Inhalt

 

Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Ätna

Jutta Assel | Georg Jäger

Der Ätna
Ansichten auf alten Postkarten und Reisebeschreibungen

Optimiert für Firefox
Eingestellt: August 2012
Stand: März 2015

*****

Carl Maria Nikolaus Hummel, Blick auf Taormina mit dem Ätna im Hintergrund

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Carl Maria Nikolaus Hummel (1821-1907)
Blick auf Taormina mit dem Ätna im Hintrgrund
Aquarell über Bleistiftskizze. Höhe 45,7; Breite 66 cm.

*****

Taormina mit Ätna

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild
Taormina (Sicilia). Signatur im Bild unleserlich. Gelaufen. Poststempel 1929.

*****

Auszüge aus Reisebeschreibungen und Briefwechseln der Goethezeit:
* Goethe: Italienische Reise, 1787.
* Riedesel: Reise durch Sicilien und Großgriechenland, 1767/1771.
* Patrick Brydone: Reise durch Sicilien und Malta. 1773, in deutscher Übersetzung 1774 in erster, 1777 in zweiter und 1783 in dritter Auflage.
* Seume: Spaziergang nach Syrakus, 1801/1803.
* Kephalides: Reise durch Italien und Sicilien, 1815/1818.
* Carl Graß: Sizilische Reise, 1805/1815.
* Wilhelm Waiblinger, Brief an die Eltern, 1819.
* Karl von Hase: Erinnerungen an Italien, 1830/1890.

Die Jahresangaben beziehen sich teils auf die Ätna-Besteigung, teils auf die Veröffentlichung. Bei zwei Jahresangaben bezieht sich die erste auf die Ätna-Besteigung, die zweite auf das Erscheinungsjahr der Reisebeschreibung bzw. der Briefe.

*****

Artikel "Ätna"
Meyers Großes Konversationslexikon, 1905

Ätna (vielleicht von griech. aitho, entflammen, brennen, also »Feuerberg«; ital. Etna, bei den Sizilianern Mongibello, vom ital. monte und arab. dschebel, das ebenfalls »Berg« bedeutet), 3279 m hoher Vulkan auf der Insel Sizilien, der höchste Europas, besteht aus einem einzigen ungeheuern, aber flachen Kegel, dessen Umfang an der fast kreisförmigen Basis 145 km beträgt. 

Der Berg erhebt sich in isolierter Lage nordwestlich von Catania und wird westlich und südlich vom Tale des Simeto, nördlich von dem des Alcantara scharf begrenzt; nur im NW. stellt die Wasserscheide zwischen beiden Flüssen als flacher Rücken von 850 m Höhe die Verbindung mit den übrigen Gebirgen der Insel her. Die Seiten des außerordentlich flachen Kegels haben eine sehr sanfte Böschung von 2–5°, die nach oben wächst, aber 6–8° nicht übersteigt. Der elliptische Zentralkegel erhebt sich aus einer Fläche, dem Piano del Lago, noch 300 m hoch mit einer Böschung von 20–30°. Durch einen Einsturz des östlichen Kegelmantels ist die Valle del Bone entstanden, ein gewaltiges Kesseltal, das seinen Ursprung am Gipfelplateau selbst nimmt. Ausbrüche aus dem Zentralkegel und seinem Krater sind selten, meist lassen nur verstärkter Rauch und Aschenregen die erhöhte Tätigkeit im Innern erkennen. Die Ausbrüche sind meist seitliche, die Lavamassen durchbrechen den aus losem Material aufgebauten Mantel des Berges, noch ehe sie bis zum Gipfel emporgestiegen sind; es bilden sich radiale Spalten und am untern Ende des Risses ein oder mehrere Lateral- oder Schmarotzerkegel, die den Berg rings umgeben, am dichtesten an der Südseite und in dem Gürtel von 1000–2000 m Höhe. Die Zahl dieser Kegel, denen die Lava entströmt, beträgt über 200. In der Valle del Bove ist die Struktur des Berges am besten zu erkennen; mehrere hundert regelmäßige Schichten von dunkler Lava wechseln mit Lagern von Tuff und Konglomerat ab. Trotz seiner Höhe und seines Schneereichtums ist der Ätna infolge seiner eigentümlichen geologischen Bauart in seinen obern und mittlern Abhängen überaus quellenarm. Der Berg gleicht einem riesigen Filter, der das Wasser bis zu den tiefern Tuffen und tonigen Massen hindurchlässt, wo dann starke Quellen hervorbrechen, die höchsten in 400 m Höhe.

In Bezug auf die Vegetation lassen sich am Ätna drei Gürtel unterscheiden: die bebaute Region, die bis 1400 m reicht, die besten Sorten Agrumen, Getreide, Öl und Wein liefert und besonders an der Süd- und Ostseite fortwährend im Emporsteigen begriffen ist; die bewaldete Region, die einen Gürtel von 12 km Breite bildet, mit streckenweise noch ziemlich dichter Waldung (Kastanien, dann Eichen, zuletzt Pinien), bis 2200 m; endlich die kahle Region, eine Wüste von Lavaströmen und Aschenfeldern, die im Winter mit Schnee bedeckt ist. Eine eigentliche Alpenflora findet sich am Ätna nicht. Der oberste Kegel ragt ganz kahl in die Höhe.

Karte des Ätna aus Meyers Großem Konversationslexikon, 1905

Gewöhnlich besteigt man den Ätna von Catania aus über Nicolosi. Man übernachtet in der Casa Etnea oder Inglese, 2942 m ü. M., einem von Mario Gemellaro, dem hochverdienten Ätnaforscher, mit Unterstützung englischer Offiziere 1811 errichteten, 1887 erweiterten Gebäude, in dem sich ein Observatorium für astronomische und meteorologische Beobachtungen befindet. Ostwärts davon liegt die Torre del Filosofo, der Rest eines Schutzhauses aus der Zeit Hadrians, nach Empedokles benannt, der hier eine Beobachtungsstation gehabt und sich in den Krater gestürzt haben soll. Die Besteigung des Kraterkegels ist wegen der jedem Schritt weichenden Asche sehr ermüdend. Am Rande des Kraters, dessen größter Durchmesser (1900) 527 m beträgt, steht man unmittelbar über dem Schlunde des Vulkans; die Tiefe des Kraters, die gleich der Höhe des Kraterrandes wechselt, betrug 1900 252 m. Die Aussicht vom Gipfel ist unvergleichlich.

Der Ätna gehört zu den jüngsten geologischen Bildungen der Insel Sizilien; er begann seinen Kegel zuerst unterseeisch in einer weiten Bucht aufzubauen, die tief in die Ostseite Siziliens eindrang. Sein absolutes Alter ist zu nur 50,000 Jahren geschätzt worden, und da im Mittel der letzten drei Jahrhunderte auf ungefähr je 10 Jahre ein Ausbruch kommt, so würden also ca. 5000 Ausbrüche diesen gewaltigen Kegel, dessen Volumen man zu 2,08 geogr. Kubikmeilen berechnet hat, und der den Vesuv um das 20fache übertrifft, aufgebaut haben. Von den Ausbrüchen des Ätna vor Beginn unsrer Zeitrechnung sind die von 396 und 122 v. Chr. historisch beglaubigt. Einer der gewaltigsten Ausbrüche war der vom 4. Febr. 1169, an welchem Tage zugleich ein Erdbeben Sizilien und Kalabrien erschütterte; weitere namhafte Ausbrüche fanden 1329, 1536, 1537 statt; das 17. Jahrhundert war an furchtbaren Ausbrüchen reicher als irgend ein andres, von 1603–20 war der Berg fast in beständiger Tätigkeit, und 1669 erfolgte die bedeutendste und zerstörendste aller bisher bekannten Eruptionen. Nach vorausgegangenen Erderschütterungen bildete sich 11. März oberhalb Nicolosi ein riesiger Spalt, an dessen unterm Ende durch Aufschüttung von Schlacke und Asche die beiden Monti Rossi entstanden. Die herausströmenden Lavamassen wälzten sich in einer Breite von 4300 m gegen S.; ein Arm richtete sich gegen Catania, drückte die Stadtmauer ein und floss durch den westlichen Stadtteil ins Meer. Ein Teil des Hafens wurde ausgefüllt, die Küste weit vorgeschoben. Erst im Juli endete der Ausbruch. Ein Lavastrom von 15 m Mächtigkeit und von einem Volumen von 980 Millionen cbm bedeckte 50 qkm Landes; zwölf Städte und Dörfer waren ganz oder teilweise durch die Lava, sechs andre durch die Erdbeben zerstört. Im 18. Jahrhundert sind namhafte Ausbrüche die von 1763, 1787 und 1792, im 19. die von 1809, 1819, 1852, 1865, 1874, 1879.

In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905–1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 11.395-11.400. Redigiert.

Vgl. den Artikel "Ätna" in Wikipedia, URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ätna

*****

Johann Wolfgang von Goethe, Blick vom Ätna

Feder und Pinsel in Grau über Bleistiftspuren, grau laviert, aquarelliert, auf weißem Papier. Höhe: 24,0; Breite: 34,0 cm. Mai 1787. In Petra Maisak: Johann Wolfgang Goethe, Zeichnungen. Stuttgart: Reclam 2001, S. 140 mit Analyse und Würdigung des Bildes.

***

Johann Wolfgang von Goethe
Italienische Reise

 Catania, Freitag, den 4. Mai 1787.
[...] Als wir den Ritter um die Mittel befragten: wie man sich benehmen müsse, um den Ätna zu besteigen? wollte er von einer Wagnis nach dem Gipfel, besonders in der gegenwärtigen Jahreszeit, gar nichts hören. Überhaupt, sagte er, nachdem er uns um Verzeihung gebeten, die hier ankommenden Fremden sehen die Sache für allzu leicht an; wir andern Nachbarn des Berges sind schon zufrieden, wenn wir ein paarmal in unserm Leben die beste Gelegenheit abgepasst und den Gipfel erreicht haben. Brydone, der zuerst durch seine Beschreibung die Lust nach diesem Feuergipfel entzündet, ist gar nicht hinauf gekommen; Graf Borck lässt den Leser in Ungewissheit, aber auch er ist nur bis auf eine gewisse Höhe gelangt, und so könnte ich von mehrern sagen. Für jetzt erstreckt sich der Schnee noch allzuweit herunter und breitet unüberwindliche Hindernisse entgegen. Wenn Sie meinem Rate folgen mögen, so reiten Sie morgen bei guter Zeit bis an den Fuß des Monte Rosso, besteigen Sie diese Höhe; Sie werden von da des herrlichsten Anblicks genießen und zugleich die alte Lava bemerken, welche dort, 1669 entsprungen, unglücklicherweise sich nach der Stadt hereinwälzte. Die Aussicht ist herrlich und deutlich; man tut besser, sich das übrige erzählen zu lassen.

Catania, Sonnabend, den 5. Mai 1787.
Folgsam dem guten Rate, machten wir ans zeitig auf den Weg und erreichten, auf unsern Maultieren immer rückwärts schauend, die Region der durch die Zeit noch ungebändigten Laven. Zackige Klumpen und Tafeln starrten uns entgegen, durch welche nur ein zufälliger Pfad von den Tieren gefunden wurde. Auf der ersten bedeutenden Höhe hielten wir still. Kniep zeichnete mit großer Präzision, was hinaufwärts vor uns lag: die Lavenmassen im Vordergrunde, den Doppelgipfel des Monte Rosso links, gerade über uns die Wälder von Nicolosi, aus denen der beschneite, wenig rauchende Gipfel hervorstieg. Wir rückten dem roten Berge näher, ich stieg hinauf: er ist ganz aus rotem vulkanischem Grus, Asche und Steinen zusammengehäuft. Um die Mündung hätte sich bequem herumgehen lassen, hätte nicht ein gewaltsam stürmender Morgenwind jeden Schritt unsicher gemacht; wollte ich nur einigermaßen fortkommen, so musste ich den Mantel ablegen, nun aber war der Hut jeden Augenblick in Gefahr, in den Krater getrieben zu werden und ich hinterdrein. Deshalb setzte ich mich nieder, um mich zu fassen und die Gegend zu überschauen; aber auch diese Lage half mir nichts: der Sturm kam gerade von Osten her über das herrliche Land, das nah und fern bis ans Meer unter mir lag. Den ausgedehnten Strand von Messina bis Syrakus, mit seinen Krümmungen und Buchten, sah ich vor Augen, entweder ganz frei oder durch Felsen des Ufers nur wenig bedeckt. Als ich ganz betäubt wieder herunter kam, hatte Kniep, im Schauer, seine Zeit gut angewendet und mit zarten Linien auf dem Papier gesichert, was der wilde Sturm mich kaum sehen, vielweniger festhalten ließ.

