Jutta Assel | Georg Jäger
Die Statuen im Belvedere
mit den Beschreibungen Winckelmanns.
Torso | Apollo | Laokoon
Eine Dokumentation
Stand: August 2010
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Die antiken Statuen Torso, Apollo sowie die Laokoon-Gruppe im Belvedere im Vatikan gehören zu den normgebenden Kunstwerken des europäischen Klassizismus. Ihre Beschreibungen durch Johann Joachim Winckelmann beanspruchten kanonische Geltung und nahmen im ästhetischen Diskurs eine zentrale Stelle ein. Sie prägten auch den Erwartungshorizont der Romreisenden. Denn wer, wie Goethe, mit dem "Volkmann", "dem schlechterdings verbindlichen Reiseführer der Epoche", Rom besuchte, war auf Winckelmanns Sicht und seine Wertungen eingestimmt: Die hier beigegebenen Auszüge aus dem "Volkmann" bestehen großenteils aus Zitaten der Winckelmannschen Beschreibungen.
Zitat: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse. Hrsg. von Helmut Pfotenhauer, Markus Bernauer, Norbert Miller (Bibliothek der Kunstliteratur; 2) Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1991, S. 407.
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Gliederung
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(J. J. Volkmann)
Das Belvedere hängt vermittelst einer Terrasse oder Gallerie mit dem Vatikan zusammen, und ist gleichsam eine Retirade der Päbste, wenn sie im Vatikan wohnen. Es hat den Namen von der schönen Aussicht, heißt aber auch, weil es den Winden sehr ausgesetzt ist: Torre de Venti. […]
Zu dem Hofe, worinn die Antiken stehen, kommt man vermittelst einer 500 Schritte langen Gallerie. Auf halbem Wege ist die eiserne Thüre zur vatikanischen Bibliothek mit der Ueberschrift Sixti V. Bibliotheca Vaticana. Am Ende derselben liegt die schöne antike Statue der sterbenden Kleopatra. Winkelmann glaubt im 2ten Theile der Geschichte der Kunst, S. 386, daß es eine schlafende Venus oder eine Nymphe sey, weil er die Schlange am Arm, weswegen man sie bisherfür eine Cleopatra ausgegeben, für ein Armband hält, welches wir dahin gestellt seyn lassen. Es bleibt wenigstens alle Mal eine schöne Statue. Eine lange Inschrift von Balthasar Castiglione in Hexametern, enthält die Geschichte dieser berühmten Königinn. Der Springbrunnen unter dem Fuße, worauf sie liegt, schickt sich nicht zum besten zu dieser Statue. […]
Den Theil der jetztgedachten langen Gallerie, oder Corridore della Cleopatra, welcher zwischen der Thüre der vatikanischen Bibliothek und dem Belvedere liegt, ist unter Clemens XIV. ausgebessert, geweißt und zu einem sehr gemeinnützigen, dem Antiquaren insonderheit angenehmen Gebrauch bestimmt worden; es hat nämlich der Pabst alle ihm gehörige hin und wieder zerstreute Aufschriften sammlen, und nachdem die Steine abgeputzet und die Lettern roth angestrichen worden, dieselben in acht Klassen vertheilt, der Mauer der Gallerie einverleiben lassen. […] Uebrigens wird diese Sammlung von Steinschriften, die man Museum Vaticanum Inscriptionum nennt, noch täglich vermehrt, zumal da oft, weil die Anlage jetzt da ist, Inschriften von Privatpersonen hieher geschenkt worden.
Der Hof der Statuen, il Cortile del Belvedere ist für die Kunst der merkwürdigste Ort in Rom, ja, man möchte sagen, von der ganzen Welt, denn hier werden die schönsten und vollkommensten Statuen, welche uns von der unnachahmlichen Kunst der Griechen übrig geblieben sind, aufgehoben. Clemens XIV. hat die Architektur desselben seit einigen Jahren mit allerley Säulen und Pilastern von Marmor verschönern lassen. Jedermann kennt den Laocoon, den Apollo, den Antinous und den Torso, wenigstens dem Namen nach. Sie werden für die größten Muster der Kunst gehalten, und sind hier beysammen anzutreffen. Der Hof ist mit acht Nischen umgeben, worinn eben so viele Statuen stehen, viere davon sind offen, die vier vornehmsten aber verschlossen, nämlich der Laocoon, Apollo, Antinous und der Torso.
Quelle: Historisch-kritische Nachrichten von Italien, welche eine Beschreibung dieses Landes, der Sitten, Regierungsform, Handlung, des Zustandes der Wissenschaften und insonderheit der Werke der Kunst enthalten, von D. J. J. Volkmann. Zweyter Band. Zweyte viel vermehrte und durchgehends verbesserte Auflage. Leipzig, bey Caspar Fritsch 1777. Digitalisierung durch Google. Zehnter Abschnitt. Die Statuen im Belvedere, S.136-154. Hier S. 136-139. – Künftig zitiert als: Volkmann, Bd.2, 2.Aufl., mit Seitenzahl.
