annäherung lebender Körper unsichtbar wirkende Kräfte tätig werden, ausströmen, ineinander übergehen und seltsame Beziehungen herstellen. Das mochte sich auch an der Herzogin und dem Pörtner bewähren; dieweil sie sich in seinen Armen wiegte, gedachte sie leise: „Fürwahr, noch keinem hat St. Benedikts Kapuze anmutiger gesessen als diesem“, und wie er im kühlen Klostergang seine Bürde mit schüchternem Anstand absetzte, fiel ihm nichts auf, als daß ihm die Strecke vom Tor bis hierher noch niemals so kurz vorgekommen. (S. 35f.)
Am nächsten Tag erbittet sich Hadwig vom Abt ein ungewöhnliches Abschiedsgeschenk: ein Exemplar des Vergil und Ekkehard als ihren Lateinlehrer. Gehorsam, aber nicht ungern macht sich der junge Mönch bald auf den Weg zum Hohentwiel. Im Kloster Reichenau hält er Rast und ertappt den Mönch und Kellermeister Rudiman, wie dieser der Magd Kerhildis einen Kuss gibt. Der sittenstrenge Ekkehard züchtigt den Älteren mit seinem Stock, was ihm unter den Reichenauer Klosterleuten keine Freunde schafft.
Als Ekkehard den Hohentwiel schon im Blick hat, wird er von Reitern überfallen:
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 89)
„Er ist’s!“ rief der vorderste der Reiter, da sprangen die andern von ihren Rossen, stolz sah ihnen Ekkehard entgegen. „Was wollt Ihr?“ – keine Antwort; er griff zum Kruzifix, das ihm im Gürtel hing. „Im Namen des Gekreuzigten!... wollte er anheben, aber schon war er zu Boden geworfen, unsanfte Fäuste hielten ihn, ein Strick ward um seine Hände geschlungen, bald lagen sie geknebelt auf dem Rücken – eine weiße Binde umschloß seine Augen knapp und fest, daß es dunkel um ihn ward – „Vorwärts!“ die Überraschung des Augenblicks beugte ihm die Knie, unsicher schritt er, da hoben sie ihn und trugen ihn ein Stück weit. Am Beginn des Waldes stunden vier Männer mit einer Sänfte, in die warfen sie den Betroffenen und weiter ging’s durch die Ebene, am steten Hufschlag zur Seite merkte Ekkehard, daß die Reiter ihren Fang geleiteten. (Seite 101)
Dass Herzogin Hadwig sich ein Spiel mit ihm erlaubte, erfährt der junge Mönch dann auf dem Hohentwiel von ihr selbst:
„Habt Ihr vor drei Tagen die Herzogin in Schwaben nicht anders als getragen über des heiligen Gallus Schwelle kommen lassen, so war’s billig, daß auch sie den Mann von Sankt Gallen in ihr Schloß tragen ließ.“ (Seite 104)
Schon bald beginnt Ekkehard mit dem Lateinunterricht. Er rezitiert vor Hadwig und Praxedis, der anmutigen Dienerin der Herzogin, die Aeneis des Vergil und diskutiert mit den beiden Frauen über die vorgelesenen Kapitel.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 97) | Karpellus (Schulverein Pk Nr. 493)
Zwei jugendliche Eigenleute leben auf dem Hohentwiel: Audifax als Ziegenhirt und Hadumoth als Gänsehirtin. In der Nacht des ersten Novembers beobachten die beiden, wie eine alte Frau, die heilkundige Waldfrau, auf dem benachbarten Berg Hohenkrähen eine heidnische Zeremonie abhält:
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 491)
Eine breitgipflige Eiche breitete ihre dunklen Äste aus. Da duckten sich Audifax und Hadumoth hinter einen Stein und schauten hinüber. Es war ein Tier geschlachtet worden, ein Haupt, wie das eines Pferdes, war an den Eichstamm genagelt, Spieße standen über dem Feuer, Knochen lagen umher. In einem Gefäß war Blut.
Um einen zugehauenen Felsblock saßen viele Männer, ein Kessel mit Bier stand auf dem Stein. Sie schöpften daraus mit steinernen Krügen. An der Eiche kauerte ein Weib. (…)
Die Männer schauten nach ihr. Zusehends hellte sich der Himmel im Osten. In die Nebel über dem See kam Bewegung. Jetzt warf die Sonne ihre ersten Strahlen vergüldend über die Berge, bald stieg der feurige Ball empor, da sprang das Weib auf, die Männer erhoben sich schweigend; sie schwang einen Strauß von Mistel und Tannreis, tauchte ihn in das Gefäß mit Blut, sprengte dreimal der Sonne entgegen, dreimal über die Männer, dann goß sie des Gefäßes Inhalt in das Wurzelwerk der Eiche. (Seite 131)
Die beiden Kinder berichten Ekkehard, was sie beobachtet haben. Als dieser der Herzogin davon erzählt und sich über den Aberglauben ihrer Untertanen empört, stellt sie es ihm frei, dem heidnischen Treiben der Waldfrau ein Ende zu bereiten. Ekkehard lässt auf dem Hohenkrähen die Eiche fällen und vertreibt, unterstützt vom Singener Diakon, voll christlichen Glaubenseifers die Alte aus ihrem Haus.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 109)
„Waldfrau“, rief Ekkehard gebietend, „bestellt Euer Haus und schnüret Euren Bündel, Ihr müsset fort.“ (…)
„Im Namen der Herzogin von Schwaben (…) spreche ich über Euch wegen Hegung heidnischen Aberglaubens und nächtlichen Götzendienstes die Verweisung aus Haus und Hof und Gau und Land aus. Euer Stuhl sei gesetzt vor die Tür Eurer Hütte, ziehen sollt Ihr unstet soweit der Himmel blau ist, soweit Christen die Kirche besuchen (…). Kein gastlich Tor soll sich Euch öffnen, kein Feuer am Herd brenne für Euch, bis daß Ihr Eures Frevels Euch abgetan und Euren Frieden gefestet mit dem dreieinigen Gott, dem Richter der Lebenden und Toten.“ (Seite 146f.)
Im März des nächsten Jahres erfährt die Herzogin, dass die Hunnen wieder ins Reich eingedrungen sind. Auch das Land um den Bodensee muss mit Überfällen des Reitervolkes rechnen.
Wie soll die Herzogin sich verhalten? Sie schickt Ekkehard an den Bodensee zum Alten in der Heidenhöhle, um dessen Rat einzuholen.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 115)
… ein Gemach war von Menschenhänden in den Fels gehauen, hoch, stattlich, in spitzbogiger Wölbung; ein rohes Gesimse zog sich um die Wände, die Fensteröffnungen weit und luftig; wie von einer Rahme umfaßt glänzte ein Stück blauer See und gegenüberliegendes Waldgebirge herein, eine flimmernde Schicht Sonnenlicht drang durch sie in des Gemaches Dunkel. Spuren von Steinbänken waren da und dort sichtbar, nah beim Fenster stund ein hoher steinerner Lehnstuhl, ähnlich dem eines Bischofs in alten Kirchen, eine Gestalt saß drin. Es war ein fremdartig Menschenbild, mächtigen Umfangs, schwer saß das schwere Haupt zwischen den Schultern, Runzeln durchfurchten Stirn und Wangen, spärlich weißes Haupthaar lockte sich um den Scheitel, schier zahnlos der Mund: der Mann mußte steinalt sein.(…)
„Wer kommt zu den Vergessenen?“ fragte der Greis mit dünner Stimme. Da neigte sich Ekkehard vor ihm und nannte seinen Namen und wer ihn gesandt. (Seite 174)
Man solle sich gegen die Hunnen bewaffnen und das Land verteidigen. Mit diesem Rat kehrt Ekkehard auf den Hohentwiel zurück.