Erläuterungen
Ritter: Malteserritter Giuseppe Gioeni (1742-1822), Professor für Naturgeschichte an der Universität Catania.
Brydone: P[atrick] Brydone's Reise durch Sicilien und Malta, in Briefen an William Beckford, Esq. Zweite nach der neuesten Englischen Ausgabe verbesserte Auflage. Tl. I. Leipzig, bey Johann Friedrich Junius 1777.
Graf Borch: Briefe über Sicilien und Maltha von dem Grafen von Borch [...] geschrieben im Jahr 1777 als ein Supplement zu der Reisbeschreibung von Herrn Brydone. Bern, bey der neuen typographischen Gesellschaft 1783. 
Kniep: Christoph Heinrich Kniep (1748-1825), Zeichner, war Begleiter Goethes auf Sizilien. Vgl. Georg Striehl: Der Zeichner Christoph Heinrich Kniep (1755-1825). Landschaftsauffassung und Antikenrezeption (Studien zur Kunstgeschichte; 128) Hildesheim: Georg Olms 1998, Kap. 3: Kniep und Goethe.

Vgl. Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Bd. 15. München: Carl Hanser 1992. Mit Benutzung des Kommentars.

*****

Ausgangspunkt für die Ätnabesteigungen war hauptsächlich Catania, selten Taormina. Die meisten Bilddokumente zeigen den Ätna jedoch von Taormina aus. Denn der Blick vom damals sog. "Teatro Greco" auf den Ätna galt als eine der schönsten Ansichten weltweit.

Taormina. Vista dell' Etna. Francesco Galifi Crupi, Taormina

Taormina. Vista dell' Etna. Francesco Galifi Crupi, Taormina

Taormina Etna. Ed. G. Attanasio

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Oben: Vista dell' Etna - Taormina. Adressseite: F. Galifi Crupi, Taormina. Nicht gelaufen.
Mitte: Taormina - Vista dell' Etna. Adressseite: No. 12 - Edizione Fsco. Galifi Crupi, Taormina. Rechts unten: S 14049. Nicht gelaufen.
Unten: [Ohne Titel auf Bildseite] Adressseite: Taormina Etna. Ed. G. Attanasio. Taormina. Stabil. Grafico Emil Pinkau & Co. - Lipsia. No. 3. Nicht gelaufen.

*****

Johann Hermann von Riedesel:
Reise durch Sicilien und Großgriechenland

Den ersten May [1767] trat ich meine Reise nach dem Berge Aetna, welchen die Einwohner jetzo Mongibello nennen, an. Ungeachtet derselbe mit Schnee bedecket war, und man mir wollte glauben machen, dass es unmöglich sey, dessen Gipfel zu erreichen, so wollte ich wenigstens so weit als möglich denselben besehen und betrachten. Ich reiste demnach mit meinem Bedienten, einem Wegweiser, und einem Packpferde, welches die nöthigen Lebensmittel auf zwey Tage trug, auf Maulthieren ab. 

Gegen Mittag kam ich nach St. Nicolo, 12. Miglie von Catania entfernt, welches das eigentliche Kloster der Benediktinermönche ist, die jetzo so herrliche Gebäude in Catania haben; dort sollten dieselben in Staub und Asche leben, anstatt dass sie jetzo mit Pracht und Eitelkeit verschwenden. Man fängt so gleich, als man vor Catania herauskömmt, zu steigen an, wiewol der Berg ganz gelinde sich erhebet. Bis Nicolosi, ein Dorf, welches 10. Miglie von Catania entfernet ist, durchreist man die schönsten Felder, die mit Getraide, Weinstöcken, und allerley herrlichen Obstbäumen bepflanzet sind; die Pomeranzen und Citronenbäume sind hier in größter Menge, und alle andere Arten von Obst, welche sonst in diesen warmen Gegenden so selten sind, als Kirschen, Äpfel, Birne etc. wachsen häufig. Um Nicolosi selbst ist alles mit Sand, welchen der Berg zu verschiedenen Malen ausgeworfen, überschüttet, und man siehet nichts als Maulbeerbäume in diesem verbrannten Erdreiche, welche jedoch als ein Wunder gut wachsen und Blätter bringen.

Nachdem ich in dem Kloster zu St. Nicolo Mittag gehalten so setzte ich meine Reise fort. Hier fängt der Weg an unangenehm und schlimm zu werden; denn man findet eine große Länge desselben nichts als erkaltete Lava, welche die Sicilianer Sciarra nennen, wo man mit Mühe durchkömmt. Diese Lava ist von der Eruption, welche 1669. erfolgte, bis in das Meer geflossen, und das Castel in Catania völlig umringet hat. Man kömmt nahe an dem Berg vorbey, aus welchem diese Eruption geschehen; und um Ihnen einen Begriff des Umfangs und der Höhe des ganzen Aetna einigermaßen zu machen, so führe ich an, dass dieser Berg, welcher nur eine der Eruptionen ist, deren man bis hundert rund um den Aetna zählen kann, so groß wie der ganze Vesuvius bey Neapel ist. Es ist dabey besonders, dass er demselben auch völlig in der Form gleichet; denn es sind zwey Berge, wie der Vesuvius und Somma beysammen stehen, dorten von gleicher Höhe neben einander.

Hier fängt der Wald an, von welchem ich so viel gehört hatte, und der die schönsten Eichbäume haben soll; es ist aber nicht an dem, und ich fand meine Vorstellung und die mir gemachte Beschreibung davon völlig falsch; denn bey dem Anfang desselben fand ich nichts, als einige Steineichen, welche weder groß noch schön waren; weiter hinein sahe ich nichts als Haynbuchen und andere dergleichen Bäume, die aber alle krumm und gegen die Erde gebeuget sind. Gegen dem andern Ende des Waldes zu, und höher gegen den Berg an, sah ich endlich Eichen, welche aber nicht schön und besonders groß genennt werden können. Dieser Wald umgiebt den ganzen Berg rundum in dieser Höhe desselben; ist aber nicht dichte, und bestehet, wie ich schon gesagt habe, aus schlechten und unansehnlichen Bäumen.

Da ich denselben zurückgeleget, gelangte ich an die Eruption von dem vorigen Jahre 1766. welche noch in einigen Orten der Lava rauchte: Dieselbe floss erstlich gegen Morgen, und, nachdem ein großer Theil davon erkaltet war, machte sie sich selbst Widerstand, und nöthigte die warme fließende Lava gegen Mittag und gegen die Anhöhe zu fließen; daher sich dieselbe hoch aufgethürmt und kein großes Erdreich eingenommen. Hier suchte mein Wegweiser eine Hütte, welche sonst da gewesen, nunmehr aber durch die Lava weggenommen worden; und da die Nacht nahe war, und noch 10. Miglie bis an den Gipfel des Berges, welcher hier am steilsten zu werden anfängt, und von hier an mit Schnee bedecket war, zu steigen sind, so mussten wir uns nach einem Ort umsehen, wo wir die Nacht vor dem Regen, welcher ziemlich stark war, beschützet zubringen konnten. Ein Bauer von Nicolosi, Namens Blasio, welchem ich zu danken habe, dass ich den Berg erstiegen, fand nach einigem Suchen eine Grotte, die von ohngefehr von der Lava selbst geformet ist. Hier brachten wir zusammen die Nacht um ein großes Feuer versammelt zu, bis ich um Mitternacht, da der Regen geendiget, und die Sterne und der Schnee leuchtete, wieder auf meinem Maulthier zu steigen anfieng. Mein Begleiter von Catania, Namens Emanuele Ferra, litte dergestalten von der Kälte und dem über den Schnee blasenden Winde, dass nach 2. Miglie gemachtem Wege er mir behauptete, es nicht länger ausstehen zu können. Die Maulthiere konnten auch auf dem gefrornen Schnee nicht mehr haften; weshalben ich solche mit dem Begleiter, und dem Knechte welcher solche versorgte, zurückschickte, und zu Fuss mit meinem Bedienten, der, wie Sie wissen, mich niemals verlässt, und dem Bauern von Nicolosi zu steigen fortfuhr.

Hier hieß es, hoc opus, hic labor est; denn es waren 8. Miglie, auf gefrornem und glatten Schnee, bey einem starken Nordwinde, welcher uns entgegenkam, des steilesten Berges zu ersteigen. Der Muth und die Kräfte entgiengen mir einige Male, und eine Flasche Cataneserwein, welcher sehr stark ist, musste mir Kräfte geben. Nachdem ich 6. Mitglie gestiegen, so gelangte ich an den so genannten Piano di Formento, welches eine Ebene von ohngefehr 3. Miglie im Umkreis ist: Wo die Benennung herkomme, ist wohl schwer zu sagen; denn hier ist gewiss, so lange die Welt stehet, kein Getraide gewachsen: Von hier sind noch 2. Miglie einer steilen Anhöhe bis an den sogenannten Thurm des Philosophen, wovon noch einige Überbleibsel über den Schnee, welcher jedoch 8. Palme hoch war, hervorragten. Dieser Turm ist rund, und von Steinen und Kalk erbauet; und neben demselben sollen unter dem Schnee (wie mir der Bauer, welcher oft hier oben gewesen, versicherte) einige Stücke Marmor liegen. Dieses ist der Thurm, den Empedocles soll haben bauen lassen, um die Wirkungen und Ursachen dieses fürchterlichen Berges zu ergründen, in dessen Schlund er sich endlich aus Verzweiflung, da ihm solches nicht gerathen, gestürtzet. Es scheinet mir aber, so wie die ganze Erzählung, fabelhaft, dass der Philosoph diesen Thurm erbauen lassen, und die Bauart siehet auch nicht jenen Zeiten gleich; es ist vielmehr wahrscheinlich, dass dieses ein Wachethurm von den Normännern sey, weil von diesem Berge die ganze Insel übersehen werden kann. 

Hier ist die Oberfläche des ganzes Berges, welche 6. Miglie im Umkreise hat, in deren Mitte der Crater oder der Schlund ist, aus dem beständig ein dicker schwarzer Rauch sich erhebet. Der Crater bestehet aus schwarzem Sande, Asche, und Binsteinen, und ist 2. Mitglie hoch: Dieser Stieg wurde mir am allerschwersten, weil man bis an die Knie in den Sand hineinfällt, und ich durch die erste Reise schon ermüdet war.

Endlich erstieg ich doch diesen höchsten Gipfel des Berges, und war sehr erstaunt, als ich mich an dem Rande des unergründlichen Schlundes befand, zu sehen, dass er ziemlich breit, und gemächlich um denselben zu gehen ist, da ich mir solchen Gang schmal wie an dem Vesuvius vorstellte. Ich warf Steine und Sand in den Abgrund, von welchen man nichts mehr höret, wenn sie in denselben fallen; er scheinet unergründlich; ein dicker Rauch kam beständig, und nicht unterbrochen wie der Vesuvius zu speyen pfleget, heraus, und man hörte ein Brausen, wie die Wellen des ungestümen und durch einen Sturm wild gemachten Meeres, oder das Kochen eines großen Ofens worinnen man schmelzet. Der Crater ist nicht zirckelmäßig rund, sondern morgenwärts gegen Catania zu ist er eingebogen und niedriger, als wenn eine Lava daraus geflossen wäre. Von dieser Seite kann man jedoch nicht wohl bis an den Schlund kommen, weil der Stieg zu steil ist, und der Rauch gerade entgegenkömmt, welcher nach dem niedrigsten Ausgang sich ziehet.

Hier, auf diesem Gipfel eines der höchsten Berge in der Welt, genoss ich der weitesten und schönsten Aussicht, welche zu erdenken ist. Hinter den apenninischen Gebürgen in Calabrien sahe ich die Sonne aufgehen und hervorkommen; sie beleuchtete die ganze morgenseitige Küste Siciliens, und das Meer welches diese Insel von Calabrien scheidet. Calabrien siehet man ganz deutlich, und entdecket die ganze Küste bis an den Golfo di Taranto. Catania, Augusta, Siracusa, zur rechten Hand; Tavormina und die Gegend von Messina zur linken, scheinen zu Füssen zu liegen; die unterschiedene Eruptionen des Berges, der Wald, die herrlichen Felder dieser fruchtbaren Insel, unzählige Städte und Dörfer, der See von Lentini (Leontium) machen die reitzendste Abwechselung für das Auge; die Wolken schweben unter dem Gipfel des Berges, und die Sonne bildet die schönsten Schattirungen; man glaubet der Natur zu gebieten, und scheint über die Menschheit erhaben, wenn man sich über alles, was sterblich ist, so hoch empor siehet. [...]

Die Kälte war den 2ten May so heftig, als solche in Deutschland im Januar auf denen höchsten Bergen seyn kann; und des Morgens um 7. Uhr, als ich wieder den Berg herunterzusteigen anfieng, war ich so steif gefroren, dass ich mich fast nicht regen konnte, unerachtet ich kaum dreyviertel Stunden stille auf demselben gestanden. Der Bauer, welcher mich begleitete, trieb unablässig herunterzugehen, weil er sich zu Tode zu frieren fürchtete. Die Luft ist jedoch nicht so fein und subtil, dass sie das Athemholen benimmt oder beklemmt, wie verschiedene Reisende behaupten; obgleich dieses freylich verhältnisweise auf die Brust und Lunge eines jeden ankömmt. Im Heruntersteigen sahe ich die Eruption von 1763. welche gegen der Höhe der Lava die fürchterlichste ist; denn sie ist so hoch, als der höchste Pallast in Rom seyn kann, aufgethürmet, hat sich aber deswegen nicht weit erstrecket; da wo diese aufhört, hat die von vorigem Jahre 1766. angefangen, und ist in nämlicher Richtung fortgeflossen.