Der Torso stellt eine nackte männliche Figur dar, die auf einem Felsblock sitzt. Auf dem Oberschenkel ist der Rest eines Pantherfelles erkennbar. Die Skulptur kam unter Papst Clemens VII. aus dem Besitze der Colonna in den Vatikan.
Oben links: [Torso im Belvedere, Aufnahme der linken Körperseite.] 3-2. Museo del Vaticano. Braccio Nuovo. Torso di Belvedere. Verso: Fotoedizioni Brunner & C., Como. Vera fotografia. Riproduzione vietata. Im Briefmarkenfeld Signet: Brunnen mit wasserspeiendem Mädchenkopf. Nicht gelaufen. | Oben rechts: Helmut Pfotenhauer, Winckelmann und Heinse. Die Typen der Beschreibungskunst im 18. Jahrhundert oder die Geburt der neueren Kunstgeschichte, Abb. 8a. URL: http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=1892 | Unten links: Torso im Belvedere. Aufnahme der rechten Körperseite. Photo Alinari, Nr. 6668. Quelle: AERIA (Antikensammlung ERlangen Internet Archive). | Unten rechts: Pfotenhauer, s. oben, Abb. 8b.
Beschreibung Winckelmanns
Ich teile hier eine Beschreibung des berühmten Torso im Belvedere mit, welcher insgemein der Torso vom Michelangelo genannt wird, weil dieser Künstler dieses Stück besonders hochgeschätzt und viel nach demselben studiert hat. Es ist eine verstümmelte Statue eines sitzenden Herkules, wie bekannt ist, und der Meister desselben ist Apollonius, des Nestors Sohn, von Athen. Diese Beschreibung geht nur auf das Ideal der Statue, sonderlich da sie idealisch ist, und ist ein Stück von einer ähnlichen Abbildung mehrerer Statuen.
Die erste Arbeit, an welche ich mich in Rom machte, war, die Statuen im Belvedere, nämlich den Apollo, den Laokoon, den so genannten Antinous und diesen Torso, als das Vollkommenste der alten Bildhauerei, zu beschreiben. Die Vorstellung einer jeden Statue sollte zween Teile haben: der erste in Absicht des Ideals, der andere nach der Kunst; und meine Meinung war, die Werke selbst von dem besten Künstler zeichnen und stechen zu lassen. Diese Unternehmung aber ging über mein Vermögen und würde auf dem Vorschub freigebiger Liebhaber beruhen; es ist daher dieser Entwurf, über welchen ich viel und lange gedacht habe, ungeendigt geblieben, und gegenwärtige Beschreibung selbst möchte noch die letzte Hand nötig haben.
Man sehe sie an als eine Probe von dem, was über ein so vollkommnes Werk der Kunst zu denken und zu sagen wäre, und als eine Anzeige von Untersuchung in der Kunst. Denn es ist nicht genug, zu sagen, daß etwas schön ist: man soll auch wissen, in welchem Grade und warum es schön sei. Dieses wissen die Antiquarii in Rom nicht, wie mir diejenigen Zeugnis geben werden, die von ihnen geführt sind, und sehr wenige Künstler sind zur Einsicht des Hohen und Erhabenen in den Werken der Alten gelangt. Es wäre zu wünschen, daß sich jemand fände, dem die Umstände günstig sind, welcher eine Beschreibung der besten Statuen, wie sie zum Unterricht junger Künstler und reisender Liebhaber unentbehrlich wäre, unternehmen und nach Würdigkeit ausführen könnte.
Ich führe dich jetzt zu dem so viel gerühmten, und niemals genug gepriesenen Trunk eines Herkules; zu einem Werke, welches das schönste in seiner Art und unter die höchste Hervorbringung der Kunst zu zählen ist, von denen, welche bis auf unsere Zeiten gekommen sind. Wie werde ich dir denselben beschreiben, da er der zierlichsten und der bedeutendsten Teile der Natur beraubt ist! So wie von einer mächtigen Eiche, welche umgehauen und von Zweigen und Ästen entblößt worden, nur der Stamm allein übrig geblieben ist, so gemisshandelt und verstümmelt sitzt das Bild des Helden; Kopf, Brust, Arme und Beine fehlen.
Der erste Anblick wird dir vielleicht nichts als einen ungeformten Stein sehen lassen: vermagst du aber in die Geheimnisse der Kunst einzudringen, so wirst du ein Wunder derselben erblicken, wenn du dieses Werk mit einem ruhigen Auge betrachtest. Alsdenn wird dir Herkules wie mitten in allen seinen Unternehmungen erscheinen, und der Held und der Gott werden in diesem Stücke zugleich sichtbar werden.
Da, wo die Dichter aufgehört haben, hat der Künstler angefangen: Jene schweigen, so bald der Held unter die Götter aufgenommen, und mit der Göttin der ewigen Jugend ist vermählt worden; dieser aber zeigt uns denselben in einer vergötterten Gestalt und mit einem gleichsam unsterblichen Leibe, welcher dennoch Stärke und Leichtigkeit zu den großen Unternehmungen, die er vollbracht, behalten hat.
