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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Wahrnehmungen in der bildenden Kunst und der Musik - "Fantasiestücke" - musikalische Erzählungen "in Callot´s Manier" - erzählt nach der Art eines Malers

Dieses Projekt will sich hauptsächlich mit den verschiedenen Wahrnehmungen auseinandersetzen, die der Romantische Autor in seinem literarischen Werk verarbeitet. Das besondere Augenmerk wird hier auf E.T.A. Hoffmann gelegt, der nicht umsonst als der Universalpoet gilt, und somit gerade für diesen Themenbereich bestens geeignet ist. Der hier verwendete Primärtext ist "Ritter Gluck" aus dem ersten Band der Fantasiestücke. Um dies zu veranschaulichen können zwei Hauptströme verfolgt werden:

  1. Wahrnehmungen in der bildenden Kunst
  2. Wahrnehmungen in der Musik

 

Es bestehen natürlich große Unterschiede in Wahrnehmung von Bildern, Musik und Literatur. Das Bild, das ja mit dem Auge aufgenommen wird, besitzt die Fähigkeit eine sofortige Wirkung beim Betrachter zu erzeugen. Mit einem Blick kann es ganze Geschichten erzählen, Stimmungen herbeizaubern, und in die verschiedensten Situationen versetzen, denn der Betrachter kann sofort durch  zum Beispiel durch die verwendeten Farben, durch die Kleidung, die Landschaft,  und durch sein eigenes Wissen Rückschlüsse über das Bild ziehen. Die Literatur, die ja aus Worten besteht hingegen hat diese Möglichkeit nicht, sie muss erst um selbige Effekte zu evozieren eine Handlung aufbauen, der Autor muss also das was er zeigen will erst langsam aufbauen. Um ein Bild anschaulich zu erzählen muss es in eine Handlung umgeformt werden, in ein zeitliches Nacheinander.

Auch Hoffmann verwendet dieses Verfahren, um Anschaulichkeit zu erhalten. Er weiß, dass es unmöglich ist mit Sprache, mit nur einem Wort ein ganzes Bild für den Leser zu erzeugen. Es muss also in der Erzählung eine Entwicklung gezeigt werden, die sich langsam aufbaut. [1]

Nie sah ich einen Kopf, nie eine Gestalt, die so schnell einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht hätten. Eine sanfte gebogene Nase schloß sich an eine breite, offene Stirn, mit merklichen Erhöhungen über den buschigen, halbgrauen Augenbrauen, unter denen die Augen mit beinahe wildem, jugendlichem Feuer (der Mann mochte über fünfzig sein) hervorblickten. Das weichgeformte Kinn stand in seltsamem Kontrast mit dem geschlossenen Munde, und ein skurriles Lächeln, hervorgebracht durch das sonderbare Muskelspiel in den eingefallenen Wangen, schien sich aufzulehnen gegen den tiefen, melancholischen Ernst, der auf der Stirn ruhte. Nur wenige graue Löckchen lagen hinter den großen, vom Kopfe abstehenden Ohren. Ein sehr weiter, moderner Überrock hüllte die große hagere Gestalt ein. Sowie mein Blick auf den Mann traf, schlug er die Augen nieder und setzte das Geschäft fort, worin ihn mein Ausruf wahrscheinlich unterbrochen hatte. Er schüttete nämlich aus verschiedenen kleinen Tüten mit sichtbarem Wohlgefallen Tabak in eine vor ihm stehende große Dose und feuchtete ihn mit rotem Wein aus einer Viertelsflasche an. Die Musik hatte aufgehört; ich fühlte die Notwendigkeit ihn anzureden.

Als letztes folgt nun die Wahrnehmung der Musik. Die Musik gibt dem Rezipienten im Gegensatz zu den beiden anderen erläuterten Medien am wenigsten vor was er zu empfinden, oder zu denken hat. Sie ist am wenigsten geprägt, lässt also gleichzeitig auch am meisten verschiedenartige Empfindungen zu, und ist daher besonders geeignet als Ausdrucksmittel, denn sie kommt direkt aus dem "Reich der Träume", aus jener unbekannten Welt, zu der nur wenige Zutritt haben.