Die Einwohner der nächsten Dörfer, gegen die Höhe des Berges, leben von Herbeyschaffung des Schnees nach Catania und Riposto, welches ein Dörfgen am Meer ist, wo die Maltheserbarquen den Schnee für die Insel laden. Dieser Schnee wird in Grotten an dem Berge den ganzen Sommer durch erhalten, und auf Eseln, so wie man solchen verbrauchet, heruntergetragen; die Insel Malta zahlt etwas gewisses jährlich für eine bestimmte Menge dieses Schnees, so wie dieselbe auch, vermöge eines Vergleichs, die bestimmte Anzahl Tomoli Getraides aus Sicilien, alle Jahre, um einen gewissen unveränderlichen Preis und ohne Abgabe und Zoll bekömmt.

Ich fand meine übrige Begleiter in der Grotte schlafend, als ich herunterkam; und nachdem ich mich bey einem guten Feuer gewärmet hatte, setzte ich die Rückreise auf meinem Maulthiere durch den Wald zurücke, nach Catania zu, fort. Hier empfand ich in einem Tag die verschiedene Jahrszeiten; denn da ich von der rauhsten Winterwitterung zurückkam, fand ich den Anfang des Frühjahrs in denen Knospen der Bäume und dem Gesang der Waldlerchen und Drosteln in dem Walde; und je weiter ich herunterkam, je wärmer wurde es, und je mehr erblickte ich den uns in Deutschland und übrigem Norden gewöhnlichen Sommer; denn die Sonne schien überaus heiß, die Früchte des Feldes waren reif, und man schnitt die Gerste um Catania.

Ich suchte meinen ehrlichen Bauer zu belohnen, und ließ ihn in seinem Dorfe, mit dem Vorsatz, alle Fremde vor dem unwirksamen Begleiter von Catania zu warnen, und ihnen diesen Bauer zu empfehlen, wenn solche den Aetna besehen wollen. Ich kam, nachdem ich zu St. Nicolo mich ein wenig erfrischet hatte, um 4. Uhr Nachmittags in Catania zurücke.

Quelle:
[Johann Hermann von Riedesel:] Reise durch Sicilien und Großgriechenland. Zürich, bey Orell, Geßner, Fueßlin und Comp. 1771 (Digitalisierung durch Google), S. 123-132, 134-136. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Absätze eingefügt.

Autor:
Johann Hermann Riedesel (geboren 10.11.1740 Höllrich (Spessart), gestorben 20.9.1784 Wien), Diplomat und Reiseschriftsteller. "Im Dez. 1761 begann er eine neun Jahre währende Kavalierstour; sie führte ihn nach Paris, [...] dann nach Italien. Hier entdeckte er sein Interesse an klassischen Altertümern; mit Johann Joachim Winckelmann (1717–68), den er 1763 in Rom kennenlernte und der ihn in seiner wissenschaftlichen Methodik und seinem ästhetischen Urteil beeinflusste, entstand ein reger Schriftverkehr. Auf Sizilien unternahm Riedesel 1767 Touren mit dem italienischen Altertumsforscher Principe di Biscari. Entgegen ursprünglichen Plänen begleitete ihn Winckelmann, für den R. seine Reiseeindrücke niederschrieb, nicht. [...] 1771 verlegte Füßli in Zürich erstmals die 'Reise durch Sizilien und Großgriechenland' (= Malta) zunächst ohne Nennung des Autors. Es war die erste und gleichzeitig erfolgreichste Landesbeschreibung Siziliens und Maltas durch einen Deutschen im 18. Jh."

Cornelia Oelwein, Artikel „Riedesel Johann Hermann“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 572 [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118884441.html

*****

Taormina L'Etna. Kunst-Handlung Eug. Schuler

 

Taormina - Etna. Fotografia Artistica Crupi, Via Teatro Greco

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Oben: Taormina - L' Etna. Bezeichnung im Bild unleserlich. Adressseite: Eug. Schuler, Kunst-Handlung, Taormina. Nicht gelaufen.
Unten: Taormina - Etna. Fotografia Artistica - Crupi, Via Teatro Greco. Adressseite nicht geteilt, handschritlich: 1906. Nicht gelaufen.

*****

Patrick Brydone
Reise durch Sicilien und Malta

Wir verließen bald darauf Nicolosi, und kamen nach einem beschwerlichen Wege von anderthalb Stunden über wüste liegende Lava und Asche an die Gränzen der Regione sylvosa oder der gemäßigten Zone. So bald wir in diesen angenehmen Waldungen anlangten, glaubten wir in einer ganz andern Welt zu seyn. Die zuvor heiße und schwüle Luft war nun kühl und erfrischend, und jedes Lüftgen war mit tausend Wohlgerüchen beladen, weil der ganze Boden mit den vortrefflichsten aromatischen Pflanzen bedeckt war. Verschiedene Theile dieser Region sind wirklich himmlisch schön, und wenn Aetna von innen der Hölle gleicht, so kann man mit eben dem Rechte sagen, dass er von außen einem Paradiese ähnlich sey.

Gewiss, es ist eine merkwürdige Sache, dass sich an diesem Gebürge die schönsten und die schrecklichsten, kurz, die entgegengesetztesten und unähnlichsten Dinge in der Natur vereinigen. Hier ist ein Schlund, der ehmals Feuerströme, Rauch und Asche ausspie, recht wollüstig mit den schönsten Pflanzen und Gewächsen geschmückt, und aus einem Gegenstande des Schreckens zu einem Gegenstande des Vergnügens geworden. Hier sammlet man die wohlschmeckendesten Früchte von einem, noch vor kurzem, schwarzen, wüsten Felsen ein. Hier ist der Boden mit allen Arten von Blumen bedeckt, und man wandert über alle diese Schönheiten und betrachtet die höchstanmuthige Wildnis, ohne zu bedenken, dass die Hölle mit allen ihren Schrecken unmittelbar unter unsern Füßen ist, und dass vielleicht nur wenige Ellen tief unter uns Seen von fließendem Feuer brausen.

Doch unser Erstaunen wurde noch größer, da wir unsre Augen auf die höhern Gegenden des Aetna richteten. Da sieht man die zwey Elemente, die stets mit einander im Kriege sind, auf immer vereiniget: einen unermesslichen Feuerschlund mitten im Schnee, den er nicht zu schmelzen vermag, und ungeheuere Schnee- und Eisgefilde rund um diesen Schlund her, den sie nie auszulöschen vermögend sind.

Die waldichte Region des Aetna erstreckt sich ungefähr auf acht bis neun Meilen in die Höhe, und machet einen vollkommenen Gürtel von dem schönsten Grün rund um den Berg herum aus. Diese Nacht reisten wir nicht viel weiter als durch die Hälfte derselben, indem wir kurz vor Sonnenuntergang in unsere Herberge kamen, welches eine große, von einer der ältesten und ehrwürdigsten Lavas gebildete, Höle war. Sie heißt la Spelonca dal Caprioli, oder die Geißhöle, von den vielen wilden Ziegen, welche bey schlechtem Wetter ihre Zuflucht dahin nehmen.

Hier vergnügten wir uns an der Betrachtung vieler großer und schöner Gegenstände. Die Aussicht war rund um uns her unermesslich, und es war uns, als ob wir diese Erde allbereits verlassen hätten, und in eine neue Welt gekommen wären.

Unsere Höle ist mit sehr schönen, majestätischen Eichen umgeben; ihr trockenes Laub verschaffet uns ganz gute Betten, und das Holz ihrer Zweige Feuer genug, um einen Ochsen zu braten. [...] An dem einen Ende unsrer Höle fanden wir noch eine große Menge Schnee, der recht für uns dahin gebracht zu seyn schien, weil wir sonst kein Wasser hatten. Wi[r] fülleten also unsern Theekessel damit an, denn Thee und Brod und Butter machten unser ganzes Abendessen aus, und waren auch wohl die besten Mittel, um nicht vom Schlafe oder der Ermüdung überwältiget zu werden. [...]

Nach dem wir auf unserm Bette von dürrem Laube in der Spelonca del Capriole ziemlich gut geschlafen hatten, erwachten wir des Nachts um eilf Uhr, kochten Schnee in unserm Theekessel, und nahmen ein gutes Mahl zu uns, um uns zur Fortsetzung unsrer Reise geschickt zu machen. Wir waren unser neun; denn wir hatten unsre drey Bedienten, unsern Führer, den Cyclops, und zwey Leute zur Besorgung unsrer Maulthiere bey uns. Nun fieng unser Cyclops erst an, seine große Kenntniss des Gebürges recht zu zeigen, und wir folgten ihm mit blindem Zutrauen. Er führte uns über ungeheure Hölen, und wüste Einöden, die vielleicht nie eines Menschen Fuß betreten hatte; zuweilen gieng unser Weg durch düstere Wälder, die zwar bey Tage sehr angenehm waren, worinnen uns aber itzt die allgemeine Dunkelheit, das Rauschen der Bäume, das dumpfige Brüllen des Berges, und der so tief unter uns unermesslich weit ausgespannte Ocean eine Art von heiligem Schrecken einjagten. Zuweilen erstiegen wir große Felsen von Lava, von welchen wir, wenn unsre Maulthiere nur einen falschen Tritt gethan hätten, gerade in den Abgrund würden gestürzt seyn. Doch mit Hülfe unsers Cyclops überwanden wir alle diese Schwierigkeiten, und er machte seine Sache so gut, dass wir uns in Zeit von zwo Stunden schon in der dritten Region befanden, und die Wälder des Aetna weit hinter uns gelassen hatten, welche uns nun wie ein finsterer Abgrund um den Berg her vorkamen.

Die Aussicht vor uns war ganz anders beschaffen. Wir sahen eine große Fläche von Schnee und Eis, die uns sehr bestürzte und fast unsern Entschluss wankend gemacht hätte. Mitten in diesen Schneefeldern, aber noch weit von uns, sahen wir den höchsten Gipfel des Berges, der sein fürchterliches Haupt erhob und Ströme von Dampf ausstieß. Er schien wegen der weit ausgedehnten Schnee- und Eisfelder ganz unzugänglich zu seyn. [...]

Der Berg war anfangs nicht steil, und da die Oberfläche des Schnees ein wenig nachgab, konnten wir ganz gut fußen. Da er aber bald darauf anfieng tiefer zu werden, wurde uns der Weg weit beschwerlicher. Dennoch beschlossen wir, auszuhalten, und erinnerten uns mitten unter unsrer Arbeit, dass der Kaiser Hadrian und der Philosoph Plato eben dieses und aus eben dem Grunde unternommen hätten, nämlich die aufgehende Sonne von der Spitze des Aetna zu sehen. Nach unglaublicher Arbeit und Mühe, die aber doch mit vielem Vergnügen vermischt war, kamen wir noch vor Anbruch des Tages an die Ruinen eines alten Gebäudes, welches il Torre del Philosopho heißt, weil man vorgiebt, dass es der Philosoph Empedocles gebauet, und hier gewohnt habe, um die Natur des Berges Aetna desto besser studieren zu können. Andre sagen, es seyn die Ruinen von einem Tempel des Vulkans, dessen Werkstatt (wo er so vortreffliche Donnerkeile und Waffenrüstungen, und so feine Netze, sein sich verirrendes Weibgen zu fangen, machte,) wie die ganze Welt weiß, im Aetna war. Hier ruheten wir ein wenig aus, und wandten uns wieder zu unsrer Brannteweinflasche, welches gewiss so wohl Vulkan als Empedocles, wenn sie hier gewesen wären, nach einem solchen Marsche höchlich würden gebilliget haben. [...]

[Nach einiger Zeit] machten wir uns wieder auf, und kamen bald an den Fuß des großen Craters oder Bechers des Berges. Er ist völlig kegelförmig, steigt auf allen Seiten gleich steil in die Höhe, und besteht aus lauter Asche und andern ausgebrannten Materien, die der Mund des Vulkans, welcher in der Mitte ist, ausgeworfen hat. Dieser kegelförmige Berg ist sehr groß; sein Umfang muss wenigstens zehen Meilen betragen. Hier ruheten wir noch einmal aus, da wir den schwersten Theil unsrer Arbeit noch vor uns hatten. [...] Wir fanden diesen Berg außerordentlich steil, und ob er gleich schwarz aussah, war er doch ebenfalls mit Schnee bedeckt, dessen Oberfläche aber zu unserm Glücke, mit einer ziemlich dicken Lage von ausgeworfener Asche überzogen war. Wäre dies nicht gewesen, so würden wir nie auf den Gipfel des Berges haben kommen können, da der Schnee allenthalben wegen der durchdringenden Kälte der Atmosphäre eine dicke Eisrinde hatte.

Nach einer Stunde beschwerlichen Kletterns kamen wir auf einen Platz, wo kein Schnee war, und ein warmer angenehmer Dunst aus dem Berge stieg, welches uns bewog, noch einmal Halt zu machen. [...] Von diesem Platze hatten wir nur noch ungefähr 900. Fuß bis zur höchsten Spitze des Berges, woselbst wir noch zeitig genug ankamen, das wunderbarste und prächtigste Schauspiel der Natur zu sehen.

