goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Das Stuttgarter Schillerdenkmal
von Bertel Thorvaldsen

Dokumentation

Eingestellt: September 2016

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Gliederung

1. Das Schillerdenkmal in alten Ansichten
2. Würdigung im Kunst-Blatt 1839
3. Schillerplatz (früher: Alter Schlossplatz)
und Schillerdenkmal in Stichworten
4. Fotos von Jörg Nunnenmacher
5. Literaturhinweise
6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Das Schiller-Denkmal in alten Ansichten

Stuttgart, Stiftskirche und Schillerdenkmal. Adressseite: Verlag von Gustav Haufler, Stuttgart. Nr. 746. Nicht gelaufen.

Stiftskirche mit Schillerdenkmal
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Links: Stuttgart, Stiftskirche mit Schillerdenkmal. Verlag Erich Otto, Stuttgart. Gelaufen. Datiert 1929. Poststempel unleserlich.
Rechts: Stuttgart, Stiftskirche. Verlag Victor Weichert, Stuttgart. Nicht gelaufen.

Alter Schloßplatz mit Schillerdenkmal
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Oben: Stuttgart. Alter Schloßplatz mit Schillerdenkmal. Adressseite: Karte der Stiftung für Heimatschutz (Verwaltungssitz Meiningen) Aufnahme von Architekt Friedrich Wagner-Poltrock. Nicht gelaufen.
Mitte: Stuttgart. Schillerdenkmal am alten Schloßplatz. Adressseite, Signet: H&V St auf Schild. Original-Eigentum u. Verlag: Hochstetter & Vischer, Stuttgart. Nr. 3245. Gelaufen. Feldpost, Reserve Lazarett XI. Poststempel 1917.
Unten: Stuttgart, Schillerdenkmal. 2314. Adressseite: Schwäbischer Kunst Verlag, Hans Boettcher, Stuttgart-S. Gelaufen. Poststempel 1937

Schiller-Denkmal
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Schiller-Denkmal. No 215 D. Adressseite: Druck u. Verlag v. J. Junginger, Lith. Kunstanstalt, Stuttgart. Gelaufen. Poststempel 1910.

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2. Würdigung im Kunst-Blatt 1839

Wiedergegeben wird die Würdigung des von Bertel Thorvaldsen entworfenen Schiller-Denkmals in Stuttgart, wie sie im "Kunst-Blatt", der seinerzeit führenden Kunstzeitschrift, 1839 erschien. Der Artikel ist nicht nur eine kritische Besprechung des vielleicht wichtigsten Schiller-Denkmals. Er ist darüber hinaus eine aussagekräftige Quelle für das in diesem Denkmal gestaltete Schillerbild wie für das Denkmalwesen des 19. Jahrhunderts allgemein. Der Text orientiert über die Umstände der Planung und Herstellung des Denkmals wie über das Fest der Enthüllung. Von besonderem Interesse sind die hier entwickelten ästhetischen Wertmaßstäbe für das Denkmal selbst wie für das Zusammenspiel des Denkmals mit dem Ort seiner Aufstellung, dem alten Schloßplatz in Stuttgart. Die Ausführungen beinhalten auch eine Kritik der Abbildungen, die bereits unmittelbar nach Entstehung des Denkmals vorlagen und das Werk in breiten Kreisen bekannt machten.

Quelle:
Das ehrne Standbild Schillers auf dem alten Schloßplatz zu Stuttgart. Kunst-Blatt, Nr. 41, 21. Mai 1839, S. 161-164. Ohne Namensnennung, wahrscheinlich vom "verantwortlichen Redakteur" Ludwig von Schorn. Der Text wird in der originalen Rechtschreibung und Zeichensetzung wiedergegeben. Die Zwischenüberschriften sind der Quelle entnommen, die Bilder und einige erläuternde Anmerkungen sind von uns hinzugefügt. Eingefügt sind Absätze zur leichteren Lesbarkeit. 

