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Danica Krunic: TimeLine der Goethezeit

Einen Überblick über die Chronologie der kulturellen Entwicklungen der Goethezeit gibt die Zeitleiste TimeLine Goethezeit. Hier können Sie (inter-)aktiv durch die Kultur der Jahre 1760 bis 1840 streifen. Beim Klicken auf die einzelnen Bilder und Texte gelangen Sie auf weiterführende Seiten, zu wissenschaftlichen Beiträgen oder direkt in unsere Künstler- und Denkerenzyklopädie.

Unbenanntes Dokument Unbenanntes Dokument TimeLine Goethezeit
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Gedanken der AUFKLÄRUNG 1720-1785

 

Die grundlegende Idee der Aufklärung ist die der individuellen Freiheit im Gegensatz zur Gebundenheit des Individuums durch Kirche, Monarchie, das gesellschaftliche Feudalsystem oder den wirtschaftlichen Merkantilismus. Ausgehend von den französischen Intellektuellen wie Diderot, d'Alembert und Voltaire kann die Aufklärung als eine Emanzipationsbewegung des gebildeten Bürgertums angesehen werden. Nach einem Zustand von innerer Zerrissenheit, wie sie im Barock vorherrschte, brach sich nun der Glaube an die Vernunft Bahn: Der "Rationalismus" ist das Schlagwort dafür. Ihr Programm war es, die Religion durch die Wissenschaft und den Glauben an die Vernunft zu ersetzen. Kant bezeichnet die Aufklärung als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Damit war auch der Grundstein zur Vorbereitung der Französischen Revolution gelegt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Radikale Neuorientierung der KUNST

 

Unter dem Einfluss der rationalen Philosophie und damit verbunden auch mit dem Aufkommen eines neuen Bürgerverständnisses, hatte sich auch ein neues Verständnis für die und ein neuer Umgang mit der Kunst herangebildet. Noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts diente Kunst eigentlich ausschließlich religiösen oder politischen Zwecken unter dem Motto: Kirche oder Palast?
So wie sich die Gesellschaft in geregelten Konventionen bewegte, so agierten die Kü̈nstler im Rahmen vorgegebener Kunstregeln. (Eric Forssmann)

So überwindet die Aufklärung auch den Barock, der von höfischem und kirchlichem Schwulst getragen wurde.

Nach dem Ende des Ancien Régimes gewann Kunst nun auch im gesellschaftlichen Leben an Bedeutung. Das Bürgertum löste sich durch das neue Denksystem, das Selbstbestimmung und Selbstvollendung in den Vordergrund stellte, von den Zwängen seiner althergebrachten Auftraggeber, wurde autark und gewann an ästhetischem Selbstverständnis.

Einhergehend mit den rhetorisch-poetologischen Aspekten der Nützlichkeit - docere, movere und delectare - wie sie insbesondere der antiken Rhetorik zugrunde lagen, hatte auch Kunst die Aufgabe, den Bürger zu belehren (Wirkungsästhetik).

 

 

 

 

Überwindung des ROKOKO

Die intime Verspieltheit des Rokokos weicht einer "klassischen" Formstrenge

 

 

 

 

Überwindung des ROKOKO

 

Im Zuge der Aufklärung setzte eine neue Phase der Produktion von Kunst ein, welche schließlich das Ende des Rokoko als sanft und harmlos tändelnde, nicht sehr nachhaltige literarische Spielart herbeiführte.

Der Überladenheit des Spätbarock und der intimen Verspieltheit des Rokoko, das sich einerseits an der bukolischen und pastoralen Lyrik des 17. Jahrhunderts orientierte und andererseits mit höfischen Szenen voller Frivolität aufwartete, wie sie in den Werken von FRAGONARD, WATTEAU und BOUCHER zu finden sind, wurde eine "klassische" Formstrenge gegenübergestellt. Reinheit und Klarheit der Darstellung, Vorrang der Linie gegenüber Farbe und räumlicher Tiefenillusion bestimmten das neue Kunstideal.

Nach dem Ende des Rokoko wurden neue Themen innerhalb der literarischen Aufklärung entwickelt. Dazu gehören unter anderem nationale und patriotische Tendenzen, die die Rückwendung ins Germanische und die Einheit aller Deutschen beschwören. Zeitkritische Auseinandersetzungen spielten ebenso eine Rolle wie sozial-familiale Fragen der Ehe und Bildung, Geschlechterkonflikte und der Wirtschaftlichkeit. Kennzeichnend für diese Zeit ist die Loslösung von religiösen Themen beziehungsweise deren Verweltlichung. Vermehrt zeigte sich eine Rückwendung auf antike Formen und Themen sowie eine Hinwendung zur Landschaftsmalerei. Helle Farben und heiter schwingende Linien bestimmten das neue Kunstideal.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken der EMPFINDSAMKEIT 1750-1770

Als Gegenströmung zur Aufklärung muss die Empfindsamkeit gesehen werden. Diese Strömung, die ihren Höhepunkt zwischen 1750 und 1770 erlebte, aber bis zur Jahrhundertwende immer virulent blieb, evoziert genau die Themen und Motive, die der Aufklärung als sehr rationalistisches Denksystem diametral gegenübergesetzt waren. Die Empfindsamkeit ist gekennzeichnet als Zeitalter eines schwärmerischen Freundschaftsbundes, einer starken Naturverbundenheit und einer neuen Akzentuierung erotisch entschärfter Liebe. Die Texte sind häufig tränenrührig, Tod und Trennung schwingen in vielen Kontexten mit und prägen die Strömung mit.


Man kann die Empfindsamkeit kaum als homogene Strömung oder sogar Epoche fassen beziehungsweise bezeichnen. Zu unterschiedlich sind Autoren und Texte, das Spektrum der Empfindsamkeit reicht von Friedrich Gottlieb Klopstocks "heiligen" Freundschaftsoden (wie "Der Zürchersee") über die durch Thomas Gray beeinflusste Friedhofslyrik, die Ludwig Heinrich Christoph Hölty in Deutschland zur Meisterschaft führt, bis zu Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers", den Renate Krüger als den Höhepunkt im "Zeitalter der Empfindlichkeit" bezeichnet.

Empfindsamkeit

Auch auf dem Gebiet der Religiosität war die Empfindsamkeit eindeutig anti-aufklärerisch. So prägt der Pietismus als protestantische Frömmigkeitsströmung das Denksystem mit. Der Pietismus akzentuiert die Rückwendung auf die Bibel, das Priestertum aller Gläubigen und die subjektive Seite des Glaubens, die sich in Träumen, Visionen und im direkten Gespräch mit Gott ausdrückt. Viele Autoren des 18. Jahrhunderts sind protestantisch und dem entsprechend vom Pietismus beeinflusst. Das gilt für Klopstock wie für Gottfried August Bürger, für Christian Fürchtegott Gellert (den zeitweilig am meisten gelesenen Autor der Aufklärung!) wie Matthias Claudius. Die Namen zeigen, dass der Pietismus keine kurzlebige Strömung war: Er muss als herausragende Ausprägung des Protestantismus im 18. Jahrhundert gelten.


