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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Musik über Worte: Wahrnehmung und Zeichensprache in Wilhelm Müllers "Die Winterreise"

 
Die wohl bekanntesten Lieder von Wilhelm Müller sind "Das Wandern ist des Müllers Lust" und "Der Lindenbaum", die von Schubert vertont wurden.

Johann Ludwig Wilhelm Müller kommt am 7.Oktober 1794 als siebtes Kind des Schneidermeisters Christian Leopold Müller und seiner Frau Luise Leopoldine in Dessau zur Welt. Zwischen 1812 und 1817 studiert Müller Philologie in Berlin. 1813 kämpft er in den Befreiungskriegen gegen die Truppen Napoleons im preußischen Heer. Nach einer Italienreise als Begleiter wird er zunächst Gymnasiallehrer, dann herzoglicher Bibliothekar in Dessau, wo er bis zu seinem frühen Tod durch Herzschlag am 1. Oktober 1827 lebt. Zu seinem Freundeskreis zählen Ludwig Tieck, Goethe, Ludwig Uhland und Justinus Kerner.

Wie in der Lyrik Joseph von Eichendorffs, so ist auch bei Müller der teils heitere, teils düstere melancholische Volksliedton der Romantik vollkommen ausgeprägt. In den Jahren 1823/24 erschien Wilhelm Müllers Gedichtzyklus "Die Winterreise", der von Schubert vertont wurde.

Zu Beginn der "Winterreise“ ist der Sänger noch guter Hoffnung, die sich jedoch im Laufe seiner Reise in Nichts auflöst. Er ist zu einem Irrfahrer geworden, dessen Streben nach Glück nicht erfüllt wurde. Das Scheitern des Erzählenden wird sowohl durch die Beschreibung seiner Gefühlswelt als auch durch die Beschreibung der ihn umgebenden Realität (Natur) verdeutlicht. Die Lieder drücken zum Teil große Resignation und Todesnähe aus, die sich in den Vertonungen Schuberts widerspiegeln.  

Da sich Müller zu der Zeit, in der er den Liederzyklus schreibt, nicht in persönlichen Schwierigkeiten befindet, lassen sich die geschilderten Erlebnisse, eher epochentypisch als autobiographisch verstehen.

 

 

Wilhelm Müller und „Die Winterreise“

Natur, Liebe und Tod sind die zentralen Motive der Romantik. Zu Beginn des Liederzyklus „Die Winterreise“ ist der Sänger noch guter Hoffnung, die sich jedoch im Laufe seiner Reise in Nichts auflöst. Er ist zu einem Irrfahrer geworden, dessen Streben nach Glück nicht erfüllt wurde. Das Scheitern des Erzählenden wird sowohl durch die Beschreibung seiner Gefühlswelt als auch durch die Beschreibung der ihn umgebenden Realität (Natur) verdeutlicht. Die Lieder drücken zum Teil große Resignation und Todesnähe aus, die sich in den Vertonungen Schuberts widerspiegeln.  

Da sich Müller zu der Zeit, in der er den Liederzyklus schreibt, nicht in persönlichen Schwierigkeiten befindet, lassen sich die geschilderten Erlebnisse, eher epochentypisch als autobiographisch verstehen. 

 

 

EXKURS: Das Lied

Der 19. Oktober 1814, der Tag an dem Franz Schubert Goethes "Gretchen am Spinnrade" vertont haben soll, wird von der Schubert-Literatur gerne als "Geburtsstunde" des Deutschen Liedes gefeiert. Lieder gab es natürlich auch schon vor Schubert. Die Volkslieder unserer Vorfahren waren weder wie mehrstimmige, polyphone Musik durchkomponiert und somit auch schriftlich notiert, noch wurden sie aufgeführt. Vielmehr lebten sie von der mündlichen Überlieferung. Bemühte man sich Anfang des 19. Jahrhunderts noch um eine Wiederbelebung, bzw. "Neuerfindung" der Volksliedtradition und des Volksliedtons, erreichte das Kunstlied, das bis zu diesem Zeitpunkt eher eine Randexistenz in der Kunstmusik gespielt hatte, durch die Gedichtvertonungen von Schubert, Schumann, Brahms und auch Mahler einen historischen Höhepunkt. Die ästhetische Vorstellung des Liedes als Kunstlied verfestigte sich im 19. Jahrhundert bei Schubert zu einem Idealtypus, der bis heute gültig ist. Das Lied ist nun nicht mehr nur Melodie mit einer mehr oder weniger differenzierten Begleitung. In Schuberts Liedern wird der instrumentelle Part aufgewertet, der Inhalt des Textes wird nun nicht mehr alleine durch die Melodie wiedergegeben. Melodie und Begleitung werden untrennbar miteinander verknüpft. Schuberts Liedkompositionen werden so oft auch als Klavierlieder bezeichnet.

 

Das Wanderlied

In der ständischen Gesellschaft gab es Wanderlieder nur als standesspezifische Ausdrucksform. Diese Lieder wurden traditionell bei den Versammlungen oder Verabschiedungen von Handwerksgesellen gesungen. "Der Geselle bricht in diesen Liedern nicht von zu Hause auf, sondern von einer Station seiner Wanderschaft, wo er überwintert hat, also an den Arbeitsplatz gebunden war."(1) Der Aufbruch im Frühling symbolisierte soziale Ungebundenheit.

In der Romantik wird das Wanderlied neu definiert. Nicht nur das Wandern wird standesübergreifend, sondern auch das Wanderlied. Auch in den Liedern der "akademisch Gebildeten" bricht der Wanderer üblicherweise im Frühjahr mit positiven Erwartungen auf.

In Wilhelm Müllers "Winterreise" ist diese Aufbruchsituation verkehrt: er entlässt seinen Wanderer in den Winter und damit in eine Zeit der Melancholie.

  

Das Wandern und das Wanderlied in der Romantik

„Genau im Übergang von der ständischen Gesellschaft Alteuropas zur industriellen Leistungsgesellschaft unserer Zeit erscheinen auf einmal Lieder, die von den Wonnen oder vom Schmerz des Unterwegsseins handeln." (2)

Das Wandern erlangt in der Romantik eine neue Bedeutung. Es geht nicht mehr  um die bloße Reise von einem Ort zum nächsten, sondern vielmehr um  Erfahrungen, die auf  dieser Reise gesammelt werden können. Der Reisende verändert sich während seiner Wanderschaft, auf der es gilt, sich mit Schwierigkeiten auseinander zu setzen und diese zu bewältigen.
 

Das Wandern ist standesindifferent geworden. Es sind ´jetzt nicht mehr nur die Handwerksleute, die sich auf Wanderschaft befinden und von Stadt zu Stadt ziehen.
 

Der Wanderer kann die Natur in neuer Intensität erleben, da er sie nicht als Durchreisender betrachtet, sondern vielmehr ein Teil von ihr wird. Er wird durch das Beobachten der Natur zum Beobachter seiner selbst.

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(1) Bosse/Neumeyer, S. 10
(2) Bosse/Neumeyer, S.9

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Sarah Klumpp und Anna Falkenberg: Musik über Worte. 22.02.2003.

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