Das "Kunst-Blatt" wurde von der Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert. URL für 1839: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunstblatt20_1839

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2.1 Geschichte

Leben erzeugt Leben, und wenn die schwäbischen Liederkränze ihre Entstehung großentheils dem Geiste der Dichtkunst und namentlich dem ihres edelsten Meisters, dem Geiste Schillers, verdanken, so haben sie wiederum das Standbild hervorgerufen, das seit dem 8. Mai eine der Hauptzierden Stuttgarts, eines der Ehrenzeichen des deutschen Volkes ist. Man sang, wie man immer singt, sich und Andern zur Freude; allein alles menschliche Thun verlangt ein Ziel außer ihm selber; es genügt sich nur als Vermittlung. Das Ziel durfte nur genannt werden, um anerkannt zu seyn: den Todestag Schillers zu feiern.

Das Fest verlangte festliche Auszeichnung; die Büste Schillers im Schmuck von Lorbeer- und Frühlingskränzen ward aufgestellt, als man in Stuttgart 1824 zum ersten Male mit ernsten und heitern Gesängen seinen Todestag feierte. Der zweite Wunsch folgte dem ersten, der Festschmuck aus der Hand der bildenden Kunst sollte bleibend seyn. Man vereinigte sich zu einem Denkmal Schillers zuerst vom angegebenen Standpunkt aus, und bemühte sich um die Theilnahme  des Theaters und auswärtiger Freunde. Dannecker's schöne kolossale Büste des Dichters (1) war von Vielen in Absicht gestellt. Erst nachdem dieser Künstler erklärt, daß er bereits darüber verfügt, ging man zu dem Gedanken eines ehrnen Standbildes über, und machte die Sache zur allgemeinen deutschen. Der Schillerverein, der ausschließlich für diesen Zweck und für die Feier des Andenkens an Schiller sich gebildet, und an seiner Spitze der Herr Hofrath Reinbeck (2), machte es sich zur Aufgabe, für das Monument Beiträge zu sammeln.

An Thorwaldsen wandte man sich unter Vorlage der Verhältnisse, und ging ihn um das Modell an, das dieser hochsinnige Künstler mit Freuden dem Verein als Geschenk (nur die baaren Auslagen wurden berechnet) antrug, und so konnte bereits im Jahr 1838 der Erzguß durch den rühmlich bekannten königl. bayerischen Gießerei-Inspektor Stiglmaier in München (3) ausgeführt, im Frühling 1839 aufgestellt und am 8. Mai dieses Jahrs feierlich enthüllt werden.

2.2 Platz des Denkmals

Nachdem man einmal den Gedanken aufgegeben hatte, das Denkmal Schiller's an seinem von allem großen Verkehr entlegenen Geburtsort aufzuführen, konnte man nur in Stuttgart oder in dessen reizender Umgebung die Stelle suchen.

Als man sich noch mit der Hoffnung schmeichelte, den großen und umfassenden Plan eines Tempels oder sonstigen monumentalen Gebäudes ausführen zu können, hatte man einen Platz vor dem Königsthor dazu angekauft, eine Wiese am Bergabhang, mitten unter Rebenhügeln und Obstpflanzungen, mit schöner Aussicht über das Thal. Dort würde die Statue wie ein Ton im Sturm verschwommen seyn, vielleicht selbst, wenn man mit Hülfe von Bäumen eine natürliche Architektur bewirkt hätte. 

Unter den Plätzen in der Stadt, die in Vorschlag kamen, konnte sich keiner der allgemeinen Zustimmung erfreuen und fast am wenigsten der, der zulezt durch die Fügung der Verhältnisse geboten war; und nun, da das Denkmal steht, ist auch kaum Einer, der nicht erkennte, daß kein passenderer für dieses Denkmal gefunden werden könnte. Er ist - gegen seine Umgebung - hoch gelegen, von vier Seiten durch Straßen zugänglich, eingeschlossen von lauter öffentlichen und zwar alterthümlichen Gebäuden, sämmtlich aus gelblichem Sandstein aufgeführt, der Stiftskirche in altdeutschem Styl, dem alten Schloß, dem Kanzleigebäude und dem Palais des Prinzen Friedrich, das - im Styl der Renaissance - die Façade in der Tiefe, dem alten Schloß gegenüber, bildet. Nicht so klein, daß die Statue nicht von jeder beliebigen und ihr zuträglichen Entfernung könnte betrachtet werden, ist dieser Platz vornämlich nicht zu groß, so daß er durch jene vollkommen beherrscht wird, und das Denkmal ganz unwillkürlich architektonischen Charakter annimmt. Mir scheint dieses so bedeutend, daß es besonders hervorgehoben werden sollte, damit Alle, die zu ähnlichen Unternehmungen die Hand bieten, an der Wirkung dieser Verhältnisse, die von allen mir bekannten die glücklichsten sind, ein Beispiel nehmen.