Doch hier muss jede Beschreibung zu kurz kommen: denn keine menschliche Einbildungskraft hat es wohl je gewagt, sich ein Bild von einer so herrlichen und prächtigen Scene zu denken, noch giebt es auf der Oberfläche unsers Erdballes einen Punkt, der so viele erhabene Gegenstände vereinigte. - Diese erstaunliche Höhe über der Fläche der Erde, die sich hier gleichsam in einen einzigen Punkt zusammenzieht, ohne einen andern benachbarten Berg, auf welchem Auge und Einbildungskraft auf ihrer Reise in die Welt hinunter hätten ausruhen und sich von ihrem Erstaunen erholen können; - Diese Spitze, die sich am Rande eines bodenlosen Schlundes erhebt, der so alt als die Welt ist, und oft Feuerströme und brennende Felsen, mit einem die ganze Insel erschütternden Donnern auswirft; - und endlich, von dieser Spitze, die unumschränkteste Aussicht auf die verschiedensten und schönsten Scenen in der Natur; sammt der aufgehenden Sonne, die nach Osten eilet, um diesen wunderbaren Schauplatz zu erleuchten: welche Gegenstände!

Die ganze Athmosphäre entzündete sich nach und nach, und zeigte uns, doch nur noch schwach, die gränzenlose Aussicht um uns her.

Quelle:
P[atrick] Brydone's Reise durch Sicilien und Malta, in Briefen an William Beckford, Esq. Zweite nach der neuesten Englischen Ausgabe verbesserte Auflage. Tl. I. Leipzig, bey Johann Friedrich Junius 1777 (Digitalisierung durch Google), S. 141-143, 147-153. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß".

Autor:
Patrick Brydon (1741–1819) "was a Scottish traveller and author who served as Comptroller of the Stamp Office." "A Tour Through Sicily and Malta" (1773) gilt als sein wichtigstes Werk. Vgl. den Artikel in der englischsprachigen Wikipedia.

*****

Taormina. Etna e Capo Schiso

Taormina. S. Domenico con l'Etna. Edit. Eug. Schuler

Taormina. Etna visto dall' Hotel Castello a Mare. Fotografia Artistica G. Crupi, Taormina

Zum Vergrößern klicken Sie bite auf das Bild

Oben: Taormina - Etna e Capo Schiso visti dal Teatro Greco. Adresseite nicht geteilt, handschriftlich: 1906. Nicht gelaufen.
Mitte: Taormina - S. Domenico con l' Etna. Bezeichnung im Bild unleserlich. Adressseite: Edit. Eug. Schuler, Taormina, Palazzo Corvaia. Nicht gelaufen.
Unten: Taormina. Etna visto dall' Hotel Castello a Mare. Fotografia Artistica G. Crupi - Taormina. Adressseite, rechts unten: 85426. Nicht gelaufen.

*****

Johann Gottfried Seume
Spaziergang nach Syrakus

Hier trieben wir nun, die fünf Briten und Dein Freund, unser Wesen sehr erbaulich. Die Engländer hatten den Wirt vom goldenen Löwen aus Catanien mitgebracht; ich trat zur Gesellschaft, man schaffte mir ein Bett so gut als möglich, und wir legten uns nieder und schliefen nicht viel. Die Herren erzählten ihre Abenteuer, militärische und galante, von der Themse und vom Nil; und bald traf die Kritik einen General, bald ein Mädchen. Vorzüglich war der Gegenstand ihrer Reminiszenzen eine gewisse originelle Trompetersfrau, die sie nach allen kernigen Prädikamenten zur Königin ihres Lagers in Ägypten erhoben. Gegen Mitternacht kamen die Führer, und nun setzte sich die ganze Karawane zu Maulesel: sechs Signori forestieri, zwei Führer mit Laternen und ein Proviantträger. Es war, wenn ich nicht irre, den sechsten April zu Mitternacht, oder den siebenten des Morgens. Den vorigen Tag war es trübes Wetter gewesen, hatte den Abend ziemlich stark geregnet, hellte sich aber auf, so wie wir aus dem Wirtshause zogen. Wir gingen bei meinem Mönche in Sankt Nicola del bosco ovver della rena vorbei. Es war frisch und ward bald kalt, und dann sehr kalt. Wir trottierten und lärmten uns warm. Dann deklamierte der Major Grays Kirchhof, dann sangen wir "God save the King" nach Händel, und "Britannia, rule the waves", und andere englischpatriotische Sachen. Jeder gab seinen Schnak. "We are already pretty high", sagte der eine. "It is a bitter nipping cold", der andere, "Methinks, I hear the dogstar bark, and Mars meets Venus in the dark" fuhr ein Dritter fort. "Is that not smoke there?" fragte ein subalterner Myops; "I believe I see already old Nick smoking his pipe." - "But my dear", sagte der Major, "you are purblind upon your starbord eye; it is an oaktree." So war es; das gab Gelächter, und wir ritten weiter.

Bald kamen wir aus der bebauten Region in die waldige, und gingen nun unter den Eichen immer bergauf. Ungefähr um ein Uhr kamen wir in der Gegend der Geißhöhle an, die aber jetzt außer Gebrauch kommt. Der Fürst von Paterno hat dort ein Haus gebaut, wo die Fremden eintreten und sich bei einem Feuer wärmen können. Das Haus ist schlecht genug, und ein deutscher Dorfschulze würde sich schämen, es nicht besser gemacht zu haben. Indessen ist es doch besser als nichts, und vermutlich bequemer als die Höhle. Hier blieben wir eine kleine Halbestunde, bestiegen wieder unsere Maultiere und ritten nunmehr aus der waldigen Region in den Schnee hinein.

Ungefähr eine Viertelstunde über dem Hause und der Höhle hörte die Vegetation ganz auf und der Schnee fing an hoch zu werden, der schon um das Haus her und hier und da neu und alt lag. Wir mussten nun absteigen und unsere Maultiere hier lassen. Der Schnee ward bald sehr hoch und das Steigen sehr beschwerlich. Unsere Führer rieten uns nur langsam zu gehen, und sie hatten Recht: aber die Herren ruhten zu oft absatzweise, und darin hatten diese nicht Recht. "Methinks I smell the morning air", sagte der Major, und fuhr ganz drollig fort, als ein junger Lieutenant durch den hohlen Schnee auf ein Lavastück fiel und über den Fuß klagte: "Alack, what dangers do environ the man that meddles with cold iron!" Die Kälte des Morgens ward schneidend und die Engländer, die wohl in Ägypten und Malta eine solche Partie nicht gemacht hatten, schüttelten sich wie die Matrosen. Endlich erreichten wir den Steinhaufen des so genannten Philosophenturms, und die Sonne tauchte eben glühend über die Berge von Kalabrien herauf und vergoldete, was wir von der Meerenge sehen konnten, die ganze See und den Taurus zu unsern Füßen. Ganz rein war die Luft nicht, aber ohne Wolken; desto magischer war die Szene. Hinter uns lag noch alles in Nacht, und vor uns tanzten hier und da Nebelgestalten auf dem Ozean. Wer kann hier beschreiben? Nimm Deinen Benda, und lass auf silbernem Flügel dem Mädchen auf Naxos die Sonne aufgehen, und wenn Du nicht Etwas von unserm Vergnügen hast, so kann Dir kein Gott helfen. So ging uns Titan auf, aber wir standen über einem werdenden Gewitter; es konnte uns nicht erreichen. Einer der Herren lief wehklagend und hoch aufschreiend um die Trümmern herum; denn er hatte die Finger erfroren. Wir halfen mit Schnee und rieben und wuschen, und arbeiteten uns endlich zu dem Gipfel des Berges hinauf. Mir deucht, man müsste bis zum Philosophenturm reiten können; bis dahin ist es nicht zu sehr jäh, aber die Kälte verbietet es; wenigstens möchte ich eben deswegen ohne große Verwahrung nicht von der Kavalkade sein.

Von hier aus kann man nicht mehr gehen; man muss steigen, und zuweilen klettern, und zuweilen klimmen. Es scheint nur noch eine Viertelstunde bis zur höchsten Spitze zu sein, aber es ist wohl noch ein Stückchen Arbeit. Die Briten letzten sich mit Rum, und da ich von diesem Nektar nichts genießen kann, aß ich von Zeit zu Zeit eine Apfelsine aus der Tasche. Sie waren ziemlich gefroren; aber ich habe nie so etwas köstliches genossen. Als ich keine Apfelsinen mehr hatte, denn der Appetit war stark, stillte ich den Durst mit Schnee, arbeitete immer vorwärts, und war zur Ehre der deutschen Nation der Erste an dem obersten Felsenrande der großen ungeheuern Schlucht, in welcher der Krater liegt. Einer der Führer kam nach mir, dann der Major, dann der zweite Führer, dann die ganze kleine Karawane bis auf den Herrn mit den erfrorenen Fingern. Hier standen und saßen und lagen wir, halb in dem Qualm des aufsteigenden Rauchdampfes eingehüllt, und keiner sprach ein Wort, und jeder staunte in den furchtbaren Schlund hinab, aus welchem es in dunkeln und weißlichen Wolken dumpf und wütend herauftobte. - Endlich sagte der Major, indem er sich mit einem tiefen Atemzuge Luft machte. "Now it is indeed worth a young man's while to mount and see it; for such a sight is not to be met with in the parks of old England." Mehr kannst Du von einem echten Briten nicht erwarten, dessen patriotische Seele ihren Gefährten mit Rostbeef und Porter ambrosisch bewirtet.

Die Schlucht, ungefähr eine kleine Stunde im Umfange, lag vor uns, wir standen alle auf einer ziemlich schmalen Felsenwand und bückten uns über eine steile Kluft von vielleicht sechzig bis siebzig Klaftern hinaus und in dieselbe hinein. Einige legten sich nieder, um sich auf der grausen Höhe vor Schwindel zu sichern. In dieser Schlucht lag tief der Krater, der seine Stürme aus dem Abgrunde nach der entgegengesetzten Seite hinüber warf. Der Wind kam von der Morgensonne und wir standen noch ziemlich sicher vor dem Dampfe; nur dass hier und da etwas durch die Felsenspalten heraufdrang. Rundherum ist keine Möglichkeit, vor den ungeheuern senkrechten Lavablöcken bis hinunter ganz nahe an den Rand des eigentlichen Schlundes zu kommen. Bloß von der Seite von Taormina, wo eine sehr große Vertiefung ausgeht, muss man hineinsteigen können, wenn man Zeit und Mut genug hat, die Gefahr zu bestehen, denn eine kleine Veränderung des Windes kann tödlich werden, und man erstickt wie Plinius. Übrigens würde man wohl unten am Rande weiter nichts sehen können. Hätte ich drei Tage Zeit und einen entschlossenen, der Gegend ganz kundigen Führer, so wollte ich mir wohl die Ehre erwerben, unten gewesen zu sein, wenn es der Wind erlaubte. Man müsste aber mit viel größerer Schwierigkeit von Taormina hinaufsteigen.

Nachdem wir uns von unserm ersten Hinstaunen etwas erholt hatten, sahen wir nun auch rundumher. Die Sonne stand nicht mehr so tief, und es war auch auf der übrigen Insel schon ziemlich hell. Wir sahen das ganze große, schöne, herrliche Eiland unter uns vor uns liegen, wenigstens den schönsten Teil desselben. Alles, was um den Berg herum liegt, das ganze Tal Enna bis nach Palagonia und Lentini, mit allen Städten und Flecken und Flüssen, war wie in magischen Duft gewebt. Vorzüglich reizend zog sich der Simäthus aus den Bergen durch die schöne Fläche lang hinab in das Meer, und man übersah mit einem Blick seinen ganzen Lauf. Tiefer hin lag der See Lentini und glänzte wie ein Zauberspiegel durch die elektrische Luft. Die Folge wird zeigen, dass die Luft nicht sehr rein, aber vielleicht nur desto schöner für unsern Morgen war. Man sah hinunter bis nach Augusta und in die Gegend von Syrakus. Aber die Schwäche meiner Augen und die Dünste des Himmels, der doch fast unbewölkt war, hinderten mich weiter zu sehen. Messina habe ich nicht gesehen, und mir deucht, man kann es auch von hier nicht sehen; es liegt zu tief landeinwärts an der Meerenge, und die Berge müssen es decken. Palermo kann man durchaus nicht sehen, sondern nur die Berge umher. Von den Liparen sahen wir nur etwas durch die Wölkchen. Nachdem wir rund umher genug hinabgeschaut hatten und das erste Staunen sich etwas zur Ruhe setzte, sagte der Major nach englischer Sitte: "Now be sure, we needs must give a shout at the top down the gulf"; und so stimmten wir denn drei Mal ein mächtiges Freudengeschrei an, dass die Höhlen der furchtbaren Riesen widerhallten und die Führer uns warnten, wir möchten durch unsere Ruchlosigkeit nicht die Teufel unten wecken. Sie nannten den Schlund nur mit etwas verändertem Mythus "la casa del diavolo" und das Echo in den Klüften "la sua risposta".