Um 1770 gibt es einen massiven Paradigmenwechsel im deutschen Sprachraum. Zwar bleibt die Aufklärung als antikirchliche und freiheitsliebende, damit anti-absolutistische "Mutter" weiter bestehen, aber eine junge Generation an Autoren und Philosophen bringt neue Gedanken in Literatur und Publizistik ein. Im Vordergrund stehen der Bruch mit allen gesellschaftlichen Regel und Normen und die Hinwendung zu einer individuellen Lebensweise. Idol und Ideal ist William Shakespeare, von dem Goethe sagt: "Natur! Natur! Nichts so Natur als Shakespaeres Menschen!" Symbolfigur der Stürmer und Dränger ist das Genie. Immer männlich, bricht im Genie eine animalische Autonomie durch, die alles andere, das sich nicht seinem individuellen, machtvollen Genie-Strom beugen will, ins Verderben reißt. Man denke an die Bruder-Konflikte bei Friedrich Maximilian Klinger und Johann Anton Leisewitz. In deren historischen Dramen "Julius von Tarent" beziehungsweise "Die Zwillinge" tötet der genialische Bruder den empfindsamen, weil ersterer das gesellschaft tradierte Herrscherrecht des Älteren aufgrund seiner genialischen Lebensweisen, mit der er sich selbst über alle Menschen erhebt, nicht anerkennt.

                   

 

Die GOETHEZEIT 1760-1840

 

Die Goethezeit ist eine Phase des radikalen künstlerischen Umbruchs.

Es ist eine Epochenschwelle, welche eine vollständige Transformation der vorherrschenden Kunstauffassung, ihrem Wesen und ihrer Funktion in der Gesellschaft mit sich brachte. Eine Zeit, in der verschiedene Stilformen und Stilrichtungen zwar zeitlich nebeneinander, doch programmatisch gegeneinander in Erscheinung treten

Es ist der Gegensatz des Vernunftbestimmten und des Gefühlsbetont-Sinnlichen, des Klassizismus und der Romantik, welcher das Kunstideal dieser Zeit bestimmt.

 

 

 

 

        GEHEIMBÜNDE und FREIMAURERTUM          

BILDUNGSIDEAL

In den 1770er Jahren verstärkte sich diese intellektuelle Geisteshaltung zunehmend und schon bald wurde das Stichwort "Bildung" zum Schlüsselbegriff dieser Epoche. Symptomatisch ist dies deutlich in der Bewegung des Sturm und Drang aufzuzeigen. Wenngleich das neue Lebensgefühl der Geniezeit noch keine direkten Auswirkungen auf die Bildenden Künste zeigt, so bildet sie doch die Basis für die nachfolgende
geistesgeschichtliche Entwicklung und ihre Konzepte von Genialität, Universalität und Autonomie.

                         

KLASSIZISMUS

Die Klassik, ohne Zweifel die bedeutendste Epoche der deutschen Geistesgeschichte, schließt sich an den Sturm und Drang an, der endet, als die erste Autorengeneration (eine zweite gab es nicht, nur Friedrich Schiller holt ab 1780 nach, was ihm aufgrund seines Alters – der 1759 Geborene ist etwa zehn Jahre jünger als die Stürmer und Dränger um Goethe, Herder und Co. – in den 1770ern verwehrt blieb) den Genieschuhen entwachsen ist. Im Zuge des von Johann Joachim Winckelmann initiierten Altertumsinteresses verbreitet sich ab spätestens 1785, nach Goethes Rückkehr aus Italien, zunehmend das strengere klassizistische Kunstideal, dessen oberstes künstlerisches Ziel die Nachahmung der klassisch antiken Kunst gewesen ist. Winckelmanns eingehende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kunst der Antike bildet die direkte Grundlage für den Klassizismus in Deutschland.


Die zunehmende Begeisterung der deutschen Künstler fü̈r Italien und seine Kunstschätze trug ebenfalls entscheidend zu dieser Entwicklung bei. Das idealisierte Griechenland- und Antikebild wird als Vorbild der modernen Kunst betrachtet: "Das allgemeine Kennzeichen der griechischen Meisterstü̈cke ist eine edle Einfalt und stille Größe."

Diese Formel beinhaltet die Forderung nach harmonischer Einheit und Ganzheit der Persönlichkeit wie sie auch im Bildungs- und Humanitätsideal des Klassizismus gepflegt wird. Bestes Beispiel für diese Tendenz ist Goethes große Tragödie "Iphigenie auf Tauris".

GOETHES ITALIENREISE

Martin Dönike: "Diese hier beygelegte Nachrichten sind mir von H. Hirt mitgetheilt worden" - Anmerkungen zur ersten Beschreibung von Tischbeins Gemälde "Goethe in der Campagna di Roma"

Unter den Bildnissen Goethes zählt J. H. W. Tischbeins Gemälde, das den Dichter in der Campagna di Roma zeigt, sicherlich zu den berühmtesten. Von zentraler Bedeutung im Hinblick auf Entstehung und Deutung des Bildes ist eine im Teutschen Merkur erschienene zeitgenössische Beschreibung, die gemeinhin dem Vetter Tischbeins, Ludwig Philipp Strack, zugeschrieben wird. Der Beitrag weist nach, dass der für die Kunst- und Literaturgeschichte des Klassizismus so eminent wichtige Quellentext gar nicht von Strack stammen kann, sondern tatsächlich von dem damaligen Cicerone und späteren Professor für Theorie und Geschichte der zeichnenden Künste an der Berliner Universität Aloys Hirt verfaßt wurde, der 1786/87 in Rom sowohl mit Goethe als auch mit Tischbein in engstem Kontakt stand.

Martin Dönike: "Diese hier beygelegte Nachrichten sind mir von H. Hirt mitgetheilt worden" - Anmerkungen zur ersten Beschreibung von Tischbeins Gemälde "Goethe in der Campagna di Roma"

                                                             

 
                                       

Gerhard Lauer: Das Erdbeben von Lissabon. Ereignis, Wahrnehmung und Deutung im Zeitalter der Aufklärung

Der Beitrag diskutiert die Texte und Strategien, durch die erst das Erdbeben von Lissabon im 18. Jahrhundert zu einem Jahrhundertereignis stilisiert wurde. Ausgangspunkt ist einer der wenigen Augenzeugenberichte, der von den Debatten der Aufklärung kaum berührt ist. Über die politischen und konfessionellen Interessenslagen im Europa der Aufklärung hinweg bis in die gelehrten und literarischen Streitigkeiten der Philosophen um die Deutung der Katastrophe wird aufgezeigt, welche unterschiedlichen Funktionen das Erdbeben jeweils hatte. Von einer allgemeinen Erschütterung des Optimismus kann dabei kaum die Rede sein. Eher kam die Katastrophe vielen für ihre jeweils schon länger laufende Debatten gelegen. Schon bald sollte freilich der Siebenjährige Krieg alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Erdbeben von Lissabon wurde zur Geschichte schon im 18. Jahrhundert, nicht als ein Ereignis, sondern als ikonischer Moment der Aufklärung.

