goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Neujahrsglückwünsche
Eine Dokumentation zu Neujahr 2011

Stand: Dezember 2014
Optimiert für Firefox

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Gliederung

1. Billets, Briefe und Texte zu Neujahr
2. Notizen zu den Neujahrswünschen
3. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Billets, Briefe und Texte zu Neujahr

Wilhelm Busch
Zu Neujahr

Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin
Ohne viel Bedenken.

Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das, warum du dich bemühst,
Möge dir gelingen.

Wilhelm Busch: Schein und Sein. Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia Publishing 2005, S. 82.433.

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1. Neujahrsbillet
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahre
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Maschinen-Spitzenbild mit Prägedruck. Auf der Rückseite handschriftlich die Adressatin und die Absenderin. Ein junger Kavalier in der Tracht des ausgehenden Rokoko macht mit einem Rosenstrauß seine Visite. Hier auf diesem Billet bringt er seine Neujahrswünsche dar. Höhe 11; Breite 7,5 cm.

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2. Neujahrsbillet
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahre
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Verso handschriftlich: v. Famillia [!] Christoffel Olgiati. Stanz- und Prägebild mit Bronzedruck. In ein durchbrochenes Geflecht sind Blumen gesteckt. Höhe 7,5; Breite 11,5 cm.

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3. Ein fröhliches neues Jahr
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Das goldgerahmte Bildchen ist über herbstliche Zweige gedruckt und mit einem (nicht dazu passenden) Text versehen: "Neues Jahr, mit deinen Tönen / Bringe Segen uns und Glück! / Mögst Du unser Loos verschönen, / Und erheitern unsern Blick." Das Neujahrsbillet ist mit seinem Gegenstück, einem Weihnachtsgruß, durch Handarbeit 'verschönert'. Zwischen die beiden verklebten Karten ist eine rote Seiden-Litze eingeschoben. Es handelt sich um eine Montage aus verschiedenen Elementen. Höhe 9,5; Breite 12 cm (ohne Fransen).

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Neujahrswunsch

                                               1.
Ein kleines Wünschlein bring' ich freundlich dar,
Es heißt: "Gott segne Euch im neuen Jahr!"

                                               2.
Mein Wünschlein ist zwar klein;
Doch ist es gut und wahr:
Ihr sollet glücklich sein
Im neu erlebten Jahr'!

                                                3.
Ich lernte ein Wünschlein, das klang wohl recht gut,
Von Segen, Gesundheit und fröhlichem Mut;
Doch hab' ich's vergessen - so nehmt aber hin
Mein Herzchen und glaubet, das Wünschlein steckt d'rin.

Liederfibel. Das ganze Kinder- und Familienleben nach seinen verschiedenen Stufen dargestellt in einem vollstimmigen Chore deutscher Dichter. Eßlingen: Verlag der Dannheimer'schen Buchhandlung 1841, S. 289. Link, Gedächtnisübung. (Digitalisierung durch Google).

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4. Übergabe des Neujahrswunsches eines Knaben an den Vater


Johann Rudolf Burckhardt: Neujahr im Kirschgarten in Basel. Aquarell, 1790? In: Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst. 1. Jg., Nr. 12, Dezember 1945, S. 361.

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5. Neujahrsbrief
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Neujahrsbrief mit Aquarell: Angelnder Knabe im Boot vor einer Villa. „Fröhliche Winde, tanzende Wellen / Gebe Dir das kommende Jahr; / Nie möge Dein Boot bei Irnytow zerschellen / Oder der Müggelsee Dir drohn Gefahr. / Zieh‘ hin nach Stralow mit heißem Verlangen, / Rasch dann gefahren in’s Hemde so roth, / Bleibe ein Seemann ganz ohne Bangen, / Der nicht kennt Angst, sitzt er in sein’m Boot. / Dein Otto. / In meinem und meines Vaters / Namen.“ Höhe 33; Breite 20,5 cm.

