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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Franz Schubert und "Die Winterreise"

Franz Schubert wird am 31. Januar 1797 als Sohn eines Vorstadtlehrers in Wien geboren. Ersten Geigen- und Klavierunterricht erhält er von seinem Vater, später findet er im Hofkapellmeister Antonio Salieri einen Förderer und Lehrer. Bis 1817 ist Schubert als Hilfslehrer an der Schule seines Vaters beschäftigt, danach ist er als freier Komponist in Wien tätig. Ohne feste Anstellung, um die er sich jedoch zeitlebens bemüht, lebt er in bescheidenen Verhältnissen. Der Freundes-kreis, der sich um Franz Schubert bildet und ihn auch finanziell unterstützt, trifft sich zur Beschäftigung mit Kunst, Literatur und Musik zu den so genannten „Schubertiaden“.  

Mit über 600 Kompositionen ist das Lied die zentrale Gattung in Schuberts Schaffensprozess und Werdegang und erreicht durch ihn ein neues künstlerisches Niveau. 1827 entsteht Schuberts Liederzyklus "Die Winterreise", die Vertonung des Gedichtzyklus von Wilhelm Müller. Am 19. November 1828 stirbt Schubert wahrscheinlich an den Folgen einer Typhusinfektion.

 

"Schubert wurde durch einige Zeit düster gestimmt und schien angegriffen. Auf meine Frage, was in ihm vorgehe, sagte er nur, "nun, ihr werdet es bald hören und begreifen." Eines Tages sagte er zu mir, "komme heute zu Schober, ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses bei anderen Liedern der Fall war." Er sang uns nun mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch. Wir waren über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft, und Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, Der Lindenbaum, gefallen. Schubert sagte hierauf nur, "mir gefallen diese Lieder mehr als alle und sie werden euch auch noch gefallen"; und er hatte recht, bald waren wir begeistert von dem Eindruck der wehmütigen Lieder, die Vogl meisterhaft vortrug."(1)
 

Mit diesen Worten berichtet Schuberts Freund Josef von Spaun über die Entstehung der "Winterreise". Schubert hatte 1824 bereits Wilhelm Müllers Zyklus "Die schöne Müllerin" vertont und war so auf den Dichter aufmerksam geworden. Müllers Gedichtzyklus "Die Winterreise" erschien in zwei Teilen 1823 und 1824. Ursprünglich wünschte sich Müller wohl eine Vertonung durch Carl Maria von Weber, dem er diesen Zyklus widmete, und den er als "Meister des Deutschen Liedes" bezeichnete. Der Freischütz-Komponist starb, wie Müller auch, 1827, in dem Jahr, als Schubert an der "Winterreise" arbeitete. Vermutlich vertonte Schubert zunächst die ersten 12 Gedichte, die im Taschenbuch Urania erschienen waren, um dann, als er Müllers Zyklus vollständig vorliegen hatte, die weiteren 12 Gedichte als "Fortsetzung der Winterreise von Wilh. Müller" zu komponieren. In seinem Manuskript sind diese wiederum mit 1 bis 12 durchnumeriert. Die Reihenfolge der Lieder weicht von der Vorlage Müllers teilweise erheblich ab.

Der  "Winterreise" liegt keine wirkliche Handlung zugrunde, sie ist vielmehr eine Kette von Rückblicken und Stimmungen eines von der Liebe enttäuschten Mannes auf seiner ziellosen Reise durch eine Winterlandschaft. Schubert war die Erfahrung einer unerfüllten Liebe nicht fremd. Der kleine und pummelige Mann war nicht der Typ, für den sich die Frauen begeistern konnten. Zudem steckte sich Schubert 1822 mit Syphillis an, was in dieser Zeit einem Todesurteil gleichkam. Er lebte und arbeitete also mit dem Tod, der Einsamkeit und der Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung. Schuberts Freund, der Dichter Mayrhofer, erzählt:

"...Anders in der Winterreise, deren Wahl schon beweiset, wie der Tonsetzer ernster geworden. Er war lange und schwer krank gewesen, er hatte niederschlagende Erfahrungen gemacht, dem Leben war die Rosenfarbe abgestreift; für ihn war Winter eingetreten. Die Ironie des Dichters, wurzelnd in Trostlosigkeit, hatte ihm zugesagt; er drückte sie in schneidenden Tönen aus. Ich wurde schmerzlich ergriffen."(2)

In den Worten Müllers fand Schubert wohl sein eigenes Leiden wieder. Durch den Tod Beethovens, welchen Schubert sehr bewunderte, war er zur Zeit der Entstehung der "Winterreise" noch zusätzlich angegriffen.

Franz Schubert fing so die trostlose Stimmung der Gedichte Wilhelm Müllers in einem düsteren und bedrückenden Liederzyklus  ein. Bereits schwer krank und ans Bett gefesselt, nutzte Schubert 1828 die letzten lichten Momente seines Lebens zur Korrektur des zweiten Teils der "Winterreise".

 

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(1) Feil, Arnold: Franz Schubert. Stuttgart 1975. S. 28.

(2) Feil, S. 29.
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Sarah Klumpp und Anna Falkenberg: Musik über Worte. 22.02.2003.

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