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Goethe und die Musik

»Wirkung Goethes auf die Musikgeschichte«

Wie hoch die Wirkung Goethes auf die Musikgeschichte ist, läßt sich schon an seinem lexikalischen Einfluß auf andere Sprachen ersehen. So stünde das Wort »le lied« wahrscheinlich nie in einem französischen Dictionnaire, hätte es Goethe nicht gegeben. Auch die chinesische Transkription des Namen »Goethe« spiegelt dies wieder: Die erste Silbe bedeutet »Lied«, die zweite Silbe »deutsch«, sein Name wird so »zum Synonym für das deutsche Lied« [1].  

Das ist natürlich nicht verwunderlich: Die hier genannten Komponisten stellen nur eine exemplarische Auswahl der ungeheuren Goethe-Rezeption im Bereich der klassischen Musik dar. Die beiden Hauptfelder dieser Wirkungsgeschichte bilden dabei Liedvertonungen und musikalische Interpretationen des »Faust«. Doch der Titel »Rezeption« ist nach zwei Seiten hin offen: Nicht nur die Rezeption Goethes durch Komponisten, sondern auch die Wahrnehmung zeitgenössischer oder älteren Musiker durch ihn werden berücksichtigt.   

Erstaunlich ist, das Goethe in der Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gleichsam »durchgereicht« wurde, ein Komponist inspirierte den nächsten zu Goethe-Vertonungen. So orientierte sich Wagner (»Eine Faust-Ouvertüre«, 1839/55) stark an den Goethe-Kompositionen Beethovens, etwa dessen Musik zu »Egmont« und inspirierte dadurch auch seinen Kollegen Liszt zu dessen »Faust-Symphonie« (1854/57) [2]. Dieter Borchmeyer faßt dieses Phänomen wie folgt zusammen:

Wirkungsgeschichtlich betrachtet steht Goethe weit näher bei der Musik als bei der bildenden Kunst, zumindest spielte sich seine Wirkungsgeschichte weithin auf den obersten Rängen der Musik, dagegen überwiegend auf den unteren Rängen der bildenden Kunst ab. [3]

 

 

Komponisten 

Die hier getroffene Auswahl von Komponisten, die sich an Vertonungen von Goethe-Texten gewagt haben, kann natürlich in keinem Fall umfassend sein, sondern muß notwendigerweise exemplarisch bleiben. Dabei wurde auch, besonders im Fall von Bach und Mozart, berücksichtigt inwieweit Goethe das Bild der Nachwelt über diese Komponisten mitgeprägt hat.  

Bach - Beethoven - Mozart - Schubert - Schumann - Wagner

 

1. Johann Sebastian Bach (1685 - 1750)

Goethe beschäftigte sich Zeit seines Lebens, besonders während seiner italienischen Reise, mit zu seiner Zeit schon historischer Musik. Die Technik des Kontrapunkts und auch das Generalbassspiel war ihm nicht fremd, es ist sogar überliefert, dass er sich während des Hörens von Bach-Vorspielen des Musikers Schütz ins Bett legte und die Augen schloss, um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können [4]. In Erinnerung an diese Hörerfahrungen brachte Goethe 1814 eine Äußerung zu Papier, die für die Bach-Rezeption nicht ohne Folgen bleiben sollte:

 Ich sprach mir´s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sichs etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben; so bewegte sich´s auch in meinem Innern, und es war mir als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte. [5]

 

 

2. Ludwig van Beethoven (1770 - 1827)

Emile Pierre Pichard (erw. Mitte 19. Jh.), Beethoven und Goethe beim Spaziergang - Reproduktion einer Stich von Emile Pierre Pichard

Emile Pierre Pichard (erw. Mitte 19. Jh.): Beethoven und Goethe beim Spaziergang
Reproduktion einer Stich von Emile Pierre Pichard
Beethoven-Haus Bonn, Ley, Band VIII, Nr. 44

Das Verhältnis Goethes zu seinem Zeitgenossen Beethoven ist äußerst zwiespältig: Zwar bewunderte er dessen musikalische Fähigkeiten, wie sich nicht nur in Beethovens Egmont-Vertonung op. 84 (1809/1810), sondern auch in dessen Lied-Kompositionen zeigten und bemühte sich sogar Autographen von ihm zu erwerben.