2.3 Die Statue

Vinzenz Katzler, Lithografie
nach dem Stuttgarter Schillerstandbild

Siehe die Seite "Porträt- und Memorialgraphik zu Goethe und Schiller" im Goethezeitportal (hier mit Schmuckrahmen) URL:
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=2482

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Die Statue des Dichters ist 13' 5'' hoch. Mit gesenktem Antlitz, in der herabhängenden Linken ein Buch, in der Rechten, die zugleich den unter dem linken Arm aufgezogenen und über die rechte Schulter geworfenen Mantel hält, den Griffel, ruhend auf dem rechten Fuß, den linken vorgestellt, so sehen wir den lorbeerbekränzten Dichter über allem Volk, auf hohem Postament, zu uns hernieder oder in die Tiefe der eigenen Gedanken sich verlieren.

Viele haben einen aufwärts gekehrten Blick, eine gehobene Haltung gewünscht - sie haben an die Höhe des Postamentes, derzufolge ein nach oben gewendetes Gesicht nur in lästiger Verkürzung erschienen wäre, nicht gedacht, ungerechnet den tieferen Sinn der Auffassung, bei welcher das feine Gefühl des Künstlers jeden falschen Schein, jede Beziehung nach Außen glücklich vermieden. Es ist die Stellung eines Mannes, der in die Fluth der Gedanken versenkt, diese an sich vorüberziehen läßt, um die ihm genehmen zu fassen und zu halten; er hat eben geschrieben, und, um ein grobsinnliches Bild zu gebrauchen, holt aus, um weiter zu schreiben.

So lange die Statue noch nicht an ihrem Platze stand, machte sie auf Viele einen fast ungünstigen Eindruck; die gebückte Stellung, der schwere Lorbeerkranz, der sie zu veranlassen schien, die gegen den Untertheil unverhältnißmäßig breiten Schultern, dazu die langen, starren Gewandlinien wirkten durchaus disharmonisch. Nun an Ort und Stelle zeigt sich Alles anders, und der wohlberechnende Geist des Meisters zeigt sich in voller Klarheit. Alle dem Auge entrückteren Partieen bleiben nun im Verhältniß zur ganzen Figur, und Niemand empfindet die außerdem nothwendige Unannehmlichkeit perspektivischer Verjüngung. Die langen geraden Linien geben der Gestalt Halt, so daß der Sinn des Beschauers auf keine Weise beunruhigt wird, und die gebückte Stellung macht es uns möglich, ihm in's volle Angesicht zu sehen.

2.4 Das Piedestal

Zwei durch Platten verbundene Würfel von schönstem röthlich-grauem Granit mit Reliefs und Gesims von Erz ruhen auf einer breiten Unterlage, von rothem, festem Sandstein, die nach den vier breiten Seiten hin je fünf Stufen und nach den vier Ecken je einen Vorsprung zur Aufstellung eines Candelabers hat, und tragen eine mit tragischen Masken und Kränzen aus Erz verzierte Granitplatte, auf der die Statue steht. Die Höhe des eigentlichen Fußgestells beträgt 16', die der Unterlage 4'' und hat diese eine Breite von 34', so daß sie also um 7'' breiter, als das ganze Denkmal hoch ist.

Die Zeichnung ist unsers Wissens nach der Angabe Thorwaldsens gefertigt, Formen und Verhältnisse von glücklichster Uebereinstimmung, und man kann sagen, daß, wie neurer Zeit kaum ein Denkmal in so richtigem Ebenmaß zu seinem Platze steht, als dieses, daß ebenso kein Fußgestell einer der neuerrichteten Statuen in so wohlthuender Beziehung zu der Gestalt über ihm steht, als wiederum dieses. Ohne überflüssigen Raum zu geben, ist es doch so breit und massenhaft, daß das Auge keinerlei Besorgnis des Herabfallens der Statue (oder wie man sich diese allerdings trügliche Vorstellung bezeichnen will) leidet.

