Wilhelm Busch: Schein und Sein. Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia Publishing 2005, S. 82.433. ***** 1. Neujahrsbillet Maschinen-Spitzenbild mit Prägedruck. Auf der Rückseite handschriftlich die Adressatin und die Absenderin. Ein junger Kavalier in der Tracht des ausgehenden Rokoko macht mit einem Rosenstrauß seine Visite. Hier auf diesem Billet bringt er seine Neujahrswünsche dar. Höhe 11; Breite 7,5 cm. ***** 2. Neujahrsbillet
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahre Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild Verso handschriftlich: v. Famillia [!] Christoffel Olgiati. Stanz- und Prägebild mit Bronzedruck. In ein durchbrochenes Geflecht sind Blumen gesteckt. Höhe 7,5; Breite 11,5 cm. ***** 3. Ein fröhliches neues Jahr Das goldgerahmte Bildchen ist über herbstliche Zweige gedruckt und mit einem (nicht dazu passenden) Text versehen: "Neues Jahr, mit deinen Tönen / Bringe Segen uns und Glück! / Mögst Du unser Loos verschönen, / Und erheitern unsern Blick." Das Neujahrsbillet ist mit seinem Gegenstück, einem Weihnachtsgruß, durch Handarbeit 'verschönert'. Zwischen die beiden verklebten Karten ist eine rote Seiden-Litze eingeschoben. Es handelt sich um eine Montage aus verschiedenen Elementen. Höhe 9,5; Breite 12 cm (ohne Fransen). ***** Neujahrswunsch
Liederfibel. Das ganze Kinder- und Familienleben nach seinen verschiedenen Stufen dargestellt in einem vollstimmigen Chore deutscher Dichter. Eßlingen: Verlag der Dannheimer'schen Buchhandlung 1841, S. 289. Link, Gedächtnisübung. (Digitalisierung durch Google). ***** 4. Übergabe des Neujahrswunsches eines Knaben an den Vater
***** 5. Neujahrsbrief Neujahrsbrief mit Aquarell: Angelnder Knabe im Boot vor einer Villa. „Fröhliche Winde, tanzende Wellen / Gebe Dir das kommende Jahr; / Nie möge Dein Boot bei Irnytow zerschellen / Oder der Müggelsee Dir drohn Gefahr. / Zieh‘ hin nach Stralow mit heißem Verlangen, / Rasch dann gefahren in’s Hemde so roth, / Bleibe ein Seemann ganz ohne Bangen, / Der nicht kennt Angst, sitzt er in sein’m Boot. / Dein Otto. / In meinem und meines Vaters / Namen.“ Höhe 33; Breite 20,5 cm. ***** 6. Doppelbriefbogen Doppelbriefbogen mit gezahntem Rändchen und geprägtem Goldrahmen, in den ein ovales Blumenmedaillon eingeklebt ist. Ansbach, 30.12.1867. „Liebe Lialia! Da mir nun wieder am Ende eines Jahres stehen, kan ich nicht unterlassen, Dir, und Deiner Familie, zu dem kommenden neuen Jahr meine innigsten Glückwünsche zu sagen, möge Euch der liebe Gott einem glücklichen und segensreichen Jahr entgegen führen, und Euch recht frohe Tage schenken. … Deine einfältige Freundin Lisette Schauerlein (?).“ Höhe 20,5; Breite 13,5 cm. ***** Berthold AuerbachDer Lehrer hat mich allfort ermahnt, ich soll meinen Vater ja nicht vergessen und soll ihm gut sein; und auf Neujahr hab' ich ihm allemal einen schönen Brief schreiben müssen und hab' ihm als ein paar Strümpf geschickt. Der Lehrer hat die Woll' dazu aus seinem Sack bezahlt. ***** 7. Doppelbriefbogen Doppelbriefbogen mit gezahntem Rändchen und zarter Ornamentprägung, in die ein Blumenmedaillon (Oblate) eingeklebt ist. „Liebste Eltern Heil sei Ihnen, Glük und Frieden, Eltern zum Neujahr beschieden, Freude ströme in Ihr Herz, und verlösche Gram und Schmerz … Ihr dankbares Kind Frieda Selling.