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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Rom

»Römische Elegien«

Begriffserklärungen

 

 V.
 Froh empfind’ ich mich nun auf klassischem Boden begeistert,
    Vor- und Mitwelt spricht lauter und reizender mir.
 Ich befolg’ den Rat, durchblättre die Werke der Alten
    Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß.
 Aber die Nächte hindurch hält Amor mich anders beschäftigt;
    Werd’ ich auch halb nur gelehrt, bin ich doch doppelt beglückt.
 Und belehr’ ich mich nicht, wenn ich des lieblichen Busens
    Formen spähe, die Hand leite die Hüften hinab.
 Dann versteh’ ich den Marmor erst recht: ich denk’ und vergleiche,
    Sehe mit fühlendem Aug’, fühle mit sehender Hand.
 Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages;
    Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin.
 Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen,
    Überfällt sie der Schlaf, lieg’ ich und denke mir viel.
 Oftmals hab’ ich auch schon in ihren Armen gedichtet
    Und des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand,
 Ihr auf den Rücken gezählt. Sie atmet in lieblichem Schlummer
    Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins Tiefste die Brust.
 Amor schüret die Lamp’ indes und denket der Zeiten,
    Da er den nämlichen Dienst seinen Triumvirn getan.

   

„Dem Sprecher, der gleich zu Beginn seine Empfindung der Freude nennt und Vergangenheit und Gegenwart als reizenden, als ästhetischen Genuß erfährt, erschließen sich Liebe, bildende Kunst und Literatur gegenseitig. Erlebnis und Genuß des einen ermöglichen und bedingen Genuß und Erlebnis des anderen; in solcher sinnlichen Erfahrung wird überhaupt erst ein Verstehen möglich, in dem rationaler Zugang und sinnliche Erfahrung zusammenkommen und zur Einheit werden.“

(Wild 1999, S. 46)


„Unter der Regentschaft der die Zeit überwindenden Liebe tritt die Antike ins Leben zurück; die Statuen griechischer Götter verlebendigen sich, wie andererseits der lebendige Körper der Geliebten dem Dichter das Verständnis für die antike Skulptur erschließt. Das Studium der griechischen Skulpturen hatte Goethe in Rom zur Beschäftigung mit der Anatomie geführt […]. Und so verwandelt sich auch in Goethes Erotica Romana die erotische Entdeckungsreise der Dichterhand auf dem Leib der Geliebten in eine kunsttheoretische Lehrstunde, in welcher der lebendige Körper der Frau unmerklich in den Marmor einer Skulptur übergeht.“

(Osterkamp 1997, S. 143)

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