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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Taormina und Ätna

Jutta Assel | Georg Jäger

Land und Leute

Auszüge aus Reisebeschreibungen der Goethezeit 
und Motive auf alten Postkarten

Stand: August 2012

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Sizilianer. Fotografia F. Galifi Crupi, Taormina

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[Ohne Titel auf Bildseite. Sizilianer] Adressseite: Fotografia F. Galifi Crupi, Taormina. Stempel: Taormina. Nicht gelaufen.

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Auszüge aus Reisebeschreibungen und Briefwechseln der Goethezeit:

1. Johann Hermann Riedesel: Reise durch Sicilien und Großgriechenland, 1767/1771.
2. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. 1794.
3. Georg Arnold Jacobi: Briefe aus der Schweiz und Italien. 1797.
4. Patrick Brydone: Reise durch Sicilien und Malta. 1777.
5. Johann Heinrich Bartels: Briefe über Kalabrien und Sizilien. 1789.
6. Heinrich Swinburne: Reisen durch Beide Sicilien. 1787.
7. Karl von Hase: Erinnerungen an Italien. 1891 (Reise 1830).

Die Jahreszahl bezieht sich auf das Publikationsjahr.

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Isola e Capo Taormina. Ed. F. Galifi Crupi, Taormina

Taormina. Isola Bella e Capo. Fotografia Artistica G. Crupi, Taormina

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Oben: [Ohne Titel auf Bildseite. Fischfang] Adressseite: F. Galifi Crupi, Fotografia, Taormina. Nicht gelaufen. - Während der Paarungszeit tauchen die Schwertfische, die mit der Harpune lerlegt werden, aus der Tiefe auf.
Mitte: Taormina - Isola e Capo Taormina. Adressseite: 223 - Ed. F. Galifi Crupi - Taormina. Signet. Gelaufen. Poststempel 1938.
Unten: Taormina - Isola Bella e Capo. Adressseite: Fotografia Artistica G. Crupi, Taormina. Gelaufen. Poststempel unleserlich.

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Johann Hermann Riedesel
Reise durch Sicilien und Großgriechenland

Die Einwohner um den Aetna sind nicht, wie Fazellus sie beschreibet, rauh und wild von Sitten, horridi aspectu. Ich habe hier, wie aller Orten wo wenig Fremde hinkommen, die Menschen nicht durch die Menschen verdorben sind, wohl natürliche Menschen wohnen, gute, willfährige und wahrhafte Leute gefunden; sie sind wohl gebildet, und die reine und heitere Luft des Berges macht sie munter, lustig und fröhlichen Herzens; die Weiber sind schön, von weisser Haut und lebhaften Augen, die Männer von der Sonne verbrannt, aber groß, gesund und leutseliger Art; sie sind aufrichtig, dienstfertig, und man findet sich unter ganz guten Leuten in diesen Dörfern, welche wohl bevölkert sind.

Erläuterung:
Fazellus: "Tommaso Fazello (1498–1570) was an Italian Dominican friar, historian and antiquarian. He is known as the father of Sicilian history. He is the author of the first printed history of Sicily: De Rebus Siculis Decades Duae, published in Palermo in 1558 in Latin. He was born in Sciacca, Sicily and died in Palermo, Sicily." Quelle:
http://www.ask.com/wiki/Fazellus

Quelle:
[Johann Hermann von Riedesel:] Reise durch Sicilien und Großgriechenland. Zürich, bey Orell, Geßner, Fueßlin und Comp. 1771 (Digitalisierung durch Google).

Autor:
Johann Hermann Riedesel (geboren 10.11.1740 Höllrich (Spessart), gestorben 20.9.1784 Wien), Diplomat und Reiseschriftsteller. "Im Dez. 1761 begann er eine neun Jahre währende Kavalierstour; sie führte ihn nach Paris, [...] dann nach Italien. Hier entdeckte er sein Interesse an klassischen Altertümern; mit Johann Joachim Winckelmann (1717–68), den er 1763 in Rom kennenlernte und der ihn in seiner wissenschaftlichen Methodik und seinem ästhetischen Urteil beeinflusste, entstand ein reger Schriftverkehr. Auf Sizilien unternahm Riedesel 1767 Touren mit dem italienischen Altertumsforscher Principe di Biscari. Entgegen ursprünglichen Plänen begleitete ihn Winckelmann, für den R. seine Reiseeindrücke niederschrieb, nicht. [...] 1771 verlegte Füßli in Zürich erstmals die 'Reise durch Sizilien und Großgriechenland' (= Malta) zunächst ohne Nennung des Autors. Es war die erste und gleichzeitig erfolgreichste Landesbeschreibung Siziliens und Maltas durch einen Deutschen im 18. Jh."

Cornelia Oelwein, Artikel „Riedesel Johann Hermann“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 572 [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118884441.html

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Taormina, Pescatore. Nach Fotografie von Wilhelm von GloedenTaormina, Contadino Siciliano

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Links: Taormina - Pescatore. Adresseite: Da fotog. Von Gloeden. Im Briefmarkenfeld: 63. Nicht gelaufen.

Wilhelm Baron von Gloeden, geb. 18. September 1856 in Schloss Volkshagen bei Wismar, gest. 16. Februar 1931 in Taormina. Fotograf, der hauptsächlich in Sizilien arbeitete. Möglicherweise wurde Gloeden "durch den in Taormina lebenden Photographen Giovanni Crupi unterrichtet, dessen in Süditalien verbreitete Vedutenaufnahmen den späteren Arbeiten Gloedens mit Staffagefiguren in der Komposition stark ähneln. Wegen der Affinitäten fällt die eindeutige Bestimmung der Autorenschaft schwer", was auch für die auf dieser Seite abgebildeten Fotos auf Postkarten gilt. Vgl. Ulrich Pohlmann: Wilhelm von Gloeden - Sehnsucht nach Arkadien. Berlin: Nishen 1987, S. 15. Hier auch ein Foto, das Crupi im Garten des Hauses von Gloedens zeigt. Zu den Fischerbildern und den Studien aus dem "Volksleben in Sürditalien" siehe S. 24f.