Die Klosterbrüder von der Reichenau und von St. Gallen bringen sich vor den heranziehenden Hunnen auf dem Hohentwiel in Sicherheit. Aus der Burg wird nun ein großes Heerlager.
Nach einigen Tagen hält die Herzogin Musterung:
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 489)
Jetzt tat sich das äußere Burgtor knarrend auf, und die Scharen zogen herab. Voraus die Bogen- und Armbrustschützen; lustige Klänge erschallten, ernsten Antlitzes schritt Audifax als Sackpfeifer mit den Hornisten, in geschlossenem Zug ging’s vorbei. Dann ließ Simon Bardo ein Signal blasen, da lösten sich ihre Glieder und schwärmten aus wie ein wilder Wespenschwarm und hielten Busch und Hecken besetzt.
Dann kam die Kohorte der Mönche, festen Schrittes, in Helm und Harnisch, die Kutte darüber, den Schild auf dem Rücken, den Spieß gefällt: eine sturmgewaltige Schar; hoch flatterte ihr Fähnlein: ein rotes Kreuz im weißen Feld. Pünktlich marschierten sie, als wär‘ es seit Jahren ihr Handwerk – bei starken Menschen ist auch die geistige Zucht gute Vorübung zum Kriegerstand. (…)
Ekkehard schritt auf dem rechten Flügel; wie sie an der Herzogin vorüberkamen, traf ihn ein Blick aus den leuchtenden Augen, der kaum der ganzen Schar gegolten. (Seite 196f.)
Im Kloster Reichenau hatte sich der etwas „blödsinnige“ Heribald geweigert, mit den anderen Mönchen zu flüchten. Als sich die Hunnen nähern, beschließt er sie „würdig“ zu empfangen:
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 492)
„Bin ich nicht in der Klosterschule über den Geschichten des Altertums gesessen und hab‘ gehört, wie die römischen Senatoren der senonischen Gallier Einbruch erwartet? Den Mantel umgeschlagen, den Elfenbeinzepter in der Faust, saßen die Greise in ihren Stühlen, unbewegten Auges, wie eherne Götzenbilder: der lateinische Lehrer soll uns nicht umsonst vorgepredigt haben, das sei ein würdiger Empfang gewesen! Heribald kann’s auch!“… Gelinder Blödsinn ist dann und wann eine neidenswerte Mitgift fürs Leben. (…)
Ein kurulischer Stuhl war zur Zeit im Kloster nicht vorhanden. Heribald schob einen mächtigen Eichstamm an die Pforte, die in den Hof führte. „Zu was Zweck und Nutzen haben wir die weltliche Geschichte gelernt, so wir keinen guten Rat draus schöpfen?“ murmelte er, setzte sich gelassen auf seinen Block und wartete der Dinge, die da kommen sollten. (…)
Wie in Stein gehauen saß Heribald und schaute unverzagt den seltsamen Gestalten entgegen. (Seite 207ff.)
Dank Erica, der Liebsten des Hunnenführers, wird Heribald verschont, als die Hunnen im Kloster wüten.
Auf dem Hohentwiel rüstet man sich inzwischen zur großen Schlacht. Am Morgen davor überreicht Herzogin Hadwig dem jungen Mönch das Schwert ihres verstorbenen Gemahls – eine Schlüsselszene des Romans, die den weiteren Verlauf der „Liebesgeschichte“ bestimmen wird:
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 121)
„Und noch etwas“, sprach Frau Hadwig.
An seidener Schnur trug sie ein goldgefaßt Kleinod um den Hals, das zog sie aus ihrem Busen; es war ein Kristall, der einen unscheinbaren Splitter barg: „Wenn mein Gebet nicht ausreicht, so mög‘ Euch die Reliquie Schutz verleihen. Es ist ein Splitter vom Heiligen Kreuz. (…) Mög‘ es auch im Krieg Segen spenden!“
Sie neigte sich, dem Mönch das Kleinod umzuhängen. Er beugte sein Knie; längst hing’s um seinen Hals, er kniete noch. Sie streifte leicht mit der Hand über sein lockig Haar, ein Zug von Milde und Wehmut lag über ihrem strengen Antlitz – Ekkehard hatte vor dem Namen des heiligen Kreuzes sein Knie gebeugt, itzt war’s ihm, als müsse er sich ein zweitesmal niederwerfen, niederwerfen vor ihr, die so huldvoll seiner gedachte. Aufkeimende Neigung braucht Zeit, sich über sich selbst klar zu werden, und in Dingen der Liebe hatte er nicht rechnen und abzählen gelernt, wie in den Versmaßen des Vergilius, sonst hätte er sich sagen mögen, daß, wer ihn aus des Klosters Stille zu sich gezogen, wer an jenem Abend auf Hohenkrähen, wer am Morgen der Schlacht so vor ihm stand, wie Frau Hadwig, itzt wohl ein Wort aus der Tiefe des Herzens, vielleicht mehr als ein Wort von ihm erwarten mochte.
Seine Gedanken jagten sich, alle Pulse schlugen.
Wenn früher etwas wie Liebe sich in ihm geregt, so war die Ehrfurcht vor seiner Gebieterin herangetreten, es zurückjagend wie der Sturm, der dem scheu zum Dachfenster herausschauenden Kind den Laden vor der Nase zuwirft. An die Ehrfurcht dachte er jetzt nicht, eher daran, wie er die Herzogin einst mit keckem Arm durch den Klosterhof getragen. Auch an sein Mönchsgelübde dachte er nimmer, es regte sich in ihm, als sollt‘ er ihr in die Arme fliegen und sie jauchzend ans Herz pressen – Herrn Burkhards Schwert brannte ihm an der Seite. Wirf ab die Scheu, dem Kühnen gehört die Welt! War’s nicht so in Frau Hadwigs Augen zu lesen?
Er stand auf, stark, groß, frei – so hatte sie ihn noch nie gesehen … Aber es war nur eine Sekunde, noch war kein Laut vom Sturm des Herzens über die Lippen geflohen, da fiel sein Blick auf das dunkle Kreuz von Ebenholz, das Vincentius einst in seiner Turmstube aufgehängt: „Es ist der Tag des Herrn, und du sollst heute reden vor dem Volk!“ – die Erinnerung an seine Pflicht schlug alles nieder …(…)
Zag wie ehedem, ergriff er Frau Hadwigs Hand.
„Wie soll ich meiner Herrin danken?“ sprach er mit gebrochener Stimme.
Sie schaute ihn durchbohrend an. Der weiche Zug war vom Antlitz entflogen, die alte Strenge lagerte wieder auf der Stirn, als wolle sie antworten: „Wenn Ihr’s nicht wißt, ich werd’s Euch nicht verkünden“ – aber sie schwieg. Noch hielt Ekkehard ihre Rechte gefaßt. Sie zog sie zurück.
„Seid fromm und tapfer!“ sprach sie, aus dem Gemache schreitend. Es klang wie Hohn …
Kaum länger als einer braucht, um das Vaterunser zu beten, war die Herzogin bei Ekkehard gewesen, aber es war mehr geschehen, als er ahnen mochte. (Seite 225ff.)
Während der schrecklichen Schlacht gibt es auf beiden Seiten große Verluste. Und Ekkehard kämpft tapfer im St. Gallener Haufen.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 132)
Um das sanktgallische Feldzeichen war ein erlesen Häuflein geschart. Noch flatterten die schwarzen Wimpel vom Bild des Gekreuzigten, aber der Kampf war hart. Mit Wort und Tat feuerte Ekkehard die Genossen an, Widerpart zu halten. (…) Leichen erschlagener Männer und Rosse lagen in wildem Durcheinander; wer überlebte, hatte seine Schuldigkeit getan, und wo alle brav, ragt keine Einzeltat besonderen Ruhm erheischend aus dem Geschehenen herfür. Herrn Burkhards Schwert hatte in Ekkehards Händen neue Bluttaufe errungen, doch vergeblich war er auf Ellak, den Heerführer, eingedrungen, nur wenige Hiebe wechselten sie, da trennte das Wogen der Schlacht die Streitenden. (Seite 238)
Kampfentscheidend ist das Eingreifen des Alten aus der Heidenhöhle: Als dieser den Hunnenführer erschlägt (und dabei selbst den Tod findet), fliehen die Hunnen.