Ich sehe in den mächtigen Umrissen dieses Leibes die unüberwundene Kraft des Besiegers der gewaltigen Riesen, die sich wider die Götter empörten, und in den phlegräischen Feldern von ihm erlegt wurden: und zu gleicher Zeit stellen mir die sanften Züge dieser Umrisse, die das Gebäude des Leibes leicht und gelenksam machen, die geschwinden Wendungen desselben in dem Kampfe mit dem Achelous vor, der mit allen vielförmigen Verwandlungen seinen Händen nicht entgehen konnte.
In jedem Teile dieses Körpers offenbart sich, wie in einem Gemälde, der ganze Held in einer besondern Tat, und man sieht, so wie die richtigen Absichten in dem vernünftigen Baue eines Palastes, hier den Gebrauch, zu welcher Tat ein jedes Teil gedient hat.
Ich kann das wenige, was von der Schulter noch zu sehen ist, nicht betrachten, ohne mich zu erinnern, dass auf ihrer ausgebreiteten Stärke, wie auf zwei Gebirgen, die ganze Last der himmlischen Kreise geruht. Mit was für einer Großheit wächst die Brust an, und wie prächtig ist die anhebende Rundung ihres Gewölbes! Eine solche Brust muss diejenige gewesen sein, auf welcher der Riese Antäus und der dreileibige Geryon erdrückt worden. Keine Brust eines drei- und viermal gekrönten olympischen Überwinders, keine Brust eines spartanischen Siegers, von Helden geboren, muss sich so prächtig und erhöht gezeigt haben.
Fragt diejenigen, die das Schönste in der Natur der Sterblichen kennen, ob sie eine Seite gesehen haben, die mit der linken Seite zu vergleichen ist. Die Wirkung und Gegenwirkung ihrer Muskeln ist mit einem weislichen Maße von abwechselnder Regung und schneller Kraft wunderwürdig abgewogen, und der Leib musste durch dieselbe zu allem, was er vollbringen wollen, tüchtig gemacht werden. So wie in einer anhebenden Bewegung des Meers die zuvor stille Fläche in einer lieblichen Unruhe mit spielenden Wellen anwächst, wo eine von der andern verschlungen, und aus derselben wiederum hervorgewälzt wird: eben so sanft aufgeschwellt und schwebend gezogen, fließt hier eine Muskel in die andere, und eine dritte, die sich zwischen ihnen erhebt, und ihre Bewegung zu verstärken scheint, verliert sich in jene, und unser Blick wird gleichsam mit verschlungen.
Hier möchte ich stille stehen, um unsern Betrachtungen Raum zu geben, der Vorstellung ein immerwährendes Bild von dieser Seite einzudrücken: allein die hohen Schönheiten sind hier ohne Grenzen und in einer unzertrennlichen Mitteilung. Was für ein Begriff erwächst zugleich hierher aus den Hüften, deren Feistigkeit andeuten kann, dass der Held niemals gewankt und nie sich beugen müssen.
In diesem Augenblicke durchfährt mein Geist die entlegensten Gegenden der Welt, durch welche Herkules gezogen ist, und ich werde bis an die Grenzen seiner Mühseligkeiten und bis an die Denkmale und Säulen, wo sein Fuß ruhte, geführt durch den Anblick der Schenkel von unerschöpflicher Kraft und von einer den Gottheiten eigenen Länge, die den Held durch hundert Länder und Völker bis zur Unsterblichkeit getragen haben. Ich fing an, diese entfernten Züge zu überdenken, da mein Geist zurückgerufen wird durch einen Blick auf seinen Rücken. Ich wurde entzückt, da ich diesen Körper von hinten ansah, so wie ein Mensch, welcher nach Bewunderung des prächtigen Portals an einem Tempel auf die Höhe desselben geführt würde, wo ihn das Gewölbe desselben, welches er nicht übersehen kann, von neuem in Erstaunen setzt.
Ich sehe hier den vornehmsten Bau der Gebeine dieses Leibes, den Ursprung der Muskeln und den Grund ihrer Lage und Bewegung, und dieses alles zeigt sich wie eine von der Höhe der Berge entdeckte Landschaft, über welche die Natur den mannigfaltigen Reichtum ihrer Schönheiten ausgegossen. So wie dessen luftige Höhen sich mit einem sanften Abhang in gesenkte Täler verlieren, dahier sich schmälern und dort erweitern: So mannigfaltig, prächtig und schön erheben sich hier schwellende Hügel von Muskeln, um welche sich oft unmerkliche Tiefen, gleich dem Strome des Mäanders, krümmen, die weniger dem Gesichte als dem Gefühle offenbar werden.