Rechts: Taormina - Contadino Siciliano. Keine weiteren Angaben. Nicht gelaufen.

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Friedrich Leopold Graf zu Stolberg
Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien

Über den Charakter der Bewohner eines Landes wird ein bescheidner Reisender, wenn er nicht Jahre mit ihnen gelebt hat, nicht gern ein Urtheil, am wenigsten ein ungünstiges Urtheil fällen wollen. Lange, fortgesetzte Beobachtungen, besondre Gelegenheiten und verschiedne Umstände müssen zusammen treffen, um einen Fremdling in Stand zu setzen, etwas Gründliches über die Denkungs- und Empfindungsart der Nation, die er besucht hat, sagen zu können.

Die Sicilier rühmen sich eines offnen, freien Charakters. Die Napolitaner werfen ihnen entgegen gesetzte Fehler vor, und eignen den Ruhm der Freimüthigkeit sich selber zu. Ich fand beide Nationen freundlich, zuvorkommend, nicht nur mit Höflichkeit, auch mit Wohlwollen, ja mit Vertrauen. Mir scheinen die Napolitaner sanguinischer und froher; ernster, feuriger die Sicilier. Beide sehr reizbar, aber nach Verschiedenheit des Charakters. Brausender ist der Napolitaner, und auffahrend sein Zorn. Unbemerkt fällt ein Wort, als Same des Grolls, in die Tiefe des sicilischen Herzens; crescit occulto velut arbor aevo das Gefühl der Beleidigung, und plötzlich enthüllet sich aus platzender Schale die Frucht der blutigen Rache. Groß ist indessen der Unterschied des Charakters in verschiednen Städten. Den Trapanesen wirft man am meisten die Rachsucht vor.

Liebe zur Freiheit ist den Einwohnern beider Königreiche gemein. [...]

Bei den Siciliern, wie bei den Napolitanern und bei den Italiänern überhaupt, haben die Fehler eines heißen Himmelsstrichs desto freieres Spiel, da der öffentliche und der häusliche Unterricht der Jugend auf eine nicht zu verantwortende Weise vernachlässiget wird. Wie unter diesem Himmel der fruchtbare Boden reich an mannigfaltigen Früchten ist, und an vielartigen Disteln von ungemeiner Größe, so ranken auch Fehler und Laster mit üppigem Wuchs aus dem Nationalcharakter dieser Völker, deren Anlagen und Fähigkeiten sehr groß sind. Wollust, Zorn, Rache glühen mit des feurigen Temperaments ungekühlter Hitze. Ungereizet scheinen sie mir wohlwollend.

Daher die freundliche und edle Gastfreiheit der Bewohner beider Königreiche. Daher die Sicherheit der Fremden in Rom, wo doch jährlich fünfhundert Ermordete gezählet werden, welche nicht als ein Opfer der Raubsucht fallen, sondern der Eifersucht, des Jähzorns, der Rache.

Schon ihre zarten Kinder zeigen heftigen Zorn; ihr Weinen ist begleitet mit Zeichen des Eigensinns und der Heftigkeit. Etwas von diesen Fehlern gehört vielleicht auf die Rechnung der geerbten Anlage und des heißen Bluts; aber wohl wenigstens eben so viel auf der Eltern Unvernunft und Heftigkeit im Betragen gegen die Kinder. Gewohnt mit Steinen zum Spiel zu werfen, wird der Knabe von jäher Wuth mit dieser fürchterlichen Waffe gerüstet. Wirft jemand einen Stein nach einem Hunde, so werfen alle Knaben dem unglücklichen Thiere nach, und die Erwachsenen billigen diese böse Unart wenigstens durch Stillschweigen, ermuntern sie wohl gar durch Beifall. Ihre Behandlung der Thiere überhaupt beweiset rohes Gefühl.

In einem Lande, wo die Natur so freigebig, ist der Müßiggang natürlich. Der Nordländer arbeitet im Schweiße seines Angesichts, weil er starker Nahrung, warmer Kleidung, theurer Feuerung bedarf, und gebranntes Getränkes nicht entbehren will. Der mäßige Italiäner und der Sicilier genießen einer leichten Nahrung, sie sind leicht gekleidet. Wiewohl ihre feurigen Weine in manchen Gegenden so wohlfeil sind wie bei uns das gemeine Bier, ist doch die Trunkenheit hier ein sehr seltenes Laster. Ich sah in Italien einen oder zween betrunkne Menschen, in Sicilien keinen. Unter mildem Himmel bedürfen sie weder einer dichten noch geräumigen Wohnung; selbst die Handwerker arbeiten mehrentheils auf der Straße. Ruh und Schatten sind ihre natürlichsten Bedürfnisse, daher der Müßiggang. Aber so sehr auch dieser Entschuldigung verdienet, so fürchterlich sind doch seine Folgen.

Eine von diesen ist der Bettler Menge. Sie sind oft unverschämt, scheinen aber dem Reisenden noch mehr so als sie es würklich sind; man vergisst zu oft, dass die Lebhaftigkeit der Nation sich auch dem Bettler mittheilen müsse. Man wirft den Italiänern und Siciliern Eigennutz vor; etwas von diesem Vorwurf mag gegründet sein, aber ich habe in allen Ständen Menschen von Edelmuth unter ihnen gefunden. Nicht selten ist es mir und meinen Reisegenossen begegnet, dass gemeine Leute, für erzeigte Gefälligkeit oder übernommene Mühe, durchaus keine Belohnung annehmen wollten. Nach solchen Leuten, welche hauptsächlich von den Fremden leben, muss man nicht die Nation beurtheilen. Wie würde man sich irren, wenn man von dem Eigennutz mancher Wirthe und Fuhrleute in der deutschen Schweiz, auf den Charakter der deutschen Schweizer, des edelsten Volkes auf Gottes Erdboden, schlösse!

In Ländern, wo die Natur vieles freiwillig, vieles für geringe Arbeit hervorbringt, müssten durch Eröffnung neuer Bahnen der Industrie die Menschen zur Arbeit gelockt werden. Hier wird die Ermunterung der Industrie oft durch Saumseligkeit der Regierung vernachlässiget, oft auch - und das ist noch schlimmer - durch widersinnige Sorgfalt gehemmet.