“ Ohne Datum, ca. 1890er Jahre. Höhe 21; Breite 14 cm. ***** Karl Philipp Moritz
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Des Jahres letzte Stunde Ertönt mit ernstem Schlag: Trinkt, Brüder, in die Runde, Und wünscht ihm Segen nach. Zu jenen grauen Jahren Entfliegt es, welche waren; Es brachte Freud' und Kummer viel, Und führt' uns näher an das Ziel. Alle. Ja, Freud' und Kummer bracht' es viel, Und führt' uns näher an das Ziel. In stetem Wechsel kreiset Die flügelschnelle Zeit: Sie blühet, altert, greiset, Und wird Vergessenheit; Kaum stammeln dunkle Schriften Auf ihren morschen Grüften. Und Schönheit, Reichtum, Ehr' und Macht Sinkt mit der Zeit in öde Nacht. Alle. Ach Schönheit, Reichtum, Ehr' und Macht Sinkt mit der Zeit in öde Nacht. Sind wir noch alle lebend, Wer heute vor dem Jahr, In Lebensfülle strebend, Mit Freunden fröhlich war? Ach mancher ist geschieden, Und liegt und schläft in Frieden! Klingt an, und wünschet Ruh hinab In unsrer Freunde stilles Grab. Alle. Klingt an, und wünschet Ruh hinab, In unsrer Freunde stilles Grab. Wer weiß, wie mancher modert Ums Jahr, gesenkt ins Grab! Unangemeldet fodert Der Tod die Menschen ab. Trotz lauem Frühlingswetter, Wehn oft verwelkte Blätter. Wer von uns nachbleibt, wünscht dem Freund Im stillen Grabe Ruh, und weint. Alle. Wer nachbleibt, wünscht dem lieben Freund Im stillen Grabe Ruh', und weint. Der gute Mann nur schließet Die Augen ruhig zu; Mit frohem Traum versüßet Ihm Gott des Grabes Ruh. Er schlummert leichten Schlummer Nach dieses Lebens Kummer; Dann weckt ihn Gott, von Glanz erhellt, Zur Wonne seiner bessern Welt. Alle. Dann weckt uns Gott, von Glanz erhellt, Zur Wonne seiner bessern Welt. Auf, Brüder, frohes Mutes, Auch wenn uns Trennung droht! Wer gut ist, findet Gutes Im Leben und im Tod! Dort sammeln wir uns wieder, Und singen Wonnelieder! Klingt an, und: gut sein immerdar! Sei unser Wunsch zum neuen Jahr! Alle. Gut sein, ja gut sein immerdar! Zum lieben frohen neuen Jahr! |
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Johann Heinrich Voß: Sämtliche Gedichte. Auswahl der letzten Hand. Bd. 3. Königsberg, in der Universitäts-Buchhandlung 1825, S. 113-116 (Digitalisierung durch Google).
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Glückwunschbillets zum neuen Jahr, Neujahrs- wie auch andere Wunschbriefe sind Artikel der Luxuspapierindustrie, wenn sie folgende Kriterien - wenigstens zum Teil - erfüllen: Schwarz-, Farben- und / oder Golddruck für Schrift und Bildschmuck, auch Handkolorierung des Schwarzdrucks (Buntdrucke sind bis ca. 1890 vorzüglich Chromolithographien, dann Vierfarbendruck u.a.); Pressen, Prägen und Stanzen von Papier und leichtem Karton (Reliefierung, Maschinenspitze u.a.); Lackieren des Buntdrucks (z.B. bei Oblaten, auch Glanzbilder genannt); Vergolden, d.h. Bronzieren (z.B. von Reliefs); Bestreuen mit Glimmer etc.; Montieren von diversen Materialien auf den Papierträger (z.B. Einkleben von Blumenmedaillons etc.). Durch beliebige Kombinationen dieser Veredelungstechniken entstanden auch die phantasievollen, "luxuriösen" Glückwunschbillets und -briefe, wovon wir hier nur relativ einfache und daher - damals wie heute - preiswerte Exemplare von Neujahrswünschen zeigen.