Der Totenwächter auf dem Schlachtfeld muss in der Nacht viele auf beiden Seiten Gefallene bewachen:
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 497)
Die auf dem Blachfeld lagen still, Freund und Feind, wie das Wogen des Streits sie gebettet.
Eine Gestalt sah der Wächter über die Walstatt huschen, wie die eines Kindes. Sie beugte sich nieder und ging weiter und beugte sich abermals und wandelte auf und ab, aber es grauste ihm, sie anzurufen. (Seite 242)
Es ist Hadumoth, die ihren Liebsten Audifax unter den Toten sucht und nicht findet. Denn dieser ist von den Hunnen gefangen und mitgenommen worden.
Hadumoth erbittet sich von der Herzogin, ihren Audifax bei den Hunnen suchen und freikaufen zu dürfen. Am Rhein stößt sie schließlich auf deren Lager. Als dieses überfallen wird, gelingt es den beiden Liebenden zu fliehen.
Zu Hause feiert der gefangene Hunne Cappan mit der Magd Friderun gerade Hochzeit, da tauchen die zwei jungen Flüchtlinge auf. Jetzt erweist sich die Herzogin als großzügige Herrin: Sie spricht die beiden frei, beeindruckt von deren großer Liebe. Und Ekkehard segnet Audifax und Hadumoth mit dem Zeichen des Kreuzes.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 149)
Seit dem Morgen vor der Hunnenschlacht ist die Beziehung zwischen Ekkehard und Hadwig eine andere geworden. Die Zeichen der Zuneigung von Seiten der Herzogin bleiben aus. Und Ekkehard kämpft einen verzweifelten Kampf mit sich und seinen Gefühlen:
Er war in Wahrheit nicht mehr wie früher. Der stille Bücherfriede der Mönchsklause war von ihm gewichen. Kampf und Hunnennot hatten sein Denken geweitet, der Herzogin Zeichen von Huld sein Herz entzweit. Im Gang des Tages, im Traum der Nacht verfolgte ihn das Bild, wie sie ihm Reliquie und das Schwert des Gatten umgehangen, und in bösen Stunden zogen Vorwürfe nebelgleich durch seine Seele, daß er’s so schweigend hingenommen. Frau Hadwig ahnte nicht, was in ihm kochte, sie dachte gleichgültiger von ihm, seit vermeintliches Nichtverstehen ihres Zuvorkommens sie gedemütigt. (Seite 278)
Im selben Maße, wie die Herzogin Ekkehard auf Distanz hält, wachsen in ihm Leidenschaft und Liebe. Ihre Kühle macht ihn ernst und in sich gekehrt.
Als der St. Gallener Klosterschüler Burkard, Ekkehards Neffe, auf den Hohentwiel kommt, wird nach einem halben Jahr Pause die gemeinsame Vergil-Lektüre wieder aufgenommen. Es verletzt Ekkehard, wie sich die Herzogin an den lateinischen Hexametern des etwas altklugen Jungen Burkhard erfreut und ihn demonstrativ mehrmals „auf Lippe und Wange“ küsst. Wie sie mit dem Knaben spielt, so spielt sie auch mit ihm.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 185)
Hadwig ist die Vergil-Lektüre bald leid: Nun soll das Erzählen alter einheimischer Sagen zur Unterhaltung dienen.
Im Burggarten des Hohentwiel sind der Kämmerer Spazzo und Praxedis die ersten Erzähler einer solchen Geschichte. Dann ist Ekkehard an der Reihe:
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Jauslin (Weiss, Seite 195)
Er stand auf und sah in die Mondnacht hinaus. Verwundert schauten die andern sein Gebaren. Er aber hub mit klangloser Stimme an. „Es ist eine kurze Geschichte. Es war einmal ein Licht, das leuchtete hell und leuchtete von einem Berg hernieder und leuchtete in Regenbogenfarben und trug eine Rose im Stirnband…“
„Eine Rose im Stirnband?!“ brummte Herr Spazzo kopfschüttelnd. „… Und es war einmal ein dunkler Nachtfalter“, fuhr Ekkehard in gleichem Ton fort, „der flog zum Berg hinauf und flog um das Licht und wußte, daß er verbrennen müsse, wenn er hineinfliege, und flog doch hinein, und das Licht verbrannte den Nachtfalter, da ward er zur Asche und vergaß des Fliegens. Amen!“
Frau Hadwig sprang unwillig auf.
„Ist das Eure ganze Geschichte?“ fragte sie.
„Meine ganze Geschichte!“ sprach er mit unveränderter Stimme.
„Es ist Zeit, daß wir hinaufgehen“, sagte Frau Hadwig stolz. „Die Nachtluft schafft Fieber.“
Sie schritt mit verächtlichem Blick an Ekkehard vorüber. (Seite 358f.)
Am nächsten Tag trifft die Herzogin in der Burgkapelle auf den von seinen leidenschaftlichen Gefühlen gepeinigten Ekkehard, der „mit irrem Blick“ von einem gemeinsamen Liebestod spricht.
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 496)
Jetzt brach er zusammen in leisem Weinen. Frau Hadwig war unbewegt gestanden, es war, als ob ein Flimmer von Mitleid ihr kaltes Aug‘ durchleuchte, sie beugte sich nieder.
„Ekkehard!“ sprach sie, „Ihr sollt nicht vom Tod sprechen. Das ist Wahnsinn. Wir leben, Ihr und ich…“
Er bewegte sich nicht. Da legte sich ihre Hand leicht über das fieberheiße Haupt. Es strömte und flutete durch sein Gehirn. Er sprang auf.
„Ihr habt recht!“ rief er, „wir leben. Ihr und ich!“ Tanzende Nacht legte sich um seinen Blick; er tat einen Schritt vor, seine Arme schlangen sich um das stolze Frauenbild, wütend preßte er sie an sich, sein Kuß flammte auf ihren Lippen, ungehört verklang ihr Widerspruch.
Er hob sie hoch gegen den Altar, als wäre sie ein Weihgeschenk, das er darbringen wollte: „Was hältst du die goldglänzenden Finger so ruhig und segnest uns nicht?“ rief er zum düster ernsten Mosaikbild hinauf…
Die Herzogin war zusammengeschrocken wie ein wundes Reh; - ein Augenblick, da ballte und bäumte sich alles in ihr von gekränktem Stolz; sie stieß den Rasenden mit starker Hand vor die Stirn und entstrickte sich seinem Arm.
Noch hielt er ihre Hüfte umschlungen, da tat sich die Pforte der Kirche auf; ein greller Strahl Tageslicht drang ins Düster – sie waren nicht mehr allein.
Rudimann, der Kellermeister von Reichenau, trat über die Schwelle, Gestalten erschienen im Grunde des Burghofs.
Die Herzogin war entfärbt in Scham und Zorn, eine Flechte ihres dunklen Haupthaares wallte aufgelöst über den Nacken.
„Entschuldiget“, sprach der Mann von Reichenau mit grinsend höflichem Ausdruck, meine Augen haben nichts geschaut.“ (Seite 365f.)