Der Umfang des kleinen tief unten liegenden Kessels mag ungefähr eine kleine Viertelstunde sein. Es kochte und brauste und wütete und tobte und stürmte unaufhörlich aus ihm herauf. Einen zweiten Krater habe ich nicht gesehen; der dicke Rauch müsste vielleicht ganz seinen Eingang decken, oder dieser zweite Schlund müsste auf der andern Seite der Felsen liegen, zu der wir wegen des Windes, der den Dampf dorthin trieb, nicht kommen konnten. Auch hier waren wir nicht ganz von Rauche frei; die rote Uniform der Engländer mit den goldenen Achselbändern war ganz schwarzgrau geworden, mein blauer Rock hatte seine Farbe nicht merklich geändert.

Ich hatte mich bisher im Aufsteigen immer mit Schnee gelabt; aber hier am Rande auf der Spitze war er bitter salzig und konnte nicht genossen werden. Nicht weit vom Rande lag ein Auswurf von verschiedenen Farben, den ich für toten Schwefel hielt. Er war heiß und wir konnten unsere Füße darin wärmen. Wir setzten uns an eine Felsenwand und sahen auf die zauberische Gegend unter uns, vorzüglich nach Katanien und Paterno hinab. Die Monti rossi bei Nicolosi glichen fast Maulwurfshügeln, und die ganze große ausgestorbene Familie des alten lebendigen Vaters lag rundumher. Nur er selbst wirkte mit ewigem Feuer in furchtbarer Jugendkraft. Welche ungeheuere Werkstatt muss er haben! Der letzte große Ausbruch war fast drei deutsche Meilen vom Gipfel hinab bei Nicolosi. Wenn er wieder durchbrechen sollte, fürchte ich für die Seite von Taormina, wo nun die Erdschicht am dünnsten zu sein scheint. Die Luft war trotz dem Feuer des Vulkans und der Sonne doch sehr kalt, und wir stiegen wieder herab.

Unser Herabsteigen war vielleicht noch belohnender als der Aufenthalt auf dem obersten Gipfel. Bis zum Philosophenturm war viel Behutsamkeit nötig. Hier war nun der Proviantträger angekommen, und wir hielten unser Frühstück. Die Engländer griffen zur Rumflasche, und ich hielt mich zum gebratenen Huhn und dann zum Schnee. Brot und Braten waren ziemlich hart gefroren, aber der heiße Hunger taute es bald auf. Indem wir aßen, genossen wir das schönste Schauspiel, das vielleicht das Auge des Menschen genießen kann. Der Himmel war fast ganz hell, und nur hinter uns über dem Simäthus hingen einige kleine lichte Wölkchen. Die Sonne stand schon ziemlich hoch an der Küste Kalabriens; die See war glänzend. Da zeigten sich zuerst hier und da einige kleine Fleckchen auf dem Meere links vor Taormina, die fast wie Inselchen aussahen. Unsere Führer sagten uns sogleich, was folgen würde. Die Flecken wurden zusehens größer, bildeten flockige Nebelwolken und breiteten sich aus und flossen zusammen. Keine morganische Fee kann eine solche Farbenglut und solchen Wechsel haben, als die Nebel von Moment zu Moment annahmen. Es schoss in die Höhe und glich einem Walde mit den dichtesten Bäumen von den sonderbarsten Gestalten, war hier gedrängter und dunkler, dort dünner und heller, und die Sonne schien in einem noch ziemlich kleinen Winkel auf das Gewebe hinab, das schnell die ganze nördliche Küste deckte und das wir hier tief unter uns sahen. Der Glutstrom fing an die Schluchten der Berge zu füllen, und hinter uns lag das Tal Enna mit seiner ganzen Schönheit in einem unnennbaren Halblichte, so dass wir nur noch den See von Lentini als ein helles Fleckchen sahen. Dieses alles und die Bildung des himmlischen Gemäldes an der Nordostseite war das Werk einer kleinen Viertelstunde. Ich werde eine so geschmückte Szene wahrscheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die Führer priesen uns und sogar sich selbst deswegen glücklich.

Wir brachen auf, um, womöglich, unten dem Regen zu entgehen; in einigen Minuten sahen wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war in undurchdringlichen Nebel gehüllt, und wir selbst schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen langsam gemacht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewitter zog neben uns her nach Katanien zu, und wir kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das Feuer setzten - nämlich diejenigen, die es wagen durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise eine eigene Vorkehrung getroffen. Weiß der Himmel, wer sie ihnen mochte geraten haben; die meinige war besser. Sie kamen in Nicolosi in Stiefeln an, setzten sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zogen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten, schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten. Der Aufzug ließ sonderbar genug; sie sahen mit den großen Ätnastöcken von unten auf alle ziemlich aus, wie samojedische Bärenführer. Ich ging in meinem gewöhnlichen Reisezeug, mit gewöhnlichen baumwollenen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hinaufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen; herabwärts ging es über die Schuhe und die Unterstrümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie denn natürlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam und fest, ohne abzusetzen, fortzugehen, hatte nichts geholfen. Mir fehlte nicht das Geringste. Vorzüglich hatte einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit gehabt, sich mit warmem Wasser zu waschen und an das Feuer zu setzen. In einigen Minuten jauchzte er vor Schmerz, wie Homers verwundeter Kriegsgott, und hat den Denkzettel mitgenommen. Vermutlich wird er in Catanien oder noch in Malta zu kurieren haben. Du kannst sehen, welcher auffallende Kontrast hier in einer kleinen Entfernung in der Gegend ist; unten bei Catanien raufte man reifen Flachs, und die Gerste stand hoch in Ähren, und hier oben erfror man Hände und Füße. Nun ritten wir noch immer mit dem Gewitter durch die Waldregion nach Nicolosi hinab, wo wir eine herrliche Mahlzeit fanden, die der Wirt aus dem goldenen Löwen in Catanien kontraktmäßig angeschafft hatte. Wir nahmen Abschied; die Engländer ritten zurück nach Catanien und ich meines Weges hierher nach Taormina.

Es ist vielleicht in ganz Europa keine Gegend mit so vielfältigen Schönheiten als die Umgebung dieses Berges. Seine Höhe kann ich nicht bestimmen. In einem geographischen Verzeichnis wurde er hier beträchtlich höher angegeben, als die höchsten Alpen, das mögen die Italiener mit den mathematischen Geographen ausmachen. Der Professor Gambino aus Catanien will diesen August mit einer Gesellschaft hinaufgehen, um oben noch mehrere Beobachtungen anzustellen. Man hat in der Insel das Sprichwort vom Ätna: "On le voit toujours le chapeau blanc et la pipe à la bouche." - Der Schnee soll nie ganz schmelzen, das ist in einem so südlichen Klima viel. Man nennt ihn in Sizilien meistens, wie bekannt, nur Monte Gibello, aber man nennt ihn auch noch sehr oft Aetna oder den Berg von Sizilien, oder geradezu vorzugsweise den Berg. Die letzte Benennung habe ich am häufigsten und zwar auch unten an der südlichen Küste gefunden. Mir scheint es überhaupt, dass man jetzt anfängt, die alten Namen wieder hervorzusuchen und zu gebrauchen. So habe ich auch den Fluß unten nie anders als Simäthus nennen hören. [...]

Quelle:
Vgl. Johann Gottfried Seume. Prosaschriften mit einer Einleitung von Werner Kraft. Darmstadt: Joseph Melzer 1974. Hier S. 414-423. Absätze eingefügt.

Autor:
Johann Gottfried Seume, Schriftsteller, geb. 29. Jan. 1763 in Poserna bei Weißenfels, studierte in Leipzig Theologie, ward auf dem Wege nach Paris durch hessische Werber aufgefangen und musste unter den Engländern in Kanada kämpfen. 1788 zurückgekehrt, ward er 1793 Sekretär des russischen Generals Igelström in Warschau, privatisierte dann in Leipzig, später Korrektor in Grimma, unternahm 1801 eine Fußreise nach Sizilien und Paris, 1805 durch Russland nach Schweden, gest. 13. Juni 1810 in Teplitz. (Brockhaus Kleines Konversations-Lexikon. Elektronische Volltextedition der fünften Auflage von 1911 [Digitale Bibliothek; 50] Berlin: Directmedia 2004).

*****

Werner Wilhelm Schuch, Blick von Taormina auf den Aetna

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Werner Wilhelm Schuch (1843-1918): Blick von Taormina auf den Aetna.
Öl auf Leinwand. Höhe 23,8; Breite 48,5 cm. Ausriss.

*****

Taormina. Stradale Rocca Bella con vista dell'Etna. Editore G. Attanasio

Taormina. Strada col Etna. Stengel & Co. Dresden

Taormina. Roccabella. Edizione G. Attanasio

Taormina. Ätna. Fotografia F. Galifi Crupi, Taormina

Ätna. Fotografia F. Galifi Crupi, Taormina

Taormina. L'Etna. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

1. Bild von oben: Taormina. Stradale Rocca Bella con vista dell' Etna. Adressseite: G. Attanasio, Editore, Taormina. Gelaufen. Datiert und Poststempel 1908.
2. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: Strada col Etna - Taormina. Stengel & Co., G.m.b.H., Dresden. 19764. Nicht gelaufen.
3. Bild von oben: Taormina - Roccabella. Adressseite: Edizione G. Attanasio - Taormina. Cesare Capello Milano. Printed in Italy. Im Briefmarkenfeld: 640. Nicht gelaufen.
4. Bild von oben: Taormina - 566. Adressseite: F. Califi Crupi, Fotografia, Taormina. Nicht gelaufen.
5. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: F. Galifi Crupi, Fotografia, Taormina. Stempel: Friedrich Kreyssig. Nicht gelaufen.
6. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: Taormina - L' Etna. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi - Taormina. Succ. Rag. S. Fiumara & C. Galifi. 13. Nicht gelaufen.

*****

Samuel Birmann: Naher Blick auf den Aetna. Gravé par Newton Smith Fielding

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Naher Blick auf den Aetna. Peint par Birmann, d'après l'esquisse de Mr. le Cte de Forbin. Grave par Newton Fielding.
In: Du. Schweizerische Monatsschrift. Nr. 1, März 1941, S. 18.

Birmann, Samuel, Schweizer Landschaftsmaler, geb. 1793 in Basel, gest. 1847 in Basel. Wurde zunächst von dem Vater unterrichtet und ging dann (1815–1817) nach Italien. Nach seiner Rückkehr nach Basel war er geschäftlich im Verlage des Vaters tätig, und hielt sich zusammen mit seinem Bruder Wilhelm 1822–1823 zur Vollendung der künstlerischen Studien in Paris auf. Dann trat er als Teilhaber in das Geschäft des Vaters und heiratete 1825. In den folgenden zehn Jahren entwickelte er seine künstlerische Haupttätigkeit. (Thieme-Becker)

Zu Newton Smith Fielding (1799-1856) siehe den Eintrag in der englischen Wikipedia:
http://en.wikipedia.org/wiki/Newton_Smith_Fielding

*****

August Wilhelm Kephalides
Reise durch Italien und Sicilien

Den folgenden Tag des Morgens um sieben Uhr weckten uns die Strahlen der hellen Sonne; der Himmel war rein und blau, der Aetna sandte eine senkrechte Rauchsäule in die Lüfte; Eilends rüsteten wir uns und nicht ohne Erstaunen des guten Gemmellaro und aller Nicolosier saßen wir in einer Stunde zum dritten Mal auf, um unser Glück gegen den feindseligen Vulcan aufs Neue zu versuchen. In Begleitung des freundlichen, klugen und kühnen Führers Antonino Barbagallo verließen wir, unter theilnehmenden Segenswünschen dieser guten Leute, Nicolosi und ritten ohne Aufenthalt an den Lavalagern vorüber bis ans Ende der Waldregion zur Ziegenhöhle; hier unter den anmuthigen Eichen frühstückten wir ein wenig; das liebliche Grün des Waldes schwamm im heitersten Blau des Himmels und ein theokriteischer Hirt blies romantische Melodien auf der Schalmey, während seine munteren Ziegen auf einer blühenden Trift, mitten in dem sonst flüssigen Feuermeere, weideten; die See floss fernhin mit dem Himmel zusammen. O welche Seligkeit erfüllte uns damals! Die treuen Maulthiere trugen uns auch jetzt wieder behutsam über die verworrenen Lavapfade der wüsten Region empor; diesmal aber ritten wir bei der verhängnisvollen Grotte del Castelluccio ohne Aufenthalt vorbei, bis an das Haus des Gemmellaro, oftmals voll Angst und Sorge, denn die Wolken fingen schon wieder an, ziemlich wild durcheinander zu fliegen, jedoch gab es Augenblicke wo der Himmel rein und hell war.