 

Wahrnehmungen in der bildenden Kunst

Hoffmann betont im Titel "Fantasiestücke in Callot´s Manier", und dann auch in der Vorrede dieses Sammelbandes den Bezug zur bildenden Kunst, indem er sich auf den Lothringer Graphiker Jacques Callot bezieht. Die Kunst ist hier innerhalb der Erzählung nicht Thema, das heißt Hoffmann will nicht von der Kunst erzählen, denn das Thema ist die Musik, vielmehr bildet sie gerade für Hoffman in Anlehnung auf Callot poethologische Grundkonzeption. Er will es schaffen formal in der Manier eines Malers zu schreiben, und somit ähnliche Wirkungen beim Rezipienten hervorrufen, wie ein Bild das kann. Hoffman betitelt Callot in der Vorrede als kecken Meister, der Mittels seiner Fantasie imstande ist die Grenzen des beengten irdischen zu überschreiten, und durch die Wirkung seines Schaffens vor allem der Erlösung Ausdruck zu verleihen vermag. Hoffmann benennt in der Vorrede ebenfalls die Wirkung Callot´s Kupferstiche auf sich selbst, indem er meint, die Stiche seien Kompositionen, aus den heterogensten Elementen geschaffen, die sozusagen eine Einheit bilden. [2]

Was aber genau hat die Malerei der Literatur voraus? Wie auch die Musik dient sie der Wortsprache zu noch mehr Ausdruckskraft, um die Inneren Vorgänge des Künstlers zu demonstrieren. Wie schon festgestellt ist die bildende Kunst meist nicht als Thema in den Erzählungen zu finden, vielmehr werden ihre Gestaltungsmöglichkeiten verwendet, um die Unzulänglichkeit der Sprache zu überspielen, und der Erzählung zu mehr Farbe zu verhelfen.

 

Wahrnehmungen in der Musik

Thematisch drehen sich Hoffmanns frühe literarische Werke um die Musik, sei es in seinen Musikrezensionen, oder den Erzählungen. In den Erzählungen dient die Musik, wie auch die Malerei der Darstellung innerer Vorgänge. Sie ist Tor zu einer anderen Welt einer Traumwelt, die sich als Gegenwelt zur Wirklichkeit präsentiert. In der Musik drückt sich etwas Unaussprechliches, Unendliches, Absolutes aus. In der Erzählung "Ritter Gluck" letztendlich entsteht durch die Musik ein stetiger Wechsel zwischen Phantasie und Wirklichkeit, um nicht sogar zu sagen, dass Musik die Wirklichkeit doppelt, indem sie ihr eine bessere entgegensetzt. So entsteht innerhalb der Erzählung ein Dualismus zwischen innerer und äußerer Welt. Zugrunde liegt dieser Erkenntnis ein geschichtsphilosophisches Schema.

Musik kommt dadurch aber auch in ein Zwiespältiges Verhältnis, je nachdem von welcher Sicht sie betrachtet wird, von der des Künstlers oder der des Empfängers wird Musik anders wahrgenommen:

1. Für den Empfänger ist Musik ein Konsumgut, dass den Zweck der Unterhaltung erfüllen soll

2. Für den Künstler ist Musik ein Mittel der Wahrheit

3. Der Künstler ist abhängig von der Gesellschaft, ist gleichzeitig aber auch ein Außenseiter. Das Außenseiterdasein ist einerseits Möglichkeit wahren Musikverstehens, gesellschaftlich gesehen allerdings ist es Wahnsinn.

4. Aporie der Musik: Sie muss sich dem Missbrauch der Gesellschaft preisgeben, denn allein die Verabsolutierung der Innenwelt durch den Künstler reicht nicht aus. 

Komponieren heißt auch entäußern der innen geschauten Wahrheit, denn Kunst wird erst durch das Zusammenspiel von Innen und Außen das was sie sein soll, nämlich begriffslose Erkenntnis. Woher aber kommt dieser Anspruch auf höchste musikalische Wahrheit?→ Schaffensmythos

 

Wandel der Hierarchie von Sprache und Musik

Im 18. Jahrhundert ist die Musik die Sprache von Empfindungen und Gefühlen. Es verbirgt sich dahinter ein weitgreifender Paradigmenwechsel, das bedeutet, dass die Rhetorik durch Gefühlsästhetik abgelöst wurde und die Wertigkeit von Musik und Sprache sich umgekehrt hat. Seit der Antike bis ins 18. Jahrhundert hinein galt die Sprache als das überlegene Medium, Musik wurde an Kategorien der Rhetorik gemessen; diese hatte sich der Kraft der Sprache unterzuordnen. Die Macht der Sprache kam erst ins schwanken mit dem Aufkommen des Subjektgedankens und dem Anspruch auf Individualität, wodurch die Musik zu ihrem Eigenwert kam. [3]

 

 Weiter zu den Punkten:

  1. Intermedialität
  2. Synästhesie
  3. Musikalische Szenen
  4. Interpretation der Titelfigur Gluck

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[1] Reher, S.61-62

[2] Steinecke Hartmut, S.60-61
[3] Lubkoll, S.52

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Claudia Mecoch: Wahrnehmungen in der bildenden Kunst und der Musik.  20.02.2003.

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