Gerhard Lauer: Das Erdbeben von Lissabon. Ereignis, Wahrnehmung und Deutung im Zeitalter der Aufklärung

Gunter E. Grimm: Schwächling und Despot. Süleyman der Prächtige im deutschen Drama des 18. Jahrhunderts

Der Aufsatz untersucht die Ikonographie des türkischen Herrschers im deutschen Drama des 17. und 18. Jahrhunderts am Beispiel Solimans (Süleymans II.), des berühmtesten der osmanischen Sultane. Vor allem zwei Komplexe aus der Regierungszeit Solimans haben zu dramatischen Gestaltungen angeregt: Der Sturz des allmächtigen Großwesirs Ibrahim und die Hinrichtung des eigenen Sohnes Mustapha. Im Zentrum der Untersuchung stehen die spätbarocken "Soliman"-Dramen Daniel Caspers von Lohenstein und August Adolph von Haugwitz', das Dramenfragment "Giangir" (1748) von Gotthold Ephraim Lessing und das Drama "Mustapha und Zeangir" (1761) von Christian Felix Weiße (1726-1804), Beispielen für die Weiterentwicklung von Mentalität und dramaturgischer Technik. Wie die abschließende Reflexion zeigt, war die Gestaltung des Türkenherrschers immer von der jeweiligen politischen Konstellation abhängig: Je größer die reale Gefahr einer Türkeninvasion war, desto negativer fiel das Bild des Herrschers aus. Die am Ende des 18. Jahrhunderts so beliebte Türkenoper zeigt dagegen bereits, dass die militärische Gefahr als überwunden gegolten hat: Aus dem Gewaltherrscher wurde nun ein geradezu humanistisch handelnder Fürst, der den europäischen Königen und Fürsten als Vorbild dienen konnte. Insofern fügt die Literatur der historischen Dokumentation immer eine intentionale Interpretation hinzu: Imagologie und Alteritätsforschung zeigen, dass Völkerbilder keineswegs bloße Abbilder von Realität, sondern eine Mixtur aus traditionellen Klischees und wenigen empirischen Daten sind, die sich – in Pro und Contra – am herrschenden Paradigma bzw. dem dominanten Diskurs orientierten. Dies gilt umso mehr für das Türkenbild, da diese deutschen Dichter des 18. Jahrhunderts keine empirischen Kenntnisse von Türkei und Türken bzw. dem osmanischen Reich und seinen Bewohnern hatten.

Gunter E. Grimm: Schwächling und Despot. Süleyman der Prächtige im deutschen Drama des 18. Jahrhunderts

 

Gunter E. Grimm: Christian Wolff und die Literatur der Frühaufklärung

Der Aufsatz behandelt folgende Aspekte:
1. Wolffs Ruhm: Zeitgenossen und Nachwelt
2. Literatur und Poetik im Werk von Christian Wolff
3. Gottscheds "Critische Dichtkunst" als Umsetzung der Wolffschen Philosophie
4. Wolffs Wirkung auf die Literatur der Frühaufklärung (Themen und Inhalte; Denkmethode; neue Stilideale)
5. Wolff in der Satire seiner Zeit

Christian Wolffs Auftreten signalisiert den Beginn einer theoriefreudigen, naturwissenschaftlich interessierten und lehrhaft-didaktischen Periode. Dem uneingeschränkten Vertrauen in die Allmacht der Rationalität entspricht die Verabsolutierung des Ordnungsdenkens und der methodologischen Exaktheit. Der Erfolg des Wolffschen Systems erklärt sich aus seiner stabilisierenden Funktion in der mentalitätsgeschichtlichen Krisensituation des 17./18. Jahrhunderts. Wolff und Gottsched ersetzten "geglaubte" Sicherheiten durch eine mathematisch abgesicherte, metaphysisch verankerte Ordnung. Wolffs Bedeutung muss historisch gesehen werden. So gewichtig sein Wirken für die Entwicklung des Wissenschaftssystems war, für die Literatur war es eher indirekt. Die Funktion der Wolff-Gottschedschen Reform war ein kurzzeitiger Reinigungsakt, der die barocken, galanten und ‚politischen' Normen durch Vernunftnormen ersetzte, die der Ideologie des ‚aufgeklärten Absolutismus' entsprachen. Um bedeutende Literaturwerke zu schaffen, mussten die engen Regeln allerdings erst überwunden werden. Nicht von ungefähr propagierte Lessing gegen diesen Regelwust die freie Schöpferinspiration und das Wirken des Genies.

Gunter E. Grimm: Christian Wolff und die Literatur der Frühaufklärung

Ernst Fischer: "Immer schon die vollständigste Preßfreiheit"? Beobachtungen zum Verhältnis von Zensur und Buchhandel im 18. Jahrhundert

Wie drückend waren die Zensurverhältnisse im 18.Jahrhundert? Für das territorial zersplitterte Deutschland jener Epoche wird man eine flächendeckend zutreffende Antwort nicht geben können; überraschend aber, wie klar sich der Buchhandel zu dieser Frage geäußert hat: Friedrich Perthes zufolge herrschte damals die "vollständigste Preßfreiheit, der Sache und der That nach". Das Rätsel dieser rückhaltlos positiven Bewertung löst sich im Blick auf die durchgehend glimpfliche Behandlung, die Buchhändler in Zensurangelegenheiten erfahren haben: Ihnen kam zugute, dass der Buchhandel inzwischen zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor aufgestiegen war und jede Einschränkung seiner Tätigkeit durch obrigkeitliche Kommunikationskontrolle unter Gesichtspunkten des merkantilistischen Territorialinteresses unerwünscht sein musste. Dieser Antagonismus zwischen Ökonomie und Zensur spiegelt sich auch in den kameralistisch-gewerbepolitischen Argumentationsmustern, die für die Behörden handlungsleitend geworden waren und dem Buchhandel – jedenfalls bis zur Französischen Revolution – beträchtliche Freiräume verschafft haben. Der Beitrag gibt den Blick frei auf einen Problemzusammenhang, der in der (immer noch stark vorurteilsbehafteten) Zensurgeschichtsschreibung häufig übersehen wird.