Scheint es unbegreiflich, außer dem Kopfe in einem andern Teile eine denkende Kraft zu legen; so lernt hier, wie die Hand eines schöpferischen Meisters die Materie geistig zu machen vermögend ist. Mich deucht, es bilde mir der Rücken, welcher durch hohe Betrachtungen gekrümmt scheinet, ein Haupt, welches mit einer frohen Erinnerung seiner erstaunenden Taten beschäftigt ist; und indem sich so ein Haupt voll von Majestät und Weisheit vor meinen Augen erhebt, so fangen sich an, in meinen Gedanken die übrigen mangelhaften Glieder zu bilden: es sammelt sich ein Ausfluss aus dem Gegenwärtigen und wirkt gleichsam eine plötzliche Ergänzung.
Die Macht der Schulter deutet mir an, wie stark die Arme gewesen, die den Löwen auf dem Gebirge Kithäron erwürgt, und mein Auge sucht sich diejenigen zu bilden, die den Cerberus gebunden und weggeführt haben. Seine Schenkel und das Knie geben mir einen Begriff von den Beinen, welche niemals ermüdet und den Hirsch mit ehernen Füßen verfolget und erreichet haben.
Durch eine geheime Kunst aber wird der Geist durch alle Taten seiner Stärke bis zur Vollkommenheit seiner Seele geführt, und in diesem Stücke ist ein Denkmal derselben, welches ihm kein Dichter, die nur die Stärke seiner Arme besingen, errichtet: der Künstler hat sie übertroffen. Sein Bild des Helden gibt keinem Gedanken von Gewalttätigkeit und ausgelassener Liebe Platz. In der Ruhe und Stille des Körpers offenbart sich der gesetzte große Geist, der Mann, welcher den Dichtern ein Beispiel der Tugend geworden ist, der sich aus Liebe zur Gerechtigkeit den größten Gefährlichkeiten ausgesetzt, der den Ländern Sicherheit und den Einwohnern Ruhe geschafft.
Diese vorzügliche und edle Form einer so vollkommenen Natur ist gleichsam in die Unsterblichkeit eingehüllt, und die Gestalt ist bloß wie ein Gefäß derselben; ein höherer Geist scheint den Raum der sterblichen Teile eingenommen und sich an die Stelle derselben ausgebreitet zu haben. Es ist nicht mehr der Körper, welcher annoch wider Ungeheuer und Friedensstörer zu streiten hat; es ist derjenige, der auf dem Berge Öta von den Schlacken der Menschheit gereinigt worden, die sich von dem Ursprunge der Ähnlichkeit des Vaters der Götter abgesondert.
So vollkommen hat weder der geliebte Hyllus noch die zärtliche Jole den Herkules gesehen; so lag er in den Armen der Hebe, der ewigen Jugend, und zog in sich einen unaufhörlichen Einfluss derselben. Von keiner sterblichen Speise und groben Teilen ist sein Leib ernährt: ihn erhält die Speise der Götter, und er scheint nur zu genießen, nicht zu nehmen, und völlig, ohne angefüllt zu sein.
O möchte ich dieses Bild in der Größe und Schönheit sehen, in welcher es sich dem Verstande des Künstlers geoffenbart hat, um nur allein von dem Überreste sagen zu können, was er gedacht hat, und wie ich denken sollte! Mein großes Glück nach dem seinigen würde sein, dieses Werk würdig zu beschreiben. Voller Betrübnis aber bleibe ich stehen, und so wie Psyche anfing die Liebe zu beweinen, nachdem sie dieselbe kennengelernt; so bejammere ich den unersetzlichen Schaden dieses Herkules, nachdem ich zur Einsicht der Schönheit desselben gelangt bin.
Die Kunst weint zugleich mit mir. Denn das Werk, welches sie den größten Erfindungen des Witzes und Nachdenkens entgegensetzen, und durch welches sie noch jetzt ihr Haupt wie in ihren goldenen Zeiten zu der größten Höhe menschlicher Achtung erheben könnte, dieses Werk, welches vielleicht das letzte ist, an welches sie ihre äußersten Kräfte gewandt hat, muss sie halb vernichtet und grausam gemisshandelt sehen. Wem wird hier nicht der Verlust so vieler hundert anderer Meisterstücke derselben zu Gemüte geführt! Aber die Kunst, welche uns weiter unterrichten will, ruft uns von diesen traurigen Überlegungen zurück und zeigt uns, wieviel noch aus dem Übriggebliebenen zu lernen ist und mit was für einem Auge es der Künstler ansehen müsse.
Erläuterungen: Trunk = Torso: Rumpf einer Bildsäule, der Kopf, Arme und Beine fehlen. | Apollonius aus Athen, 2. Jahrhhundert vor Christus, griechischer Bildhauer. | "auf dem Berge Öta": Auf diesem Berg in Makedonien ließ sich Herakles verbrennen. | "der geliebte Hyllus": Winckelmann verwechselt Hyllus, Sohn von Herakles, mit Hylos, dem Liebling des Herakles (Frühklassizismus, S. 588).