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6. Doppelbriefbogen
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Doppelbriefbogen mit gezahntem Rändchen und geprägtem Goldrahmen, in den ein ovales Blumenmedaillon eingeklebt ist. Ansbach, 30.12.1867. „Liebe Lialia! Da mir nun wieder am Ende eines Jahres stehen, kan ich nicht unterlassen, Dir, und Deiner Familie, zu dem kommenden neuen Jahr meine innigsten Glückwünsche zu sagen, möge Euch der liebe Gott einem glücklichen und segensreichen Jahr entgegen führen, und Euch recht frohe Tage schenken. … Deine einfältige Freundin Lisette Schauerlein (?).“ Höhe 20,5; Breite 13,5 cm.

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Berthold Auerbach

Der Lehrer hat mich allfort ermahnt, ich soll meinen Vater ja nicht vergessen und soll ihm gut sein; und auf Neujahr hab' ich ihm allemal einen schönen Brief schreiben müssen und hab' ihm als ein paar Strümpf geschickt. Der Lehrer hat die Woll' dazu aus seinem Sack bezahlt.

Berthold Auerbach: Sämtliche Schwarzwälder Dorfgeschichten. Bd. 2. Stuttgart, Berlin: J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger o.J. Sträflinge. Des Kindes Sühne, S. 426f. - Magdalena erzählt ihre Geschichte: Die Mutter stirbt und das Mädchen wird zum Schullehrer in Hallfeld getan, "weil mein Vater sich gar nichts um mich gekümmert hat" (S. 426). Der Vater besucht seine Tochter "all Jahr ein paarmal", "und der Schullehrer hat ihm zu essen geben und hat ihn geehrt, wie wenn's ein Anverwandter wär'." (S. 426)

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7. Doppelbriefbogen
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Doppelbriefbogen mit gezahntem Rändchen und zarter Ornamentprägung, in die ein Blumenmedaillon (Oblate) eingeklebt ist. „Liebste Eltern Heil sei Ihnen, Glük und Frieden, Eltern zum Neujahr beschieden, Freude ströme in Ihr Herz, und verlösche Gram und Schmerz … Ihr dankbares Kind Frieda Selling.“ Ohne Datum, ca. 1890er Jahre. Höhe 21; Breite 14 cm.

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Karl Philipp Moritz
Anton Reiser

An diesem Neujahr überfiel auch Reisern eine erstaunliche Wut, Verse zu machen. – Er schrieb Neujahrwünsche in Versen an seine Eltern, seinen Bruder, die Frau Filter, und wer weiß an wen, und sprach darin von Silberbächen, die sich durch Blumen schlängeln, und von sanften Zephirs, und goldnen Tagen, dass es zum Bewundern war – sein Vater hatte vorzügliches Vergnügen an dem Silberbach gefunden; seine Mutter aber verwunderte sich, dass er seinen Vater 'bester Vater' nenne, da er doch nur einen Vater habe.

Karl Philipp Moritz: Anton Reiser. Ein psychologischer Roman, Hrsg. von Wolfgang Martens (Universal-Bibliothek; 4813) Stuttgart: Philipp Reclam Jun. o.J., S. 177. Die "Büchersprache" resultiert aus den Lektüren Reisers. Über seine 'Lesewut', deren Ursachen und Folgen, berichtet der Roman ausführlich.

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8. Doppelbriefbogen
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Doppelbriefbogen mit blattfüllender Farbdarstellung einer winterlichen Dorfszene. Überschrift: Herzlichen Glückwunsch zum Neuen Jahre! Verlag des Bayer. Volksschullehrervereins. 3. Druck v. Huber, Jordan u. Koerner, Nürnberg. Weissenburg, 1. Januar 1900. „Liebe Tante! / Ich bin noch klein, / doch denk ich Dein / Und bringe hier / Ein Wünschlein Dir. / Gott geb‘ Dir heut‘, / Was Dich erfreut, / Und schütz‘ Dein Herz / Vor jedem Schmerz! / Deine / Dich liebende / Hedwig Raab.“ Höhe 28; Breite 21,5 cm. - Vg. Karl Heinz Schreyl: Der graphische Neujahrsgruß aus Nürnberg. Nürnberg: Hans Carl 1979, Abb. 58, S. 95.