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Jauslin (Weiss, Seite 211)
Als Rudimann den bloßgestellten Ekkehard verhöhnt und der Abt mit anderen Klosterleuten die Kapelle betritt,…
Da schäumte Ekkehard auf. Des Herzens heiligst Geheimnis von frecher Roheit entweiht, eine Perle vor die Schweine geworfen … er riß die ewige Lampe herunter, wie eine Schleuder schwang er das eherne Gefäß; das Licht darin erlosch – ein dumpfer Schrei hallte auf, der Kellermeister lag blutigen Hauptes auf den Steinplatten, die Lampe klirrte neben ihm … Ringen, Zerren, wilde Verwirrung … es ging mit Ekkehard zu Ende. Sie hatten ihn überwältigt; den Gürtel der Kutte rissen sie ihm ab und banden ihn. Da stand er, die jugendschöne Gestalt, jetzt ein Bild des Jammers, dem flügellahmen Adler gleich. Einen matten traurigen Blick ließ er zur Herzogin hinübergleiten … die wandte sich ab.
„Tut, was Eures Amtes ist!“ sprach sie zum Abt und schritt durch die Reihen.“ (Seite 367f.)
Ekkehard wird ins Verlies gebracht und soll hart für seinen Frevel bestraft werden. Doch Praxedis, die als Einzige Mitleid empfindet, verhilft ihm zur Flucht. Für sie ist er unschuldig und ein kranker Mann.
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Jauslin (Weiss, Seite 219) | Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 495)
Sie gingen in das Gärtlein. Ein Windstoß fuhr rauschend durch die Wipfel des Ahorn. Ekkehard wußte kaum, wie ihm geschah; er schwang sich auf die Brustwehr, steil und zackig senkten sich die Klingsteinfelsen in die Tiefe, dunkler Abgrund gähnte zu ihm herauf, am düstern Himmel jagten sich die Wolken (…) der Wind peitschte sie zu dem matt in der Ferne schimmernden Bodensee. In dunklem Umriß lag die Landschaft.
„Gesegnet sei Euer Weg!“ sprach Praxedis.
Ekkehard saß starr auf der niederen Mauerzinne, er zog seine Hand nicht von der Griechin, wehmütiger Dank durchwogte sein ausgestürmt Herz. Da schmiegte sich ihre Wange an die Seine, auf seinen Lippen zitterte ein Kuß, eine Träne perlte drauf nieder. Sanft wand sich Praxedis von ihm. (…)
Jetzt ließ sich Ekkehard nieder; noch einmal winkte er mit der Hand, dann schwand er aus ihren Augen. (Seite 377)
In den Schweizer Bergen, am Fuße des Säntis, findet Ekkehard Zuflucht. Versorgt von den Sennen der Ebenalp, lebt er als Einsiedler in einer Höhle beim Wildkirchlein.
Und allmählich gewinnt Ekkehard inmitten der gewaltigen Bergnatur seine innere Ruhe wieder. Vom Kloster St. Gallen lässt er sich heimlich eine Handharfe bringen.
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Jauslin (Postkarte und Weiss, Seite 229)
Ekkehard aber nahm die Harfe und setzte sich unter das Kreuz vor die Höhle und griff eine fröhliche Tagweise; er hatte lange nimmer die Saiten gerührt, es tat ihm wundersam wohl, der mächtigen Einsamkeit gegenüber in leisen Tönen auszusprechen, was ihm im Herzen lebte. (Seite 405)
Einmal spielt er sogar zwei jungen Leuten auf der Ebenalp zum Tanz auf:
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Karpellus (Schulverein Pk. Nr. 494)
Und Ekkehard erquickte sich an der gesunden Fröhlichkeit der Kinder vom Berg und griff wacker in die Saiten, und sie tanzten im weichen Gras der Matten, bis der Mond in gelber Schöne sich über die Maarwiese hob… (Seite 409)
Mehr noch als die Musik heilt etwas anderes Ekkehards Herz: Er wird zum Dichter. Er schreibt das Walthari-Lied nieder, eine Heldensage im Umkreis des Nibelungenlieds, die den Kampf Walthers von Aquitanien gegen den Burgunderfürsten Gunther und dessen Recken schildert:
In großen markigen Zügen stund die Geschichte vor ihm, die er in schlichtem Heldengesang zu verherrlichen gedachte. Noch in derselbigen Nacht blieb Ekkehard beim Kienspanlicht sitzen und begann sein Werk, und eine Freude kam über ihn, wie die Gestalten unter seiner Hand Leben annahmen, eine ehrliche große Freude, denn in fröhlicher Arbeit der Dichtung erhebt sich der Mensch zur Tat des Schöpfers, der eine Welt aus dem Nichts hervorgerufen. (Seite 407)
Im 24., dem vorletzten Kapitel vermittelt „der Schreiber dieses Buches“ dem Leser seine Übersetzung des lateinischen Textes „in deutschem Reim“ (Seite 412).
Als auf der Ebenalp der Almabtrieb beginnt, nimmt auch Ekkehard Abschied:
„Es hilft nicht“, sprach er, „auch ich muß wieder zu Tale. Der Schnee weht zu kalt und ich bin zu jung, kann kein Einsiedel bleiben." (…) Er griff seine Reisetasche und legte seine wenige Habe drein. Sein Teuerstes, das Waltharilied, sorgsam umhüllt, tat er oben drauf. (Seite 454)
Am Jahrestag ihres Besuches im Kloster St. Gallen steht Herzogin Hadwig an der Burgmauer und schaut hinüber zu den helvetischen Bergen.
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Jauslin (Weiss, Seite 239) | Karpellus (Schulverein, Pk. Nr. 490)
Ein zischender leiser Ton schreckte die Herzogin auf, ihr Auge streifte an dem Felsabhang vorüber, über den einst der Gefangene entronnen, eine dunkle Gestalt entschwand im Schatten, ein Pfeil kam über Frau Hadwigs Haupt geflogen und sank langsam zu ihren Füßen nieder.
Sie hob das wundersame Geschoß auf. Nicht Feindeshand hatte es dem Bogen entschnellt, feine Blätter Pergamentes waren um den Schaft gewunden, die Spitze umhüllt mit einem Kränzlein von Wiesenblumen. Sie löste die Blätter und kannte die Schrift.
Es war das Waltharilied. Auf dem ersten Blatt stund mit blaßroten Buchstaben geschrieben: „Der Herzogin von Schwaben ein Abschiedsgruß!“ und dabei stund der Spruch des Apostels Paulus: „Selig der Mann, der die Prüfung bestanden!“
Da neigte die stolze Frau ihr Haupt und weinte bitterlich. (Seite 456f.)
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Wilhelm Stumpf (1873-1926):
Der Herzogin von Schwaben ein Abschiedsgruss
Jahrbuch der bildenden Kunst 1907/08, S.61
Nun hat Ekkehard die Geschichte geliefert, die er auf dem Hohentwiel der Herzogin schuldig geblieben war.
„Hier endet unsere Geschichte“, schreibt der Erzähler und fügt nur noch einige Informationen und Mutmaßungen über das weitere Schicksal seiner Figuren an.
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Jauslin (Weiss, Seite 1)
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Karl Jauslin wurde 1842 in Muttenz / Kanton Basel-Landschaft geboren und starb 1904 in seinem Schweizer Heimatort.
In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, fand er nach verschiedenen Gelegenheitsarbeiten eine Anstellung in der Werkstatt des Basler Dekorationsmalers Bernhard Thommen. Abends besuchte Jauslin Kurse an der Zeichen- und Modellierschule in Basel. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 illustrierte Jauslin Kriegsszenen für die Familienzeitschrift Über Land und Meer des Stuttgarter Verlegers E. Hallberger und die Deutsche Kriegszeitung. Von 1871 bis 1874 besuchte der inzwischen 29-Jährige die Stuttgarter Kunstschule (Malen, Kupferstechen, Radieren, perspektivisches Zeichnen und Modellieren), finanzierte sich selbst durch weitere Arbeiten für den Hallberger Verlag.