Erstdruck: Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, 1762. Hier nach: Johann Joachim Winckelmann: Ausgewählte Schriften und Briefe. Hrsg. von Walther Rehm. Wiesbaden: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1948, S. 54-60. Kritische Edition der Torso-Beschreibungen Winckelmanns: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse. Hrsg. von Helmut Pfotenhauer, Markus Bernauer, Norbert Miller (Bibliothek der Kunstliteratur; 2) Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1991.
Eine reiche, aber unredigierte Auswahl von Fotos, von ganz unterschiedlicher Qualität und aus vielerlei Perspektiven, findet sich bei flickr. Geben Sie als Suchbegriff "Torso Belvedere" ein.
Aus Goethes Reiseführer (Volkmann, Bd. 2, 2. Aufl., 1877, S. 147):
Volkmanns Beschreibung des Torso
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Die im 15. Jahrhundert entdeckte Marmorstatue ist die römische Kopie eines in Bronze ausgeführten griechischen Werkes aus der Zeit von 350 bis 325 vor Christus. Der rechte Unterarm und die linke Hand fehlen und wurden zeitweilig ergänzt. Papst Julius II. stellte das Werk 1511 im Innenhof des Belvedere auf. Der Apollo von Belvedere galt als die schönste Einzelfigur der Antike; für Johann Joachim Winckelmann verkörperte er "das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums". Die Statue war in Abgüssen in den Antikensammlungen vertreten. Von der Statue, die er im Mannheimer Antikensaal kennen lernte, war Goethe tief ergriffen:
Mein ganzes Ich ist erschüttert, das können Sie denken, Mann, und es fibrirt noch viel zu sehr, als daß meine Feder stet zeichnen könnte. Apollo von Belvedere, warum zeigst du dich uns in deiner Nacktheit, dass wir uns der unsrigen schämen müssen?
(Schreiben vom Ende September oder Anfang Oktober 1771)
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Links: Apollon de Belvédère Rome. Atelier Gebr. Micheli, Berlin. 1906. Signet: AE. 2313. Verso: Postkarte. Nicht gelaufen. | Rechts: Apollo Belvedere - Rom. Signet: AE. 2196. Nicht gelaufen.
Beschreibung Winckelmanns
Die Statue des Apollo ist das höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums, welche der Zerstörung derselben entgangen sind. Der Künstler hat dieses Werk gänzlich auf das Ideal gebaut, und er hat nur ebenso viel von der Materie dazu genommen, als nötig war, seine Absicht auszuführen und sichtbar zu machen. Dieser Apollo übertrifft alle andern Bilder desselben so weit, als der Apollo des Homerus den, welchen die folgenden Dichter schildern.
Über die Menschheit erhaben ist seine Gestalt, und seine Stellung zeugt von der ihn erfüllenden Größe. Ein ewiger Frühling, wie in dem glücklichen Elysium, bekleidet die reizende Männlichkeit vollkommener Jahre mit gefälliger Jugend und spielt mit sanften Zärtlichkeiten auf dem stolzen Gebäu seiner Glieder. Gehe mit deinem Geiste in das Reich unkörperlicher Schönheiten und versuche ein Schöpfer einer himmlischen Natur zu werden, um den Geist mit Schönheiten, die sich über die Natur erheben, zu erfüllen: denn hier ist nichts Sterbliches, noch was die menschliche Dürftigkeit erfordert. Keine Adern noch Sehnen erhitzen und erregen diesen Körper, sondern ein himmlischer Geist, der sich wie ein sanfter Strom ergossen, hat gleichsam die ganze Umschreibung dieser Figur erfüllt.
Er hat den Python, gegen den er zuerst seinen Bogen gebrauchte, verfolgt, und sein mächtiger Schritt hat ihn erreicht und erlegt. Von der Höhe seiner Genügsamkeit geht sein erhabener Blick, wie ins Unendliche, weit über seinen Sieg hinaus: Verachtung thront auf seinen Lippen, und der Unmut, welchen er in sich zieht, bläht sich in den Nüstern seiner Nase und tritt bis in die stolze Stirn hinauf. Aber der Friede, welcher in einer seligen Stille auf derselben schwebt, bleibt ungestört, und sein Auge ist voll Süßigkeit, wie unter den Musen, die ihn zu umarmen suchen. In allen uns übrigen Bildern des Vaters der Götter, welche die Kunst verehrt, nähert er sich nicht der Größe, in der er sich dem Verstande des göttlichen Dichters offenbarte, wie hier in dem Gesichte des Sohnes, und die einzelnen Schönheiten der übrigen Götter treten hier wie bei der Pandora in Gemeinschaft zusammen.
Eine Stirn des Jupiter, die mit der Göttin der Weisheit schwanger ist, und Augenbrauen, die durch ihr Winken ihren Willen erklären: Augen der Königin der Göttinnen groß gewölbt und ein Mund, der dem geliebten Branchus die Wollüste eingeflößt. Sein weiches Haar spielt, wie die zarten und flüssigen Schlingen edler Weinreben, gleichsam von einer sanften Luft bewegt, um dieses göttliche Haupt: es scheint gesalbt mit dem Öl der Götter und von den Grazien mit holder Pracht auf seinem Scheitel gebunden.