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Ludwig Ganghofer
Lebenslauf eines Optimisten

Am Nachmittage, als es schon bald zu dämmern anfing, zog ich die Haustürglocke des Pfarrhofes. Ich hatte mir's fein einstudiert, wie ich dem hochwürdigen Herrn und dem Fräule Kreszenz glückseliges Neujahr wünschen wollte, und dann mussten sie mich nach Honoratiorensitte zu einer Tasse Kaffee einladen. Und da wird natürlich auch mein feines blasses Mädelein dabei sein!
    Es dauerte lange, sehr lange, bis die Haustür zögernd geöffnet wurde. Vor mir stand Herr Pfarrer Andra, der stattliche, nur ein bisschen zittrige Mann, in rotgefüttertem Schlafrock, ein Hauskäppchen auf dem steifglänzenden Braunhaar, in der unruhigen Hand eine lange Studentenpfeife. Er sah mich feindselig an: »Was wünschen Sie?«
    Mir verschlug's die schön memorierte Rede. So fing ich zu stottern an: »I wünsch e glückseligs nuis Jahr ...« Und dann kam ein Nachsatz, von dem ich nicht begriff, wieso er den hochwürdigen Herrn in solchen Zorn versetzen konnte.
    Es gibt im Schwabenland ein kleines altes Verslein, mit dem die armen Dorfkinder an Sylvester von Tür zu Türe betteln gehen. Dieser Vers – ohne dass ich's wusste oder wollte – kam mir in meiner Verlegenheit auf die Zunge:

                 »I wünsch e glückseligs nuis Jahr,
                Derzue e Christkindle mit Krausehaar!«

    Vor Zorn wurde der Hochwürdige dunkelrot übers ganze Gesicht, zog mit der Hand zu einer Ohrfeige aus und schrie: »Sie unverschämter Lausbub! Machen Sie, dass Sie weiterkommen!«
    Die schwere Türe flog zu, als wäre eine Kanone abgeschossen worden. 
   


Ludwig Ganghofer: Lebenslauf eines Optimisten. Stuttgart: Adolf Bonz & Comp. o.J. Buch der Jugend. 1. S. 285f. Erstdruck in drei Teilen 1909–1911.

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9. Naujahrswunsch
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Wir haben uns bemüht, Rechtschreibung und Satzbau getreu wiederzugeben. Kommas und Ergänzungen in eckigen Klammern sind zur leichteren Orientierung gelegentlich eingefügt. Einige Stellen wurden nicht entziffert.