Nach einem Studienaufenthalt in Wien (Studium der alten Meister, Kostümkunde) kehrte Jauslin 1876 nach Muttenz zurück und wurde in der Schweiz zu einem gefragten Illustrator historischer Begebenheiten. Das Wissen dafür bezog er aus Nachschlagewerken.
Die seit 1848 in der Schweiz sehr beliebten patriotischen Feste und Umzüge zur Stärkung der nationalen Integration boten Jauslin ein wichtiges Betätigungsfeld: Für mehrere Schweizer Städte illustrierte er großformatige Leporellos und Erinnerungsalben dieser Festzüge. Wirklich bekannt wurde Jauslin dann durch seine Bilder aus der Schweizergeschichte, die in mehreren Auflagen als Bilderbogen, später auch in Buchform erschienen. Sie prägten das Geschichtsbild ganzer Schülergenerationen und deckten als privater Wandschmuck den Bedarf an vaterländischen Bildern.
Außer durch diese historischen Bilderbogen machte sich Jauslin auch einen Namen als Illustrator von Volkskalendern, Broschüren und verschiedenen Büchern, so z.B. das von Karl Weiss: Hohentwiel und Ekkehard. Er schuf Plakate und Serien von Werbebildchen für verschiedene Firmen sowie großformatige Historienbilder für Museen.
Jauslins Biografin Hildegard Gantner-Schlee schreibt über dessen Bildgestaltung: „Jauslins zumeist figurenreiche und stets bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Bilder boten dem aufmerksamen Betrachter eine Fülle an Informationen. (…) Die idealisierende Charakterisierung der Personen und deren pathetische Gebärdensprache entsprachen dem Geschmack der Zeit. Jauslins Bilder zitieren viele Elemente der älteren Kunst, deren Themen- und Formenschatz er Reproduktionen entnehmen konnte.“
Dies gilt auch für Jauslins hier vorgestellte Illustrationsreihe zu Scheffels Ekkehard-Roman.
Quellen:
* https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Jauslin
* www.heimatkunde-muttenz.ch/index.php/freizeit/kunst-und-kultur/karl-jauslin/der-historienmaler
* Thieme-Becker, Bd. 18, Seite 446
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Adolf Karpellus, 1869 in Nowy-Sacz als Sohn eines österreichisch-ungarischen Offiziers geboren, studierte bei den Professoren Griepenkerl und Trenkwald an der Wiener Akademie der bildenden Künste, setzte sein Studium dann fort in Paris an der Académie Julian bei Fleury und Lefèvre. Zurück in Wien wurde Karpellus, der sich in der französischen Hauptstadt auch mit der dort schon sehr ausgeprägten Außenwerbung befasst hatte, zu einem der führenden Plakatkünstler Österreichs.
1894 war er erstmals mit seinem Ölbild Im Seewind in einer Ausstellung des Wiener Künstlerhauses vertreten. In den 90er Jahren war Karpellus Mitglied des Siebener-Clubs im Café Sperl. Nachdem er 1905 als ordentliches Mitglied in die Gesellschaft bildender Künstler Österreichs aufgenommen worden war, widmete ihm das Künstlerhaus eine Kollektivausstellung seiner Plakate.
Karpellus wurde mehrfach ausgezeichnet, z.B. 1907 mit der „kleinen österreichischen Staatsmedaille“ für sein Ölgemälde Meine Mutter. Zwei Mal, 1907 und 1909, erhielt er den 1. Preis bei österreichischen Plakatwettbewerben.
Im Ersten Weltkrieg entwarf Karpellus Postkarten zu Kriegsthemen, u.a. für das Rote Kreuz, sowie Werbeplakate für Kriegsanleihen.
Adolf Karpellus war nicht nur ein äußerst produktiver Plakatkünstler und Illustrator, sondern auch ein sehr vielseitiger Maler (Öl, Tempera) von Porträts, Landschaften, Stillleben und Genrebildern. Er starb 1919 in Wien. Das Künstlerhaus ehrte ihn 1920 in einer Gedächtnisausstellung mit 21 seiner Gemälde.
Quellen:
* www.austrianposters.at/pages/grafiker/denscher_karpellus_de.html
* Thieme-Becker, Band 19, Seite 568
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Foto aus: Werner Kremser:
Studien über Joseph Viktor von Scheffel. Salzburg 1913
1853 machte sich Scheffel in Heidelberg an die Vorarbeiten zu einer Habilitation in altdeutscher Staats- und Rechtsgeschichte, um sich damit die Grundlage für einen akademischen Brotberuf zu schaffen. Aus dieser Habilitation wurde nichts. Scheffel erklärte dies in einem Brief an den Dichterfreund Paul Heyse später so: Er habe der Versuchung nicht widerstehen können, seine „academischen Vorarbeiten zu einem Roman umzugestalten“ (17. Januar 1856, S. 21). Ganz besonders durch die Lektüre der Casus sancti Galli, der Sankt Gallener Klosterchronik, sei der Poet in ihm geweckt und inspiriert worden, schrieb Scheffel dann in seinem Vorwort zum Ekkehard:
Unter dem unzähligen Wertvollen, was die großen Folianten der von Pertz herausgegebenen „Monumenta Germaniae“ bergen, glänzen gleich einer Perlenschnur die sanktgallischen Klostergeschichten, die der Mönch Ratpert begonnen und Ekkehard der Jüngere (oder, zur Unterscheidung von drei gleichnamigen Mitgliedern des Klosters, der Vierte benannt) bis ans Ende des zehnten Jahrhunderts fortgeführt hat. Wer sich durch die unerquicklichen und vielfältig dürren Jahrbücher anderer Klöster mühsam durchgearbeitet hat, mag mit Behagen und innerem Wohlgefallen an jenen Aufzeichnungen verweilen. Da ist trotz mannigfacher Befangenheit und Unbehilflichkeit eine Fülle anmutiger, aus der Überlieferung älterer Zeitgenossen und den Berichten von Augenzeugen geschöpfter Erzählungen, Personen und Zustände mit deutlichen Strichen gezeichnet (…)
Ohne es aber zu beabsichtigen, führen jene Schilderungen zugleich über die Schranken der Klostermauern hinaus und entrollen das Leben und Treiben, Bildung und Sitte des damaligen alemannischen Landes mit der Treue eines nach der Natur gemalten Bildes. (S. 499 f.)
Maler und Dichter in Scheffel konnten sich dem lebendigen Realismus dieser Klostergeschichten nicht entziehen – der Handlungsraum seines Romans war damit vorgegeben.
Bei seinen akademischen Recherchen war Scheffel noch auf zwei andere St. Gallener Mönche namens Ekkehard gestoßen: Einmal auf den Verfasser des lateinischen Walthari-Lieds, Ekkehard I. (910-973). Zum andern in der Klosterchronik selbst auf Ekkehard II. (gest. 990), der, so heißt es dort, der Witwe des Schwabenherzogs Purkhart auf dem Hohentwiel den Vergil erklärt habe. Mehr enthält die Chronik nicht, keinen Hinweis auf eine Liebesgeschichte zwischen dem Mönch und der Witwe Hadwig.
Diese beiden Ekkeharde, den Walthari-Lied-Dichter und den Vergil-Erklärer, verschmolz Scheffel dann in seinem Roman zu einer Figur, seinem Ekkehard.
Bodensee
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Bodensee und Umgebung. B. Lehrburger, Nürnberg. 5620. Eindruck auf der Adressseite: ... den ... 19 ...Von hier sendet viele Grüße. Nicht gelaufen.