Ich vergesse alles andere über dem Anblicke dieses Wunderwerkes der Kunst, und ich nehme selbst einen erhabenen Stand an, um mit Würde anzuschauen. Mit Verehrung scheint sich meine Brust zu erweitern und zu heben wie diejenige, die ich wie vom Geiste der Weissagung aufgeschwellt sehe, und ich fühle mich weggerückt nach Delos und in die lycischen Haine, Orte, die Apollo mit seiner Gegenwart beehrte: denn mein Bild scheint Leben und Bewegung zu bekommen, wie des Pygmalion Schönheit. Wie ist es möglich, es zu malen und zu beschreiben. Die Kunst selbst müßte mir raten und die Hand leiten, die ersten Züge, welche ich hier entworfen habe, künftig auszuführen. Ich lege den Begriff, welchen ich von diesem Bilde gegeben habe, zu dessen Füßen, wie die Kränze derjenigen, die das Haupt der Gottheiten, welche sie krönen wollten, nicht erreichen konnten. Der Begriff eines Apollo auf der Jagd, welchen Herr Spence in dieser Statue finden will, reimt sich nicht mit dem Ausdrucke des Gesichts.
Erläuterungen: "mit der Göttin der Weisheit schwanger": In der griechischen Mythologie gebiert Jupiter die Göttin der Weisheit, Athene, aus seinem Haupt. | "Königin der Göttinnen": Juno. | Delos und in die lycischen Haine: Auf Delos wurde Apollo geboren, in den lykischen Hainen verehrt. | Pygmalion verliebte sich in eine von ihm geschaffene Statue, die Aphrodite zum Leben erweckte. | Josef Spence (1699-1768), englischer Gelehrter.
J. J. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Altertums. Mit einer Einführung von Wilhelm Waetzoldt. Berlin: Safari 1942, S. 300f. Absätze eingefügt. – Kritische Edition der Apollo-Beschreibungen Winckelmanns: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse. Hrsg. von Helmut Pfotenhauer, Markus Bernauer, Norbert Miller (Bibliothek der Kunstliteratur; 2) Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1991.
Apollo von Belvedere mit ergänzten Händen und ohne egänzte Hände.
Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Altertums. Reprogr. Nachdruck der Ausgabe Wien 1934. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, S. 210f.
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Die Laokoon-Gruppe stellt den trojanischen Priester Laokoon mit seinen beiden Söhnen vor. Er warnte die Trojaner vor dem hölzernen Pferd, den die zum Schein abziehenden Griechen mit versteckten Kriegern in seinem Bauch als vermeintliches Geschenk zurückließen, um auf diese Weise heimlich in die Stadt zu gelangen. Athene, die Schutzgöttin der Griechen, läßt den Vater, als er am Strande dem Meergott opfert, und seine Söhne durch zwei Seeschlangen erwürgen.
Literarische Anregung: Vergil, Aeneis, II. Gesang, Vers 198-226 (Übersetzung durch Johann Heinrich Voss, Gutenberg.DE):
Noch ein größerer jetzt und noch graunvollerer Anblick
Stellt sich den Elenden dar und verwirrt die erschrockenen Herzen.
Priester, gezogen durch Los, war Laokoon dort dem Neptunus,
Dem den gewaltigen Stier an dem Festaltare er weihte.
Siehe von Tenedos her, zwiefach durch stille Gewässer
Nahn (ich erzähl' es mit Graun) unermeßlich kreisende Schlangen,
Über das Meer sich dehnend und eilen zugleich an das Ufer;
Denen die Brust, in den Wellen emporgebäumt, und die Mähne
Blutrot aus dem Gewog' aufragt; ihr übriger Leib streift
Hinten die Flut, und sie rollen unendliche Rücken in Wölbung.
Laut mit Geräusch her schäumet die Flut; jetzt drohn sie gelandet,
Und, die entflammeten Augen mit Blut durchströmet und Feuer,
Zischen sie beid' und umlecken mit regerer Zunge die Mäuler.
Alle entfliehn vor der Schau blutlos. Doch sicheren Schwunges
Gehn sie Laokoon an; und zuerst zwei schmächtigen Söhnlein
Dreht um den Leib ringsher sich das Paar anringelnder Schlangen,
Schnüret sie ein, und, - o Jammer – zernagt mit dem Bisse die Glieder.
Drauf ihn selbst, der ein Helfer sich naht und Geschosse daherträgt,
Fassen sie schnell und knüpfen die gräßlichen Windungen: und schon
Zweimal mitten umher, zweimal um den Hals die beschuppten
Rücken geschmiegt, stehn hoch sie mit Haupt und Nacken gerichtet.