Neujahrswunsch für Gilgiau Rieben und Katharina Brunner 

Heute am erste Tag eines neuen Jahres erinnert sich jeder Christlich-Denkende Mensch gern an alle seine geliebte und wünscht ihnen von Herzen alles Gute, nach Leib und Seele! Mit diesen Gedanken erfült denke ich auch Heute an alle meine Geliebte und daher auch an Euch !!!! Der liebe Vater im Himmel, der alle seine Kinder ewig glücklich machen will, wen sie es nur annehmen wollen. Er wolle auch Euch in diesem Jahr ein sollches Herz schenken, daß mit Liebe gegen ihn erfüllt werde, und Ihr Euch Ihm ganz zum Eigenthum hingebet, Euch gern an seiner truen Hand führen und leitten laßet, so wirt Er Euch Kraft geben alle Widerwärtigkeitten zu wiederstehen, und auf der Bahn der Tugend zu wandeln! welche allein zum Ewigen Leben führet. Obschon Ihr fielle Wiederwärtigkeitten erlitten habet, auch so manche schwere Krankheit, welche Gott zwar dem Menschen zuschickt, wen sie es recht ansehen, für sie in der Tugend zu üben, für sein abtrüniges Geschöpf wieder zu sich zu ziehen, den es heißt, welche Gott lieb hat den züchtiget er. auch ist euer liebes Kind schon in seiner Zarten Jugend gestorben, welches für treue Eltern ein schweres überwinden war, aber wie lange, ja schon wie manches Jahr hat es mit den Heiligen Engeln zugebracht, und in Abrahams Schoos sitzen können, anstat hier auf Erden in Leiden und Widerwärtigkeit zu sein. dort aber in ewiger Freud un Seeligkeit sein können, welche nie aufhören wirt. Den bittern Todes-Kampf hat es überwunden, welch wier noch alle zu bekämpfen haben, weill wier ja nichts gewißers haben, als der Todt [;] mit Freuden kan es ausrufen Tod wo ist dein Sta[c]hel, Hölle wo ist dein Sig, den der Heiland ruffet ja selbst laset die Kinder zu mier kommen, und wehret es ihnen nicht, den solchen ist das Reich Gottes. Wie würde es, wen es noch zu uns kommen könte, uns sein Glück erzählen, welches für es nicht [?] sichtbar ist. Als ich des liebe Kind das lezte mahl sah, schauete es mier noch so froh un heitter nach, ich dachte aber nicht daran, daß es das letzte mahl sei, ach wie bald hat doch unser Leben ein Ende wie eine Blume auf dem Felde, die Heute schön blüht und Morgen schon wiederum verwelkt. Er achtet auch nichts auf ansehen der Person, sei man Reich oder Arm jung oder alt, es ist ihm kein Schloß zu ho[c]h, keine Burg zu feste, und keiner zu entfernet so wirt es gesehen, darum wollen wier Gott um Gnaden anrufen, das wier so es Gott gefält uns durch den Todt aus dieser Welt zu treuen, hingehen können, zu unsrem Vater, Verwanten und Freunden, wo keine Trennung mehr stadt findet!!! Gott wolle Euch Eure Kinder gesund laßen aufwachsen, die gute Lehre und Ermanungen, die Ihr und die Lehrer, in ihren Schul und Unterweisungs-Jahren ihnen geben werden, in denen sie sich, auf eine [?] zum würdigen genuß des Heiligen Abendmahls vorbereiten sollen, vo[n] welchen ihr Heiliges und Ewiges Glück abhängt, daß sie einst Hundertfältige Früchte tragen, und ihr Euch freuen könnet, nicht vergebens gearbeitet zu haben. Ja su[c]het noch ferner die Liebe und Freu[n]dschaft Eurer ferneren Lebens Jahren einander leicht und angenehm zu ma[c]hen, so werdet Ihr einmahl, wen es Gott gefällt Euch durch den Todt aus dieser Welt zu trennen, mit dem bewußtsein Eure Pflicht gegen einander erfült zu haben, der Trennungs-Schmerz leichter überwinden können, und die Hoffnung des fröhlichen Wiedersehns wirt Euch alles Leiden erleichtern, wen Ihr diese zu tuhn Euch bestrebet, so werdet Ihr dieses Jahr und die übrigen glücklich anfangen und sein!!!!!!!!

Dieses ist der wohlmeinende Wunsch von eurer Schwester Susanna Brunner!!! geschrieben Tauß P[?].

Text im linken Herz:
Ueb immer treu und Redlichkeit!! bis an dein kühles Grab, und weiche keinnen Finger breit von Gottes Wegen ab!!! So wirst du wie auf grüne Auen, durchs Pilger-Leben gehn, dan kanst du ohne Furcht und Grauen dem Todt ins Auge sehn.

Text im rechten Herz:
Dan hast du immer muths genug, und alles wirt dier leicht, du singst so froh beim Waser-Krug, als wär dier Wein gereicht. Dem Bösewicht wirt alles schwer, er tue was er tue? das Laster treibt ihn hin und her und läßt ihm keine Ruh!!!!

