Goethes Italienische Reise
Jutta Assel | Georg Jäger
San Marino
Stand: Juli 2014
So unbedeutend in politischer Rücksicht die Republik ist, von der hier die Rede ist, so sehr verdient sie die Aufmerksamkeit des Philosophen ...
Rez. von John Gillies: Reise nach San Marino. Leipzig: Linke 1798. In: Allgemeine geographische Ephemeriden. Hrsg. von F. von Zach. Bd. 1. Weimar, im Verlage des Industrie-Comptoirs 1798, S. 447. Digitalisiert durch Google.
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Repubblica di S. Marino - La Pace. Spruchband: La Pace è vincolo di Amore. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. Nicht gelaufen.
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Gliederung
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Territoria della Repubblica di S. Marino. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. Nicht gelaufen.
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Oben: Repubblica di S. Marino. 1617 Alterocca - Terni. Handschriftlich: 15/16 V 06. Verso: Carte Postale. Nicht gelaufen.
Mitte: Repubblica di s. Marino - I tre monti veduti dalla parte di Rimini. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
Unten: Repubblica di S. Marino - Il monte di S. Marino visto da levante. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Ditta Rag. A. Reffi. Nicht gelaufen.
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[Ohne Titel.] Repubblica di S. Marino. Suggestiva veduta del profilo del Monte da Settentrione (ovest). Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Reisen eines Deutschen in Italien
in den Jahren 1786 bis 1788.
Die Republik St. Marino
Die Aussicht von Rimini nach St. Marino hat schon an sich etwas Romantisches, und je beschwerlicher der ganze Weg dahin, desto reizendere Aussichten gewährt er.
Die Ebenen um Rimini sind noch schön und fruchtbar, die nächsten Hügel sind mit Obst- und Weingärten umkränzt oder mit Olivenbäumen bepflanzt, so dass die ganze Natur hier noch ein lachendes und fröhliches Ansehen hat; je mehr man sich aber den republikanischen Bergen nähert, desto rauher, steinichter und unfruchtbarer wird die ganze Gegend.
Die kleine Republik wird sehr selten von Fremden besucht; es gehet daher auch keine ordentliche gebahnte Straße dahin, und wegen der Rauhigkeit des Weges kann man nicht wohl anders als zu Pferde oder zu Fuß hinkommen.
Ich wählte das letztere und nahm mir zu dem Ende aus Rimini einen Wegweiser mit.
Es war noch früh am Tage, da wir unsere Reise antraten, und so wie wir von Rimini bergan stiegen, erweiterte sich die Aussicht über das Adriatische Meer, und nur der blendende Glanz der Sonne verhinderte, dass wir die jenseitigen Küsten nicht entdecken konnten, die sich sonst wie dunkle Nebelstreifen zeigen.
Mein Wegweiser war sehr aufgeräumt, und wenn ich nicht mit ihm sprach, so sang er, und zwar recht zärtlich und schmachtend: "Una bella contadina inamorar mi fa" (Eine schöne Bäuerin hat mein Herz gefesselt usw.). Er sang dies viel langsamer als wir unsere Choräle und in lauter dicht aneinandergrenzenden, unreinen Tönen, so wie von dem gemeinen Volk in Italien alles, was ihnen einfällt, gesungen wird.
Eine gute Strecke von Rimini hatten wir noch wie in einem immerwährenden Lustgarten gewandelt, nun aber fing der Weg schon an, rauh und steinicht zu werden, und bald befanden wir uns auch auf der Grenzscheidung zwischen der Republik und dem päpstlichen Gebiet.
Diese Grenzscheidung ist auf einer kleinen Brücke, die über ein fließendes Wasser geht; und die Grenzlinie ist so äußerst genau bestimmt, dass sogar die Jahreszahl 1799 davon durchschnitten wird.
Wir kehrten nun in dem republikanischen Dorfe Ceravallo ein, wo wir mit Wein und Brot und sehr wohlschmeckenden Feigen bewirtet wurden.
Mein Wegweiser erzählte der Frau vom Hause, dass ich von Rimini hergereist sei, bloß um die Republik zu sehen, und dass ich in Rimini meinen Fuhrmann zurückgelassen hätte; "per vedere la nostra republica!" (unsre Republik zu sehen!), rief die Frau voller Freude aus und ließ sich von meinem Wegweiser erzählen, wie weit ich schon hergekommen sei, um alle diese Gegenden zu sehen. Dann beklagte sie uns wegen des schlimmen Weges, wobei mir ihre Aussprache des Italienischen merkwürdig war, weil man hier das a völlig wie im Englischen und z.B. strada wie strädä ausspricht.
Nach einem sehr ermüdenden Wege langten wir endlich kurz nach Mittag erst am Fuß des steilen Berges an, auf welchem die Stadt gebauet ist.
Hier unten am Berge ist eine Art Vorstadt oder Flecken, den man im Italienischen Borgo nennt. Dieser Borgo ist lebhafter und bewohnter als die Stadt selber, und weil nun in der ganzen Republik St. Marino kein Gasthof ist, so führte mich mein Wegweiser in das Haus eines Schusters von seiner Bekanntschaft, wo ich die Nacht mit ihm herbergen sollte und der uns nach einigen Bitten von seiten meines Wegweisers aufnahm, weil diese Leute nicht darauf eingerichtet waren, Fremde zu bewirten.
