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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Grundprinzipien der Digitalen Literatur

1. Relevanz der Hypertextualität in der geisteswissenschaftlichen Forschungsarbeit

Die Hypertextualität ist von großer Relevanz für die Veränderungen in der geisteswissenschaftlichen Forschungsarbeit. Angesichts der immer größer werdenden Informationsmengen bewirkt die Linearität der Schrift eine „Verengung, die [...] den Verlust von Komplexität "Komplexität"  bedeutet“[1]:. „Was es heute zu denken gilt, kann in Form der Zeile oder des Buches "Buches"  nicht niedergeschrieben werden.“.[2] Grötschel und Lügger formulieren diesen Zustand treffend: „Das Papier hat seine Systemgrenzen erreicht“[3].

Ein möglicher Lösungsansatz für das Problem der Grenzen der Schriftsprache[4] ist die Hypertext "Hypertext" -Struktur des Internets: 

 „So gilt für unser Zeitalter der Datenflüsse prinzipiell: Das Buch  ist der Engpaß menschlicher Kommunikation. [...] Um die hier angezielte Komplexität  ohne Informationsverslust darzustellen, wäre eben eine Simultanpräsentation in mehreren Ebenen nötig.“[5]

Das Hypertextsystem durchbricht die traditionelle lineare Textstruktur und ermöglicht logische, inhaltlich zusammenhängende Verknüpfungen zu anderen digitalisierten Texten. Auf diese Weise schafft die Hypertextstruktur  Schnittstellen und stellt Anschlüsse zu anderen Wissensgebieten her, wie sie im Medium des Buchdrucks nur bedingt möglich sind.

Der italienische Sprach- und Literaturwissenschaftler Umberto Eco beschreibt dieses thematische Geflecht in seiner Nachschrift zum Namen der Rose:

„Das Rhizom-Labyrinth ist so vieldimensional vernetzt, daß [sic] jeder Gang sich unmittelbar mit jedem anderen verbinden kann. Es hat weder ein Zentrum noch eine Peripherie, auch keinen Ausgang mehr, da es potentiell unendlich ist. Der Raum der Mutmaßung ist ein Raum in Rhizomform.“[6]

Die Hypertextmethodologie ermöglicht uns dadurch Strukturen, welche im Druck nicht oder nur sehr schwer zu erreichen sind. Hypertexte sind eine Sammlung autonomer Texteinheiten (Knoten), die anhand von Verweisen (Links) beliebig miteinander verknüpft werden können. Durch die Vernetzung einzelner Hypertexte durch Hyperlinks entsteht ein vieldimensionales Geflecht vergleichbar einem Borgesschen Labyrinth, in dem sämtliche Texte nebeneinander bestehen und kontextuell miteinander verknüpft sind. Für diese labyrinthartige Struktur prägten in den 1970er Jahren Gilles Deleuze und Félix Guattari den Begriff des „Rhizoms “[7]. Da die starre sequentielle Textstruktur verlassen wird, bewirkt diese Rhizom-Struktur eine Erweiterung der technischen Verfahrensweisen und Methoden beim Rezipieren eines Textes. Ursprünglich wurden Texte linear rezipiert. Dank der Verkettung durch Hyperlinks aber ist es möglich, dass man gezielt die Sequenzen auswählt, die einen auch wirklich interessieren bzw. unsere Aufmerksamkeit erregen. Sie können sich das Projekt topologisch als verzweigte aber zusammengehörende  Textblöcke vorstellen, denen man folgen oder von denen aus man auf andere Pfade abbiegen kann. Für die Wissensaufnahme hat dies den entscheidenden Vorteil, dass der Anwender das Wissen konstruktivistisch gemäß seinen individuellen Bedürfnissen bzw. Wissensstand heranziehen kann.

 

2. Relevanz der Multimedialität in der geisteswissenschaftlichen Forschungsarbeit

Der Konzeption einer digitalen »Literatur« im Netz liegt ein Verschwimmen der Grenzen zwischen der einzelnen Kunstformen Text, Musik, bildende Kunst sowie Film und Video zugrunde. Traditionell getrennt wahrgenommene Zeichensysteme oszillieren miteinander und innerhalb einer Art "Gesamtdatenwerk" entsteht ein neues Szenario gleichberechtigter Multimedia-Elemente, in dem es zu einer Interaktion der Zeichensysteme kommt.  