Hier bei Gemmellaros Hause genossen wir schon einen Theil der göttlichsten Aussicht, die unser wartete, hernieder aufs Meer und die ganze Insel. Die Wolken zogen in eiligen Heeresmassen, als ob es zu einer Schlacht ginge, alles, und unsere Seele am meisten, war voll Unruhe. Unser trefflicher Antonino wusste uns in Eil eine kleine Tafel zu[zu]bereiten, war aber aus großer Bescheidenheit, wie sehr wir ihn auch nöthigten, nicht dazu zu bringen mit uns zu speisen. Bald hatten wir die Schnee- und Lavafelder am Fuß des ungeheuren Aschenkegels hinter uns und stiegen nun wirklich, was uns schon zweimal misglückt war, ihn selbst hinan, sonst ein saurer Weg, da man bei jedem Tritt in dem losen Vulcansand fast eben so viel zurück sinkt, als man vorwärts strebte, uns aber gab die Freude starke Flügel.

Schon zogen wir über die gelben Schwefellager hin, schon fing der Boden an hin und wieder zu glühen und aus vielen hundert ganz kleinen Kratern zu rauchen; um das Bicorn selbst aber rollten sich zuweilen die Wolken dicht zusammen, zuweilen ließen sie uns das erhabne Ziel klar sehen. Endlich rief der Pilote, der einige Schritte vor uns war, "Sehet hier den höchsten Crater!" welche Worte uns aufs neue beflügelten; in wenigen Minuten standen wir am Rande des grässlichen Dampfkessels, dessen Rachen Berge ausgespieen hat, deren einige größer sind als der Vesuv bei Neapel oder der Brocken in Teutschland.

Wir wollten sogleich in den Crater hinab steigen, und, wiewohl unser entschlossener Führer uns im Voraus von der gegenwärtigen Unmöglichkeit versicherte, da der Rauch nicht senkrecht aufstieg, sondern den Crater erfüllte, so war er doch gleich bereit den Versuch zu machen. Wir folgten eine kleine Strecke, allein der dicke, fast handgreifliche Schwefeldampf hüllte uns bald in schwarze Nacht ein und würde jede Lunge zersprengt haben, auch wenn sie einem podolischen Stiere angehört hätte.

Wir stiegen alsdann auf das südliche Horn und lagen hier unter Rauch, Dampf und Donner auf heißem Schwefel. Die glühende Asche verbrennte uns, der Schwefeldampf erstickte uns, der Sturm wollte uns in die Tiefe schleudern; die Seele war kaum der unwiderstehlichen Macht der erhabensten Eindrücke gewachsen. In den tiefen Thälern voll schwarzer Lava und weißen Schnees und über den starren Stahlguss des Meeres, das sich schief an den Himmel hinauf lehnte, zogen unermessliche Wolkenheere langsam herbei; wenn sie sich aber dem Vulcan naheten, packte sie der wilde Orkan, vor dem wir uns kaum auf den Füßen erhalten konnten, warf sie mit Riesenmacht zehntausend Fuß herab in die Ebene und Meere Siciliens und Italiens.

Wir begaben uns hierauf am Rande des Craters herum, zu dem nördlichen Horn und genossen hier ein Schauspiel, das ohne Zweifel an Erhabenheit und fast zermalmender Größe, alles übertrifft, was sonst die Sinne des Menschen zu erfassen im Stande sind. Mit brausendem Kochen flogen die Rauchballen aus dem Krater herauf, wo sie alsbald der tobende Sturmwind, der wie Artillerie oder zahllose Glocken jeden andern Laut verschlang, unbarmherzig zerriss und mit Blitzesschnelligkeit der Tiefe zusandte. Der spitzige Kegel, auf dem wir standen, war mit gelbem Schwefel, weißem Salze und schwarzer Asche überzogen, die Sonne schien höchst seltsam durch den gelben Dampf und gab diesem sonderbaren Gemälde einen so grässlichen und wilden Ton, dass, wenn man blos die nächsten Umgebungen anblickte, man nicht anders als in der Residenz des höllischen Anführers der infernalischen Schaaren zu seyn vermeinte. Toben, Wuth, Verwüstung und Brand überall; nirgends ein lebendiges Geschöpf, oder nur ein Grashalm, dem das empörte Element Gnade angedeihen ließe; wie nun aber, wenn der Vulcan die Rauch- und Feuersäule, die sich vielleicht aus dem tiefen Schlunde des Meeres heraufwälzt, zwanzigtausend Fuß in die Lüfte empor treibt!

Richten wir indes unsere Blicke in die Ferne, so scheint es wirklich, dass wir hier alle Herrlichkeiten der Erde zu unsern Füßen sehn. Wir überschauen den ungeheuren Berg, der selbst aus der Erde auferstanden ist, und viele hundert Söhne und Enkel neben sich erzeugt hat; die klarste Lichtbläue des Himmels ruht über Meer und Land; das Dreieck Siciliens streckt seine Spitzen nach Italien und Africa aus, und die See sahn wir um das Vorgebirge von Trapani herum fließen. Zu unsern Füßen lagen die kühnen Felsen der äolischen Inseln und Stromboli dampfte heftig aus den Fluthen empor. Die Neptunischen und Heräischen Gebirge, bedeckt mit den dichtesten Wäldern, breiteten sich in allen ihren Ästen vor unsern Augen über die ganze Insel aus. Östlich sahen wir, wie auf einer großen Landcharte, den ganzen Halbstiefel Calabriens, den Tarentinischen Meerbusen und das jonische Meer, Cap Spartivento, und die Meerenge von Messina. Wie ist es aber möglich nur eine dunkle Ahnung von den zahllosen Farben des Himmels, der Erde und des Meeres, die hier das Auge beinah' blenden, in der Seele des Entfernten zu erwecken!

Quelle:
Reise durch Italien und Sicilien von August Wilhelm Kephalides. Zweiter und letzter Theil. Leipzig, bey Gerhard Fleischer d. Jüng. 1818 (Digitalisierung durch Google), S. 84-88. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Abschnitte eingefügt.

Autor:
August Wilhelm Kephalides (1789-1820), Privatdozent an der Universität Breslau und Professor am dortigen Friedrichs-Gymnasium. (Deutsches Biographisches Archiv)

*****

Catania - L'Etna. S. Sciuto Edit.

Etna. Eruzione di cenere, 1891. Römmler & Jonas, Dresden

Catania. Panorama ed Etna. Ed. Stefano Vitrò

Catania - L'Etna. S. Sciuto Editore

Catania - Etna. Ed. Stefano Vitrò

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

1. Bild von oben: Catania - L' Etna. Adressseite: S. Sciuto Edit. - Catania. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
2. Bild von oben: Etna. Eruzione di cenere. 20.2.1891. Adressseite: Römmler & Jonas, Dresden. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
3. Bild von oben: Catania - Panorama ed Etna. Adressseite: Ed. Stefano Vitrò - Catania. Rechts unten: Rizzoli e C. - Milano - 1933-XI. Nicht gelaufen.
4. Bild von oben: Catania - L' Etna. Adressseite: S. Sciuto - Editore - Catania. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
5. Bild von oben: Catania - Etna. Adressseite: B. 161 Ed. Stefano Vitrò - Catania. Aut. R. Pref. 12-11-942. Signet [Handpresse?]. Alterocca Terni A. XXI. Vera Fotografia. Nicht gelaufen.

*****

Carl Graß
Sizilische Reise

Ich verließ Trecastagna an einem schönen Morgen von dem Alfio begleitet. Röthliches Licht umflimmerte den Berg, gegen den der Weg zwischen Eichen- und Kastanienbäumen gerade hinan führt. Weingärten sind zur Seite. Der Weg war von Traubenträgerinnen, Kindern, die unter Obstbäumen saßen, Maulthieren, die Lasten trugen u.s.w. belebt. Wie verschieden ist er von jenem öden bei Nicolosio!

Mittelst eines kleines Umweges brachte mich mein Führer zu dem freundlichen Grund Tartariga. Dies ist ein sehr ebener Boden, der ganz mit Obstbäumen, die daselbst in langen symmetrischen Reihen gepflanzt sind, bedeckt ist. Der Anblick dieses von Kastanien-Hügeln eingeschlossenen Grundes soll ganz einzig seyn, wann der segnende Herbst diese Bäume mit der schönen Last von Früchten bedeckt hat. - Auch jetzo schimmerten noch rothe Äpfel, und senkten sich mit ihren tiefern Zweigen auf die umstehenden Rebenpflanzungen.

Wir versahen uns mit Trauben und Kastanien, von denen der Boden wie überschüttet war, und erreichten die erste Höhe, von der man über die Baumgründe in die Tiefe herab sah. - Die duftige Ferne der Tiefe schimmerte durch die Zweige der letzten Bäume. Zur Seite entdeckten sich Lavawälle und neue Krater, unter denen der Monte Arso und der Bamboloso die merkwürdigsten sind. Ein jetzo schwarzer Lavastrom hat sich, letztern zur Seite, einen Eichenwald durchbrochen, wo er nun da liegt, einem getödteten Ungeheuer gleich. - An einigen der ältesten Krater stehen nun wieder und zwar alt gewordene Bäume, die in die Luft empor ragen. Wolken senken sich hier oft tief herab und schwimmen wie von nachfolgenden Schatten begleitet, über die Gegend, welches ihr dann ein sonderbares Ansehn giebt. Von dem wechselnden Spiel der Farben, besonders an nicht ganz wolkenfreien Tagen, kann man sich keine Vorstellung machen.

Höher und höher durch ödes, aber doch noch hin und wieder bebautes Gefilde kamen wir zu einer Reihe kleiner Krater oder zu Vertiefungen, welche die Lava selbst, wo sie durch gefundene Hindernisse aufgehalten wurde, bildete. Man nennt diese Stelle Salto (sizilianisch Santo del cane) der Hundssprung. - Nicht weit von da sieht man einige rothe, aus Sand und Gestein gebildete Hügel, die kleinen Kegelbergen gleichen. Ihnen zur Seite sind ungeheure Lavaströme, in deren Mitte dann wieder eine grüne Insel liegt. - Bei der großen Schneegrotte fanden wir eine kleine Quelle, unsern Durst zu löschen.

Nun wendet sich ein steiler beschwerlicher Weg gegen die hohen Felsen hin, die mehr südöstlich, das große Laventhal Trefoglietta umgeben, über dessen hohen Abhang der Weg hingeht. Wir sehen das Schreckensthal unter uns. Alle Vegetation hat aufgehört. Zu unterst des genannten Thals liegt der Fels Rocca Musarra genannt.

Wir gingen weiter, und kamen zu der tiefen Gruft Forsa d'Olao. Hier erzählte mir Alfio, wie bei der letzten großen Eruption, als er sich aus Neugierde mit einem andern Landmann auf diese Höhe gewagt hatte, große Rauchsäulen aus der Kluft empor stiegen, während unterirrdisch [!] der Feuerstrom gegen die tiefere Öffnung sich wälzte. Krachend und prasselnd flog zugleich schrecklicher glühender Steinregen in die Luft, und der ganze Boden drönte. Er schilderte mir eine Menge Verwandlungen, von denen er Augenzeuge gewesen war. - 

Über das bekannte große Stein- und Aschenfeld Monte Formento erreichten wir die Stelle des sogenannten Philosophenthurms, und zogen bis zu der etwas weiter hin in Lavatrümmern errichteten neuen Steinhütte.

Das anhaltende Gehen, wir waren wenigstens seit zehn Stunden unterwegs, hatte mich etwas ermüdet; die Kälte wurde empfindlicher; die Sonne war dem Abend nahe, die Hütte verschlossen. - Die Noth in der wir uns befanden, ließ hier keine Wahl. Alfio öfnete mit großer Behendigkeit die neue Mauer, stieg hinein und das Schloss gieng auf. Hier wurde das Maulthier abgeladen und zurückgelassen, dann flogen wir sogleich, um das Sichere dem Unsichern vorzuziehn, dem Gipfel zu. Dieser Theil ist sicher der beschwerlichste, doch wer an's Bergsteigen gewöhnt ist, fühlt hier nur stärker die durch den früher zurückgelegten Weg hervorgebrachte Müdigkeit. In einer halben Stunde hatten wir die letzte Höhe erreicht.

Der Blick in den Krater.

Herrlicher Moment, da etwas lang ersehntes, von ungewissem Erfolg begleitetes gelingt! - Nun söhnte ich mich mit jenen im Frühlinge gehabten vergeblichen Beschwerden aus; nun war der ganze Aetna mein; nun war ich in Sizilien gewesen!

Obgleich ich die gespannteste Erwartung zu diesem Rand des schrecklichsten Abgrundes getragen hatte, so überstieg hier der Anblick der Wirklichkeit doch alles, was ich mir davon hätte denken können. Man hatte mir viel von der Breite des Kraters gesagt, ich staunte über seine Tiefe. Von allen Seiten sah ich steile Felsen und Erdwände in einen unabsehbaren Grund sich hinabsenken. - Aus dem tiefen Boden, von dem man nur selten eine schwache Ansicht bekommen konnte, eben so. Im ganzen innern Umkreise dieses Schlundes, besonders aus den Spalten der Felsen, stiegen emporgewirbelte Rauchfäden in die Höhe, die oft zu dicken Säulen wurden, und den ganzen Krater ausfüllten. - Immer ist es gefährlich in der Nähe dieser Schwefel-Rauchmasse zu weilen, wenn kein beständiger Wind den Rauch auf gleichförmige Weise nach einer Seite hinpresst. Wir lagen knieend Hand in Hand gefasst an der furchtbaren Mündung, in welche man damals nicht hinabzusteigen wagen konnte. Was sähe man auch mehr? sagte selbst Dolomieu, als der an dem Rand des Kraters von Vulcano stand.

