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Intermedialität und Synästhesie in der Literatur der Romantik

Grenzgänge zwischen Imagination und Wahrnehmung: Das „romantische" Bewußtsein bei E.T.A. Hoffmanns  „Der goldne Topf"

Am 19. August 1813 erwähnte E.T.A. Hoffmann zum ersten Mal in einem Brief an seinen Verleger und Korrektor Carl Friedrich Kunz die Arbeit an einem Märchen, das er als Fortsetzung des Sammelbandes „Fantasiestücke in Callots Manier" plante. Dort schilderte Hoffmann seinem Verleger die Grundidee des Märchens:

„Feenhaft und wunderbar aber keck ins gewöhnliche alltägliche Leben tretend und sei[ne] Gestalten ergreifend soll das Ganze werden." [1]


Hoffmann spricht sich für eine Verbindung von Wirklichkeit und Imagination aus. Das Motiv des Wunderbaren, das keck in das gewöhnliche Leben eines Menschen tritt, findet sich in seinem Märchen „Der goldne Topf“ [2] häufig wieder (vgl. GT, z.B. S. 35, S. 43 oder S. 51). Die Begründung für diese Verknüpfung von Realismus und Phantastischem gibt Hoffmann an anderer Stelle:

„Ich meine, dass die Basis der Himmelsleiter, auf der man hinaufsteigen will in höhere Regionen, befestigt sein müsse im Leben, dass jeder nachzusteigen vermag. Befindet er sich dann, immer höher und höher hinaufgeklettert, in einem fantastischen Zauberreich, so wird er glauben, dies Reich gehöre auch in sein Leben hinein und sei eigentlich der wunderbar herrlichste Teil desselben.“ [3]

In einem weiteren Brief an den Verleger beschrieb Hoffmann die Erzählung, die den Untertitel „Ein Märchen aus der neuen Zeit“ trägt, als „exotisch und in der Idee neu“ [4].

„Sonst war es üblich, ja Regel, alles, was nur Märchen hieß, ins Morgenland zu verlegen, und dabei die Märchen der Dscheherezade zum Muster zu nehmen. Die Sitten des Morgenlandes nur eben berührend, schuf man sich eine Welt, die haltlos in den Lüften schwebte und vor unsern Augen verschwamm. Deshalb gerieten aber jene Märchen meist frostig, gleichgültig und vermochten nicht den innern Geist zu entzünden und die Fantasie anzuregen.“ [5]

Genau das ist Hoffmanns Ziel, die Fantasie anzuregen und den innern Geist zu entzünden. Er schreibt das „Märchen aus der neuen Zeit“ im Bewusstsein der Aufklärung, der die Romantiker vorwarfen, dass sie die Existenz des Irrationalen und Wunderbaren schlicht leugnete und zu Gunsten der Vernunft verwarf.

So thematisiert Hoffmann im „Goldnen Topf“ gerade die Grenzgänge zwischen Imagination und Wirklichkeit und verweist auf die Eingeschränktheit der sinnlichen Wahrnehmung. Der Protagonist des Märchens, der Student Anselmus, (er)lebt den Konflikt zwischen innerer und äußerer Welt, einen scheinbar unlöslichen und quälenden Dualismus.  

 

Weiter zu den Punkten: 

  1. Die Fantasiestücke in Callots Manier
  2. Callots Vorbildfunktion – der Dichter als Maler
  3. Das Erzählmodell der „narrativen Inszenierung“
  4. Die innere und die äußere Welt – die Grenzen zwischen Imagination und Wirklichkeit
  5. Duplizität und chronischer Dualismus im „goldnen Topf"
  6. Illusion und Wirklichkeit – Verwandlungsprozesse und Perspektivenwechsel
  7. Ausblick
  8. Bibliographie

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[1]  Schnapp 1967, Brief vom 19.08.1813, S. 408.
[2] Alle daraus im Verlauf zitierten Textstellen beziehen sich auf die bei Reclam erschienene Ausgabe: E.T.A Hoffmann: Der goldne Topf. Ein Märchen aus der neuen Zeit. Stuttgart 2001.
[3] Bergström 2000, S. 31.
[4] Schnapp 1967, Brief vom 16.01.1814, S. 439.
[5] Bergström 2000, S. 30.

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Natalia Igl: Grenzgänge zwischen Imagination und Wahrnehmung: Das „romantische" Bewusstsein bei E.T.A. Hoffmanns  „Der goldne Topf".  26.02.2003.

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