Lebhafte Phantasie, missleitet durch schlechten Unterricht in der Religion, gebiert den Aberglauben. Dieser setzet leichte Übungen an die Stelle gewissenhafter Erfüllung der Pflichten; sinnloses Gewäsch an die Stelle der Herzensreinheit und der Liebe. So befördert er die Unsittlichkeit, und oft den Unglauben.

Die Freigebigkeit der Natur, und die Vernachlässigung der Erziehung, zeigen sich im Gespräch der Italiäner, auf ihren schön gezeichneten, durch heftige Affekten aber verzognen Gesichtern; an ihrer zu lauten, das Ohr verletzenden, wiewohl rein tönenden Stimme; endlich an Vergleichung der Kinder mit den Erwachsnen.

Nirgends sah ich unter dem Volke mehr schöne, mehr geistreiche Kinder, als in diesen Ländern. Schnell sind ihre ersten Fortschritte, bald aber werden sie gehemmt. Nirgends sah ich so wenig Bucklige; so wenig von der Geburt an missgestaltete Menschen; nirgends aber so viel durch Verwahrlosung missgebildete Kinder; nirgends so viel Einäugige, Blinde, Lahme, so viele Menschen mit verdorreten Händen, so viele Krüppel jeder Art, als in Italien und Sicilien; doch mehr in Italien. Wie oft begegnet man auf der Insel sowohl, wie im festen Lande, unglücklichen Männern und Weibern, denen das Gesicht, sei es vom Krebs oder vom Aussatz halb zerfressen ist. Man erschrickt, schaudernd zweifelt man, ob sie eigne Jugendsünden büßen, oder ob die Sünden ihrer Ältern sie bezeichnen. Man wendet, mit unwillkührlichem unüberlegtem Abscheu, der sich bald in Mitleiden verwandelt, den Blick von ihnen ab.

Quelle:
Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Bd. 4. Königsberg und Leipzig, bei Friedrich Nicolovius 1794 (Digitalisierung durch Google), S. 256-260. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Autor:
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, (geb. 7. November 1750 in Bramstedt, Holstein; gest. 5. Dezember 1819 auf Gut Sondermühlen (Melle) bei Osnabrück) war Dichter und Übersetzer (Homer, Ossian). Stürmer und Dränger, Jugendfreund Goethes. Übertritt zur katholischen Kirche 1800.

Siehe die biographischen Artikel:
* Schmidt, Erich, „Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 350-367 [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118755552.html?anchor=adb
* Artikel in Wikipedia, URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Leopold_Graf_zu_Stolberg

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Carro siciliano. Edizione Francesco Galifi Crupi, Taormina

Carretta siciliana. Edition Eugen Schuler, Taormina

Carretto Siciliano. Dettaglio. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

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Oben: Taormina - Carro siciliano. Adressseite: No. 25 - Edizione Fsco. Galifi Crupi, Taormina. Rechts unten: S 14070. Nicht gelaufen.
Mitte: 1694 Taormina. Carretta siciliana. Adressseite: Edition Eugen Schuler, Palazzo
Corvaia, Taormina. Nicht gelaufen.
Unten: [Ohne Titel auf Bildseite] Adressseite: Taormina - Carretto Siciliano. Dettaglio laterale. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi - Taormina. Succ. Rag. S. Fiumara & C. Galifi. 251. Nicht gelaufen.

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Georg Arnold Jacobi
Briefe aus der Schweiz und Italien

Die Ursache dieser unglaublichen Lässigkeit des Landmannes ist in ihm nicht eigenthümliche Stumpfheit, sondern vielmehr Erliegen unter der härtesten Art des bürgerlichen Druckes, und unter einer fast beyspiellosen Dürftigkeit, wobey dem Unglücklichen nicht einmal das Vermögen übrig bleibt, sein Schicksal zu verbessern. Begründet wird dieser elende Zustand der zahlreichsten und wichtigsten Classe des Volks durch Oligarchie des Standes und des Reichthums, durch Mangel an Aufklärung der Grundherren über ihren wahren Vortheil, und durch ihre Begierlichkeit nach gegenwärtigem Genuss.

Der größte Theil des Landes ist Eigenthum des mächtigen Adels; sehr wichtig sind auch die Besitzungen der Geistlichkeit, und den geringeren Überrest machen die königlichen Güter aus. Der Bauer hat nicht allein kein Eigenthum, sondern seine Person selbst gehört zu dem Vermögen seines Grundherrn, und obgleich die Befugnis der großen Baronen, über ihrer Leibeignen Leben und Tod zu sprechen, unter der gegenwärtigen Regierung sehr beschränkt worden ist, so genügt es doch schon an dem Namen einer so ausgedehnten Privat-Gerichtsbarkeit, um daraus zu schließen, welche Gewalt sich hier in den Händen einzelner Bürger des Staates befindet. Die größte Quelle des Elendes für den Landmann ist die hergebrachte Weise, wie der Grundeigenthümer seinen Zins erhebt. Er nämlich liefert die Aussaat, Vieh und Ackergeräthe, und bedingt sich jedesmal dabey, wie vielmal ihm der Bauer nach der Erndte die Aussaat erstatten müsse. So sind also selbst die Penaten des Landmanns seines Herrn Eigenthum; er kann den Pflug nicht berühren ohne seines Elendes zu gedenken, und die Thiere, die der freye Bauer als die Gesellen seiner Arbeit pflegt und werth hält, erscheinen ihm anders nicht als seine Mitknechte. Zwar spricht das Gesetz ihn frey von dem Frohn, aber oft erbittet der Verwalter seine Hülfe. Es darf ihm nicht einfallen, mit dem Gut, welches er bauet, durch größeren Fleiß auch seinen Zustand zu verbessern, weil er immer fürchten muss, dass der Grundherr seines Wohlstandes gewahren, und in dem nächsten Jahre seine Forderungen höher spannen werde. Die ärgsten Tyrannen sind die geringeren Eigenthümer, die ihre Güter um einen niedern Zins von den großen Baronen zu Afterlehn besitzen, und die Classe des untern Adels bilden. Ihre gränzenlose Habsucht erpresste gern von dem Landmann, auch was er nicht hat, nur um den Glanz des beneideten Lehnherrn in verjüngtem Maaße nachzuspielen, oder gar, wenn es hoch kommt, nach Palermo ziehen zu können. Die königlichen Bauern dagegen sind den Bedrückungen gieriger Beamten ausgesetzt. So verbindet sich hier alles, was nur einige Gewalt in Händen hat, um den Bauer dem bedrücktesten Lastthiere gleich zu machen. [...]