Ernst Fischer: "Immer schon die vollständigste Preßfreiheit"? Beobachtungen zum Verhältnis von Zensur und Buchhandel im 18. Jahrhundert

   

Stefan Schweizer: Didaktik der Aufklärung in der Anthropologie zur pädagogischen Moralerziehung auf Gymnasien

Der Aufsatz analysiert anthropologische Schulbücher des Gymnasiums. Diese sind zu einem signifikanten Zeitpunkt des Goethezeitalters entstanden, nämlich genau zwischen der Epoche der Aufklärung und der Romantik. Deutlich wird, dass unter dem Einfluss Immanuel Kants und den soziopolitischen Einflüssen der Aufklärung ethische Werte und Moralvorstellungen als pädagogische Ziele in anthropologischem Gewand präsentiert werden. Didaktisch werden die moral-ethischen Implikationen der Anthropologie als Befunde einer "harten" und empirisch ausgerichteten Wissenschaft vorgestellt. Insofern besitzen die in den Lehrbüchern präsentierten Werte und Moralvorstellungen einen nicht angreifbaren oder zu hinterfragenden Status.

Stefan Schweizer: Didaktik der Aufklärung in der Anthropologie zur pädagogischen Moralerziehung auf Gymnasien

Günter Häntzschel: Gottfried August Bürger

Gottfried August Bürger war - trotz Schillers herber Kritik - einer der großen, volkstümlichen Poeten des späten 18. Jahrhunderts. Seine "Lenore" fehlt in keiner Balladen-Anthologie, seine Ausgabe der "Wunderbaren Reisen des Freiherrn Münchhausen" gehört zum Kanon der humoristischen, der satirischen deutschen Literatur. Kaum bekannt ist geblieben, dass die Tragödie seines Lebens auch Signifikanz für das Dasein vieler Intellektueller des Zeitalters der Aufklärung hatte. Günter Häntzschel bietet hier eine Einführung in Leben und Werk dieses Mannes mit der Brillanz des Kenners eines zu unrecht kaum bekannten Werks und mit der Zuneigung des Forschers für ein Schicksal, das eine Epoche in vielen Facetten gespiegelt hat.

Günter Häntzschel: Gottfried August Bürger

   

Carola Hilmes: "Jetzt bin ich negativ glücklich". Die autobiographischen Schriften und Reisetagebücher Elisa von der Reckes

In ihrer Zeit bekannt durch eine Publikation gegen Cagliostro, ist Elisa von der Recke (1754-1833) heute nur noch im historizistischen Kanon präsent. Dabei verdienen die heterogenen Schreibweisen, in denen sie Ihre Autobiographie verfaßte, durchaus Beachtung. Vor allem die dialogische Selbstverständigung in Briefen zeigt die Rollenerwartungen an Frauen der Goethezeit und wie sie schreibend unterlaufen werden können. Die von den Autorinnen um 1800 vertretene heteronome Ästhetik motiviert auch einen anderen Blick auf Literatur und Geschichte.

Carola Hilmes: "Jetzt bin ich negativ glücklich". Die autobiographischen Schriften und Reisetagebücher Elisa von der Reckes

Wolfgang Burgdorf: Nationales Erwachen der Deutschen nach 1756. Reichisches gegen territoriales Nationalbewußtsein. Imitation eines Schweizer Vorbildes oder Inszenierung des kaiserlichen Hofes?

Der Beitrag schildert die Auswirkungen der Gründung der "Helvetischen Gesellschaft" in der Schweiz 1762 auf die reichs- national- und landespatriotischen Diskurse in den vier letzten Dekaden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Insbesondere wird geschildert, wie im Wiener Umfeld des Kaisers versucht wurde, nicht nur den deutschen Patriotismus zu beleben, sondern ihn auch für die Unterstützung der kaiserlichen Politik in Deutschland zu nutzen.

Wolfgang Burgdorf: Nationales Erwachen der Deutschen nach 1756. Reichisches gegen territoriales Nationalbewußtsein. Imitation eines Schweizer Vorbildes oder Inszenierung des kaiserlichen Hofes?

   

Konrad Feilchenfeldt:"Seyn" und "Heissen" Sprachauffassung und Gesprächsführung im freimaurerischen Diskurs seit Lessing

Schon immer ist es bekannt gewesen, dass alle großen Autoren des 18. Jahrhunderts Freimaurer waren wie Lessing, Goethe, Schiller, Herder, Wieland, Friedrich Schlegel und viele andere, doch die Furcht, Werke dieser Autoren immer nur als Bekenntnisse zur Freimaurerei richtig deuten zu können, hat schon unter den zeitgenössischen Lesern dieser Werke Zweifel an der Zweckmäßigkeit einer solchen Sichtweise geweckt. Der folgende Beitrag ist deswegen ein Versuch, Freimaurerei als Qualität eines Textes nicht über die Mitgliedschaft des Autors in einer Freimaurerloge zu identifizieren, sondern über eine Denkfigur, die sowohl aus freimaurerischer Überlieferung bekannt, als aber auch in literarischen Zeugnissen zu belegen ist, die auf den ersten Blick nichts mit Freimaurerei zu tun haben.

Konrad Feilchenfeldt:"Seyn" und "Heissen" Sprachauffassung und Gesprächsführung im freimaurerischen Diskurs seit Lessing

Christine Haug: "Ich sehe mit Verlangen der Stunde entgegen, die mich von Brod-Arbeit befreien soll" – Georg Forster im Beziehungsgeflecht seiner Verleger um 1800

Verleger mit ihren weit reichenden Handelskontakten und Autoren mit ihren intimen Kenntnissen über den europäischen Kultur- und Wissenschaftsbetrieb waren – dies lässt sich am Beispiel von Georg Forster besonders eindrucksvoll aufzeigen – elementare Knotenpunkte von internationalen literarischen Netzwerken, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zugleich konstituierende Merkmale einer modernen, innovativen Unternehmensführung in der Verlagsbranche waren. Am Beispiel der Privatkorrespondenz Georg Forsters mit seinen Verlegern, insbesondere mit Karl Philipp Spener, lässt sich die Multifunktionalität von solchen Netzwerken besonders eindrücklich beschreiben. Die enge Verflechtung von sozialen, literarischen und postalischen Netzen gewährleistete eine maximale grenzübergreifende Kommunikation um 1800; gleichwohl dokumentiert Forsters Verlegerkorrespondenz zugleich die Defizite des Kommunikations- und Literatursystems.