Volkstümlicher Neujahrswunsch aus der Biedermeierzeit. Geschrieben von Lehrer Tauß an der Lenk [Simmental]. In: Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst. 1. Jg., Nr. 12, Dezember 1945, S. 360.

 

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Johann Heinrich Voß
Empfang des Neujahrs

Des Jahres letzte Stunde
Ertönt mit ernstem Schlag:
Trinkt, Brüder, in die Runde,
Und wünscht ihm Segen nach.
     Zu jenen grauen Jahren
     Entfliegt es, welche waren;
Es brachte Freud' und Kummer viel,
Und führt' uns näher an das Ziel.

                        Alle.
Ja, Freud' und Kummer bracht' es viel,
Und führt' uns näher an das Ziel.

     In stetem Wechsel kreiset
     Die flügelschnelle Zeit:
     Sie blühet, altert, greiset,
     Und wird Vergessenheit;
     Kaum stammeln dunkle Schriften
     Auf ihren morschen Grüften.
Und Schönheit, Reichtum, Ehr' und Macht
Sinkt mit der Zeit in öde Nacht.

                        Alle.
Ach Schönheit, Reichtum, Ehr' und Macht
Sinkt mit der Zeit in öde Nacht.

     Sind wir noch alle lebend,
     Wer heute vor dem Jahr,
     In Lebensfülle strebend,
     Mit Freunden fröhlich war?
     Ach mancher ist geschieden,
     Und liegt und schläft in Frieden!
Klingt an, und wünschet Ruh hinab
In unsrer Freunde stilles Grab.

                        Alle.
Klingt an, und wünschet Ruh hinab,
In unsrer Freunde stilles Grab.

     Wer weiß, wie mancher modert
     Ums Jahr, gesenkt ins Grab!
     Unangemeldet fodert
     Der Tod die Menschen ab.
     Trotz lauem Frühlingswetter,
     Wehn oft verwelkte Blätter.
Wer von uns nachbleibt, wünscht dem Freund
Im stillen Grabe Ruh, und weint.

                        Alle.
Wer nachbleibt, wünscht dem lieben Freund
Im stillen Grabe Ruh', und weint.

     Der gute Mann nur schließet
     Die Augen ruhig zu;
     Mit frohem Traum versüßet
     Ihm Gott des Grabes Ruh.
     Er schlummert leichten Schlummer
     Nach dieses Lebens Kummer;
Dann weckt ihn Gott, von Glanz erhellt,
Zur Wonne seiner bessern Welt.

                        Alle.
Dann weckt uns Gott, von Glanz erhellt,
Zur Wonne seiner bessern Welt.

     Auf, Brüder, frohes Mutes,
     Auch wenn uns Trennung droht!
     Wer gut ist, findet Gutes
     Im Leben und im Tod!
     Dort sammeln wir uns wieder,
     Und singen Wonnelieder!
Klingt an, und: gut sein immerdar!
Sei unser Wunsch zum neuen Jahr!

                        Alle.
Gut sein, ja gut sein immerdar!
Zum lieben frohen neuen Jahr!

Johann Heinrich Voß: Sämtliche Gedichte. Auswahl der letzten Hand. Bd. 3. Königsberg, in der Universitäts-Buchhandlung 1825, S. 113-116 (Digitalisierung durch Google).