Auf dem Lande ist die Armuth unbeschreiblich. Dass eigentlicher Geldmangel die Regierung mehr als einmal genöthigt hat, die Abgaben in Früchten erheben zu lassen, ist, in diesem Lande besonders, schon eine vielbedeutende Erscheinung; aber mehr als dieses noch verräth das Innere der meisten Wohnungen eine beyspiellose Dürftigkeit. Eine Dorfschenke mit einer Stube schien uns ein gutes Wirthshaus. Und wie die sogenannten Stuben in den Städten gewöhnlich aussahen! - Stall, Küche und Schlafraum sind in den wenigsten Häusern von einander abgesondert. Oft trachteten wir selbst in ansehnlichen Städten vergebens, die gemeinsten Bedürfnisse zu kaufen, und an den nothwendigsten Geräthschaften war überall der äußerste Mangel. Als ein seltener Überfluss werden Messer, Löffel und Gabeln sogar nur bey wohlhabenden Leuten gefunden. Unsere Bedienten haben uns erzählt, dass oft bey ihren Mahlzeiten die Leute des Hauses ihnen einen Bissen nach dem andern aus der Schüssel geraubt, und gierig verschlungen hätten. So hatten wir in dieser Insel, welche nach ihrer natürlichen Beschaffenheit mit Recht die gesegnete genannt wird, oft Gelegenheit, die Bewohner der armseligsten unserer Deutschen Bauerhütten glücklich und reich zu nennen.

Quelle:
Briefe aus der Schweiz und Italien von Georg Arnold Jacobi in das väterliche Haus nach Düsseldorf geschrieben. Bd. 2. Lübeck und Leipzig: Johann Friedrich Bohn 1797, S. 140-143, 157-159 (Digitalisierung durch Google). - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Von derselben Lage der Bauern wird noch um 1900 berichtet. Siehe: Hippolyt Haas, Neapel, seine Umgebung und Sizilien (Land und Leute. Monographien zur Erdkunde; 17) Bielefeld und Leipzig, Verlag von Velhagen & Klasing 1911, S. 53f. S. 52-54 findet sich eine Zusammenstellung der zumeist negativen Stereotypen über die Sizilianer.

Autor:
Georg Arnold Jacobi, geb. 1766 in Düsseldorf, gest. 1845 in Pempelfort, Sohn des Philosophen und Schriftstellers Friedrich Heinrich Jacobi. Regierungsrat zu Düsseldorf.

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Carro Siciliano

Carretto Siciliano

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Oben: Taormina - Carro Siciliano. Adressseite: 6841 Ed. Pinotti - Taormina. Nicht gelaufen.
Unten: Taormina - Carretto Siciliano. Adressseite, rechts unten: 07 2948. Handschriftlich: Taormina, 1927 - 31. Nicht gelaufen.

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Patrick Brydone
Reise durch Sicilien und Malta

Wir verließen Messina des Morgens frühe, mit sechs Maulthieren für uns selbst und unsre Bedienten, und zwey für unser Gepäcke. Dieser Aufzug sah wirklich, ich versichere Sie, gar nicht schlecht aus; insbesondere gaben ihm unser Vor- und Nachtrab das meiste Ansehen. Es waren zwey große scheußliche Figuren, vom Kopfe bis auf die Füße bewaffnet, mit einem breiten Hirschfänger, zwo ungeheuern Pistolen und einer langen Flinte: diese halten sie an allen verdächtigen Örtern gespannt und zum Abschießen bereit. Da erzählten sie uns dann eine Menge wunderbarer Geschichten von Räubereyen und Mordthaten, und einige davon mit so vielen kleinen Umständen, dass ich nicht daran zweifle, dass sie selbst die vornehmste[n] Thäter dabey gewesen sind.

Unterdessen halte ich die Lage, in welcher wir uns befinden, für vollkommen sicher; sie erweisen uns viel Ehrerbietung und geben sich die äußerste Mühe, dass man uns nicht betriege. Ich glaube wirklich, dass sie sonst jedermann, nur uns ausgenommen, betriegen; denn sie machen die Rechnungen nach ihrem eignen Wohlgefallen, und ich habe niemals vorher so wohlfeil gezehrt. Das heutige Mittagessen für eilf Menschen (die drey Maulthiertreiber mit eingeschlossen) und Fütterung für zehn Maulthiere und Pferde machte nicht eine halbe Guinee aus. Und ob wir sie gleich theuer bezahlen (täglich eine Unze) so bin ich doch versichert, dass sie uns wenigstens die Hälfte davon an unsern Rechnungen ersparen.

Sie unterhielten uns mit einigen von ihren Heldenthaten, und scheueten sich nicht zu gestehen, dass sie verschiedene Leute umgebracht hätten; doch setzten sie hinzu: "mas tutti, tutti honorabilmente" - das heißt, dass sie es nicht auf eine feine Art, noch ohne hinlängliche Ursache und Reizung gethan haben.

Quelle:
P[atrick] Brydone's Reise durch Sicilien und Malta, in Briefen an William Beckford, Esq. Zweite nach der neuesten Englischen Ausgabe verbesserte Auflage. Tl. I. Leipzig, bey Johann Friedrich Junius 1777 (Digitalisierung durch Google), S. 74-76. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Autor:
Patrick Brydon (1741–1819) "was a Scottish traveller and author who served as Comptroller of the Stamp Office." "A Tour Through Sicily and Malta" (1773) gilt als sein wichtigstes Werk. Vgl. den Artikel in der englischsprachigen Wikipedia.