Christine Haug: "Ich sehe mit Verlangen der Stunde entgegen, die mich von Brod-Arbeit befreien soll" – Georg Forster im Beziehungsgeflecht seiner Verleger um 1800

Malte Stein: »Frauen-Schönheit will nichts heißen«. Ansichten zum Eros als Bildungstrieb bei Winckelmann, Wilhelm von Humboldt und Goethe

Die Forderung nach mehr und besserer Bildung zu stellen, hieß im Neuhumanismus um 1800 bekanntlich, auf eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Sinnlichkeit und Vernunft zu drängen. Weniger bekannt ist indessen, mit welchem Nachdruck zur Zeit der Weimarer Klassik Bildungsfragen in Anknüpfung an Schriften Platons als ein im Kern erotisches Problem erörtert wurden. Obgleich meist sorgfältig camoufliert, läßt sich die Thematisierung des Eros als Bildungstrieb von Winckelmanns "Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke" über Arbeiten Wilhelm von Humboldts bis hin zu Goethes "Faust"-Tragödie rekonstruieren. In diesem Zusammenhang erweist sich letztere als eine fundamentale Kritik am "klassischen" Bildungskonzept: Während von Humboldt im Eros eine schöpferische Urkraft und fortschrittstiftende Dynamik sieht, von der schon die Griechen geahnt hätten, daß sie das Chaos zum Kosmos ordne, präsentiert Goethe den Eros als eine Macht, welche zu vermeintlich Großem drängend ins Chaos zurücktreibt. Ebenso wie das sich bildende Individuum bei von Humboldt streben auch Faust und seine Parallelfiguren eine Ganzheit ihrer individuellen Vermögen an, wobei es auch ihnen im Kern darum geht, sich mit autonomen Geburtsakten den Traum der Unsterblichkeit zu erfüllen. Goethe allerdings deckt mit seinem Trauerspiel die Nachtseite solchen Ganzheitsanspruches auf, indem er zeigt, daß die Aneignung der Lebenserzeugung durch den Mann einhergeht mit einer Verleugnung des Lebenserzeugenden in der Frau sowie einem – in der Moderne zunehmend zerstörungsmächtigen – Menschenhaß überhaupt.

Malte Stein: »Frauen-Schönheit will nichts heißen«. Ansichten zum Eros als Bildungstrieb bei Winckelmann, Wilhelm von Humboldt und Goethe

Katja Mellmann: Das Buch als Freund – der Freund als Zeugnis. Zur Entstehung eines neuen Paradigmas für Literaturrezeption und persönliche Beziehungen, mit einer Hypothese zur Erstrezeption von Goethes Werther

Wenn der fiktive Herausgeber von Werthers Briefen seinen Lesern das Buch als einen "Freund" anempfiehlt, so legt er nahe, dass literarische Werke eine parasoziale Funktion erfüllen können. Dem korrespondiert in der Werkstruktur eine emotive Strategie der Figurenrede, die in der Empfindsamkeit zur Stimulation von Mitleid entwickelt wurde, von Goethe aber zur konsolatorischen Kommunikation von Individualität eingesetzt wird. Die Analyse dieser Technik wirft auch neues Licht auf das so genannte Wertherfieber, das - entgegen dem Forschungstopos vom Missverständnis des Werks durch eine unreife Leserschaft - nun als geglückte Kommunikation einer jugendlichen Sub- oder Pop-Kultur erscheint.

Katja Mellmann: Das Buch als Freund – der Freund als Zeugnis. Zur Entstehung eines neuen Paradigmas für Literaturrezeption und persönliche Beziehungen, mit einer Hypothese zur Erstrezeption von Goethes Werther

 

Erich Kleinschmidt: Kulturhermeneutik als Kulturpoetik. Friedrich Schlegels "Über das Studium der griechischen Poesie"

Als ein Text, der in der "Sattelzeit" (Kosellek) um 1800 den Übergang von statischen kulturhermeneutischen An- und Ausschlusskonzepten hin zu mobilen kulturpoetischen Entwürfen im Modus von Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung exemplarisch vorführt, kann Friedrich Schlegels großer, ab 1794 sich entwickelnder Essay "Über das Studium der griechischen Poesie" gelten. Seine Struktur wird von dynamischen Argumentationen bestimmt, in denen sich eine "geduldige Destillation" der kulturhermeneutischen Bestimmung mit dem Schwellendiskurs kulturpoetischer Projektion verbindet. Diese Kopplung, hinter der ein philosophisches Denken in Wechselbezügen steht, begründet und motiviert das innovative, wenn auch nur bedingt schon zu offenem Selbstbewusstsein des Autors verdichtete Projekt und seine Ausgestaltung. Schlegel entwickelt das Leistungsprofil seines sich als "Versuch" verstehenden Textes eher fragil, stand er doch vor der schwierigen Aufgabe, ein Denken von Identität mit dem von Differenz im Bestimmungsverhältnis der Antike zu den ‚Modernen' zu realisieren.

Erich Kleinschmidt: Kulturhermeneutik als Kulturpoetik. Friedrich Schlegels "Über das Studium der griechischen Poesie"

Stefan Schweizer: Zwischen Poesie und Wissen. E.T.A. Hoffmanns Der Magnetiseur. "... und die Welt wird neu geordnet". Kontinuität und Bruch.

Der vorliegende Aufsatz über E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Magnetiseur (1814) will textimmanente Komponenten mit kontextanalytischen Teilen verbinden. Die textimmanente Analyse umfasst dabei konventionelle erzähltextanalytische Fragen wie z.B. diejenigen nach den Erzählsituationen, der Figurenanlage und den Figurenkonstellation. Die rein textimmanent verfahrende Analyse sollte aber, um den wünschenswerten Analyseertrag zu erbringen, durch eine Kontext-Analyse ergänzt werden, welche um den Themenbereich des Mesmerismus bzw. Magnetismus und der Traumforschung der Anthropologie der Romantik kreist. Ein innovativer Aspekt des Aufsatzes liegt demnach darin, dass dezidiert und en detail ein wesentliches Element des Kontextes der Hoffmann-Erzählung in die Analyse einbezogen wird. Der angesprochene Kontext besteht aus Schuberts Magnetismus-Theorie, welche Hoffmann nachweislich bekannt war und ihm in schriftlicher Form vorgelegen hat.

Stefan Schweizer: Zwischen Poesie und Wissen. E.T.A. Hoffmanns Der Magnetiseur. "... und die Welt wird neu geordnet". Kontinuität und Bruch

 

Horst Jesse: Goethe und Lavater im Gespräch über den christlichen Glauben. Erkenntnis des Göttlichen oder Bekenntnis zu Jesus Christus

Wie ein roter Faden zieht sich durch die deutsche Geistesgeschichte das fortlaufende Gespräch zwischen dem christlichen Glauben und der Möglichkeit einer autonomen Persönlichkeit im Sinne der Aufklärung. Der Aufklärer und Dichter Johann Wolfgang von Goethe und der fromme Pfarrer und Dichter Johann Kaspar Lavater (1741–1801) haben darüber einen intensiven Meinungsaustausch geführt. Horst Jesse, Vorstandsmitglied der Goethe-Gesellschaft München, faßt ihn zusammen.

Horst Jesse: Goethe und Lavater im Gespräch über den christlichen Glauben. Erkenntnis des Göttlichen oder Bekenntnis zu Jesus Christus

Lothar Jordan: Torbögen bei Goethe und Kleist

Die Propyläen als Toranlage, die zur Akropolis führt, gaben der Kunstzeitschrift Propyläen (1798-1800) den Namen. Goethe gab sie heraus, um durch sie – wie durch ein Tor – die Kunst der Gegenwart zur Orientierung an der Antike zu führen. Das für die Zeitschrift grundlegende Motiv des Tores spielt eine Rolle auch in einem Artikel "Ueber Etrurische Monumente", den Goethes Freund und Mitarbeiter Johann Heinrich Meyer anonym im ersten Band der Propyläen (S. 66-100) veröffentlichte.