 

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2. Notizen zu den Neujahrswünschen


Glückwunschbillets zum neuen Jahr, Neujahrs- wie auch andere Wunschbriefe sind Artikel der Luxuspapierindustrie, wenn sie folgende Kriterien - wenigstens zum Teil - erfüllen: Schwarz-, Farben- und / oder Golddruck für Schrift und Bildschmuck, auch Handkolorierung des Schwarzdrucks (Buntdrucke sind bis ca. 1890 vorzüglich Chromolithographien, dann Vierfarbendruck u.a.); Pressen, Prägen und Stanzen von Papier und leichtem Karton (Reliefierung, Maschinenspitze u.a.); Lackieren des Buntdrucks (z.B. bei Oblaten, auch Glanzbilder genannt); Vergolden, d.h. Bronzieren (z.B. von Reliefs); Bestreuen mit Glimmer etc.; Montieren von diversen Materialien auf den Papierträger (z.B. Einkleben von Blumenmedaillons etc.). Durch beliebige Kombinationen dieser Veredelungstechniken entstanden auch die phantasievollen, "luxuriösen" Glückwunschbillets und -briefe, wovon wir hier nur relativ einfache und daher - damals wie heute - preiswerte Exemplare von Neujahrswünschen zeigen.

Schriftliche Glückwünsche zum neuen Jahr haben eine lange Tradition. "Die ältesten gedruckten Neujahrswünsche stammen aus dem 15. Jahrhundert und zeigen noch ausschließlich religiöse Bildmotive. Entsprechend den sich wandelnden Glücksvorstellungen, die sich immer mehr auf irdische Glücksgüter beziehen, werden auch die Bildthemen im Laufe der Zeit profaner. [...] Neujahrskarten, im Umschlag verschickt, [wurden] in Berlin um 1760 üblich." (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 129) Berühmt als künstlerische und höchst kunstvolle kleine Werke in Einzelanfertigung waren die Wiener Kunstbillets, die es auch mit Neujahrswünschen gibt. (Der bedeutendste dieser Papierkünstler war Joseph Endletsberger (1779-1856), der um 1820 durch Montierung und Collage verschiedenster Materialien wie Elfenbein, Perlmutt, Spiegel, Lack, Gaze, Perlen, Glimmerstreusand u.v.m. kleine Reliefszenen schuf.) Diese Wiener Billets waren unerreichbare Vorbilder für die Jahres- und Lebenslauf-Festwünsche im 19. Jahrhundert, auch noch für die späte Luxuspapierindustrie.

Der schriftliche Neujahrswunsch war bis ins Biedermeier "eine Angelegenheit der begüterten und schreibkundigen Oberschichten". (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 129; Abb. z.B. bei Gottschalk: Papier-Antiquitäten, S. 132, Nr. 369 u. 370) Doch das Biedermeier kannte neben den handgeschriebenen und von Hand ausgezierten Neujahrsbillets und -briefen auch kleine Kärtchen mit gedruckten Wunschversen, deren radierte, gestochene oder lithographierte Bildchen (Allegorien, Genreszenen etc.) häufig handkoloriert waren. Neben der Versendung im Umschlag durch Post oder Boten war auch die persönliche Abgabe der Neujahrswünsche am Neujahrstag üblich, wo die Karte - falls man nicht empfangen wurde - in die dafür bestimmte Besucherschale gelegt wurde.

Als Geschenke an Anverwandte und Freunde (vgl. Nr. 5), besonders im ländlichen Bereich gab es noch lange handgeschriebene, geschmückte Wunschbriefe, deren Ausführung für Schreibunkundige manchmal Lehrer oder Pfarrer übernahmen (vgl. Nr. 9), welche die Tradition der Briefsteller und Briefmaler weiterführten. So schreibt Meyers Großes Konversations-Lexikon (6. Aufl., 1905-1909, Artikel "Briefsteller"), dass "wo die Volksbildung noch so zurück ist, dass die Landbevölkerung der Mehrzahl nach weder des Lesens noch des Schreibens kundig ist", sogar das "Gewerbe des öffentlichen Briefstellers noch besteht." Die Erzeugnisse der Briefmaler "waren keine bedeutenden Kunstwerke, aber volkstümlich [...]. Sie sind kulturgeschichtlich sehr aufschlussreich." (Lexikon der Kunst in fünf Bänden. Hier Bd. 1, Berlin 1981, S. 341)

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde durch die großenteils industrielle, jedoch durch Handarbeit ergänzte Herstellung der Wunschkarten und -briefe der Kauf für eine breitere Käuferschicht möglich. Meist musste auf den mit Bild, Vers oder Text bedruckten Karten nur noch der Name handschriftlich beigefügt werden. Die industrielle Massenproduktion der Glückwunsch-Postkarten und verzierten Briefbogen vor und nach 1900 ermöglichte dann für (fast) jedermann den Kauf der bunten Ware.