Schriftliche Glückwünsche zum neuen Jahr haben eine lange Tradition. "Die ältesten gedruckten Neujahrswünsche stammen aus dem 15. Jahrhundert und zeigen noch ausschließlich religiöse Bildmotive. Entsprechend den sich wandelnden Glücksvorstellungen, die sich immer mehr auf irdische Glücksgüter beziehen, werden auch die Bildthemen im Laufe der Zeit profaner. [...] Neujahrskarten, im Umschlag verschickt, [wurden] in Berlin um 1760 üblich." (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 129) Berühmt als künstlerische und höchst kunstvolle kleine Werke in Einzelanfertigung waren die Wiener Kunstbillets, die es auch mit Neujahrswünschen gibt. (Der bedeutendste dieser Papierkünstler war Joseph Endletsberger (1779-1856), der um 1820 durch Montierung und Collage verschiedenster Materialien wie Elfenbein, Perlmutt, Spiegel, Lack, Gaze, Perlen, Glimmerstreusand u.v.m. kleine Reliefszenen schuf.) Diese Wiener Billets waren unerreichbare Vorbilder für die Jahres- und Lebenslauf-Festwünsche im 19. Jahrhundert, auch noch für die späte Luxuspapierindustrie.
Der schriftliche Neujahrswunsch war bis ins Biedermeier "eine Angelegenheit der begüterten und schreibkundigen Oberschichten". (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 129; Abb. z.B. bei Gottschalk: Papier-Antiquitäten, S. 132, Nr. 369 u. 370) Doch das Biedermeier kannte neben den handgeschriebenen und von Hand ausgezierten Neujahrsbillets und -briefen auch kleine Kärtchen mit gedruckten Wunschversen, deren radierte, gestochene oder lithographierte Bildchen (Allegorien, Genreszenen etc.) häufig handkoloriert waren. Neben der Versendung im Umschlag durch Post oder Boten war auch die persönliche Abgabe der Neujahrswünsche am Neujahrstag üblich, wo die Karte - falls man nicht empfangen wurde - in die dafür bestimmte Besucherschale gelegt wurde.
Als Geschenke an Anverwandte und Freunde (vgl. Nr. 5), besonders im ländlichen Bereich gab es noch lange handgeschriebene, geschmückte Wunschbriefe, deren Ausführung für Schreibunkundige manchmal Lehrer oder Pfarrer übernahmen (vgl. Nr. 9), welche die Tradition der Briefsteller und Briefmaler weiterführten. So schreibt Meyers Großes Konversations-Lexikon (6. Aufl., 1905-1909, Artikel "Briefsteller"), dass "wo die Volksbildung noch so zurück ist, dass die Landbevölkerung der Mehrzahl nach weder des Lesens noch des Schreibens kundig ist", sogar das "Gewerbe des öffentlichen Briefstellers noch besteht." Die Erzeugnisse der Briefmaler "waren keine bedeutenden Kunstwerke, aber volkstümlich [...]. Sie sind kulturgeschichtlich sehr aufschlussreich." (Lexikon der Kunst in fünf Bänden. Hier Bd. 1, Berlin 1981, S. 341)
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde durch die großenteils industrielle, jedoch durch Handarbeit ergänzte Herstellung der Wunschkarten und -briefe der Kauf für eine breitere Käuferschicht möglich. Meist musste auf den mit Bild, Vers oder Text bedruckten Karten nur noch der Name handschriftlich beigefügt werden. Die industrielle Massenproduktion der Glückwunsch-Postkarten und verzierten Briefbogen vor und nach 1900 ermöglichte dann für (fast) jedermann den Kauf der bunten Ware.