Jener ringt mit den Händen, hinweg die Umknotungen drängend,
Ganz von Eiter die Bind' und schwärzlichem Gifte besudelt;
Und graunvolles Geschrei hochauf zu den Sternen erhebt er:
So wie Gebrüll auftönt, wann blutend der Stier vom Altare
Floh und die wankende Axt dem verwundeten Nacken entschüttelt.
Aber sie beid' entrollen zum oberen Tempel, die Schlangen,
Schlüpfrigen Gangs, und ereilen die Burg der erzürnten Tritonis,
Wo sie unter die Füß' und des Schildes Wölbung sich bergen.
Die Laokoon-Gruppe wurde 1506 in einem Weinberg am Colle Oppio entdeckt und von Papst Julius II. für den Vatikan erworben. Es handelt sich möglicher Weise um eine römische Kopie nach einem verschollenem hellenistischen Original. Die nicht vollständig erhaltene Gruppe - es fehlen der rechte Arm des Laokoon und des jüngeren Knaben sowie die rechte Hand des älteren Sohnes - wurde mehrfach restauriert und ergänzt, abgegossen bzw. kopiert und im Wettstreit mit der antiken Vorlage variiert. Der rechte emporgestreckte Arm des Vaters wurde Anfang des vorigen Jahrhunderts aufgefunden, aber erst später als solcher erkannt und im Zuge der
Restaurierung in den 1950er Jahren angesetzt. Vgl. Laocoonte. Alle origini dei Musei Vaticani. Ausstellung im Vatikanischen Museum Rom. Katalog. Roma: L'Erma di Bretschneider 2006.
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Oben links: 62. Laokoon-Gruppe. Original in Rom. Photographie und Verlag von Sophus Williams, Berlin 1883. Beachte die Ergänzungen im Vergleich zum folgenden Bild! | Oben rechts: Laocoon Sculpture in the Vatican Museum, Rome. Quelle: Wikimedia Commons. GNU Free Documentation License. | Unten: Winckelmanns Werke in einem Band. Hrsg. von Helmut Holzhauer (Bibliothek Deutscher Klassiker) Berlin u. Weimar: Aufbau-Verlag 1976, vor S. 47.
Beschreibungen Winckelmanns
Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt und eine stille Größe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke. So wie die Tiefe des Meers allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeigt der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele. Diese Seele schildert sich in dem Gesichte des Laokoon, und nicht in dem Gesichte allein, bei dem heftigsten Leiden. Der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des Körpers entdeckt und den man ganz allein, ohne das Gesicht und andere Teile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt: dieser Schmerz, sage ich, äußert sich dennoch mit keiner Wut in dem Gesichte und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein schreckliches Geschrei, wie Virgil von seinem Laokoon singt. Die Öffnung des Mundes gestattet es nicht; es ist vielmehr ein ängstliches und beklemmtes Seufzen, wie es Sadolet beschreibt. Der Schmerz des Körpers und die Größe der Seele sind durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher Stärke ausgeteilt und gleichsam abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles Philoktetes: sein Elend geht uns bis an die Seele; aber wir wünschten, wie dieser große Mann das Elend ertragen zu können.
Erläuterungen: Jakobus Sadolet (1477-1547), italienischer Gelehrter und Kardinal. | "leidet wie des Sophokles Philoktetes": Tragödie des Sophokles. Philoktetes, der den Bogen des Herakles mit Giftpfeilen besitzt, wird im Kriegszug gegen Troja wegen seiner Verwundung auf einer Insel ausgesetzt und erst heimgeholt, als die Griechen seinen Bogen benötigen.
Erstdruck: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, 1755. Hier nach: Johann Joachim Winckelmann: Ausgewählte Schriften und Briefe. Hrsg. von Walther Rehm. Wiesbaden: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1948, S. 3-34.
Laokoon ist eine Natur im höchsten Schmerze, nach dem Bilde eines Mannes gemacht, der die bewusste Stärke des Geistes gegen denselben zu sammeln sucht; und indem sein Leiden die Muskeln aufschwellt und die Nerven anzieht, tritt der mit Stärke bewaffnete Geist in der aufgetriebenen Stirn hervor, und die Brust erhebt sich durch den beklemmten Atem und durch Zurückhaltung des Ausbruchs der Empfindung, um den Schmerz in sich zu fassen und zu verschließen. Das bange Seufzen, welches er in sich und den Atem an sich zieht, erschöpft den Unterleib und macht die Seiten hohl, das uns gleichsam von der Bewegung seiner Eingeweide so urteilen lässt. Sein eigenes Leiden aber scheint ihn weniger zu beängstigen als die Pein seiner Kinder, die ihr Angesicht zu ihrem Vater wenden und um Hilfe schreien: denn das väterliche Herz offenbart sich in den wehmütigen Augen, und das Mitleiden scheint in einem trüben Dufte auf denselben zu schwimmen. Sein Gesicht ist klagend, aber nicht schreiend, seine Augen sind nach der höheren Hilfe gewandt. Der Mund ist voll Wehmut und die gesenkte Unterlippe schwer von derselben; in der aufwärts gezogenen Oberlippe aber ist sie·mit Schmerz vermischt, welcher mit einer Regung von Unmut, wie über ein unverdientes unwürdiges Leiden, in die Nase tritt, dieselbe schwellen macht und sich in den erweiterten und aufwärts gezogenen Nüstern offenbart. Unter der Stirn ist der Streit zwischen Schmerz und Widerstand, wie in einem Punkte vereinigt, mit großer Weisheit gebildet: denn indem der Schmerz die Augenbrauen in die Höhe zieht, drückt das Sträuben wider denselben das obere Augenfleisch herunter und gegen das obere Augenlid, so dass dasselbe durch das übertretende Fleisch beinahe ganz bedeckt wird.