Das Relief der Vorderseite hat Schiller's Namen auf einer von einem Adler getragenen Kugel, dem Sinnbild der Ewigkeit, und zwar - dies ist durch die Himmelszeichen darunter ausgedrückt - über den Sternen; die tragische und lyrische Muse begleiten ihn in seinem Fluge. Darunter steht der Geburtstag - der 10. Nov. 1759 - und der Sterbetag des Dichters - der 9. Mai 1805.

Auf der Rückseite greifen zwei Greifen in die Saiten der Lyra; darunter die Unterschrift: Errichtet 1839. - Das Relief der linken ist der Genius der Dichtkunst mit der Lyra und dem Plektrum; eine anmuthige, geflügelte Knabengestalt, schwebend vorgestellt; unbedenklich eine der glücklichsten Eingebungen der an der Antike gereiften Phantasie Thorwaldsens. Dieser gegenüber an der rechten Seite eine schwebende Victoria mit Palmenzweig und Lorbeerkrone, gleichfalls von ansprechender Schönheit.

Dürften wir nun in diesen Reliefs einen zusammenhängenden Gedanken lesen, so wäre es dieser: Der Genius des Dichters erhebt sich in jugendlicher Kraft, wie der Morgenstern aufgehend, und nach den Sternen seinen Blick gerichtet; des Musengottes geweihte Greifen halten ihm die Lyra; ihm werden Anerkennung von Außen und innerer Frieden zu Theil, und seine Werke tragen seinen Namen in die Ewigkeit.

2.5 Das Fest der Enthüllung

"Der achte Mai in Stuttgart."
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Enthüllung des Schillerdenkmals.
Kolorierte Lithographie von Friedrich Bernhard Elias
(Quelle: Schiller in Stuttgart, siehe Literaturhinweise, Nr. 83)

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Der 8. Mai, als der Tag vor dem Todestag Schillers, war zu dieser Feier bestimmt. Die Natur nahm mit glänzend blauem Himmel und Sonnenschein und im vollen Blüthenschmuck des Frühlings daran Theil. Dreiundvierzig schwäbische Liederkränze hatten sich vereinigt, durch gemeinschaftliche Gesänge die festliche Stunde zu weihen, vor allen der Schillerverein zu Stuttgart hatte die Anordnung getroffen, daß das Fest eines der erfreulichsten und erhebendsten werden mußte, die wir neuerer Zeit erlebt haben.

An drei Seiten des Platzes waren Tribünen für die Hörer, um das Denkmal eine Bühne für die Sänger errichtet, und eine besondere Sitzreihe für den Schillerverein und für die Abgeordneten der Stadt aufgestellt. Je unter ihre mit Emblemen der Heimath oder der Dichtkunst geschmückten Fahnen gereiht zogen die einzelnen Liederkränze auf den Platz, dessen amphitheatralische Tribunen, wie sonst abgesteckte Räume, menschenerfüllt waren. Ein gelber, undurchsichtiger Schleier verhüllte das Monument. Als eine schöne, ja rührende Zierde des Festzugs müssen die Frauen und Jungfrauen des Stuttgarter Liederkranzes genannt werden, die durch ihre bloße Erscheinung wie durch ihre Mitwirkung beim Gesang dem Dichter des Frauenlobes gewiß das schönste Opfer gebracht haben

Endlich dürfen wir, als auf das bedeutendste Zeichen der Zeit, auf die Anwesenheit nicht nur vieler Jugendfreunde und Zeitgenossen, sondern sogar der Kinder und eines Enkels unsers Dichters hinweisen. Ich nenne es das bedeutendste Zeichen der Zeit, die im Gegensatz gegen viele frühere, das Verdienst nicht nach der Last von Jahren, unter der es begraben liegt, mißt, sondern mit Freuden das gegenwärtige anerkennt, die gern, was sie aus sich selbst über sich erheben sah, auch als das Erhabene feiert. Das mußte einen jeden Anwesenden mit dem Schauer der Freude durchdringen, daß die Kinder des Dichters - und zwar im rüstigsten Alter - Zeugen des freien Dankes und der Liebe einer Nation gegen ihren Vater seyn konnten. Das ist mehr als der Koloß Neros bei seinen Lebzeiten vor dem goldenen Hause aufgestellt, mehr als das Denkmal des h. Antonius, die 50 Jahre nach seinem Tode ihm erbaute Kirche zu Padua.

