Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik
Die FERMATE: Kontroverse Diskussion im Sinne der Serapiontik und Untersuchung auf Intermedialität und Synästhesie
Die Fermate ist Teil der Erzählungssammlung Die Serapionsbrüder. Die sechs Freunde, die sich Geschichten erzählen, diskutieren unter anderem auch über die Einhaltung der serapiontischen Prinzipien in den einzelnen Geschichten. Auch wenn Die Fermate sehr kontrovers diskutiert wird, eignet sie sich doch gut, um die Theorie der serapiontischen Prinzipien nachzuvollziehen.
Größter Kritikpunkt war die Vorlage eines realen Gemäldes als Aufhänger der Erzählung. Das reine Ansehen des Bildes widerspricht dem obersten serapiontischen Prinzip des "wahren Schauens". Das Bild ist nicht im Inneren des Betrachters aufgegangen sondern wird in der Erzählung nur reproduziert. Allerdings kann man argumentieren, dass mit dem Lebendigwerden des Gemäldes in der Erzählung durchaus ein inneres Bild entsteht. Dazu meint Eduard: "Je mehr ich [...] diese zwar etwas ältliche, aber wahrhaft virtuosisch begeisterte Sängerin in ihren bunten Kleidern anschaue, [...] desto freier und stärker tritt mir das Ganze ins wirkliche rege Leben" (Seiten 31 / 32). Zudem ist Eduard, unteilhaftig der Erlebnisse, sozusagen als bloßer Konsument, durchaus in der Lage, anhand der Berichte seines Freundes ein Bild in allen Farben und Facetten, also im serapiontischen Sinn zu erzeugen. Er beschreibt die Sängerin Tersesina folgendermaßen: "Das anmutige Bild, wie sie zu Pferde, das in zierlichen Kurbetten dahertanzt, spanische Romanzen singt, kommt mir nicht aus den Gedanken." (Seite 49).
Dass man, wie in dem Kapitel zu Intermedialität und Synästhesie erklärt, das serapiontische Prinzip auch als synästhetisches Prinzip werten kann, zeigt Theodors Reaktion auf die unvermutete Erinnerung: "Ach [...] wie wehen doch aus diesem Weine die holden Düfte Italiens mich an -- wie glüht mir doch frisches Leben durch Nerven und Adern" (Seite 49). Die Verknüpfung von Geschmackssinn (Wein), Geruchssinn (Duft) und Körperlichkeit (Blutkreislauf) ist durchaus synästhetisch. Dieses Zusammenspiel der Sinne ist deshalb serapiontisch, weil das "wahre Schauen" eben die Summe aller einzelnen Eindrücke und Sinne in sich vereinen soll. Dadurch ergeben sich Sinneshierarchien, die anhand von Grafiken sichtbar gemacht werden können.
Auch bildet die Erzählung in sich eine schöne Einheit, ein weitere serapiontische Forderung. Die Erzähler Theodor und Eduard greifen immer wieder ein, um die Handlung in die erzählte Gegenwart zurück zu holen. (Seiten 49, 52, 53). Gleichzeitig bekommt die Erzählung in der Vergangenheit, zugleich Reisebericht und Erinnerung eines der Freunde, eine Rahmung und eine Verankerung im Jetzt.
Zudem wendet Hoffmann in der Erweckung des Bildes ein serapiontisches Mittel an. Er bindet das Außergewöhnliche in den Alltag ein und eben diese Gegenüberstellung von Alltag und Phantasie, respektive der Abendtrunk im Lokal und das Gemälde, spricht für das Spannungsfeld zwischen verschiedenen Welten.
Die Idee des Gegensatzes von Innenwelt und Außenwelt, die gleich gewichtet sein müssen, damit der Schriftsteller nicht dem Wahnsinn verfällt oder zum Philister wird, offenbart sich gleich an mehreren Textstellen. Den jungen Theodor trifft die Rührung über den Gesang Laurettas mit solcher Wucht, dass er ein inneres Erwachen fühlt: "Aber sowie Lauretta immer kühner und freier des Gesanges Schwingen regte, wie immer feuriger funkelnd der Töne Strahlen mich umfingen, da ward meine innere Musik, so lange tot und starr, entzündet und schlug empor in mächtigen herrlichen Flammen." (Seiten 37 / 38). Hier nimmt man eine Bewegung von außen nach innen wahr. Gleichzeitig muss aber auch die umgekehrte Bewegung stattfinden. Dies passiert in den Tränen des Theodor, sehr zum Mißfallen des Onkels. An der obigen Textstelle kann man auch wieder sehen, wie die Serapiontik mit der Synästhesie gepaart wird. Die Bereiche Bewegung (Schwingen), Tastsinn (feurig), Geräusche und Klänge (Töne) und visueller Reiz (Strahlen) mischen sich zum Gesamtbild, das dann in eine Innerlichkeit übergeht. Hoffmann beschreibt oft den Übergang von innen nach außen und umgekehrt, zum Beispiel als Theodor ausmalt, wie Töne in seinem Inneren widergeklungen haben (Seite 53) oder wie ein überraschendes Moment plötzlich in das Leben jedes einzelnen treten kann (Seite 49).
Weiter zu den Punkten:
- Motivation des Autors
- Überlegungen zum Titel
- Vorbilder der sechs Erzähler
- Inhalt und eventuelle Quellen
- Inhalt, Aufbau und Struktur
- Das serapiontische Prinzip
- Intermedialität und Synästhesie
- Frage der Sinneshierarchien
- Analysetext: "Die Fermate"
- Bibliographie
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Regina Kland: Die <<Serapionsbrüder>> und das serapiontische Prinzip. 16.01.2003.