So ist eine Äußerung Goethes überliefert, in der er in Bezug auf Beethoven von einem »bewundernswertem Genie« spricht, das seine im Werk liegenden Intentionen erkannt habe [6]. Zu einer intensiven künstlerischen Zusammenarbeit kam es aber nie, obwohl Beethoven von Goethe sagte, »daß sich keiner so gut komponieren lasse« wie er. Gründe hierfür dürften in der Abneigung Zelters gegen Beethoven und Goethes eigenem befremden gegenüber der »ungebändigten Persönlichkeit« Beethovens zu suchen sein.

Die von der Nachwelt schmerzlich vermißte kongeniale Zusammenarbeit mit einem Komponisten fand nie statt:

Daß die beiden Königskinder der Literatur und Musik der Zeit nicht zusammenkommen konnten, ist ein Stück jenes künstlerischen Dilemmas, das Goethes lebenslange poetische Annäherung an die Musik überschattet. [7]

 

 

3. Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

Im August 1763 kam es in Frankfurt zu einem Aufeinandertreffen von zwei noch blutjungen, später aber Epoche machenden Genies: Der damals vierzehnjährige Johann Wolfgang Goethe sah das sechs Jahre jüngere Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart bei dessen lang angekündigtem Konzert in Frankfurt. Die spätere Erinnerung Goethes läßt aber nichts von der Historizität des Ereignisses erahnen, das man dieser Begegnung als Rezipient der Nachwelt  nur allzu gerne beimessen würde: »ein kleiner Mann mit seiner Frisur und Degen«, vielmehr fiel Goethe Jahre später nicht mehr zu Mozart ein. Dabei war Mozart wahrscheinlich der Komponist, den Goethe am meisten bewunderte und verehrte, er trug damit nicht unwesentlich zum späteren Ruhm des zu Lebzeiten geschmähten Mozarts bei.

Diese Bewunderung hat viele Ursachen. Zwar ist von Goethe keine Äußerung über die einzige Vertonung eines seiner Gedichte durch Mozart (»Das Veilchen«, KV 476) erhalten, sicher ist aber, daß gerade die deutschen Singspiele des Salzburger Komponisten einen so starken Anklang fanden, dass diese entweder Anlaß waren, seine eigenen musiktheatralischen Pläne angesichts der überwältigenden Meisterleistung Mozarts als ungenügend zu verwerfen (so geschehen nach der »Entführung aus dem Serail«) oder ihn aber zu Fortsetzungen inspirierten - Goethe dichtete nämlich eine Fortsetzung für die »Zauberflöte«. Gerade dieses Werk und vor allem sein oft kritisiertes Libretto Schikaneders nahm Goethe in Schutz, für was ihm die Plattenindustrie bis heute dankbar sein dürfte. Kaum ein Begleitheft findet sich noch, in der seine Äußerung, Schikaneder besitze sehr wohl ein Gespür für die Darstellung von Kontrasten [8] nicht angeführt wird.

Erstaunlich auch der viel zitierte Wunsch Goethes, Mozart hätte doch den Faust vertonen sollen, erstaunlicher noch aber dessen Begründung:

 Das Abstoßende, Widerwärtige, Furchtbare, was sie stellenweise enthalten müßte, ist der Zeit zuwider. Die Musik müßte im Charakter des »Don Juan« sein; Mozart hätte den »Faust« komponieren müssen. [9]

 

Auch wenn diese Aussage die offensichtliche Verschiedenheit der Figuren nicht verwischen sollte, ist es doch bemerkenswert, daß Goethe bereits die in Mozarts Werk enthaltene Abgründigkeit erfaßt hatte und in ihm nicht nur den Komponisten des reinen und engelgleichen Ausdrucks sah, als der er von der Nachwelt zu häufig porträtiert wurde. Die Aussage Goethes ging aber, was gerne übersehen wird noch weiter: Auch Meyerbeer wäre für ihn in Frage gekommen. Dieser Zusatz hat nicht wenige Mozart- und Goethe-Exegeten zu gehässigen Bemerkungen hingerissen, so auch Wolfgang Hildesheimer:

Jedenfalls aber offenbart sich in der Mozart-Meyerbeer-Alternative, auf die selbst damals nicht so leicht ein anderer gekommen wäre, Goethes fundamentale Musikfremdheit. Das Genie ist nicht unbedingt auch in seinen rezeptiven Fähigkeiten genial. [10]

 

 

4. Franz Schubert (1797 -1828)

Die Tatsache, daß Goethe nie auf Schuberts Goethe-Lieder reagierte, die dieser ihm nach Weimar gesandt hatte gilt bis heute vielen Autoren als Beleg für seine musikalische Unfähigkeit. Dieser Vorwurf läßt sich aber, in zweierlei Hinsicht entkräften: Erstens konnte Goethe kaum sämtliche Partituren überblicken, die ihm nach Weimar geschickt wurden [11] und zweitens entsprachen seine eher konventionellen Ansichten über die Liedästhetik nicht mehr der Kompositionsweise Schuberts, der Lieder auskomponierte anstatt sich an deren strophische Vorgabe zu halten. [12] 

 

 

5. Robert Schumann (1810 - 1856)

Robert Schumanns bedeutende Liedvertonungen greifen zwar vor allem auf Gedichte Heinrich Heines zurück - allein im »Liederjahr« Schumanns 1840 entstehen 138 Lieder, darunter die »Heine-Lieder« und die »Dichterliebe«. Eine Erwähnung im Rahmen der Goethe-Rezeption ist aber dennoch notwendig, da Schumann in den Jahren 1853 »Szenen zu Goethes Faust« komponierte.

Auffällig ist dabei vor allem, dass Schumann die Akte 2 bis 4 des »Faust II« völlig überspringt, was für die These spricht, daß die Sprache vor allem in Akt 1 und 5 von Musikalität dominiert ist.

 

 

6. Richard Wagner (1813 - 1883)

Auch Richard Wagner reiht sich mit seiner »Faust-Ouvertüre« (1839/ 1855) in die Namen der Faust-Komponisten ein, seine Rezeption des Goetheschen Dramas beeinflusste aber auch sein dichterischen Schaffen. So lassen sich vor allem in seiner Ring-Dichtung zahlreiche Parallelen zum »Faust« finden. Man denke nur an die zweite Szene des »Rheingold«, in der Wotan genau wie Faust in »Faust II« zu Beginn des Bühnengeschehens in tiefem Schlaf liegt.

 

 

 

 

 

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[1] Borchmeyer, Dieter: "Eine Art Symbolik fürs Ohr". Goethes Musikästhetik, in: Hinderer, Walter (Hrsg.): Goethe und das Zeitalter der Romantik. Würzburg 2002, S. 415.

[2] ebd., S. 414.

[3] ebd., S. 415.

[4] vgl. Mandelkow, Karl Robert (Hrsg.): Briefe an Goethe, Band 2: Briefe der Jahre 1809-1832. Hamburg 1969. S. 451.

[5] Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchener Ausgabe. Band 20.3: Einführung und Kommentar zum Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 – 1832. Herausgegeben von Edith Zehm. München 1998, S. 833.

[6] Goethe: Sämtliche Werke. I. Abt. Bd. V: Dramen 1776-1790. Unter Mitarbeit von Peter Huber herausgegeben von Dieter Borchmeyer. Frankfurt a.M. 1988, S. 1205f.

[7] Borchmeyer, Dieter: "Eine Art Symbolik fürs Ohr". Goethes Musikästhetik, in: Hinderer, Walter (Hrsg.): Goethe und das Zeitalter der Romantik. Würzburg 2002, S. 437.

[8] Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. Band II, 12: Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Frankfurt a.M. 1999. S. 306.

[9] ebd., S. 515f.

[10] Hildesheimer, Wolfgang: Mozart. Frankfurt a.M. 1977, S. 50.

[11]  Borchmeyer, Dieter: "Eine Art Symbolik fürs Ohr". Goethes Musikästhetik, in: Hinderer, Walter (Hrsg.): Goethe und das Zeitalter der Romantik. Würzburg 2002, S. 418/ 419.

[12] ebd., S. 433-436

 

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