Wer dieses Bild gesehn hat, sah einen Theil von Dante's Hölle. Es lässt sich nichts denken, das eine Wohnung des Entsetzens anschaulicher versinnlichte, wie dieser Abgrund, der die tiefliegende, unerforschte und unerforschbare Werkstatt des zerstörendsten aller Elemente verkündigt. Wer beschreibt das Gefühl von dem man ergriffen wird? Der Mensch steht hier mit beengendem Ohnmachtsgefühl vor dem unüberwindlichsten Non plus ultra seiner Kraft und seines Wandels. Die Strahlen der sinkenden Abendsonne erleuchteten einen Theil des felsigten Kraterbords und das Innere. An dem röthlichen Stein, der auf der Morgenseite den Krater bildet, sieht man, neben dem glänzenden Schwefelanflug, Farbentöne, wie man sie sonst nirgends sieht. Weiße, röthlichte, gelbe, braune, graue und violette Farben mit allen ihren Halbtinten erzeugen im Sonnenlicht die magischten Spiele, und das Schwefelgrün schimmert zwischen den beweglichen Rauchlocken so täuschend hindurch, dass man, ohne an die Ursache zu denken, sich überreden würde, grünen Kräuterboden zu sehn, welches selbst Reisenden begegnet ist, die ihre Reise beschrieben haben.

Man ist, wenn diese Zauberei der Spätsonne hineindringt, wie wir es damals sahen, wie in eine romantische Welt versetzt, wo lockend verführerisch das lieblichste, täuschende Wunderlicht den Sitz des grausenvollesten Verderbens umspielt. Wir umgiengen fast den halben Krater. Ich entwarf mir einen halben Contour von seinem Umfang. Wir blickten auf die Inseln von Lipari und Siziliens Küsten herab. Wie klein erscheint hier der Umfang der Insel; von Bergen sieht man nichts. Es ist mir vorgekommen, dass man die Aussicht vom Aetna immer zu sehr erhebt. Nur das Meer erscheint groß, denn es fliegt über alles dort zu sehende Land hinaus, und die Idee von der Höhe des Aetna hat nur dann etwas staunenerregendes, wenn man sich daran erinnert, dass bei einer Eruption aus dem Krater blos von der Meeres-Linie an gerechnet, - die Last der Feuer-Materie über 13000 Fuß hoch empor zu steigen hat.

Meine ganze Aufmerksamkeit hatte der Krater gefesselt. Alfio sagte mir, wir seyen glücklich gewesen, denn weniger Rauch sähe man hier nie. Die äußere Nordseite des Kraters ist von schwarzen steilen Lavamauren und Strömen umlagert, daher der Zugang von Bronte her der beschwerlichste ist. -

Es war Nacht, als wir den Rückweg antraten. [...]

Quelle:
Sizilische Reise, oder Auszüge aus dem Tagebuch eines Landschaftsmalers. Von Carl Graß. 2 Teile. Stuttgart und Tübingen, in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1815 (Digitalisierung durch Google). Hier Tl. II, S. 269-275. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Abschnitte eingefügt.

Autor:
Carl Gotthard Graß - geboren am 19.10.1767 in Serben (Livland), gestorben am 3.8.1814 in Rom - studierte Theologie, entdeckte aber in der Schweiz seine Liebe zur Landschaftsmalerei. Er ging 1803 nach Italien und unternahm mit Philipp Joseph von Rehfues, Karl Friedrich Schinkel und Johann Gottfried Steinmeyer 1804 eine Reise durch Sizilien.

Vgl. die Seite:
http://www.bela1996.de/literature/grass.html

*****

Eruzione dell' Etna. Fotografia Artistica Crupi, Taormina

Eruzione dell' Etna 1892. Dr. Trenkler Co., Leipzig

Eruzione dell' Etna 1892. F. Galifi Crupi - Fotografo

Rauchender Ätna. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

Rauchender Ätna. F. Galifi Crupi, Fotografo

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

1. Bild von oben: Eruzione dell' Etna. Fotografia Artistica-Crupi, Taormina. Adressseite ungeteilt. Nicht gelaufen.
2. Bild von oben: Eruzione dell' Etna 1892. Adressseite: Signet: DTCo [Dr. Trenkler Co., Leipzig]. Cat. 72. M. Vitali, Catania. Rechts unten: 08 54420. Im Bild gestempelt: Messina 2-10. Nicht gelaufen.
3. Bild von oben: Eruzione dell' Etna 1892. Adressseite: Signet. F. Galifi Crupi - Fotografo - Taormina. Nicht gelaufen.
4. Bild von oben: [Ohne Titel auf Bildseite] Adressseite: Signet Leonar. Stempel: Fotografia artistica F. Galifi Crupi Taormina (Sicilia). Beschrieben, aber nicht gelaufen.
5. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: F. Galifi Crupi, Fotografo, Taormina. Nicht gelaufen.

*****

Wilhelm Waiblinger
An die Eltern

Palermo, den 16. September 1829
Zuerst ging ich von Messina nach dem unbeschreiblich schönen Taormina, wo dann der alte Riese Ätna zum ersten Mal nahe vor meinen Augen aus dem Meere stieg. In Catania sodann sah ich gleichfalls das erste Kirchenfest der heiligen Agatha, das bezaubernd reizend ist. [...] Und von hier aus, am 23. und 24. August, habe ich den Ätna bestiegen. Unter zehn Reisenden, die es versuchen, die höchste Spitze dieses 11 000 Fuß hohen Vulkans zu erklimmen, gelingts kaum einem. Der lindeste Wind wirft einen zu Boden. Ich habe, dank dem Gott, den ich nie größer sah als an jenem Morgen, alles äußerste Glück gehabt. Zehn Stunden steigt man empor und übernachtet unter dem Krater in einem Hause, wo man in ein Matrosencapotto gehüllt am Feuer sich vor der sibirischen Kälte schützt. In jener Nacht schlief kein Mensch in ganz Europa so hoch als ich, denn ich war 10 000 Fuß hoch. Ich spürte gar keinen schädlichen Einfluss der Luft. Die meisten erbrechen sich. Ich verzehrte mein Huhn und trank meinen göttlichen Wein, aber fror dennoch.

Zwei Stunden vor Tag trat ich mit dem Führer (denn ich habe zwei Personen und zwei Pferde für die Reise nötig gehabt), über und über eingehüllt, mit dem gewaltigen Stock die fürchterliche Wanderung auf den Krater an. Es rauchte erschrecklich, und der Dampf kam uns entgegen, denn es war Ostwind. Weiter empor als über die grauenvolle Lava kommt selten jemand. Mir gelangs. Eine Stunde lang kletterte ich empor und erreichte den Gipfel glücklich. Noch war Dämmerung. Ich glaubte zu sehen, wie Gott die Welt schaffe. Kein Wort reicht, um Euch diesen Anblick zu beschreiben.Angeklammert in Todesangst (denn der leiseste Luftzug ist lebensgefährlich), zu Boden auf der rauchenden Erde liegend, sah ich in diese Hölle hinab unter Dampf und Feuer und Donner. Schaudervolleres hab ich nicht gesehen. Aber Erhabeneres nichts als auf der höchsten Spitze, wo ich, freilich zitternd vor Angst und zu Boden gestreckt, die Sonne hinter Kalabrien aus dem griechischen Meere heraufglühen sah, während es auf der ganzen Erde noch Nacht war. 800 Miglien übersieht man hier oben, die ganze Insel mit all ihren tausend Gebirgen, die nur wie Maulwurfshügel umherliegen, drei Meere, das äolische, ionische und adriatische, Italien wie eine Landkarte, bis nach Malta und Afrika; die ungeheueren aus der Hölle verdampfenden Wolken vergoldeten sich im Sonnenstrahl, das gab das schönste Schauspiel, das ich sah. Der Schatten der Berge lag azurblau und triangular wie eine Pyramide die Insel entlang, und also über 6 Tagereisen weit nur ein Bergschatten. Allmählich tagte es auch unten auf Erden. Der Ätna hat 52 kleine Berge um sich, die bei Ausbrüchen entstanden und von denen die meisten höher sind als die Achalm, und doch sehen diese nur wie Hügelchen aus.

Eine halbe Stunde hielt ichs oben aus, bis uns der Wind forttrieb. Zweimal wurden wir zu Boden geworfen. Weiter oben hätts uns das Leben gekostet. Wir stiegen herab und langten glücklich beim Hause an. Unser Wasser war uns gefroren! Das gab ein Frühstück! Wir ritten aber unsere zehn Stunden wieder hinab, und ich verlebte in Nicolosi und Trecastagne himmlische Stunden mit muntern Catanesern.

Quelle:
Wilhelm Waiblinger. An die Eltern. Palermo, den 16. September 1829. In: Deutsche Briefe aus Italien von Winckelmann bis Gregorovius. Hrsg. von Eberhard Haufe. München: C.H. Beck 1987, S. 273f. Abschnitte eingefügt.

Autor:
Wilhelm Waiblinger, Schriftsteller, geb. 21. November 1804 in Heilbronn, gest. 17. Januar 1830 in Rom und beigesetzt im protestantischen Friedhof an der Cestius-Pyramide. Waiblinger studierte in Tübingen Theologie und Philologie und ging 1826 nach Italien. Alle seine Arbeiten, unter ihnen »Vier Erzählungen aus Griechenland« (1823), »Lieder der Griechen« (1823), »Blüten der Muse aus Rom« (1829) und das »Taschenbuch aus Italien und Griechenland« (1829–30), erwiesen "eine ungewöhnlich reiche Phantasie und poetische Sinnlichkeit". Die Gedichte des Frühverstorbenen gab Mörike heraus, die »Gedichte aus Italien« erschienen in Reclams Universal-Bibliothek.

Vgl. den Artikel "Waiblinger, Wilhelm Friedrich" in Meyers Großem Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905–1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 207.549.

*****

Eruzione dell' Etna - Fronte di lava. S. Sciuto, Catania

Catania - Eruzione dell' Etna, 1923. Ediz. Cart. G. Vitrò & Figlio

Ätna. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

Etna - Cratere eruzione 1928. Edizione F. Galifi Crupi, Taormina

Etna - Eruzione 1928. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina

Lavastrom auf Bahnstrecke. Fotografia F. Galifi Crupi, Taormina

Etna - Braccio di lava sotto i monti Rossi. Stengel & Co., Dresda

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

1. Bild von oben: Eruzione dell' Etna - Fronte di lava sotto Monte S. beo. Adressseite: 17020 S. Sciuto - Catania. Nicht gelaufen.
2. Bild von oben: Catania - Eruzione dell' Etna (1923). Adressseite: 83579 Ediz. Cart. G. Vitrò & Figlio - Catania. Im Briefmarkenfeld: Produzione Italiana. Nicht gelaufen.
3. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite]. Adressseite, Stempel: Fotografia Artistica F. Galifi Crupi, Taormina (Sicilia). Signet: Leonar. 832. Nicht gelaufen.
4. Bild von oben: Etna - Cratere eruzione 1928. Adressseite: Edizione F. Galifi Crupi - Taormina. Im Briefmarkenfeld: 54. Nicht gelaufen.
5. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: Etna - Eruzione 1928 - Contrada "Naca". I nuovi crateri. Fotografia Artistica F. Galifi Crupi - Taormina. Succ. Rag. S. Fiumara & C. Galifi. 650. Nicht gelaufen.
6. Bild von oben: [Kein Titel auf Bildseite] Adressseite: Fotografia F. Galifi Crupi. Taormina. Handschriftlich: Ferienreise 1930 (7.6.30). Taormina u. Ätna (Lavastrom). Nicht gelaufen.
7. Bild von oben: Etna. Braccio di lava sotto i monti Rossi. Stengel & Co., Dresda 13019. Gelaufen. Poststempel 1904. Adressseite ungeteilt.

*****

Karl von Hase
Besteigung des Ätna
(Mai 1830)

[Von Hases Begleiter auf der Sizilienreise,] Hermann hatte die Hoffnung aufgegeben, den Ätna besteigen zu können und war auch mir's fast mehr eine Pflicht, als die rechte Lust und Freudigkeit, da ich am Dienstag früh um 7 Uhr allein mit dem heiligen Nicolaus zum Thor von Catanien hinausritt. Abends wollte Hermann mit dem Evangelisten nachkommen, so dass wir am nächsten Tage bei meiner Rückkehr vom Berge uns in Nicolosi wiederfänden. Der Ätna beginnt auf dieser Seite mit den Lavaströmen, die bei Catanien noch als Klippen in's Meer hinausreichen.