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Taormina - Costumi. Ed. G. Pinotti, Taormina

Taormina Costume. Stengel & Co., DresdaCostume Taorminese. Stengel & Co., Dresda

Costumi Siciliani. Edizione G. Attanasio, Taormina

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Oben: Taormina - Costumi. Adressseite, rechts unten: 037286 Ed. G. Pinotti - Taormina. Stempel Friedrich Kreyssig. Nicht gelaufen.
Mitte links: Taormina Costume. Im Bild: 23695. Stengel & Co., Dresda. Fot. Bruno, Taormina. Adressseite ungeteilt. Nicht gelaufen. - Siehe Wilhelm von Gloeden, Junges Mädchen mit Amphore, ca. 1885, Taormina. In Ulrich Pohlmann: Wilhelm von Gloeden - Sehnsucht nach Arkadien. Berlin: Nishen 1987, S. 23. Zum Motiv der Wasserträgerin S. 21f.
Mitte rechts: Costume Taorminese. Stengel & Co., Dresda 13148 - Fot. Bruno Taormina. Gelaufen. Adressseite ungeteilt. Poststempel unleserlich.
Unten: Taormina - Costumi Siciliani. Adressseite: Edizione G. Attanasio - Taormina. Signet: Cesare Capello Milano. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1929.

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Johann Heinrich Bartels
Briefe über Kalabrien und Sizilien

Um 5 Uhr verließen wir gestern Messina, in einem Reise-Aufzuge, der unserm kalabrischen völlig glich. Ein Pferdeknecht trabte neben unsern beiden Mauleseln her, und setzte sich zuweilen hinten auf. So reisen Männer hier gewöhnlich, wenn sie nicht anders noch einige Kampieri zur Begleitung mit nehmen; Frauenzimmer aber lassen sich in Tragsesseln von zwei Maulthieren tragen: ein Aufzug, der seiner Neuheit wegen, manches lächerliche für mich hatte. Über dies halte ich diese Art zu reisen für höchst unerträglich, und ziehe das Gliederdurchstoßen unserer Postwägen, der beständigen hüpfenden Bewegung weit vor. [...]

Nimmt man Kampieri, oder wie Herr Brydone sie so gern nennt, die verwegensten und verhärtetsten Bösewichter, , die in jedem andern Lande gerädert oder in Ketten aufgehängt werden, zu Begleitern mit; so ist das Reisen in Sizilien sehr theur; denn den höhern Preis, den man den Pferde-Vermiethern alsdann bezahlen muss, mit denen sie in Verbindung stehen, nicht einmal gerechnet, so muss man noch jedem bewaffneten Begleiter 1 Unze des Tags bezahlen: das ist der einzige Vortheil, den man von den Kampieri hat! Räuber, vor deren Angriff sie in Sizilien schützen sollen, giebt es nicht mehr; aber Räubergeschichten in Menge, dies zeigt Ihnen Herrn Brydone's Erzählung. Doch ihre Wahrheit steht mit den Gespenstergeschichten bei uns in gleichem Verhältnisse.

Dass die Kampieri selbst Banditen sind, ist falsch; denn Leute, die die Polizei als Spitzbuben kennt, denen trägt sie keine Geschäfte auf; so schlecht ist Siziliens Polizei nicht! Es sind Gerichtsbediente, die um jede Unordnung zu verhüten im Lande umher reisen müssen, und damit sie selbst, da wo man solche Spione der Polizei sonst vielleicht nicht gerne sieht, vor Beleidigung sicher sind; so haben sie das Recht geladene Gewehre zu tragen. Bei Beschreibung ihres Aussehens lässt Herr Brydone wieder seiner Phantasie freien Lauf, und sieht durch ihr Vergrößrungsglas. Statt der von ihm beschriebnen großen scheußlichen Figuren, vom Kopf bis auf die Füße bewaffnet, mit einem breiten Hirschfänger, zwei ungeheuren Pistolen und einer langen Flinte, die sie an allen verdächtigen Orten gespannt, und zum Abschießen bereit halten, fand ich in ihnen nichts, als gewöhnliche Kavalleristen, die sehr zerlumpt einhergehen, gerne viel pralen, aber wenig thun. [...]

So eben wie wir beschäftigt waren einige Nachrichten über Kultur des Landes und Regierung einzuziehen, sahen wir eine Menge bewafneter Menschen sich uns nähern, und hörten Ketten rasseln. Der Anblick war abscheulich! zwei Menschen blass wie der Tod führte man scharf geschlossen in der Mitte, und zwei andre, die der Furcht und der schlechten Behandlung erlagen, lagen scharf gefesselt auf einem Wagen. Es waren entlaufene Soldaten, die man so eben beim Einschiffen, um nach Frankreich zu gehen, ertappt hatte, und die man ihrer Strafe entgegen führte. So strenge wie man auch hier mit Deserteurs verfährt, so dass selbst die im Lande umherziehende Guardia das Recht hat, wenn sie einen entlaufnen Soldaten entdekt, und dieser sich ihr widersetzt, ihn zu erschießen; so schwer wie es ferner hier zu entkommen ist; so soll doch Desertion nirgends so häufig sein, wie in Sizilien. Vielleicht ist daran die Weichlichkeit der Eingebornen, oder die den fremden Soldaten unerträgliche Hitze des Landes Schuld.

Quelle:
Johann Heinrich Bartels: Briefe über Kalabrien und Sizilien. Zweyter Theil. Reise von Scilla in Kalabrien bis Katanien in Sizilien. Göttingen, bei Johann Christian Dieterich 1789 (Digitalisierung durch Google), S. 101-103, 105f. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Autor:
Johann Heinrich Bartels (geboren 20. Mai 1761 in Hamburg; gestorben 1. Februar 1850 in Hamburg), Gelehrter und Bürgermeister von Hamburg. Er unternahm 1785 eine Reise nach Italien: "Über Nürnberg, Regensburg, Wien, Triest reiste er nach Venedig. Im Dezember verlobte er sich dort mit Regina von Reck. Im Rahmen der Reise betrieb Bartels archäologische, kunstgeschichtliche, aber auch naturwissenschaftliche und statistische Studien. Daraus ging später seine Veröffentlichung 'Briefen über Calabrien und Sicilien' hervor." Auf Grund dieses Werkes wurde er Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Akademien.

