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Die Weimarer Klassik

>> DIE ÜBERHÖHUNG EINER HISTORISCHEN EPOCHE

Goethes authentischer Reisemantel aus Wolle und Seide um 1815 © Klassik Stiftung WeimarWinckelmann geht dann noch einen Schritt weiter, er bleibt nicht bei der kunstgeschichtlichen Betrachtung, er wird soziologisch. Die schöne Seele, die Winckelmann in der Skulptur sieht, will er auch im Schöpfer der Skulpturengruppe selbst sehen. Er überträgt sittliche Größe auf die Künstler einer historischen Epoche und überhöht damit die Antike ein zweites Mal. Die idealistische Vorstellung von der Antike, die sich teils bis heute gehalten hat, stammt auch aus dieser Übertragung, wenn sie auch mit der historischen Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Aber das darf uns egal sein. Auch in der Weimarer Klassik ging es schließlich nicht um eine banale Wirklichkeit, um das Alltägliche, sondern um das Wahre, Gute und Schöne - Ideale eben, die es anzustreben gilt und die uns hier, in der antiken Kunst gezeigt werden.

Goethes marmorfarbener Reisemantel in Tischbeins Gemälde als Überwurf, der aus Goethe beinahe eine antike Skulptur machtDass sich Goethe auf Tischbeins Gemälde einen marmorfarbenen Reisemantel übergeworfen hat, ist nicht nur eine Reminiszenz an die Antike, vielmehr wird der Dichter in dieser Darstellung selbst zum Ideal. Während noch hinter ihm die vergangene Größe der Antike aufscheint, aber auch schon von Natur überwuchert wird und der Vergänglichkeit preisgegeben ist, erstrahlt Goethe selbst in frischer Manier – er erscheint als einer, dem es gelingt, die Größe vergangener Zeiten in einer neuen, strahlenden Weise wieder aufleben zu lassen. An ihm nagt nicht die Vergänglichkeit. Der trockene Staub der italienischen Campagna hat keine Spuren hinterlassen. Die Strümpfe sind blendend weiß, die Schuhe plank poliert und die gelbe Schnürbundhose mit einer perfekt gebundenen Schleife versehen. Doch nicht in dieser Tracht will uns Tischbein seinen Freund zeigen. Die Mode des 18. Jahrhunderts blitzt zwar hervor, ordnet Goethe in seine Zeit sein, Tischbein lässt aber den Reisemantel dominieren, keinen Reisemantel wie ihn Goethe getragen hat, sondern einen Überwurf, der aus Goethe beinahe eine antike Skulptur macht und ihn so nicht nur perfekt der antikisierten Landschaft anpasst, sondern ihn auch in die Reihe der Großen stellt und damit den Gedanken von Goethes Mutter fortführt, die ihren Sohn schon früh als einen klassischen Schriftsteller erkannt hat, der er dann ja auch geworden ist.

 

 

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