Die Tatsache, dass die verschiedenen digitalen Medien untereinander kompatibel sind, ermöglicht es, ihre Inhalte in vielfältiger Weise miteinander zu verknüpfen und auf einer einzigen Darstellungsoberfläche zu präsentieren. Die Synergie von digitalisierten Text-, Ton-, Bild- und Videoinformationen ist aussagekräftiger als ein reines Textdokument. Nach Aussage von Tim Guay unterstützt der gezielte Einsatz von akustischen und visuellen Elementen die "multisensorische Wahrnehmung"[8].

Die mediale Grundstruktur des Web ermöglicht somit eine integrative Darstellung von Text-, Bild- und Tonkomponenten, wie sie im Printmedium nicht möglich ist. Insbesondere die Tonkomponente fand bisher keine Chance einer derartig integrativen Komposition innerhalb Text- und Bildbausteinen. Jetzt besteht die Chance zur Kreation audio-visueller Gesamtereignisse sowie zur Veranschaulichung komplexer Abläufe.

 

3. Relevanz der Interaktivität in der geisteswissenschaftlichen Forschungsarbeit

Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Interaktivität. Die Idee der Interaktivität ist, den User zu animieren, damit er auf das Webangebot reagiert und selbständig sein Bedürfnis nach Information befriedigt. Dies geschieht in der individuellen Selektion von Informationseinheiten (Mensch-Maschine-Interaktion ).

Tim Guay unterscheidet drei Ebenen der Interaktivität, die jeweils auf der vorhergehenden aufbauen: navigierte, funktionelle und adaptive Interaktivität.[9] Die grundlegende Ebene ist die navigierte Interaktivität. Mittels Hyperlinks, Menüs oder Suchmaschinen übernimmt sie die Aufgabe der Navigation durch ein Informationsangebot. Der Nutzer reagiert folglich auf vorgegebene Aufforderungen, die ihn durch das Web führen.  Die funktionelle Interaktivität entsteht dort, wo der Nutzer mit dem System interagiert, um z.B. eine Bestellung in einem Online-Katalog vorzunehmen. Die adaptive Interaktivität entspricht nach Guays Meinung dem höchsten Level an Interaktion: Der Nutzer kann gemeinsam mit dem Autor die kreative Gestaltung der Webseite vornehmen und sie seinen eigenen Bedürfnissen anpassen. Die Steigerung dessen nennt Guay intelligente hyperadaptive Webseiten, die selbständig mit dem Nutzer interagieren und sich seinen Bedürfnissen automatisch anpassen.
 
Im Rahmen unseres Projektes beruht das Prinzip der Interaktivität auf dem "trivialen" Navigieren durch das Informationsnetz zur "Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik". Es wurde primär so angelegt, dass es dem Nutzer ermöglicht, selbständig Inhalte non-linear  - also nicht in der dem Printmedium typischen kontinuierlichen Abfolge  - zu erschließen und eigenständig neue Wege der Informationsaufnahme zu gehen.


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[1] Hartmut Winkler: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. Regensburg 1997, S.25.

[2] Jacques Derrida: Grammatologie. Frankfurt/M. 1983, S.155. (OA., frz.:1967) zitiert nach Hartmut Winkler: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. Regensburg 1997, S.18.

[3] Martin Grötschel und Joachim Lügger : Neue Produkte für die digitale Bibliothek: Die Rolle der Wissenschaften. In: „Die unendliche Bibliothek - Digitale Information in Wissenschaft, Verlag und Bibliothek". 23.02.1996. URL: ftp://ftp.ddb.de/pub/unendbib/groetsch.txt (02.02.2003).

[4] Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dieser Thematik findet sich in: Vilém Flusser: Die Schrift. Frankfurt/M. 1992.

[5] Norbert Bolz: Zur Theorie der Hypermedien. In: Huber, Müller (Hg.): Raum und Verfahren. Basel/Frankfurt 1993, S.18.

[6] Umberto Eco: Nachschrift zum Namen der Rose. München 1984, S. 65.

[7] Vgl. Gilles Deleuze und Felix Guattari : „Rhizom“ in Tausend Plateaus. Berlin 1997.

[8] Tim Guay: WEB Publishing Paradigms. Multimedia Paradigm: “[...] provides a multisensory experience.” 04/1995.
URL: http://www.smcc.qld.edu.au/infotech/Paradigm/  (02.02.2003).

[9] Tim Guay: WEB Publishing Paradigms. Multimedia Paradigm: “[...] provides a multisensory experience.” 04/1995.
URL: http://www.smcc.qld.edu.au/infotech/Paradigm/  (02.02.2003).

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Danica Krunic: Digitale »Literatur« im Netz. 02.02.2003.

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