Lothar Jordan: Torbögen bei Goethe und Kleist

 

Martin Dönike: »... Durch List und den ganzen Inbegriff jener Künste, die die Notwehr dem Schwachen an die Hände gibt«. Zur Denkfigur der Notwehr bei Kleist

Der Aufsatz widmet sich einem 1810 in Heinrich von Kleists Berliner Abendblättern erschienenen Distichon mit dem programmatischen Titel "Nothwehr" und unternimmt es, die in den beiden Versen geschilderte Technik der Täuschung und Verstellung vor dem Hintergrund der französischen Besetzung Preußens zu deuten. Dabei zeigt sich, daß das Notwehr-Distichon nicht nur als Lektüreanweisung zur Entschlüsselung der in den Abendblättern abgedruckten, vermeintlich pro-französischen Nachrichten zu verstehen ist, sondern darüber hinaus eine Denkfigur formuliert, der für Kleists Werke eine gewisse Schlüsselfunktion zukommt.

Martin Dönike: »... Durch List und den ganzen Inbegriff jener Künste, die die Notwehr dem Schwachen an die Hände gibt«. Zur Denkfigur der Notwehr bei Kleist

 

Klaus Kanzog: Wer ist Herr C. in Kleists "Über das Marionettentheater"?

Der erste Satz in Heinrich von Kleists Über das Marionettentheater enthält verschlüsselte Hinweise auf den fingierten Handlungsort ("Als ich den Winter 1801 in M... zubrachte") und auf einen "Hrn. C..." (den "ersten Tänzer der Oper"), deren Dechiffrierung den Kleistforschern stets Schwierigkeiten bereitete. Im folgenden Beitrag wird erstmals dargelegt, daß die Bezugnahme auf Mailand und den berühmten Tänzer Francesco Clerico Kleist Strategie des Namenbezugs am ehesten erhellt.

Klaus Kanzog: Wer ist Herr C. in Kleists "Über das Marionettentheater"?

 

Christa Dill: Generelle Aussagen Goethes über die Frauen

Das nachgelassene Lexikon der Goetheforscherin Christa Dill fasst alle Äußerungen Goethes über die Frauen zusammen. Die Sammlung enthält nicht nur die altbekannten, doch immer wieder neu zu entdeckenden Zitate, nicht nur viele geistgeschliffene Sentenzen, die "den höchsten Sinn im engsten Raum" zusammenfassen, nicht nur allerlei Lebensweisheiten und -wahrheiten in schlichter, einprägsamer Formulierung, sondern darüber hinaus alle Äußerungen Goethes über die Frau, die für ihn und auch für seine Epoche bedeutungsvoll und charakteristisch sind. Das Belegmaterial ist den Werken, den naturwissenschaftlichen Schriften, den amtlichen Schriften, den Tagebüchern, Briefen und Gesprächen entnommen, so dass Goethe hier als Dichter, als Wissenschaftler, als Staatsbeamter und nicht zuletzt als Mensch in seinen vielfältigen, öffentlichen und privaten Lebensbezügen, auch im vertraulichen Umgang zu Wort kommt.

An Themenkreisen werden vorgeführt: Wesen, Charakter, Verhaltensweise – Sittliche Verhaltensmuster, Verhaltensnormen – Fähigkeiten, Kräfte, Erziehung, Bildung, geistiges Leben – Tätigkeitskreis – Bindungen: Verhältnis zwischen Frauen und Männern; Liebe; Ehe; Familiäre Bindungen: Die Mutter; Die Tochter; Die Schwester; Die Schwiegermutter, die Schwiegertochter; Die Großmutter, die Enkelin; Soziale Bindungen: Frauen unter einander; Geselliges Leben – Stellung der Frau.

Ein detailliertes Verzeichnis dient als Wegweiser und ermöglicht es, die Sammlung auch als Nachschlagewerk für besondere Sachgebiete und für Einzelfragen zu benutzen.

Christa Dill: Generelle Aussagen Goethes über die Frauen

 

Katharina Mommsen: Herzogin Anna Amalias »Journal von Tiefurth« als Erwiderung auf Friedrichs II. »De la littérature allemande«

Der Vortrag beleuchtet das «Journal von Tiefurth« der Herzoginmutter Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach vom Sommer 1781 in seinem politischen Zusammenhang mit des preussischen Königs Friedrich II. Manifest »De la Littérature Allemande« von Ende 1780. Beide Erscheinungen, die man gewöhnlich nur als beiläufige Fußnoten zur Literaturgeschichte zur Kenntnis genommen hat, werden durch Detektiv-Philologie in einen schlüssigen politischen Zusammenhang gesetzt, der beiden erst ihre rechte Bedeutung gibt.

Katharina Mommsen: Herzogin Anna Amalias »Journal von Tiefurth« als Erwiderung auf Friedrichs II. »De la littérature allemande«

Carola Hilmes: Vom Skandal weiblicher Autorschaft. Publikationsbedingungen für Schriftstellerinnen zwischen 1770 und 1830

In der Goethezeit sind viele Schriftstellerinnen zu verzeichnen. Um publizieren zu können, bedienen sie sich unterschiedlicher Strategien: anonym, kryptonym, pseudonym oder heteronym. Nur selten publizieren sie unter eigenem Namen. Das Studium der Titelblätter ihrer Romane ist diesbezüglich aufschlussreich. In den "Vorbemerkungen" befleißigen sich die Autorinnen meist, ihren künstlerischen Anspruch gegenüber dem pädagogischen Wert des Buches zurück zu drängen, während das Romangeschehen selbst dann sehr häufig eine deutliche Kritik an den konventionellen Rollenerwartungen für Frauen und Männer erkennen lässt. So ist C.A. Fischer Die Honigmonathe (1802) die in Briefen polyperspektivisch entfaltete Geschichte einer gescheiterten Liebe. Mit ihrem Familien- und Revolutionsdrama Die Familie Seldorf (1795/96) greift Therese Huber literarisch in die politischen Debatten ihrer Zeit ein und setzt damit geschlechtsspezifisch neue Maßstäbe.

Carola Hilmes: Vom Skandal weiblicher Autorschaft. Publikationsbedingungen für Schriftstellerinnen zwischen 1770 und 1830

 

Günter Häntzschel: Eine deutsche Nausikaa?

Der Beitrag fragt, warum Goethes Versuch, die Nausikaa-Episode aus der Odyssee zu dramatisieren, über ein kurzes Fragment nicht hinausgelangte, obwohl er sich zeit seines Lebens intensiv mit Homer beschäftigte und in Odysseus' Schicksal autobiographische Parallelen erkannte. Er erörtert weiterhin, warum der Nausikaa-Stoff mit Ausnahme seiner Adaption in Adalbert Stifters Nachsommer im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart lediglich von einigen poetae minores als Versepos und in der Lyrik fortgeführt wurde, jedoch trotz seiner reizvollen Thematik nie recht heimisch werden konnte.