Die Romanhandlung ist, trotz einiger realhistorischer Figuren und vieler historischer Versatzstücke, eine durch und durch fiktive Geschichte. Nicht fiktiv, sondern sehr real sind dagegen Landschaft und Handlungsorte des Ekkehard. Das hängt mit der Arbeitsweise des Schriftstellers Scheffel zusammen: Er konnte den Handlungsraum seiner Texte nur gestalten, wenn er die Orte und die Gegend aus eigener Anschauung genau kannte.
Er wollte sich, so schreibt er im Vorwort seines Romans, „möglichst vollständig in Land und Leute einleben“, sagte „den Folianten, den Quellen der Gestaltenseherei, Valet und zog hinaus auf den Boden, den einst die Herzogin Hadwig und ihre Zeitgenossen beschritten“ (S. 501 f.). Im April und Mai 1854 suchte Scheffel die wesentlichen Handlungsorte seines geplanten Ekkehard-Romans auf.
Zunächst fuhr er von Friedrichshafen über den Bodensee nach St. Gallen. Im Kloster dort, einst ein frühmittelalterliches Zentrum abendländischer Kultur, sollten Scheffels Ekkehard und Herzogin Hadwig erstmals aufeinander treffen.
St. Gallen. Totalansicht mit Bodensee
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St. Gallen. Totalansicht mit Bodensee. Alte Postkarte, um 1910. Digitalisiert in Wikimedia Commons. Creative Commons Lizenz.
Dem Frühmittelalter konnte Scheffel während seines St. Gallener Aufenthalts nur noch in den uralten Handschriften der Klosterbibliothek begegnen. Der Bibliotkekssaal dagegen, in dem er zwei Tage lang Miniaturen aus dem 9. Jahrhundert kopierte, umgab ihn mit spätbarocker Pracht. Die gesamte Klosteranlage war zuletzt zwischen 1755 und 1767 als fürstäbtliche Residenz aus- und umgebaut worden. Auch mönchisches Leben konnte Scheffel 1854 dort nicht mehr antreffen: Das Kloster war seit 1805 säkularisiert.
Weil ihm vom „projectierten Ausflug ins Appenzell wegen schlechter Beschaffenheit der Wege abgerathen“ wurde, verschob Scheffel den Besuch von Wildkirchli und Ebenalp, weitere Schauplätze seines Ekkehard, auf eine günstigere Jahreszeit und reiste von St. Gallen aus über Konstanz auf die Reichenau (Siegrist, S. 98).
Insel Reichenau
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Insel Reichenau. 13419, Adressseite: Insel Reichenau im Bodensee. Signet. Verlag Josef Keller, Reichenau. 12 A. 559 25. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 19.8.26.
Im Kloster Reichenau wird Scheffels sittenstrenger junger Mönch Ekkehard auf dem Weg zum Hohentwiel Station machen. Er wird dort den Kellermeister wegen eines Kusses verprügeln und Abt Wazmann durch eine anzügliche Bemerkung verprellen. Noch mehrere Male ist das Kloster Schauplatz der Romanhandlung: Im 13. Kapitel („Heribald und seine Gäste“) wird es von den Hunnen gestürmt und geplündert. Und im Kloster Reichenau wird jene Schmähschrift des Gunzo gegen Ekkehard vervielfältigt und eine Kopie auch auf den Hohentwiel geschickt werden, um „das Ekkehardlein“ „fertig“ zu machen (17. Kapitel des Romans, S. 297)). Herr Spazzo, Hadwigs Kämmerer, wird sich im 18. Kapitel am guten Klosterwein einen schweren Kopf holen, als er auf der Reichenau Buße für einen Rechtsbruch der Klosterleute einfordern soll.
Insel Reichenau mit Benediktiner-Abtei
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Insel Reichenau mit der ehem. Benediktiner-Abtei vom Flugzeug aus. Echte Photographie. Awuco. Graph. Kunst- u. Verlagsanstalt A. Weber & Co, Stuttgart. Nr.79334/3.133. Nr. 2924 Alle Rechte vorbehalten. Copyright by Luftverkehr Strähle Schorndorf/Württ. Adressseite geteilt. Nicht gelaufen.
Auch auf der Reichenau traf Scheffel bei seiner Erkundungsreise kein klösterliches Leben mehr an, da das Kloster 1803 säkularisiert und schon 1757 aufgehoben worden war. Nur die Bauwerke selbst konnten ihn mit ihrer Architektur die frühmittelalterlichen Zeiten wiedererstehen lassen. Dass Scheffel im Münster von Mittelzell die Grabplatte Kaiser Karls des Dicken, die einer Neupflasterung zum Opfer gefallen war, nicht mehr vorfand, enttäuschte ihn sehr. Im Roman wird er mit seinem „Alten aus der Heidenhöhle“ diesen letzten karolingischen Kaiser, der 888 im Münster begraben wurde, ‚auferstehen‘ lassen und zu literarischem Leben erwecken.
Reichenau, Inneres vom Münster
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Nr.10,046 Insel Reichenau: Inneres vom Münster. P.O.K.1906. Carte postale. Ed. Phot. Franco-Suisse, Berne. Adressseite geteilt. Nicht gelaufen.
Wann Scheffel einen anderen Schauplatz seines Romans kennen lernte, ist nicht belegt: die Heidenlöcher bei Überlingen, im Ekkehard die Heimstatt des „Alten aus der Heidenhöhle“. Vielleicht hatte er ja schon als Kind von den Heidenlöchern gehört, wenn seine geliebte Großmutter Katharine Krederer, die aus der Gegend um den Hohentwiel (Rielasingen) stammte, ihm Geschichten und Sagen von dort erzählte. Gerade um diese Heidenhöhlen rankten sich viele solcher örtlichen Geschichten.
Heidenhöhlen bei Überlingen
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Ansicht der Heidenhöhlen vor dem Straßenbau. Kolorierter Stahlstich von Georg Michael Kurz (1815-1883), publiziert in: Eugen Huhn: Das Grossherzogthum Baden in malerischen Original-Ansichten. Darmstadt: Lange, 1850. Hier nach der Digitalisierung in Wikipedia. Creative Commons-Lizenz.
Die Heidenhöhlen wurden von Menschen in den senkrecht abfallenden Molassesandsteinfelsen am Bodenseeufer eingehauen. Ihre Entstehungszeit ist bis heute unbekannt. Mehrere Räume waren durch Gänge und Treppen verbunden und hatten Fensteröffnungen zum See hin. Im 18. Jahrhundert wurden die Höhlen von Armen und Obdachlosen als Behausung genutzt. Für die Bodensee-Feriengäste waren die Heidenhöhlen im 19. Jahrhundert eine vielbesuchte Attraktion.
Heidenhöhlen bei Überlingen
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Heidenhöhlen b. Überlingen (Bodensee). Adressseite: Verlag Erwin Burda, Freiburg i.Br. Nr. B 6-1357. Nicht gelaufen.
Ein Teil der Höhlen wurde 1846 zerstört, als man eine Bodenseeuferstraße baute. Ob Scheffel den Zustand vor dieser teilweisen Zerstörung kannte, ist ungewiss, aber möglich.
1960 mussten fast alle Höhlenreste wegen Einsturzgefahr gesprengt werden. Der Ort ist heute nicht mehr zugänglich. Nur Bilder und Geschichten, so auch Scheffels Ekkehard, zeugen noch von diesem alten Kulturdenkmal.
Von der Reichenau reiste Scheffel im April 1854 weiter nach Radolfzell und wanderte von dort aus – genau wie sein Ekkehard – zum Hohentwiel, dem zentralen Handlungsort seines Romans. Bis Mai „nistete“ er sich „bei der alten Linde am Abhang des Hohentwiel ein“ (Vorwort S. 502), nämlich im Wirtshaus des Schultheißen Pfizer.