Christa Pieske (ABC des Luxuspapiers, S. 99) charakterisiert die verzierten Briefbogen als zeitstilbezogene und trendbewusste Produkte der Luxuspapierindustrie im gesamten 19. Jahrhundert. Schon Königin Luise schrieb ihr Tagebuch 1809 auf verzierte Bogen der Prägeanstalt Dobbs in London. Es gab Bogen mit schlichter Prägebordüre, Stanzspitze, Stahlstich- und Lithographieansichten u.v.m. "Zum Jahrhundertende hatte sich [...] die Chromolithographie durchgesetzt, z.T. in Verbindung mit Prägung und Stanzung."

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Links: Doppelbriefbogen mit prächtiger Stanzrahmung, vergoldet und koloriert und mit einem lackierten Blumenmedaillon beklebt. Höhe 26; Breite: 21 cm. 1870er Jahre. | Rechts: Stanzspitzen-Briefbogen mit aufgeklebter Oblate, die in einem Blumenkranz eine Hand mit Buch (Album) zeigt. Höhe 20,5; Breite 14 cm. Um 1890.

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Die Festtagsbriefe wurden viele Jahrzehnte auf neutrale Zierbriefbogen geschrieben und erhielten erst durch ihren Text Bezug auf Neujahr oder andere Feste. Um 1870 und später waren Goldprägebordüren und -reliefs beliebt, in deren vorgefertigte Medaillons Oblaten mit neutralen Motiven geklebt waren (vgl. Nr. 6-7). Erst in den 1890er Jahren kamen ganzseitige, aufwendig gestaltete Neujahrsmotive in Gebrauch mit eingedruckten Glückwünschen (vgl. Nr. 8), wodurch der vom Schreibenden vorgesehene Text (Prosa oder Gedicht) auf das zweite Blatt verwiesen wurde. "Die Doppelblätter (gr. 4o bis gr. fol.) trugen auf der Vorderseite lithographierte, chromolithographierte oder gedruckte Darstellungen religiösen oder genrehaften Inhalts. [...] Das Schreiben dieser Briefe gehörte zu den selbstverständlichen Pflichten der Kinder in der Mittel- und Oberschicht; sie wurden auch in der Schule dazu angehalten." (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 284) Die Übergabe des Briefes erfolgte dann am Neujahrsmorgen (vgl. Nr. 4).

Literatur:

* Glückwunschkarten und Schmuckbriefe aus drei Jahrhunderten. Sonderausstellung im Bundespostmuseum. Frankfurt a.M. 1970.
* Elke Gottschalk: Papierantiquitäten. Luxuspapiere von 1820 bis 1920. Augsburg: Battenberg 1996.
* Gustav Gugitz: Alt-Wiener Neujahrswunschkarten. In: Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgraphik. Wien 1939, S. 11 ff.
* "Ich wünsche Ihnen 1000 Glück". Freundschaftsgaben des Biedermeier. Kunstbillets, Ziehbilder und Glückwunschkarten. Buch- und Kunstantiquariat Robert Wölfle München. URL: 
www.woelfle-kg.de/pic/glueckwunsch2003.pdf
* Papier im Reiche des Luxus und der Phantasie. Mit Beiträgen von Christa Pieske und Rolf Kuschert (Schriften des Kreisarchivs Nordfriesland. Schloss vor Husum; 10) Husum 1987.
* Christa Pieske: Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930. Berlin: Dietrich Reimer 1983.

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Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
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