Christa Pieske (ABC des Luxuspapiers, S. 99) charakterisiert die verzierten Briefbogen als zeitstilbezogene und trendbewusste Produkte der Luxuspapierindustrie im gesamten 19. Jahrhundert. Schon Königin Luise schrieb ihr Tagebuch 1809 auf verzierte Bogen der Prägeanstalt Dobbs in London. Es gab Bogen mit schlichter Prägebordüre, Stanzspitze, Stahlstich- und Lithographieansichten u.v.m. "Zum Jahrhundertende hatte sich [...] die Chromolithographie durchgesetzt, z.T. in Verbindung mit Prägung und Stanzung."
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Links: Doppelbriefbogen mit prächtiger Stanzrahmung, vergoldet und koloriert und mit einem lackierten Blumenmedaillon beklebt. Höhe 26; Breite: 21 cm. 1870er Jahre. | Rechts: Stanzspitzen-Briefbogen mit aufgeklebter Oblate, die in einem Blumenkranz eine Hand mit Buch (Album) zeigt. Höhe 20,5; Breite 14 cm. Um 1890.
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Die Festtagsbriefe wurden viele Jahrzehnte auf neutrale Zierbriefbogen geschrieben und erhielten erst durch ihren Text Bezug auf Neujahr oder andere Feste. Um 1870 und später waren Goldprägebordüren und -reliefs beliebt, in deren vorgefertigte Medaillons Oblaten mit neutralen Motiven geklebt waren (vgl. Nr. 6-7). Erst in den 1890er Jahren kamen ganzseitige, aufwendig gestaltete Neujahrsmotive in Gebrauch mit eingedruckten Glückwünschen (vgl. Nr. 8), wodurch der vom Schreibenden vorgesehene Text (Prosa oder Gedicht) auf das zweite Blatt verwiesen wurde. "Die Doppelblätter (gr. 4o bis gr. fol.) trugen auf der Vorderseite lithographierte, chromolithographierte oder gedruckte Darstellungen religiösen oder genrehaften Inhalts. [...] Das Schreiben dieser Briefe gehörte zu den selbstverständlichen Pflichten der Kinder in der Mittel- und Oberschicht; sie wurden auch in der Schule dazu angehalten." (Pieske: ABC des Luxuspapiers, S. 284) Die Übergabe des Briefes erfolgte dann am Neujahrsmorgen (vgl. Nr. 4).
Literatur:
* Glückwunschkarten und Schmuckbriefe aus drei Jahrhunderten. Sonderausstellung im Bundespostmuseum. Frankfurt a.M. 1970.
* Elke Gottschalk: Papierantiquitäten. Luxuspapiere von 1820 bis 1920. Augsburg: Battenberg 1996.
* Gustav Gugitz: Alt-Wiener Neujahrswunschkarten. In: Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgraphik. Wien 1939, S. 11 ff.
* "Ich wünsche Ihnen 1000 Glück". Freundschaftsgaben des Biedermeier. Kunstbillets, Ziehbilder und Glückwunschkarten. Buch- und Kunstantiquariat Robert Wölfle München. URL:
www.woelfle-kg.de/pic/glueckwunsch2003.pdf
* Papier im Reiche des Luxus und der Phantasie. Mit Beiträgen von Christa Pieske und Rolf Kuschert (Schriften des Kreisarchivs Nordfriesland. Schloss vor Husum; 10) Husum 1987.
* Christa Pieske: Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930. Berlin: Dietrich Reimer 1983.
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Neujahr in Bildern und Texten
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Prosit Neujahr!
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Neujahrswünsche auf Grafiken
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Neujahrsentschuldigungskarten von Joseph Führich
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