Günter Häntzschel: Eine deutsche Nausikaa?

 

Christine Haug: Weibliche Geselligkeit und literarische Konspiration im Vorfeld der Französischen Revolution – Über das Projekt zur Gründung einer Frauenlesegesellschaft in Gießen 1789/1790

Das Verborgene und Unentdeckte genoss im 18. Jahrhundert hohe Attraktivität. Entscheidende Impulse für eine Neubewertung des Geheimnisses lieferte nicht zuletzt die europäische Aufklärungsbewegung; die Gründung der zahlreichen, im Verborgenen agierenden Gesellschaften und Bünde war eine Reaktion der Aufklärung auf die absolutistische Arkanpolitik. Die Pläne zur Gründung einer Frauenlesegesellschaft in der mittelhessischen Universitätsstadt Gießen 1789/1790, die im geistigen Umfeld der radikalaufklärerischen Geheimgesellschaft "Deutsche Union" entstanden, waren eine Antwort auf die zahlreichen von Männern dominierten Lesegesellschaften, Klubs und Debattierkreise, deren Zahl im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts drastisch angestiegen war.

Christine Haug: Weibliche Geselligkeit und literarische Konspiration im Vorfeld der Französischen Revolution – Über das Projekt zur Gründung einer Frauenlesegesellschaft in Gießen 1789/1790

Wolfgang Frühwald: Die Kunst zu leben. Carl Gustav Carus und die Medizin seiner Zeit

Der Vortrag versucht den Zusammenhang von Kunst, Literatur und Medizin in dem historischen Augenblick einzufangen, in dem sich Kunst und Medizin, die über Jahrhunderte hin zusammengegangen sind, voneinander trennen. Die von Carl Gustav Carus mitbegründete Psychosomatik öffnet dabei ein Fenster in die Zeit vor dieser Trennung. Es war die Zeit der ars medica, in welcher die Heilkunst, die Malerei und die Literatur von ästhetischen und von medizinischen Beobachtungen bestimmt waren und die von Carus propagierte Kunst zu leben (die Gesunderhaltungskunde) den ganzen Menschen, Leib und Seele, meinte. Der Text handelt (1) von der rationalen Entzauberung und, komplementär dazu, von der poetischen Verzauberung der Welt, (2) von der pathologischen Anatomie als Leitwissenschaft in der Sattelzeit der Modernisierung, (3) von der als Kunstwerk verstandenen Medizin, (4) vom Verhältnis von Erd- und Seelenleben und (5) von unterschiedlichen "Räumen der Heilkunst" seit dem Ende des 18. Jahrhunderts.

Wolfgang Frühwald: Die Kunst zu leben. Carl Gustav Carus und die Medizin seiner Zeit

 

Anton Philipp Knittel: Carl Gustav Carus. Eine biografische Skizze

Die biografische Skizze stellt den Dresdner Arzt Carl Gustav Carus (1789-1869), Maler, Ästhetiker, Psychologe, Philosoph und Naturwissenschaftler, einer der letzten Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts, vor. Eigentümlich für diesen Polypragmatiker ist eine angestrebte Konvergenz ästhetischer und wissenschaftlicher Naturbetrachtung. Das gesamte Werk des "strengsten und behutsamsten unter den romantischen Denkers", wie die Schriftstellerin Ricarda Huch ihn bezeichnet hat, lässt sich gar als Paradigma einer "epochalen Konstellation" lesen, wie sie Karl Richter allgemein definiert hat.

Anton Philipp Knittel: Carl Gustav Carus. Eine biografische Skizze

Uwe Japp: Leid und Verklärung. Torquato Tasso als repräsentativer Dichter nach Goethe - mit Ausblicken auf Byron und Leopardi

Der Aufsatz diskutiert Goethes Torquato Tasso unter dem Rubrum ‚Leid und Verklärung'. Er verlängert dann die Perspektive ins 19. Jahrhundert, indem er weitere Tasso-Darstellungen vergleichend berücksichtigt (Zedlitz, Smets, Raupach).. Ein kurzer Ausblick auf Byron und Leopardi schließt den Beitrag.

Uwe Japp: Leid und Verklärung. Torquato Tasso als repräsentativer Dichter nach Goethe - mit Ausblicken auf Byron und Leopardi

 

Stefan Schweizer: Selbstreflexivität der Poesie bei Goethes Reineke Fuchs.
Die Interaktion von Form, Inhalt, Inter- und Intratextualität

Folgender Aufsatz analysiert die verschiedenen Bedeutungsebenen der Form und Funktion von Erzählung in Johann Wolfgang von Goethes "Reineke Fuchs". Primäre Bezugspunkte des Reimversepos sind Homers "Ilias" und Gottscheds "Reineke Fuchs". Besonders augenfällig ist die Bedeutung der Inter- und Intratextualität in Goethes Text. Die Erzählungen des Protagonisten Reineke besitzen mindestens vier verschiedene Funktionen, welche sowohl das Wohlergehen von Reineke als auch die Interaktion zwischen Erzähler und Hörer umfassen. Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt von Goethes Epos ist der Zusammenhang zwischen Leben und Dichtung. Ebenso werden die Fragen der sozialen Ordnung und Stabilität im Hinblick auf eine gelungene Individuation des Einzelnen thematisiert.

Stefan Schweizer: Selbstreflexivität der Poesie bei Goethes Reineke Fuchs. Die Interaktion von Form, Inhalt, Inter- und Intratextualität

Jürgen Daiber: Die Suche nach der Urformel: Zur Verbindung von romantischer Naturforschung und Dichtung

Die Studie stellt die romantische Suche nach der "Urformel" dar, sprich: den Versuch, alle Naturerscheinungen und die ihnen zu Grunde liegenden Gesetze durch eine Theorie zu erklären. In einem wissenspoetischen Transfer suchen romantische Autoren (Novalis, Achim von Arnim, E.T.A. Hoffmann etc.) diese Theorie auch auf die Sphäre der Dichtung auszuweiten.

Jürgen Daiber: Die Suche nach der Urformel: Zur Verbindung von romantischer Naturforschung und Dichtung

 

Christine Haug: "Die Bibliothek verteidigt sich selbst ...". Unsichtbare Literatur und verborgene Bibliotheken im 18. Jahrhundert.