Die Natur, die der Künstler nicht verschönern konnte, hat er entwickelter, angestrengter und mächtiger zu zeigen gesucht: da, wohin der größte Schmerz verlegt ist, zeigt sich auch die größte Schönheit. Die linke Seite, in welche die Schlange mit dem wütenden Bisse ihr Gift ausgießt, ist diejenige, welche durch die nächste Empfindung zum Herzen am heftigsten zu leiden scheint, und dieser Teil des Körpers kann ein Wunder der Kunst genannt werden. Seine Beine wollen sich erheben, um seinem Übel zu entrinnen; kein Teil ist in Ruhe: ja die Meißelstriche selbst helfen zur Bedeutung der erstarrten Haut.
J. J. Winckelmann: Geschichte der Kunst des Altertums. Mit einer Einführung von Wilhelm Waetzoldt. Berlin: Safari 1942, S. 270f. Absatz eingefügt. Kritische Edition der Laokoon-Beschreibungen Winckelmanns: Frühklassizismus. Position und Opposition: Winckelmann, Mengs, Heinse. Hrsg. von Helmut Pfotenhauer, Markus Bernauer, Norbert Miller (Bibliothek der Kunstliteratur; 2) Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verlag 1991.
Aus Goethes Reiseführer (Volkmann, Bd. 2, 2. Aufl., 1877, S. 141-144):
Volkmanns Beschreibung des Laokoon
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| Angelika Kauffmann: Johann Heinrich Winckelmann, 1764. Postkarte. Goethe-Museum Rom des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt/M. Nicht gelaufen. Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild. |
Winckelmann, Johann Joachim, geb. am 9. Dezember 1717 in Stendal und ermordet am 8. Juni 1768 in Triest. Sohn eines Schuhmachers. Studium der Theologie in Halle und der Medizin in Jena. Danach Hauslehrer, Konrektor an der Lateinschule in Seehausen und Bibliothekar des Reichsgrafen Heinrich von Bünau in Nöthnitz bei Dresden. 1754 Übertritt zum Katholizismus. Studium der bildenden Kunst, wird bekannt durch die "Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst (1755). Ab 1755 in Rom, 1758/59 in Florenz (Katalog der Gemmensammlung des Barons Philipp von Stosch, 1760), mehrere Reisen nach Neapel. Antikenstudien, angeregt durch Anton Raphael Mengs; Bibliothekar des Kardinals Archinto 1757, des Kardinals Alessandro Albani ab 1759. "Prefetto delle antichità di Roma" und "Scriptor linguae teutonicae" an der Vaticana, 1763.
Hauptwerk: "Geschichte der Kunst des Alterthums", 1764. "Sie will die Kunst der Antike nicht in Form einer >bloßen Erzählung der Zeitfolge und der Veränderungen in derselben< darstellen, sondern strebt >einen Versuch eines Lehrgebäudes< an, dessen >vornehmster Entzweck< die Erkenntnis des >Wesens der Kunst< und damit die Ausbildung eines normativen Schönheitsbegriffs ist." (S. 21.534) Das zentrale vierte Kapitel begründet den Vorrang der griechischen Kunst und entwickelt eine Ästhetik der griechischen Skulptur.
"Winckelmann galt bei seinem Tod als der bedeutendste Kenner der antiken Kunst in Europa. Mochten ihm auch schon bald Irrtümer, philologische Versehen und Fehldeutungen nachgewiesen werden, so blieb davon doch sein Ruhm, der Begründer der Klassischen Archäologie als Wissenschaft zu sein, unberührt. In Abkehr von den traditionellen antiquarischen Interessen hatte er die Stilprinzipien für eine Chronologie der antiken Kunst erarbeitet. Seine kunstästhetische und stilgeschichtliche Betrachtungsweise war zugleich richtungweisend für die Ausbildung der neueren Kunstgeschichte als wissenschaftliche Disziplin. Und schließlich legte er mit seiner Ästhetik der griechischen Skulptur gleichsam das wissenschaftliche Fundament für den humanen Griechentraum der deutschen Klassik." (S. 21.537 f.)
Ernst Osterkamp, Artikel "Johann Joachim Winckelmann". In: Literaturlexikon. Hrsg. von Walther Killy. 2. Ausgabe (Digitale Bibliothek; 9) Berlin: Directmedia 2005, S. 21.529-21.540.
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