Oeffentliche Blätter haben die genauesten Beschreibungen der Feier, der Folgereihe der Gesänge, den Inhalt der Rede etc. gegeben; hier genüge es zu erwähnen, daß, als nach Lindpaintners (4) Festkantate unter dem Geläute aller Glocken und dem Schall der Posaunen das Standbild enthüllt wurde, zwar ein lauter Freudezuruf erklang, daß dieser aber bald in dem übermannenden Gefühl und in Thränen erstickte. Diesen einen Moment nur hätte Thorwaldsen erleben sollen, um seines Werkes wahrhaft froh zu werden; ja er hat ihn erlebt, voraus, ehe ein anderer Mensch ihn gedacht hatte; denn in der That, für diesen Moment ist ihm der Dichter erschienen. In dieser gänzlichen Anspruchlosigkeit, in dieser bescheidenen Haltung, gegenüber der lauten Verehrung von Tausenden, erkannten wir den Dichter wahrer Seelengröße, unsern Schiller.

Ausgezeichneter Fremden, die dem Feste beiwohnten, zu gedenken, ist hier nicht die Stelle; nur eines Einzigen Name dürfte hier seinen Platz finden. Wenn man an die Einsicht Schillers in die Bedeutung und Aufgaben der Kunst, an seine Sehnsucht nach ihren Offenbarungen denkt und an Alles, wodurch er mittel- oder unmittelbar auf eine Wiederbelebung derselben eingewirkt, so muß man sich freuen, daß der Drang eines warmfühlenden Herzens, die wahrhaftigste Pietät gerade den Mann mitten aus seiner großen und umfassenden Thätigkeit heraus und zur Feier des Festes vom Dichter der "Künstler" führte, in dem wir den Lenker und Vertreter der neuen deutschen Kunst verehren, Cornelius (5). So wurde seine Anwesenheit allgemein angesehen, und das Andenken an dieselbe wird nicht untergehen.

2.6 Abbildungen

Der Platz mit dem Monument ist aufgenommen und lithographirt von Obach (6) ein kleines Blatt, auf dem vorzüglich auf die beiden Gebäude des Kanzleihofs und des Palastes vom Prinzen Friedrich Rücksicht genommen ist. Die Statue, die man von ihrer rechten Seite sieht, verschwindet fast.

Eine zweite Abbildung des Monumentes und Platzes, bei welcher die Stiftskirche den Hintergrund bildet, ist in Lithographie bei M. Renz in Stuttgart erschienen. Das imponirende Verhältnis des Denkmals ist hier gut hervorgehoben. Die Statue indeß ist gerade im Profil von ihrer linken Seite genommen, und nimmt sich nicht ganz vortheilhaft aus.

Hanfstängel in Dresden (7) hat auf einem großen Blatt das Monument mit den Reliefs lithographirt; die Ansicht ist von vorn; die Ausführung ist nicht sehr gelungen, wiewohl die Zeichnung lobenswerth ist.

Eine zweite vordere Ansicht - die Reliefs in kleinen Beigaben - hat nach Guilielmis Zeichnung des Reliefs von A. Barre das Bureau numismatique in Paris in Maschinen-Stahlstich herausgegeben. Alle Formen sind hier außerordentlich präcis wiedergegeben, allein schon der Reliefcharakter, den das Bild angenommen, führt von der Statue ab.