Hohentwiel mit Scheffel-Linde
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Singen. Hohentwiel, 688 m. ü. M. Adressseite: Verlag von Jos. Ott, Photogr. Atelier, Buch- und Kunsthandlung, Singen a. H. Gelaufen. Datiert 1921. Poststempel unleserlich.
Mehrere Male wanderte Scheffel vom Hohentwiel aus zu einem anderen Hegauer Berg hinüber, dem Hohenkrähen.
Hohentwiel, Durchblick auf den Hohenkrähen
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Partie b. d. Herzogsburg auf Hohentwiel m. Durchblick a. d. Hohenkrähen. Adressseite: Eigentum u. Verlag: Jos. Ott, photogra. Atelier, Buch- und Kunsthandlung, Singen a. H. Nicht gelaufen.
Im Roman ist der Hohenkrähen dann Schauplatz einer heidnischen Zeremonie, beobachtet von Audifax und Hadumoth. Nachdem Ekkehard die Eiche dort oben hat zerstören lassen, wird Herzogin Hadwig mit ihm zusammen den Berg emporsteigen und dem jungen Mönch dabei sehr nahe kommen.
Hohenkrähen
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Hohenkrähen um 1900. Alte Postkarte, digitalisiert in Wikipedia. Creative-Commons-Lizenz
Während Scheffels Aufenthalt beim Hohentwiel entstanden erste Teile des Ekkehard, wie Scheffels launiger Eintrag in das Fremdenbuch seines Wirts erkennen lässt:
Was tönet in nächtiger Stunde Gespenstig vom Hohentwiel? Es sitzen zwei auf dem Turme Im Mondschein und lesen Vergil. „Den unsäglichen Schmerz zu erneuen, O Fürstin, gebietest du mir …“ So flüstert’s in klagenden Lauten, Der Wind verweht’s im Revier. Herr Ekkehard ist’s von St. Gallen, Hell glänzt sein mönchisch Gewand; Genüber Frau Hadwig, die stolze Herzogin in Schwabenland. Die nahm einst vor tausend Jahren Lateinischen Unterricht, Da deucht‘ ihr des Lehrers rot Mündlein Viel schöner als alles Gedicht. Sie lasen nicht weit in dem Buche, Es hat sich so wonnig geträumt, Jetzt müssen die Geister vollenden, Was die Lebenden fröhlich versäumt. Drum, wen der Herr im Grimme Zum Mönch und Professor gemacht, Der führe sich das zu Gemüte Und nehme sich besser in acht! |
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Aus: Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke, Band 9: Gesammelte Gedichte, S. 102 f.
Hohentwiel-Hadwigsschloß mit Ekkehardsturm
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Hohentwiel-Hadwigsschloß mit Ekkehardsturm. Adressseite: Signet. Photohaus Ott - Albrecht, Singen a. H. Nicht gelaufen.
Nicht immer wollte es dort auf dem Hohentwiel mit dem Romanschreiben zügig vorangehen. In all seiner Verzweiflung, doch auch ein wenig selbstironisch, fasste Scheffel seine „Poetennot“ um den Ekkehard in ein Gedicht. Er schickte es Ludwig Knapp (1821-1858), seinem Freund aus dem Heidelberger Gelehrtenkreis des „Engeren“:
An L. Knapp, während der Roman Ekkehard ersonnen ward.
(Hof Hohentwiel bei Singen, Pfizers Gasthaus, Ende April 1854.)
Der ich von grünen Neckar-Schilfgestaden einst Hinüberstieg zu Alemanniens alter Burg Und auf basalter Hochwacht dort mich festgesetzt, Ausspähend nach den Alpen und dem Bodensee, Ob mir ein Gott beschere günst’ger Vögel Flug Und eine Heerschar brauchbarer Gestaltungen Samt üpp’gem Weben zeugender Erfindungskraft: Hier sitz‘ ich jetzt, ein dreimal angeleimter Mann, In eigner Torheit aufgequollnem Nebelqualm, Der Karren steckt – es naht kein helfend Dreigespann, Kein vorwärts treibend segensvoller Peitschenknall. Den Helden hab‘ ich glücklich auf die Burg verführt, Jetzt sollt‘, in hoffnungsloser Liebe Labyrinth Verstrickt, er taumeln ohne jeden Rettungsknäul, Da sucht mich Geistesarmut heim und –Hungersnot, Und böte einer eine Tonne blanken Golds Für plastische, naturgetreue Darstellung Der Neigung meines frommen Mönchs und Hofkaplans Zur herzoglichen Wittib, die ihm Schülerin, Nicht wüßt‘ ich Rat – in dumpfem Harren streicht der Tag, Es streicht die Nacht, es leuchtet noch kein Hoffnungsstern. Gedankenvoll den Finger nach der Stirn gestreckt, So lieg‘ ich brütend in der Feste Trümmersturz, Die Eule ruft, sie ruft mir keine Tröstung zu, Und höhnisch kriecht der Igel durch das junge Gras. Unwillig drum verlaß ich oft mein Felsennest Und pflanze mich in Singen auf die Kegelbahn. Bei sauerm Seewein kegeln ihren Rambo dort Der Baumwollspinner und der bad’sche Kontrolleur, Der Gutsbesitzer, dem das junge Obst erfror, Der Lehrer und sein Schultyrann, der Pfarrvikar. Doch dort auch sprießt für mich die Friedenspalme nicht, Und manchen Pudel werf‘ ich in das volle Ries. Was ist zu tun? So frag‘ ich zweifelmütig mich, In stiller Nacht rückklimmend auf den dunklen Berg. Es pfeift der Sturm, er pfeift mir eine Antwort her: „In deinem Leben nimmermehr versuch‘ dich am Geschichtlichen Roman, wenn die Geschichte fehlt Und zum Roman dein eigen Hirn nicht fähig ist!“ |
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Aus: Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke, Band 9: Gesammelte Gedichte, S. 101 f.
Solche Selbstzweifel, wie Scheffel sie dem Freund mitteilt, sind in einem Brief an seine Mutter vom 24. April 1854 nur andeutungsweise zu erkennen:
Es sind jetzt bald 14 Tage, daß ich auf Hohentwiel fest sitze (…) Die Natur ist so wie ich sie gern habe – weite Aussicht zu meinen Füßen, der Untersee mit Reichenau, langgestreckte Tannenwälder, links der steile Fels von hohen Krähen aus der Ebene aufsteigen und rechts vor mir die stolze Kuppe des Hohentwiel vor ihren Festungstrümmern. Das ist denn auch mein täglicher Gang, ich hab ein einsames Plätzchen in den Ruinen, da schaut sich’s weit in die Welt hinaus. Und wenn die Sonne sich zum Untergehen neigt, so kommen oftmals in leisem Duft die Häupter der Alpen gegenüber zum Vorschein, eine weite unermeßliche Kette, und doch zart, wie gehaucht – der Blick gleicht wieder manche Zweifel aus. (…)
(Siegrist, S. 98)
Hohentwiel mit Singen und Bodensee
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Hohentwiel mit Singen u. Bodensee. Im Bild signiert: M. Gönner, Jahreszahl unleserlich.Adressseite: Signet. Eigentum u. Verlag von A. Weber, Singen. Datiert u. Poststempel 1908.
Nach einigen Monaten intensivster Arbeit am Ekkehard zu Hause in seiner Karlsruher Mansarde reiste der Autor zu einer letzten Ortserkundung in die Appenzeller Berge. Anfang September verbrachte Scheffel eine Woche im Gasthaus Äscher beim Wildkirchli.
Aus: Karl Weiss: Hohentwiel und Ekkehard, St. Gallen und Leipzig 1901, Seite 303
„Zu den luftigen Alpenhöhen des Säntis, wo das Wildkirchlein keck wie ein Adlerhorst herunterschaut auf die grünen Appenzeller Täler“, sei er hinaufgestiegen, wird Scheffel später in seinem Romanvorwort schreiben (S. 502).
Wildkirchli
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Wildkirchli, 1477 m. Ktn. Appenzell. Adressseite: G. Metz Basel. 16216. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
Das Wildkirchli war während des ganzen 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugs- und Wallfahrtsziel. Es ist eine Höhlenkapelle, die im 17. Jahrhundert errichtet und zur Einsiedelei ausgebaut wurde. Nachdem der letzte Eremit 1853, also ein Jahr vor Scheffels Besuch, beim Laubsammeln tödlich verunglückt war, wurde die Einsiedelei nicht mehr besetzt.
Wohl in Anlehnung daran ist in Scheffels Roman der Bergbruder, dessen Nachfolge der geflüchtete Ekkehard in der Eremitenhöhle antritt, zuvor ebenfalls beim Laubsammeln zu Tode gestürzt.
Während seines Aufenthalts im Gasthof Äscher wanderte Scheffel auch zur Ebenalp und zum Seealpsee, Schauplätze seines Ekkehard.
Weissbad mit Ebenalp
Seealpsee
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Oben: Weissbad mit Ebenalp v. Schäfler 8305. Adressseite, Signet: IGI in Rhombus. Foto u. Verlag Hans Gross, St. Fiden - St. Gallen. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
Unten: 2615, Seealpsee m. Altmann-Säntis. Adressseite: Frei & Co. St. Gallen. Gelaufen. Poststempel 1924.
Fahr‘ wohl, du hoher Säntis, der treu um mich gewacht, Fahr‘ wohl, du grüne Alpe, die mich gesund gemacht! Hab‘ Dank für deine Spenden, du heil’ge Einsamkeit, Vorbei der alte Kummer – vorbei das alte Leid. Geläutert ward das Herze, und Blumen wuchsen drin: Zu neuem Kampf gelustig steht nach der Welt mein Sinn. Der Jüngling lag in Träumen, dann kam die dunkle Nacht; In scharfer Luft der Berge ist jetzt der Mann erwacht! (S. 454) |
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Mit diesen Versen verabschiedet sich der Roman-Ekkehard von seinem Leben als Eremit. Seinen eigenen Abschied vom Wildkirchlein hat Scheffel am 7. September 1854 ebenfalls in Reime gefasst:
B’hüt Gott, mein lieber Äscherwirt, B’hüt Gott, du brave Frau! Wie war bei euch die Luft so lind, Der Himmel prächtig blau. Ist auch das Haus nicht riesengroß, Es war mir eben recht! Am wohlsten ist’s im kleinen Nest Dem biedern Mauerspecht. Gegrüßt sei eure Felsenwand, Gegrüßt der ganze Berg, Es ist mir wenig hoch genug – Hier stand ich als ein Zwerg. Gegrüßt sei auch die Nachbarschaft, Die Herrn im Wolkenflor, Der „Säntis“ und der „Alte Mann“, Der „Kasten“ und „Kamor“. Die stehen unerschütterlich Auf festem Grunde da Und lachen ob dem Türkenkrieg Und ob der Cholera. Und käm‘ ich wieder auf die Welt, Ich ließ‘ den ganzen Qualm Und zög als Appenzeller Senn Zum Äscher auf die Alm. – Dies Liedel sang als Abschiedsgruß Ein fahrender Scholar, Der sieben Tag‘ und sieben Nächt‘ Allhier zu Gaste war. Er schleppte auf den Berg herauf Viel‘ alte Sorg und Qual – Als wie ein Geißbub‘ jodelnd fährt Er fröhlich jetzt zu Tal. |
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Aus: Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke, Band 9: Gesammelte Gedichte, S. 103 f.
In der Schlussstrophe verkündet der Dichter, dass er in der Bergwelt von seinen eigenen Qualen geheilt und wieder fröhlich wurde. Die Parallele drängt sich auf: wie sein Romanheld! Für viele Scheffelbiographen hat der Roman-Ekkehard auch Züge des Autors: In den Monaten der Abfassung des Ekkehard litt Scheffel besonders heftig an den unterdrückten Gefühlen für seine Cousine Emma Heim, die im August 1854 den Kaufmann Mackenrodt geheiratet hatte. Im September danach „flüchtete“ sich Scheffel in die Schweizer Berge, konzipierte beim Wildkirchli den Schluss seines Romans - und befreite sich dadurch, wie sein Ekkehard im Niederschreiben des Walthari-Lieds, von „alter Sorg und Qual“: Schreiben als Akt der Selbstbefreiung; statt erfüllter Liebe Selbstfindung als Dichter.
Die zügige Fertigstellung des Ekkehard in den folgenden Monaten sollte für Scheffel noch zur physischen und psychischen Selbstschinderei werden. Ende Februar 1855 schrieb er seinem Freund Schwanitz:
Ich habe unterdes auch gelernt, was Nervenleiden ist. Ich habe mich an meinem Roman auf den Hund gearbeitet, Krampf im Arm und Reizbarkeit im Kopf, daß ich manchmal zusammenschauere und zittere wie Espenlaub im Wind. Aber ich weiß die Medizin – und sag wahrscheinlich bald einmal den Büchern und der Studierstube Valet und wandere hinaus in die weite Welt…“
Und am 12. Mai noch einmal an Schwanitz:
Dein alter Joseph (…) wohnt seit 2 Monaten in einer Turmstube des Heidelberger Schlosses und ruht von großer anstrengender Arbeit aus. An dem Roman „Ekkehard“ habe ich mich schier zu Schanden gearbeitet. Jetzt ist alles im reinen, die Korrekturen fast fertig, nächsten Monat erscheint er, im Verlag von Meidinger in Frankfurt – ich ich – gehe mit dem erbeuteten Honorar nach Italien, da mir die hiesige Luft etwas zu stubengelehrt und einseitig ist, um mich jetzt schon bleibend drin niederzulassen. (Joseph Victor von Scheffels Briefe an Karl Schwanitz, Seite 205 f.)
Scheffels Versuch, sich in (stuben-)gelehrter Luft „bleibend niederzulassen“, war Ende 1854 gescheitert: Eine Bewerbung auf den Züricher Lehrstuhl für deutsche Literatur mit seiner Übersetzung des Walthari-Lieds war abschlägig beschieden worden.
Nun belohnte er sich auf die ihm liebste Art und Weise für seine Roman-Schinderei: Ausgestattet mit 1200 Gulden, dem Honorar für seinen Ekkehard, begab er sich im Juni 1855 zusammen mit dem Maler Anselm Feuerbach auf eine Reise nach Italien.
Foto aus: Episteln von Joseph Viktor von Scheffel. Mit dem Porträt des Verfassers, Verlag von Adolf Bonz, Stuttgart 1892
Literatur:
* Briefwechsel zwischen Joseph Victor von Scheffel und Paul Heyse. Für den Deutschen Scheffelbund herausgegeben von Conrad Höfer. Karlsruhe 1932
* Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke. Hrsg. Johannes Franke. Bd. 9: Gesammelte Gedichte. 1916.
URL: http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/scheffel_sw9
* Joseph Victor von Scheffels Briefe an Karl Schwanitz (nebst Briefen der Mutter Scheffels) (1845-1886), Leipzig 1906
* Reinhold Siegrist: Joseph Viktor von Scheffel, Dichter und Maler. Im Jahre seines 125. Geburtstages. In: Badische Heimat 31 (1951), Seite 97-103
URL: www.badische-heimat.de/heft/reprint/1951_2_scheffel.pdf
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Siehe die weiteren Scheffelseiten im Goethezeitportal
„Auch Bücher haben ihr Schicksal“
Joseph Victor von Scheffels „Trompeter von Säckingen“ auf Bildpostkarten
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6912
Scheffelkult
Teil I
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6856
Scheffelkult
Teil II
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6857
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