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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Ausblick

Im Gegensatz zu den frühen Romantikern wie etwa Novalis, Wackenroder oder den Brüdern Schlegel, die sich stark mit der Theoriebildung und dem Entwurf einer romantischen Poetologie befasst haben, konzentriert sich der Spätromantiker Hoffmann mehr auf die literarische Umsetzung und Verwertung der Konzeptionen. Die Forderung nach dem Universalkunstwerk zeigt sich in Hoffmanns intermedialem Umgang mit den einzelnen Kunstgattungen, das „innere Schauen“ bringt Synästhesien hervor.

Anhand des Erzählprinzips der romantischen Ironie gelingt Hoffmann die literarische Darstellung der von den Frühromantikern proble-matisierten Kluft zwischen Innen und Außen, Ideal und Wirklichkeit.

Der Student Anselmus erkämpft sich im Märchen „Der goldne Topf“ seinen Glauben und seine Freiheit, sein Leben in der Poesie. Sein kindlich poetisches Gemüt (vgl. GT, S. 89) hebt ihn von den anderen ab, die größtenteils gänzlich in ihrer bürgerlichen, rationalistischen Welt verhaftet sind. Er besitzt die Fähigkeit, hinter der Fassade der gewöhnlichen Erscheinungen eine andere wunderbare Welt zu sehen und die gewohnten Muster der sinnlichen Wahrnehmung durch die Entdeckung eines neuen, „inneren Sinns“ (vgl. GT, S. 130) zu durchbrechen.

Hoffmanns große Leistung im „Goldnen Topf“ sind seine synästhetischen Bilder, die den Perspektivenwechsel in der Wahr-nehmung kennzeichnen (vgl. Lindhorsts Garten), und die genaue und lebhafte Widergabe von Wahrnehmungserlebnissen und Bewusst-seinszuständen (vgl. Anselmus in der Flasche und Veronikas Tagtraum) in Form von narrativen Inszenierungen.

Durch die ständige Verschmelzung von Realität und Phantasie bzw. Illusion wird die Problematik einer Trennung von innerer und äußerer Welt deutlich. Unter diesem Konflikt leidet der Protagonist bis zu seiner Erlösung so sehr, dass er  beinah krankhaft dualistisch erscheint. Eine Versöhnung der beiden in Konkurrenz stehenden Lebensentwürfe des Poeten und des Philisters findet nicht statt; allerdings zeigt Hoffmann, dass die innere und die äußere Welt bzw. Imagination und Wahrnehmung teilweise so nahe nebeneinander stehen, dass sie zwar Gegenstück, jedoch nicht Negation des anderen sind. Zumindest innerhalb der Welt, die Hoffmann im „Goldnen Topf“ entwirft, Diese grenzt sich natürlich zur außerliterarischen Realität ab, was Hoffmann zum Schluss seiner Erzählung noch einmal durch die Formel „Ende des Märchens“ (GT, S. 130) deutlich macht. Allerdings liegt darin auch die Chance, die von Hoffmann vorgestellten „Strategien“ in die Alltagswirklichkeit zu übertragen, für Perspektivwechsel, neue und ungewohnte Wahrnehmungsweisen und ein verändertes Bewusstsein offen zu sein. 

„Ähnlich wie beim Erwachen nach dem Traum wird künftig das Weiterleben durch zwei Faktoren geprägt: die Erinnerung an das schöne Gewesene und die Gewissheit, dass der dichterische Prozess oder – da jeder ein „poetisches Gemüt“ sein oder wieder werden kann – die Kraft der Phantasie die Alltagswirklichkeit jederzeit erneut verwandeln kann.“ [1]

 

 
Hans Liska:
Bildnis E.T.A. Hoffmanns mit Wohnhaus am Zinkenwörth in Bamberg (1970)
 

 

Weiter zu den Punkten: 

  1. Die Fantasiestücke in Callots Manier
  2. Callots Vorbildfunktion – der Dichter als Maler
  3. Das Erzählmodell der „narrativen Inszenierung“
  4. Die innere und die äußere Welt – die Grenzen zwischen Imagination und Wirklichkeit
  5. Duplizität und chronischer Dualismus im „goldnen Topf"
  6. Illusion und Wirklichkeit – Verwandlungsprozesse und Perspektivenwechsel
  7. Ausblick
  8. Bibliographie

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[1] Steinecke 2001, S. 151.
 

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Natalia Igl: Grenzgänge zwischen Imagination und Wahrnehmung: Ausblick.  03.03..2003.

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