Vgl. den Artikel in Wikipedia, URL: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_Bartels

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Portatrici d'acqua. Römmler & Jonas, Dresden

Portatrice d'acqua

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Bei den drei Bildern handelt es sich um den Brunnen vor dem Dom in Taormina. Vgl. die Seite zu Taormina, Theater, Ort und Umgebung.

Oben: Taormina - Portatrici d'acqua. Adressseite: Signet Römmler & Jonas, Dresden, 14679, 22. Handschriftlich: 2. Ex. dat. 1903. Nicht gelaufen.
Unten links: Portatrici d'acqua. Adressseite: Signet Römmler & Jonas, Dresden, 14679D, 42. Nicht gelaufen.
Unten rechts: Taormina - Costumi Siciliani. (Portatrice d'acqua). Adressseite: Ediz. Premiata fotogr. d'arte G. D'Agata - Taormina. Signet: Cesare Capello Milano. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1930.

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Heinrich Swinburne
Reisen durch Beide Sicilien

[Ich trabte] auf eine Stadt zu, die ich für Lentini hielt. Ein fließendes Wasser führte mein Thier vom Pfade ab, nach einem Brunnen, wo ein altes Weib auf der Erde lag und sich die Brust zerschlug, und das Haar zerraufte; zu gleicher Zeit schalt sie, mit einer bewundernswürdigen Geschmeidigkeit der Zunge, ein sehr hübsches Mädchen, die neben ihr mit einem mürrischen, verächtlichen Blicke stand, und in einer standhaften Stellung. Mein Maulthier schien gleich erstaunt mit mir über ihr Toben und ihre Geberden, und wir hielten beide einige Minuten ein, ob wir uns nähern sollten, oder in einer Entfernung vorbeipassiren. Da aber mein Anblick der Heftigkeit der Matrone Einhalt gethan hatte, wagte ich es näher zu kommen, und nach der Ursache zu fragen. In dem Augenblicke traten beide Frauenspersonen vorwärts und redeten mich zugleich an. Sie waren so heftig und tobend, dass ich nur wenige von ihren Reden verstehen konnte; die einzigen Worte, die ich verstand, waren, Liebe, Mord, Banditten, der Erzpriester, und der Teufel. Die Stimme der alten Frauen vergieng zuerst und gleich fas[s]te mich die Junge bei dem Kleide und mein Thier bei der Mähne und wiederholte die Ursache ihres Zankes in einem sehr angenehmen Tone der Stimme.

Sie war das schönste Mädchen, die ich auf der Insel gesehen hatte; ihre Bewegung hatte viele Grazie, aber jeder Nerve ihres Baues schien von Leidenschaft zu zittern; unzählige starke Ausdrücke giengen mir ohne Zweifel verloren, durch meine unzulängliche Kenntnis des provinzial Dialekts; aber ich folgete dem Faden der Geschichte ohne Mühe. Sobald sie sich über den Gegenstand ausgelassen hatte, ließ sie die alte Frau einige Zeit fortfahren, ohne sie zu unterbrechen.

Dieses Mädchen war von ihrer Mutter, dieser alten Frau, mit einem jungen Manne aus ihrer Stadt versprochen, aber ein paar Tage, ehe die Hochzeit vor sich gehen sollte, ward er in eine Schlägerei gezogen, in welcher er seinen Gegner tödtete. Hierauf flohe er nach dem Gebirge zu einer Gesellschaft geächteter Leute, deren berühmter Hauptmann zwanzig Jahre lang, der ganzen Zunft der Häscher trotz geboten hatte; er hatte verschiednemale sich durch ganze Haufen des Capitan Real, gehauen und war allemal durch die Schnelligkeit seines Pferdes zu den Höhlen und Wildnissen, die Castrogianni umgeben, entflohen. Aber der Liebhaber war kaum als Mitgenosse aufgenommen worden, als der Hauptmann und alle seine Anhänger überrascht und in Ketten nach Catania geführt wurden.

Da diese Nachricht die Geburtsstadt des Bräutigams erreichte, war eine Zusammenkunft seiner Freunde gehalten worden, in welcher der Erzpriester und ein Rechtsgelehrter vorgeschlagen hatten, eine Summe Geldes aufzutreiben, die sie nach Catania tragen würden, um ihn loszukaufen; aber unglücklicher Weise war die Versammlung arm, und die einzige Zuflucht, die sie noch übrig hatten, war eine Verlassenschaft, die ein Onkel der Braut vermacht hatte; dieses Geld schlug sie standhaft aus für einen Straßenräuber wegzugeben, einen Kerl, den sie nie heirathen würde, wenn er auch wiederkäme. Hier ließ die Mutter ein paar Worte mit einfließen, dass die Ursache dieser Verweigerung nicht sowohl von dem zärtlichen Gefühle ihrer Tochter herrührte, als von ihrer Untreue; denn sie hatte sich in einen andern Mann verliebt, der ihre Neigung durch Zauberkünste verführt hätte, welche er zu Malta gelernt hätte.

Nun fieng der Sturm von neuem an zu wüten und mit vieler Mühe erhielt ich es, dass sie mir Gehör gaben. Ich sagte ihnen ich befürchtete, der Rechtsgelehrte wollte sie nur um das Geld bringen, denn es wäre unmöglich, dass es in diesem Falle von Nutzen seyn könnte. Ich wäre benachrichtiget worden, dass die Geächteten, bei denen die Obrigkeit ein warnendes Beispiel geben wollte, aufgehängt seyn würden, ehe er Catania erreichen könnte; und ich rieth ihnen also, sich die Hände zu geben und wieder Freunde zu werden. Sie thaten dieses mit derselben Heftigkeit, die sie in ihrer Streitigkeit gezeigt hatten, und giengen lustig mit mir auf die Stadt zu. [...]

Indem ich diese ehrwürdigen Schatten durchwanderte, beschäftigten sich meine Bedienten, einen schicklichen Ort für unser Nachtlager zu suchen, und ohngefähr eine Stunde nach Sonnen Untergang begegneten sie mir an dem bestimmten Sammelplatze. Sie führten mich zu einer Art von Bauerhause eine Meile weiter den Berg herunter; die Eigner gaben uns alle Hülfe, die in ihrem Vermögen war zu unserer Einrichtung, und nach dem Abendessen unterhielten sie uns, mit vielen wunderbaren Erzählungen von bösen Geistern und Kobolden, welche die Höhlen am Aetna bewohnen. Mein Soldat und die Mauleseltreiber blieben nicht aus mit sonderbaren Geschichtchen, und der Neapolitaner mit seinem Vesuv machte nicht wenig Eindruck auf die Gemüther seiner Zuhörer. Da ein jeder Erzähler versuchte seine Geschichte fürchterlicher und teuflischer als die vorhergehende zu machen, so konnte ich bemerken, dass der ganze Kreis bis zu einem solchen lächerlichen Grade des Schreckens gestiegen war, das[s] ein schnelles Klopfen an der Thüre ihnen Todesangst verursacht haben würde.

Die außerordentliche Reitzbarkeit der Nerven der Sicilier, erhöht durch Vorurtheile und Aberglauben, welche mit dem ganzen Systeme dessen, was sie Erziehung nennen, verwebt ist, giebt ihnen eine Leichtigkeit der Neigung entweder für Freude, Schmerz, Hoffnung oder Furcht, die alles übertrift, was ich je Gelegenheit hatte von einer Nation zu sehn.

Quelle:
Reisen durch Beide Sicilien, welche in den Jahren 1777, 1778 und 1780 von Heinrich Swinburne, Esqr.  zurückgeleget worden. Übersetzt und mit Anmerkungen erläutert von Johann Reinhold Forster. Bd. 2. Hamburg, bei Carl Ernst Bohn 1787 (Digitalisierung durch Google), S. 378-381, 457f. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Autor:
Henry Swinburne (1743–1803), englischer Reiseschriftsteller. "The first volume of Swinburne's Travels in the two Sicilies. 1777-1780, was published in 1783, and the second came out in 1785, with plates from Swinburne's drawings. A second edition appeared in 1790; a French translation of them by La Borde was issued at Paris in 1785, and in the same year a German translation by J. R. Forster was published at Hamburg." Vgl. den Eintrag in der englischsprachigen Wikipedia:
http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_Swinburne

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Portatrici d'acqua. Edit. Eugenio Schuler, Taormina

Wasserträgerinnen am BrunnenTaormina - Portatrice d'acqua. Ed. G. Pinotti, Taormina

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Bei dieser Dreiergruppe handelt es sich um eine Aufnahme, die durch Retouchen bzw. Kolorierung verändert wurde.

Oben: Taormina - Portatrici d'Acqua. Im Bild: A 54241 (?). Adresseite: Edit. Eugenio Schuler, Taormina, Palazzo Corvaia. Nicht gelaufen.
Unten links: [Ohne Titel auf Bildseite. 5 Wasserträgerinnen am Brunnen] Keine weiteren Angaben. Nicht gelaufen.
Unten rechts: Taormina - Portatrice d'acqua. Adressseite, rechts unten: 083967 Ed. G. Pinotti - Taormina. Nicht gelaufen.

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Karl von Hase
Erinnerungen an Italien

Die Lustigkeit der Sicilianer habe ich bis jetzt nur an ihrem lärmenden lustigen Gottesdienste bemerkt. Ihre erste Erscheinung ist ernst, fast traurig. Die Männer tragen auf der Straße große Mäntel, zuweilen von dunkelbraunem, meist von schwarzem Tuche. An die Mäntel sind gleich die Kapuzen genäht, welche bis über die Stirne hereingehn. Mit ihren trüben und wenn sie nicht reden auch starren Zügen und der schwarzbraunen Gesichtsfarbe kommen mir die Leute vor wie die Ägypter auf den alten Bildern. Die Frauen sind ganz in ein schwarzes Tuch gewickelt, aus dem nur ein Theil des Gesichtes herausguckt. [...]

In der Vaterstadt [Syrakus] des kecken Tyrannen Agathokles, der eines hiesigen Töpfers Sohn war, bewohnten wir das Haus eines Schneiders. Er hat uns seine ganze erste Etage eingeräumt, es ist aber freilich nicht mehr Raum, als dass zwei Betten neben einem Tische nothdürftig stehen können. Indem in die Mitte der Thüre, welche auf den Altan führt, zwei kleine Glasscheiben eingefügt sind, dient sie zugleich zum Fenster, wie dieses an den Häusern wohlhabender Bürger gewöhnlich ist, denn gemeine Häuser haben nur Löcher mit Läden, keine Fenster. Die Stubendecke wird unmittelbar vom Dache gebildet, das jedoch nur wenig schräg aufliegt. [...]

Ich hatte mir eingebildet, außer der ewig schönen Natur in Italien nur Erinnerungen zu finden, Denkmale vergangener Herrlichkeit, nichts wahrhaft lebendig Gegenwärtiges, nichts Werdendes, ein Volk, unwerth in Liebe oder Leid an ihm theilzunehmen, sondern dessen kleinliches Treiben man nur zu ignoriren und vor dessen arger Klugheit sich man nur zu hüten hätte. Ich habe ein gutmüthiges geistreiches Volk gefunden, eines bessern Loses bedürftig, werth und fähig. Das unter den nordischen Nationen verbreitete Vorurtheil gegen den italienischen Charakter führt einestheils davon her, dass ihnen dieser Charakter wirklich fremd, und daher Vielen, die nicht über ihr eignes Sein hinausgehn, unverständlich ist, anderntheils davon, dass der Fremde zunächst von einer Schattenseite des Volkes, seiner Lust zu kleinen Prellereien, allenfalls auch Räubereien berührt wird. Mannigfach unangenehm dadurch berührt, nehmen sich Wenige die Mühe zu bemerken, wie diese Gelüst aus ziemlich unschuldigen Ursachen hervorgehe, und da es doch ein unleugbarer Nationalfehler bleibt, der auch die Eingebornen unter einander vielfach beschwert - wie er durchaus nicht einen verdorbenen Grund des Charakters beweist, vielmehr in der Art, wie er in Italien auf eine fast harmlose und naive Weise sich geltend macht, mit den edelsten Anlagen vereinbar und gemischt ist.