Die Beschreibung einer Bibliothek als Ort des Geheimnisses, der Verführung und des Verbrechens gehört zu den literarischen Standardmotiven insbesondere der Grusel- und Schauerromane des 19. Jahrhunderts. Fiktive Bibliotheken folgten ihrer eigenen Architektur und zeichneten sich durch spezielle Zugangs- und Ordnungssysteme aus, die die Exklusivität der literarischen Institution gewährleistete. Den Zugang zum geheimen Wissen mussten sich die Protagonisten über die Dekodierung von kryptischen Schriften oder die Lösung von mystischen Zahlenrätseln erschließen. Während Buchhändler, Buchdrucker und Kolporteure die Beschaffung von Geheimliteratur übernahmen, sorgten findige Möbelbauer für die Bereitstellung von speziellen Aufbewahrungsorten.

Christine Haug: "Die Bibliothek verteidigt sich selbst ...". Unsichtbare Literatur und verborgene Bibliotheken im 18. Jahrhundert

Wolfgang Burgdorf: "... und die Welt wird neu geordnet". Kontinuität und Bruch. Vom Beginn der Revolutionskriege zum Deutschen Bund und zur Neuordnung Europas

Hier wird in sehr kurzer Form die Epoche von 1792, dem Ausbruch der Revolutionskriege, bis zum Ende des Wiener Kongresses 1815 als eine Scharnierzeit vorgestellt. Sahen wir am Anfang das Ancien régime, so sehen wir am Ende den Beginn der Neuzeit in Deutschland und Europa. Zudem wird dargestellt, inwieweit Teile des Staatsrechts des Alten Reiches als subsidiäres Staatsrecht des Deutschen Bundes weitergalten.

Wolfgang Burgdorf: "... und die Welt wird neu geordnet". Kontinuität und Bruch. Vom Beginn der Revolutionskriege zum Deutschen Bund und zur Neuordnung Europas

 

Martin Dönike: Jenseits "edler Einfalt und stiller Größe" - die "Zerstörung der Familie Priamo" auf der Weimarer Kunstausstellung von 1803

Am Beispiel der Weimarer Kunstpolitik legt der Beitrag dar, dass sich Kunst und Kunsttheorie des Neoklassizismus keinesfalls auf ein statisches, in Schönheit und Ruhe gleichsam versteinertes Ideal "edler Einfalt und stiller Größe" reduzieren lassen. Im Zentrum der Betrachtung steht eine aus dem Umkreis J. H. W. Tischbeins stammende Zeichnung nach einem antiken Vasengemälde, das mit der Eroberung Trojas eines der grausamsten Sujets zeigt, das die Kunst der Antike überhaupt kennt. Die Tatsache, dass Goethe und Meyer diese Zeichnung gleichwohl auf der Weimarer Kunstausstellung von 1803 als Muster für junge Künstler präsentierten, zeigt einerseits, wie groß die Bandbreite künstlerischer Ausdrucksgestaltung im Rahmen der Weimarer Kunstlehre tatsächlich war, und belegt zugleich, wie wenig der Klassizismus der Zeit um 1800 dem Klischee von Ausdrucksarmut und Leidenschaftsklosigkeit entspricht.

Martin Dönike: Jenseits "edler Einfalt und stiller Größe" - die "Zerstörung der Familie Priamo" auf der Weimarer Kunstausstellung von 1803

Patrick Peters: Der Rhein in Versen und Bildern. Auf den Spuren von Schlegel bis Byron

Um 1800 entwickelt sich die Rheinromantik. Dazu gehören u.a. Clemens Brentano, Friedrich von Schlegel, Lord Byron und William Turner. Diese Dichter und Maler stellen den Rhein mit seinen Baudenkmälern und der besonderen Landschaft in den Mittelpunkt ihres Schafens. Vor allem das obere Mittelrheintal hat es ihnen angetan.

Patrick Peters: Der Rhein in Versen und Bildern. Auf den Spuren von Schlegel bis Byron

Katharina Mommsen: Als Meisterin erkennst du Scherazaden. Über Goethes Inspirationen aus 1001 Nacht zum zweiten Teil der Faust-Tragödie

Das Beispiel der Scheherazade, das Goethe in der Breslauer Übersetzung von 1001 Nacht (1825 ff.) eifrig studierte, verhalf ihm dazu, im Faust II zur Form eines scheinbar fessellosen Traumspieles durchzustoßen und glückliche Lösungen für die schwierigsten Teile der geplanten Faust-Fortsetzung zu finden. Bei einer Reihe von Erzählungen der Scheherazade fiel es ihm "wie Schuppen von den Augen", plötzlich wußte er: "nur so kann es sein und nicht anders!"

Katharina Mommsen: Als Meisterin erkennst du Scherazaden. Über Goethes Inspirationen aus 1001 Nacht zum zweiten Teil der Faust-Tragödie

Julia A. Schmidt-Funke: Kommerz, Kultur und die ‚gebildeten Stände'. Konsum um 1800

Das adlig-bürgerliche Milieu der ‚gebildeten Stände', das sich im deutschsprachigen Raum während der Aufklärung formierte, verstand sich um 1800 als Avantgarde gesellschaftlicher Reformen. Julia A. Schmidt-Funke stellt diese Sozialformation in ihrem Beitrag als Konsumgemeinschaft vor und arbeitet damit die programmatische Bedeutung heraus, die Fragen der Kleidung, der Einrichtung oder des ‚Kulturkonsums' zukam.

Julia A. Schmidt-Funke: Kommerz, Kultur und die ‚gebildeten Stände'. Konsum um 1800

 

 

Rudolf Drux:"Aber abseits wer ist's?". Goethes Harzreise im Winter und die Rhapsodie des Johannes Brahms (im Kontext romantischer Winterreisen)

Mit seinem hymnischem Gedicht 'Harzreise im Winter', in dem Goethe auf seinen im Dezember 1777 unternommenen "Ritt" durch den Harz und die Besteigung des verschneiten Brocken rekurriert, hat er zwei für die romantischen Versionen winterlicher Reisen konstitutive Diskurse vorgeprägt: Zum einen ist ihnen die Reflexion über ihre poetische Gestaltung eingeschrieben, zum andern vermittelt die Schilderung frostiger und lebloser Landschaften eine (wie auch immer geartete) krisenhafte Situation und melancholisch-weltschmerzliche Stimmung. Diese wird in Goethes Gedicht mit der Frage nach dem einsamen ‚Menschenfeind' hervorgerufen, der sich in die Öde zurückgezogen hat. Die ihm gewidmeten Strophen V-VII hat Brahms 1869 in seiner Rhapsodie vertont und mit seiner Komposition die Gewissheit einer Erlösung aus unglückseliger "Selbstsucht" zum Ausdruck gebracht. Hingegen deutet Goethe nur die Möglichkeit einer Heilung der zur Werther-Zeit grassierenden "Empfindsamkeits-Krankheit" in den vielschichtigen Bildern seiner ‚Harzreise' an, mit denen er die Symbolik seiner klassischen Dichtung antizipiert.

Rudolf Drux:"Aber abseits wer ist's?". Goethes Harzreise im Winter und die Rhapsodie des Johannes Brahms (im Kontext romantischer Winterreisen)

 
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