Gegen 9 Uhr war ich in dem Dorfe Nicolosi, das am Saume des Kranzes von Blüthen und Früchten liegt, der den Ätna umgibt. Hier wohnt der Richter des Distriktes Don Mario Gemmelaro, der mit zwei Brüdern fast sein ganzes Leben der Betrachtung des Ätna gewidmet, den Berg erst allgemein zugänglich gemacht und dadurch sich selbst den gerechten Ehrennamen eines 'Custode dell' Etna' erworben hat. Vom Dache seines Hauses betrachteten wir den Berg. Gemmelaro rieth, die Besteigung aufzuschieben, die zerstreute Rauchwolke beweise, dass oben heftiger Sturm sei, auch Regen und Schnee sei zu fürchten, und abgesehn von der Erfolglosigkeit sei eine Nacht unter Sturm und Schnee oben zugebracht ein Wagstück, dem nicht Jeder gewachsen sei. Indess ich hatte weder Zeit noch Geduld übrig, auch war in den letzten Tagen der Berg wenigstens bei Sonnenaufgang stets klar geworden, ich beschloss also baldmöglichst aufzubrechen, um vielleicht den Sonnenuntergang zu haben oder doch den Aufgang zu ertrotzen.

Nachgebend besorgte Gemmelaro den Führer, zwei Mule und ihren Treiber, übergab uns die Schlüssel des 'Hauses der Engländer', um 12 Uhr brachen wir auf. Wir kamen zuerst durch ein Aschenfeld, das die Monti Rossi um sich gebreitet haben, unter denen wir rechts hinzogen. Man ist gewohnt den Vesuv dadurch neben dem Ätna herabzusetzen, dass man sagt, diese beiden rothen Berge, welche der Ätna im Jahre 1696 wie kleine Hügel neben sich aufwarf, seien weit höher als der Vesuv. Aber sie sind nur dadurch höher, weil sie bereits auf den hohen Fundamenten des Ätna stehn. Nach einer Stunde eines gering aufsteigenden Weges durch Asche und Lavaströme kamen wir an das Bosco, die Waldregion des Berges. Die Bäume, Eichen verschiedener Art und Buchen, unter welchen der Weg aufsteigt, waren nicht dicht, abgestutzt, schwerlich über das zweite Jahrhundert alt. Die Vegetation des Bodens gering, fast nur Farrenkraut und die wilde gelbblühende Zwiebel. Doch einige schattige Thäler zwischen kleinen Hügeln, wo man die Nachtigall und wenigstens die Rohrpfeife eines Ziegenhirten hörte, um an Theokrit's Hirtengesang zu denken:

     Ätna du bist mein Dach und Alles ist mein,
     Was der Mensch nur in Träumen sieht -

Damit uns aber dieses nicht zu schön und zu sentimental dünke, wollen wir nicht vergessen, dass der alte Dichter Siciliens hinzufügt:

     - Schafe, Ziegen und Kälber!

Allmälich wurden die Bäume frühlingsartiger, die Blätter erst im Entfalten, dann nur Knospen, nach 1 1/2 Stunden Wegs bricht der Baumwuchs plötzlich ab, da kein zwergartiger Wuchs dazwischen liegt, wohl mehr durch eine Verschiedenheit des Bodens, als durch ein so entschiednes Abschneiden des Klimas. Hier ist die Ziegenhöhle, in der die Alten, welche den Berg erstiegen, übernachtet haben sollen, eine Grotte, durch eine Blase oder durch einen Sturz des Lavastromes gebildet. Der Boden ist von jetzt an sandige Asche, auf der sich die Vegetation noch eine Weile in einzelnen Flecken dürren stachligen Grases zeigte. Vom frischem Wuchs und Blüthen war noch nichts zu sehen, da der Frühling hier erst im Juni beginnt, außer Stiefmütterchen, die mich bis in die Schneeregion begleiteten.

Der Weg wird von der Ziegenhöhle aus steiler, auch über einzelne Lavaströme etwas schwierig, doch durchaus ohne Gefahr, die Beschwerde bleibt den Thieren. Allmälich begann der Schnee in den Schluchten und schon verschwindende Spuren auf der Fläche. Von der Höhe hing eine dunkle Wölbung von Wolken herab, unter denen man noch durchsah nach dem blauen Himmel und nach den Bergen im Sonnenschein unter uns. Wir stiegen in die feststehende Nebelwölbung hinein, und die Aussicht ins Freie schloss sich. Es regnete heftig neben, über und unter uns, ein Donnerschlag wurde hart über uns gehört, wir flüchteten in eine wie die Ziegenhöhle von überhängender Lava gebildete Grotte, welche von Denjenigen, die Schnee vom Berge holen, als Zufluchtsstätte vorn mit Lavastücken zugesetzt ist. Als nach einer Weile der Regen etwas nachließ, stiegen wir weiter, bald, wo es steil ist, über gefrorne Asche, bald über Schneefelder, es schneite und graupelte unter einander, unsre nassen Kleider waren steif gefroren, der Sturm brauste wild, man konnte kaum zwanzig Schritte weit sehen im Nebel und Schneegestöber.

Um 5 Uhr hatten wir das Ätnahaus erreicht, über das sich ein komischer Streit erhoben hat, ob es 'Casa degli Inglesi' oder 'di Gemmelaro' heißen soll, da beide Parteien, zwischen denen die gerechte Nachwelt entscheiden wird, große Verdienste um dasselbe haben. Was mich betrifft, da der gute Gemmelaro mir nach meiner Rückkehr vom Berge zur Erquickung zwei Flaschen Champagner vom Ätna geschickt hat, so stimme ich unbedingt für ihn. Das Haus Gemmelaro also liegt etwa 9000 pariser Fuß hoch, unmittelbar unter dem Kegel des Kraters, den man von hier aus etwa noch 1400 Fuß höchstselbst besteigen muss, da es für die Thiere zu steil wird. Hinten lag es tief im Schnee, von vorn war es seit 10 Tagen zugänglich. Doch von innen die Wände durch herabgelaufenes Eis ziemlich krystallmäßig. Es enthält drei Zimmer zwischen dicken Mauern, doch fehlen Glasfenster und Öfen, daher die Kohlen nur auf Lavablöcken angezündet werden. Bei unserer häuslichen Einrichtung sah ich mit Verwunderung, was unser Einer nicht Alles braucht, um ein wenig bequem zu wohnen, wir hatten uns trefflich versehen, eine Matratze, Kohlen, Öl, Proviant, und vor Allem meine Feldflasche aufgepackt, die noch von Syrakus her den Geist des geistreichen Muskat in sich trug, und freuten uns nicht wenig, in einem Winkel den Scherben einer zerbrochenen Glasflasche zu finden, um etwas Schnee über dem Feuer aufthauen zu können. Vorjetzt war an Besteigung des Gipfels gar nicht zu denken: als ich daher mit meinen Leuten gegessen hatte, blieb ich allein am Feuer sitzen, bis es Nacht wurde. [...]

Es war so kalt, dass in der Lampe das Öl gefror, und obwohl ich mich mit aller meiner Habe zudeckte, erwachte ich doch ziemlich alle halben Stunden einmal vor Frost und schlief vor Müdigkeit wieder ein. Als ich nach Mitternacht vor die Thüre trat, schienen einige Sterne durch den Nebel und hart hinter dem Hause traten die Umrisse des Gipfels hervor. Aber bald brachen Stürme und Wolken mit der früheren Gewalt herein, ich harrte von Stunde zu Stunde, meine Leute drängten zum Abzuge, unsere Kohlen waren verbrannt, die Thiere, denen Schneewasser tödlich sein soll, hatten auf dem ganzen Wege nicht getrunken; indess konnte jeden Augenblick das Wetter sich lichten, ich bedang mir endlich die letzte halbe Stunde mit dem Versprechen, wenn bis dahin der Nebel sich nicht breche, in das Herabsteigen zu willigen. Und so traten wir gegen 8 Uhr den Rückweg an.

Der Sturm war gleich hinter der Bergung des Hauses so heftig, dass man nicht zu Pferde sitzen konnte. Wir gingen am Thurme des Philosophen vorüber, der etwa 400 Schritte entfernt, ostwärts und wenig Fuß tiefer als das Haus Gemmelaro liegt. Man erkennt bloß noch eine viereckige Grundmauer von Backsteinen. Die Gelehrten streiten über die Bestimmung des Gebäudes, ob es ein Altar des Ätnäischen Zeus oder ein normännischer Wachtthurm gewesen sei. Am Ende wäre am natürlichsten an ein altes Haus Gemmelaro zu denken, da sich das Bedürfnis eines solchen Zufluchtsortes auch den Alten aufdringen mochte. Der Volksname 'Torre del Filosofo', erklärt ihn für den Ort, von welchem aus Empedokles die Ausbrüche des Ätna betrachtete; wohl zunächst gestützt auf die antike Volkssage, deren Horaz gedenkt, dass sich Empedokles, um als verschwunden aus dem Reiche der Lebendigen für einen unsterblichen Gott gehalten zu werden, in den Krater des Ätna gestürzt habe. Hieran schloss sich das noch einfältigere Märchen, dass der Berg die erzbeschlagenen Pantoffel des Philosophen wieder herausgespeit und dadurch den Wahn seiner Vergötterung vernichtet habe. Vielleicht daß Empedokles, hingegeben an die Erforschung des furchtbaren Naturgeheimnisses hier unterging, wie Plinius am Fuße des Vesuv. Vielleicht auch, dass sich Empedokles wirklich in den Krater gestützt hat, freilich nicht in der ärmlichen Verzweiflung, in der sich vor einigen Jahren ein junger Franzos in den Vesuv gestürzt hat, sondern nachdem der große Bürger von Agrigent als Philosoph und als Staatsmann Alles vollbracht hatte, was das irdische Leben verherrlicht, dünkte es ihm der Mühe nicht weiter werth, und die tiefe Sehnsucht ergriff ihn, zurückzukehren in den Urquell alles Lebens oder nach dem, was jenseits und ewig ist. [...]

Das Missbehagen einer verfehlten Unternehmung konnte ich zwar nicht ganz los werden, indes als noch in der Schneeregion mich die Stiefmütterchen begrüßten, Frühlingslüfte heraufzogen und die frischen Waldungen unter mir lagen, gab ich mich doch gern der Empfindung hin, wieder auf der menschenliebenden Erde zu sein. Noch auf dem Schnee und höher als am vorigen Tage sah ich unter der Nebeldecke hervor, die wie ein Regenschirm über den Gipfel ausgespannt war. Es war immer noch ein reizender Anblick, mit Ausnahme der nördlichen Ostküste, die hinter dem Berge lag, ganz Sicilien in den blauen Wellen. Darüber heiterer Himmel mit einzelnen weißen Wolken.

Quelle:
Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte von Karl von Hase. Zweiter Abdruck. Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1891, S. 260-266. - Rechtschreibung und Zeichensetzung nach der Vorlage. Korrigiert wurden nur die Umlaute in Großbuchstaben - also "Ü" statt "Ue" etc.; vereinheitlicht nach heutiger Rechtschreibung wurden "ss" und "ß". Abschnitte eingefügt.

Autor:
Karl von Hase, Theologe, geb. 25.8.1800 Niedersteinbach bei Penig (Sachsen), gest. 3.1.1890 Jena. Hase studierte in Leipzig und Erlangen Theologie und Philosophie und habilitierte sich in Tübingen und Leipzig. Wichtige Bezugspunkte seines Denkens wurden Schelling und Schleiermacher. Wegen seines Engagements in der verbotenen Burschenschaft wurde er verfolgt - relegiert und mehrfach verhaftet; acht Monate saß er auf dem Hohenasperg ein. 1829 wurde er nach Jena an die Theologische Fakultät berufen. Seine Reise nach Italien, die er in Briefen an seine künftige Frau Pauline Härtel schildert, "wurde zu einer 'von allen Lebens-, Kunst- und Geschichtsträumen übervollen Wanderung', für immer blieb er der klassischen und romantischen Poesie zugetan. In Jena wirkte er von 1830 ununterbrochen bis 1883 [...]. Bald wurde er zur geistigen Mitte der Fakultät, der Universität überhaupt, ja einer der glücklichsten und einflussreichsten Universitätslehrer des Jahrhunderts" (Beyreuther).

Artikel in ADB und NDB:
* Frank, G., „ Hase, Karl August von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 50 (1905), S. 36-47 [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118927507.html?anchor=adb
* Beyreuther, Erich, „Hase, Karl August von“, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 19 f. [Onlinefassung]; URL: 
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118927507.html

*****

Seiten zu Taormina

Taormina: Das antike Theater

Taormina: Ort, Theater, Umgebung

Land und Leute

*****

Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

Alle Bildvorlagen entstammen, sofern nicht anders vermerkt, einer privaten Sammlung. Soweit es Rechte des Goethezeitportals betrifft, gilt: Die private Nutzung und die nichtkommerzielle Nutzung zu bildenden, künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Zwecken ist gestattet, sofern Quelle (Goethezeitportal) und URL (http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=6587) angegeben werden. Die kommerzielle Nutzung oder die Nutzung im Zusammenhang kommerzieller Zwecke (z.B. zur Illustration oder Werbung) ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Verfasser gestattet.

Dem Goethezeitportal ist kein Urheberrechtsinhaber bekannt; ggf. bitten wir um Nachricht.

Kontaktanschrift:

Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
80799 München

E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

*****

Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit