Goethes Italienische Reise, Rom
»Römische Elegien«
Goethes Äußerungen zu den »Römischen Elegien«
Während der langen Entstehungszeit und später im Zuge der vorzubereitenden Veröffentlichung in Schillers »Horen« hat sich Goethe häufig in Briefen zu den »Elegien« oder »Eroticis«, wie er sie zunächst nannte, geäußert. Das macht es uns vergleichsweise leicht, die Entwicklung der Gedichte nachzuvollziehen.
An Carl Ludwig von Knebel am 8. Mai 1789:
„Hier schicke ich dir die Hexameter und Pentameter des Heräus, auf welche man wohl nicht eifersüchtig zu seyn braucht. Wenn es Amorn gefällt; so regalire ich dich beym nächsten Wiedersehen mit einigen Späßen im Antikern Styl. Ich kann von diesem Genre nicht laßen, ob mich gleich mein Heidenthum in wunderliche Lagen versetzt. […]
Ein Versuch in Hendekasylben hat noch nicht gelingen wollen, ich will nicht nachlaßen biß ich in diesem Genre dir auch etwas zu Danck mache.
Lebe wohl. Indessen ist ein Nagelneues Erotikon angelangt. Adieu. G[oethe]“
An Johann Gottfried Herder aus Ruhla im August 1789:
[…] „Wie sehr freut es mich daß du den Tasso magst. Die zwey letzten Ackte, hoff ich sollen zu den ersten gehören. Dein Beyfall ist mir reiche Belohnung für die unerlaubte Sorgfalt mit der ich dies Stück gearbeitet habe. Nun sind wir frey von aller Leidenschafft solch eine konsequente Composition zu unternehmen. Die Fragmenten Art erotischer Späße behagt mir besser. Es sind wieder einige gearbeitet worden. Hier sind wir in dem Lande der berühmten Bergnymphen und doch kann ich dir versichern, daß ich mich herzlich nach Hause sehne, meine Freunde und ein gewisses kleines Eroticon wieder zu finden, dessen Existenz die Frau dir wohl wird vertraut haben.
Lebe wohl. Grüße das liebe Weib und die Kinder und behaltet mich lieb.
G[oethe]“
An Friedrich Heinrich Jacobi aus Weimar am 3. März 1790:
„Solange habe ich dir nicht geschrieben und auch heute weiß ich nicht ob du ein vernünftig Wort von mir hören wirst. Meine Lage ist glücklich, wie sie ein Mensch verlangen kann. Dieses Jahr habe ich mich durch manches durchgearbeitet. Die zwey letzten Bände meiner Schriften werdet ihr Ostern haben, nehmt vorlieb. mir ist diese Epoche wichtig, ich habe damit vieles abgethan. […]
Daß die Französische Revolution auch für mich eine Revolution war kannst du dencken. Übrigens studire ich die Alten und folge ihrem Beyspiel so gut es in Thüringen gehn will. […]
Ich bereite mich zu einer kleinen Reise, wahrscheinlich gehe ich der Herzoginn Mutter, welche aus Italien zurückkehrt entgegen, und thue in diesem schönen Frühjahr einen Blick über die Alpen .
Lebe indeßen wohl und liebe mich.
G[oethe]“
An Johann Gottfried Herder am 3. April 1790 aus Venedig:
„Ich sollte Euch allerlei Guts sagen, und ich kann nur sagen, daß ich in Venedig angekommen bin, Ein wenig intoleranter gegen das Sauleben dieser Nation als das vorigemal. Recht wunderbar ists, daß ich das Tagebuch meiner vorigen Reise mitzunehmen vergessen habe. Also meinen alten Pfaden nicht folgen kann und wieder von vorne anfangen muß. Das ist indessen auch gut. Von der Herzogin hör' und seh' ich nichts. Ich habe mich eingerichtet, daß ichs abwarten kann. Ich will das Wassernest nun recht durchstören. Wie einfach und wie complicirt sind doch alle menschliche Dinge! Ich wohne am Rialto ohngefähr 20 Häuser näher als der Scudo di Francia, auf derselben Seite. Habe einen Wirth. wie Musäus war, und ich bin schon leidlich zu hause. meine Elegien sind wohl zu Ende; es ist gleichsam keine Spur dieser Ader mehr in mir. Dagegen bring' ich Euch ein Buch Epigrammen mit, die, hoff' ich, nach dem Leben schmecken sollen.
Ich wollte mehr schreiben; die Post nicht zu versäumen, schließ ich. Lebt wohl.
G[oethe]“
An Carl Ludwig von Knebel am 1.1.1791:
„Auf deinen lieben Brief antworte ich sogleich um einigermassen die Schuld meines langen Stillschweigens zu bezahlen. Wohl habe ich zur rechten Zeit das Schächtelchen erhalten und mich über dessen Inhalt gefreut, ich bin aber diese Zeit so entfernt von aller Schreibelust daß noch mehr gute Briefe unbeantwortet mir stille Vorwürfe machen. […]
Die Büchlein Elegien und Epigramme habe ich auch so ziemlich gefaltet und gelegt. Auch war ich nicht abgeneigt die ersten herauszugeben. Herder widerrieth mirs und ich habe blindlings gefolgt. […]“
Nachdem Goethe von Schiller zur Mitarbeit an der literarischen Zeitschrift „Die Horen“ eingeladen worden war, entstand schnell eine literarisch produktive, aber auch persönlich geprägte Freundschaft der beiden. Schiller war immer auf der Suche nach Texten, die er in seiner Zeitschrift veröffentlichen konnte. Während seines ersten Besuchs bei Goethe in Weimar liest ihm dieser seine Elegien vor. Wie begeistert Schiller von diesen ist, schreibt er seiner Frau nach Jena:
20. September 1794.
„Ich bringe die meiste Zeit des Tages mit Goethen zu, sodaß ich bei meinem langen Schlafen kaum für die nöthigsten Briefe noch Zeit übrig habe. Vor einigen Tagen waren wir von halb 12, wo ich angezogen war, bis nachts um 11 Uhr ununterbrochen beisammen. Er las mir seine Elegien, die zwar schlüpfrig und nicht sehr decent sind, aber zu den besten Sachen gehören, die er gemacht hat. Sonst sprachen wir sehr viel von seinen und meinen Sachen, von anzufangenden und angefangenen Trauerspielen u. dgl. […]
Was seinen Antheil an den Horen betrifft, so hat er großen Eifer, aber freilich wenig vorräthige Arbeit. Seine Elegien giebt er uns und zwar gleich für die ersten Stücke. Alsdann hat er mir vorgeschlagen, einen Briefwechsel mit ihm über Materien zu eröffnen, die uns beide interessiren, und dieser Briefwechsel soll dann in den Horen gedruckt werden.“
Bevor die Elegien in den „Horen“ erschienen, mussten sie nochmals überarbeitet werden. Einerseits galt es, das antike Versmaß so gut wie möglich in die deutsche Sprache zu übertragen, andererseits mussten zu deutlich erotische Stellen für ein breiteres Publikum abgemildert werden. Regelmäßig informierte Goethe Schiller über den Prozess der Überarbeitung.
[aus Weimar am 19. October 1794]
„Wahrscheinlich wären Sie mit der Aufführung des Carlos nicht ganz unzufrieden gewesen, wenn wir das Vergnügen gehabt hätten, Sie hier zu sehen; wenden Sie nur manchmal Ihre Gedancken den Maltheser Rittern zu.
Zu Ende dieser Woche sende ich wahrscheinlich die Elegien, sie sind zum Theil schon abgeschrieben, nur halten mich noch einige widerspänstige Verse hier und da auf.“
[aus Weimar am 26ten October 1794.]
„Hier folgen die Elegien. Ich wünschte daß Sie sie nicht aus Händen gäben, sondern sie denen, die noch über ihre Admissibilität zu urtheilen haben vorläßen. Alsdann erbitte ich mir sie zurück, um vielleicht noch einiges zu retouschiren. Finden Sie etwas zu erinnern; so bitte ich es anzuzeigen. […]
Leben Sie recht wohl und lassen mich unter den Ihrigen gegenwärtig seyn.“
Weimar, den 12. May 1795.
„Die Sendung der Elegien hat mich in elegischen Umständen nach dem gewöhnlichen Sinne, das heißt in erbärmlichen angetroffen. Nach dem guten Leben in Jena, wo ich nebst so mancher Seelenspeise auch der warmen freyen Luft genoß, hat mich hier die kalte Witterung sehr unfreundlich empfangen […].
Nun bin ich so weit wieder hergestellt, daß ich ohne Schmerzen ziemlich zufrieden in meiner Stube an die rückständigen Arbeiten gehen kann.
Mit den Elegien wird nicht viel zu thun seyn, […] wenn man statt der anstößigen Stellen nicht etwas currenteres hinein restaurirte, wozu ich mich aber ganz und gar ungeschickt fühle. Auch wird man sie hinter einander wegdrucken müssen, wie es eben trifft: denn jede auf einer andern Seite anzufangen scheint, ich mag auch zählen und rechnen wie ich will, nicht thunlich. Bey der Menge Zeilen unsrer Seite würden mehr als einmal unschickliche Räume übrig bleiben. Doch überlasse ich Ihnen das, und schicke nächstens das Manuscript.“
[aus Weimar am 17. May 1795]
„Hier, mein werthester die Elegien. […] Die angezeichnete Stelle in der sechsten habe ich stehen lassen. Man versteht sie nicht das ist wohl wahr; aber man braucht ja auch Noten, zu einem alten nicht allein, sondern auch zu einem benachbarten Schriftsteller. […]
Leben Sie recht wohl. Die übrigen Elegien folgen,
und ich, wills Gott, bald auch.
G[oethe]
Die Einrichtung des Drucks überlaße ich Ihnen ganz. Vielleicht lassen sie sich noch schicklich rücken.“
Rückblickend äußerte sich Goethe gegenüber Christoph Friedrich Ludwig Schultz über die Zeit der Zusammenarbeit mit Schiller, als 1828 der Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller erstmals publiziert wurde:
„Und ich weiß wirklich nicht, was ohne die Schillersche Anregung aus mir geworden wäre. Der Briefwechsel gibt davon merkwürdiges Zeugniß. Meyer war schon wieder nach Italien gegangen, und meine Absicht war, ihm 1797 zu folgen. Aber die Freundschaft zu Schillern, die Theilnahme an seinem Dichten, Trachten und Unternehmen hielt mich, oder ließ mich vielmehr freudiger zurückkehren, als ich, bis in die Schweiz gelangt, das Kriegsgetümmel über den Alpen näher gewahr wurde.
Hätt es ihm nicht an Manuscript zu den Horen und Musenalmanachen gefehlt, ich hätte die Unterhaltungen der Ausgewanderten nicht geschrieben, den Cellini nicht übersetzt, ich hätte die sämmtlichen Balladen und Lieder, wie sie die Musenalmanache geben, nicht verfaßt, die Elegien wären, wenigstens damals, nicht gedruckt worden, die Xenien hätten nicht gesummt, und im Allgemeinen wie im Besondern wäre gar manches anders geblieben. Die sechs Bändchen Briefe lassen hievon gar vieles durchblicken.“