Das uns Fremdartige in dem italienischen Charakter ist eine unbedingt vorwaltende Sinnlichkeit, in deren Dienst alle andren geistigen Anlagen stehn. Daher kommen uns die Italiener in ihrer Neigung zum bloß Äußerlichen immer ein wenig vor wie die Wilden, während wir uns vor ihrer künstlerischen Ausbildung beugen. Dieses aber, was in unserer Empfindung widersprechend scheint, ist einig in seinem Grunde, denn wo in die vorwaltende Sinnlichkeit der Geist fällt, wird das ideale Leben immer ein künstlerisches Leben werden. Überhaupt steht man den Alten nicht mehr so fern, wenn man die Italiener kennt, und sie scheinen mir den alten Griechen mehr verwandt, als die alten Römer je es waren, welche, wie die Spartaner, durch den Staat eine gewaltsame Erziehung und Umgestaltung erhielten. Aber unter den heutigen Italienern, wie einst in Athen, dieselbe heitre Sinnlichkeit, der glückliche Leichtsinn, die höchste Lebhaftigkeit und Lust sich mitzutheilen, der allgemein verbreitete Kunstsinn. Gebt ihnen die Freiheit, von der Winckelmann sagt, dass auf ihrem Boden allein die Kunst gedeihe, oder vielmehr lasst ihnen ein vom Auslande unabhängiges, einiges und öffentliches Volksleben gewinnen, darin allein die wahre Freiheit steht, nicht in Republiken und papiernen Constitutionen: und es wird für Italien auch darin eine Zeit kommen, welche das griechische Kunstleben nicht wiederholen, aber würdig und eigenthümlich daneben stehen wird, eine nachgeborne schöne Schwester.

Die Italiener lieben Götter, welche sie sehen und womöglich küssen können. Wie sie ihrem Papste die Füße küssen, so haben sie auf der bronzenen Jupiterstatue, welche in der Peterskirche als St. Petrus verehrt wird, die vordern Fußzehen im eigentlichsten Sinne abgeküsst. Dennoch sind sie so klug wie wenig andere.

Im fruchtbarsten Lande wohnt ein armes Volk. Das Land gehört dem Adel und der Geistlichkeit, ihnen arbeitet das Volk zu Lohn. Indes will Jeder das Leben genießen, und so sucht er zu gewinnen so gut er kann, um das Gewonnene so schnell und angenehm als möglich durchzubringen.

Quelle:
Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte von Karl von Hase. Zweiter Abdruck. Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1891, S. 236-239. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Abschnitte eingefügt.

Autor:
Karl von Hase, Theologe, geb. 25.8.1800 Niedersteinbach bei Penig (Sachsen), gest. 3.1.1890 Jena. Hase studierte in Leipzig und Erlangen Theologie und Philosophie und habilitierte sich in Tübingen und Leipzig. Wichtige Bezugspunkte seines Denkens wurden Schelling und Schleiermacher. Wegen seines Engagements in der verbotenen Burschenschaft wurde er verfolgt - relegiert und mehrfach verhaftet; acht Monate saß er auf dem Hohenasperg ein. 1829 wurde er nach Jena an die Theologische Fakultät berufen. Seine Reise nach Italien, die er in Briefen an seine künftige Frau Pauline Härtel schildert, "wurde zu einer 'von allen Lebens-, Kunst- und Geschichtsträumen übervollen Wanderung', für immer blieb er der klassischen und romantischen Poesie zugetan. In Jena wirkte er von 1830 ununterbrochen bis 1883 [...]. Bald wurde er zur geistigen Mitte der Fakultät, der Universität überhaupt, ja einer der glücklichsten und einflussreichsten Universitätslehrer des Jahrhunderts" (Beyreuther).

Artikel in ADB und NDB:
* Frank, G., „ Hase, Karl August von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (1905), S. 36-47 [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118927507.html?anchor=adb
* Beyreuther, Erich, „Hase, Karl August von“, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 19 f. [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118927507.html

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Taormina. Fonte dei Cappuccini. Stengel & Co., DresdaPortatrici d'acqua. Ed. G. Marziani, Taormina

Taormina - Portatrici d'acqua

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Oben links: Taormina. Fonte dei P. Cappuccini. Stengel & Co., Dresda 13089. Fotogr. Bruno, Taormina. Adressseite ungeteilt. Gelaufen. Poststempel 1905 (?).
Oben rechts: Taormina. Portatrici d'acqua. Ed. G. Marziani, Hôtel Victoria, Taormina. Adressseite, rechts unten: 07 1114. Nicht gelaufen.
Unten: [Ohne Titel auf Bildseite] Adressseite: Taormina - Portatrici d'acqua. 5027 - D'Agata G. - Taormina. Signet: E. Sormani Milano. Nicht gelaufen.

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Frauen mit Kindern auf Treppen. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

Taormina - Pergolato. Edizione Francesco Galifi Crupi, TaorminaTaormina - Mandorlo in Fiore. Edition Eugen Schuler, Taormina

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Oben: [Ohne Titel auf Bildseite. Frauen mit Kindern auf Treppen] Adressseite: Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina. Stempel: Taormina. Nicht gelaufen.
Unten links: Taormina - Pergolato. Adressseite: No. 60 - Edizione Fsco. Galifi Crupi, Taormina. Rechts unten: S 14102. Nicht gelaufen.
Unten rechts: 1699 Taormina. Mandorlo in fiore. Adressseite: Edition Eugen Schuler, Palazzo Corvaia, Taormina. Nicht gelaufen.

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