Die schönste Ansicht, und diese ist bis jetzt noch nicht aufgenommen, hat man, wenn man sich der Statue von ihrer vordern linken Seite, also von der Planie her zwischen dem alten Schloß und Kanzleihof, nähert, so weit, daß sie frei in die Luft, gerade zwischen dem Palais des Prinzen Friedrich und dem daran stoßenden Giebel sich absezt, und also von den Reliefs das vordere mit dem Namen und die Victoria gesehen werden. Von dieser Seite spricht sich das Motiv der Auffassung am Klarsten aus und alle Linien treten in die schönste Harmonie.

Von Stiglmaier, oder wenigstens in seiner Werkstatt, ist eine große Medaille in Bronze besorgt worden, mit des Dichters Bildniß auf der Vorder- und dem Genius der Dichtkunst auf der Kehrseite.

2.7 Schlußbemerkung und Wunsch

Das Denkmal, das nun als eine so große Zierde der Hauptstadt dasteht, und dessen Herstellung ungefähr 42,000 fl. gekostet hat, wobei wohl dankbar erwähnt werden muß, daß sowohl Thorwaldsen, als auch Stiglmaier ihre persönliche Arbeit als Gabe dargebracht, und nur die Auslagen berechnet haben, ist vom Verein der Stadt Stuttgart feierlich übergeben worden; ihr liegt die Erhaltung desselben, seine Zukunft ob. Darf man ein so kostbares Denkmal dem öffentlichen Leben überlassen? Muß es nicht mit eisernen Gittern oder Ketten eingefaßt, durch Polizeisoldaten vor jedem Frevel bewahrt werden? Muß man nicht auf's Strengste das Betreten der Stufen verbieten? - Nein! nein! nein! - Man vertraue und man wird das Vertrauen geehrt finden. Der größere Reiz liegt ohnehin im Widerspruch gegen ein Verbot, und Hunde - sie mögen auf Zweien oder Vieren kommen, kann man wohl züchtigen, aber nicht immer hindern. Obendrein ist das Material gegen Wind und Wetter und menschliche Unbilde fest.

Dann beim Fest waren an den vier Ecken der Unterlage vier (Noth-) Kandelaber aufgestellt. Möchten an ihre Stelle vier schönere von Erz treten; in der Tat gehören sie zur architektonischen Vollendung des Werkes, und dürften selbst zu mancher schönen Nachtfeier Gelegenheit geben.

Endlich sey und bleibe das Denkmal lebendig. Alljährig versammle es die Vereine, die es in's Leben gerufen, die es mit vollem Herzen, mit lautem Gesang begrüßt, und im Angesicht desselben einer gemeinschaftlichen Gesinnung, einer gemeinschaftlichen Bestimmung sich bewußt worden, und so wirke der Geist des edelsten Dichters noch auf neuen Bahnen zur Erweckung zum Guten und Schönen, zur Liebe zu Gott, zur Freiheit und zum Vaterlande.

Anmerkungen:

(1) Als Dannecker von Schillers Tod erfuhr, fasste er den Entschluss: "ich will Schiller lebig machen, aber der kann nicht anders lebig sein, als colossal. Schiller muß colossal in der Bildhauerey leben, ich will eine Apotheose." Vgl. Christian von Holst: Johann Heinrich Dannecker. Der Bildhauer. 2 Bde. Stuttgart: Edition Cantz 1987. Hier Bd. 1, S. 294-303. Zitat. S. 294. ISBN 3-922608-45-0

(2) Zu Georg Reinbeck (1766-1849) siehe den Eintrag in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Reinbeck

(3) Zum Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier (1791-1844) siehe den Eintrag in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stiglmaier

(4) Zu Peter Joseph von Lindpaintner (1791-1856), Hofkapellmeister in Stuttgart, siehe den Eintrag in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Joseph_von_Lindpaintner

(5) Zum Maler Peter von Cornelius (1783-1867), ein Hauptvertreter der Nazarener, siehe den Eintrag in Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_von_Cornelius

(6) Caspar Obach (1807-1868), Schweizer Landschaftsmaler und Lithograph. Seit 1825 in Stuttgart (Lehrer an der Lithographischen Anstalt). (Thieme-Becker)

(7) Zu Franz Seraph Hanfstaengl (1804-1877),Lithograf und Fotograf, siehe den Eintrag in der Neuen Deutschen Biographie. Onlinefassung:
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118701363.html

