Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik
Synästhesien und Sinneshierarchien in E.T.A. Hoffmanns Die Fermate
Im Rahmen des serapiontischen Prinzips spielt die Sinneswahrnehmung eine große Rolle. Das serapiontische Prinzip ist in Wahrheit nichts anderes als die Literarisierung eines synästhetischen Vorgangs. Aus diesem Grund habe ich (ohne Einbezug von Sekundärliteratur) am Beispieltext Die Fermate die Sinneshierarchien eruiert. Die Grafiken sollen einen groben und anschaulichen Überblick über das Verhältnis und die Gewichtung der Sinne untereinander liefern. Sie erheben keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit. Die Quelle des Primärtextes findet sich auf der Literaturseite.
Zunächst wurde der akustische Sinn rein auf das Hören beschränkt. Elemente, die mit dem Sprech- oder Singakt zu tun hatten, wurden unter Sprechen zusammengefasst und gesondert aufgelistet. Da die Fermate ein Begriff ist, der der Musik entstammt, liegt der Verdacht nahe, dass aus diesem Grund die Akustik so stark im Vordergrund steht. Am zweithäufigsten, aber schon deutlich weniger, tritt der visuelle Sinn auf. Auch hier kann man eine Vermutung anstellen. Der Einstieg in die Erzählung läuft über die Beschreibung eines Bildes, also einen visuellen Reiz. Auch ist das serapiontische Prinzip dem "inneren Schauen" verpflichtet. Geruchs- und Geschmackssinn sind kaum angesprochen, selten noch der taktile.
Eine nächste interessante Frage ist die nach den syntaktischen Kategorien der Bedeutungsträger, also den Wortgruppen, die jeweils den Sinneseindruck transportieren. Bei allen untersuchten Sinnen waren die Nomina die am meist verwendeten Bedeutungsträger. Besonders im Feld Sehen ist auffällig, dass circa ein Drittel der 61 gezählten Nomina in diesem Zusammenhang Bild oder Erscheinung waren. Trotz dieses klaren Überhangs an nominalen Bedeutungsträgern bleibt der Satzbau innerhalb der Erzählung blumig und hypotaktisch.
Während im Feld der Akustik die zweitstärkste Rolle den Verben zukommt, sind die Rollen von Adjektiv / Partizip und Verb in den anderen Fällen gleich oder minimal unterschiedlich. Die große Diskrepanz zum Feld Akustik hin mag zum Teil daran liegen, dass auch die Verben wie sprechen und erzählen in die Statistik eingegangen sind, die zum Erzählen der Geschichte benötigt wurden.
Die abschließende Grafik fasst noch einmal zusammen, wie sich die Sinneseindrücke auf die Wortarten verteilen. Verben, Adjektive und Partizipien zusammen stellen noch nicht einmal die Hälfte der Nomina dar. Möglicherweise spiegelt dies ja auch die große Passivität des Protagonisten Theodor wider, der doch sehr in den Bann der beiden Sängerinnen geraten ist. Aktive Entscheidungen trifft er nur in Momenten äußerster Bedrängnis und zwar einmal, als ihn die drohende Abreise der Schwestern in einen emotionalen Konflikt bringt und ein andermal, als er als Lauscher an der Wand viel Schmach und Spott ertragen muss. Tatsächlich, wie die letzte Grafik dieser Seite zeigt, sind um diese Seiten herum die Verben und Partizipien präsenter als sonst.
Die abschließenden Grafiken zur Verteilung der Sinneseindrücke pro Seite bilden zunächst eine allgemeine Ansicht ab, also die Zahl aller Sinneseindrücke. Im Anschluss findet sich noch eine genaue Ausdifferenzierung der einzelnen Häufigkeiten pro Seite. Die Grafiken zeigen Werte bis maximal 32. Dieser Punkt extrem hoher Konzentration markiert zugleich den Enthüllungspunkt der Geschichte. Hier erfährt Eduard, wie der Leser selbst, um das Geheimnis des Bildes. Der Zusammenhang zwischen dem Bild und der Geschichte ist hergestellt. Offensichtlich läuft die Erinnerung beim Protagonisten auch sehr emotional ab.
Weiter zu den Punkten:
- Motivation des Autors
- Überlegungen zum Titel
- Vorbilder der sechs Erzähler
- Inhalt und eventuelle Quellen
- Inhalt, Aufbau und Struktur
- Das serapiontische Prinzip
- Intermedialität und Synästhesie
- Frage der Sinneshierarchien
- Analysetext: "Die Fermate"
- Bibliographie
--------------------------------------------------------------
Regina Kland: Die <<Serapionsbrüder>> und das serapiontische Prinzip. 16.01.2003.