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3. Schillerplatz (früher: Alter Schlossplatz)
und Schillerdenkmal in Stichworten

-    Der Schillerplatz ist ein nahezu quadratischer Platz, den im Süden das Alte Schloss, dem Schiller zugewandt ist, im Westen der Chor der Stiftskirche und der Fruchtkasten, im Norden der Prinzenbau und im Osten die Alte Kanzlei begrenzen.
-    Das Denkmal ist viereinhalb Meter hoch. Die Figur , von dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) entworfen und bei Johann Baptist Stiglmaier (1791-1844) in München gegossen, steht auf einem gestuften Unterbau mit Eckpodesten (rötlicher Granit aus dem Schwarzwald), geschaffen von Nikolaus Friedrich von Thouret (1767-1845). Grundsteinlegung am 22. November 1838, am 8. Mai 1839 feierlich enthüllt. Initiiert und gestiftet vom Stuttgarter Liederkranz: Der Liederkranz lud 1825 aus Anlass von Schillers 20. Todestag zum 8. Mai in den Garten des „Königsbads“ ein. Mehrere tausend Menschen folgten der Einladung. Ein Ausschuss des Liederkranzes, der Schillerverein, wurde gegründet mit dem Ziel, in Stuttgart ein Schillerdenkmal zu errichten. Auf dem obersten Treppenabsatz des Denkmalsockels erinnert eine Bodenplatte an die Stifter (siehe letztes Foto in Kap. 4).
-    Vier Bronzereliefs am Sockel:
    Vorne: Apotheose des Dichters: von einem Adler getragene Kugel mit Schillers Namen. Links die tragische, rechts die lyrische Muse. Darunter: Schillers Geburts- und Sterbedatum (10. November 1759 / 9. Mai 1805)
    Hinten: Zwei Greifen halten eine Leier. Darunter: Errichtet 1839
    Links: Genius der Dichtkunst mit Leier und Stab zum Anschlagen der Saiten
    Rechts: Siegesgöttin mit Lorbeerkranz und Palmzweig
-    Ab 1942 war das Denkmal im Stuttgarter Wagenburgtunnel eingelagert, wurde am 10. November 1945 auf Weisung der US-Militärregierung wieder aufgestellt: als Symbol dafür, dass ein „neuer Geist“ in die zerstörte Stadt einziehen sollte. Die vier Kandelaber um das Denkmal sind im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen, vermutlich eingeschmolzen worden.

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4. Das Schillerdenkmal
in Fotos von Jörg Nunnenmacher






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Zur Schillerverehrung in Stuttgart siehe auch die Seite:
Stuttgarter Schillertage.
Huldigung und Festzug 1905
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6719

Schiller Porträts
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=3964

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5. Literaturhinweise

* Wilfried Setzler: Mit Schiller von Ort zu Ort. Tübingen: Silberburg-Verlag 2009, S. 135 f.

* Sabine Rathgeb, Annette Schmidt, Fritz Fischer: Schiller in Stuttgart. Stuttgart: Württembergisches Landesmuseum 2005. Darin Fritz Fischer: "Wer ist der grämliche Mann da?" Thorvaldsens Schillerdenkmal, S. 28-44. ISBN 3-929055-63-5

* Bertel Thorvaldsen. Untersuchungen zu seinem Werk und zur Kunst seiner Zeit. Köln: Museen der Stadt Köln 1977. Darin Sylvia Heinje: Zur Geschichte des Stuttgarter Schiller-Denkmals von Bertel Thorvaldsen, S. 399-418.

* Otto Elben: Der volkstümliche deutsche Männergesang, seine Geschichte, seine gesellschaftliche und nationale Bedeutung. Tübingen: Laupp 1855. Insbesondere über das erste Schillerfest 1825, mit Beschluss, "Schillern in seiner Heimath ein Denkmal zu setzen", S. 68 ff.; Enthüllung des Schillerdenkmals, S. 92.

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Stiftskirche mit Schillerdenkmal. Stuttgart (das alte Schloss). Verlag von Friedrich Stahl, Buchhandlung, Stuttgart, Königstr. Adressseite ungeteilt. Silberdruck.

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