Auf dem Herde war Feuer gemacht, woran wir uns erwärmten, weil wir auf einmal aus dem Sommer von Rimini in den kältesten Herbst gekommen waren, so sehr abstechend ist das Klima auf diesen Bergen von dem auf der Ebene. Während der Zeit kleidete unser Wirt sich an, um mit mir in die Stadt hinaufzugehen und mir die Merkwürdigkeiten zu zeigen.
Der Weg zu der Stadt ist nur ein einziger, welcher sich an dem steilen Berge hinaufwindet. Unterwegens begegneten uns einige Leute, von welchen mein Begleiter mir mit einer Pantomime zu verstehen gab, dass sie schon manchem den Dolch in die Brust gestoßen hatten. Nachher erzählte er mir, dass dies Mörder waren, die sich hierher geflüchtet hatten, aber auch das Gebiet der Republik nicht überschreiten dürften, wenn sie nicht wollten gefangen werden; in der Republik aber dürfe ihnen niemand etwas tun.
Wir stiegen so hoch, dass der Borgo oder Flecken, aus dem wir gekommen waren, wie eine Pygmäenstadt zu unsern Füßen lag und dass Rimini mit seinem Hafen, welches doch drei deutsche Meilen entfernt ist, ganz nahe am Fuße des Berges zu liegen schien. Das Adriatische Meer lag vor uns in seiner ganzen Breite, und hie und da entdeckte man die weißen Segel von kleinen Fischerboten. - Der Berg van St. Marino selbst wirft seinen Schatten weit ins Meer.
Auf dieser Höhe lag nun die Stadt, in welche wir hineingingen und wo die meisten Häuser mehr in den Felsen eingehauen als darauf gebauet zu sein schienen; denn oft macht die Felswand zugleich die Wand des Hauses, und die menschlichen Wohnungen sind wie Nester in Ritzen und Spaltungen hingebaut, denn die Stadt liegt gerade auf dem schmalen Rücken des Berges, der vorn ganz schroff in die Höhe steigt und hinter sich auf einmal wieder abhängig wird, so dass er sich selbst beschützt.
Hinter der scharfen Ecke des Berges zieht sich die Stadt hin und verbirgt sich dahinter. Auf der scharfen Ecke aber sind in einiger Entfernung voneinander drei Kastelle mit Türmen gebaut, welche sehr weit hin können gesehen werden. Diese drei Türme sind auch in dem Wappen der Republik, welche drei Kastelle, drei Klöster und fünf Kirchen in ihrem Gebiete zählt.
Den sonderbarsten Anblick machen die kleinen Gärten, welche auf dem ganz nackten Felsen zwischen den Häusern stehen und zu denen man die Erde notwendig von unten muss heraufgebracht haben.
Die Stadt überhaupt hat etwas Totes und Stilles, wodurch man ganz natürlich auf ihren Ursprung aus einer Eremitage zurückgeführt wird, welcher Ursprung schon an sich etwas Auszeichnendes hat und daher mit ein paar Worten hier berührt werden muss.
Der heilige Marino, welcher diese Republik stiftete, war nämlich seines Handwerks ein Maurer und half vor mehr als dreizehnhundert Jahren die Stadt Rimini wieder aufbauen, welche damals ganz zerstört lag.
Als er auf die Weise der Welt nützlich gewesen war, begab er sich, um nun ganz dem Himmel zu leben, auf diesen einsamen Berg, der recht dazu gemacht zu sein schien, um das Gemüt von dem Erdboden abzulenken, welcher hier in öder Unfruchtbarkeit durch keinen Reiz die Sinne fesselt. Ganz dem Irdischen abgestorben und schon sich selbst entnommen, tat dieser heilige Mann ein Wunder oder glaubte doch, es zu tun, und der Ruf von seiner Heiligkeit erscholl nun in der ganzen Gegend, so dass selbst die Landesfürstin, davon gerührt, ihm ein Geschenk mit dem Berge machte, den er bewohnte.
Von allen Seiten strömte nun das Volk dem Berge und dem Manne zu; und der heilige Marino wurde bei seiner unausgesetzten strengen Lebensart noch einmal wieder der Welt nützlich, indem er auf diesem Berge eine Stadt zu bauen anfing und die Republik stiftete, welche sich noch itzt nach seinem Namen nennt und ihn als ihren ersten Schutzheiligen verehrt. Er wird abgebildet, wie er einen Berg mit drei Türmen auf seinen Händen trägt.
Wir gingen nun in die Hauptkirche der Republik, welche dem Schutzheiligen gewidmet ist und die gegen die sonst übliche Pracht in den katholischen Kirchen sehr auffallend absticht; so arm und ungeschmückt sieht dieser kleine Tempel aus. Hinter dem Altare sieht man die bloße Felsenwand, an welche die Kirche gebaut ist; und in diesem Felsen sind gegen einander über zwei Öffnungen gehauen, in deren jeder ein Mensch ausgestreckt liegen kann. Dies war die Schlafstätte des heiligen Marino und seines Gehülfen, der auch ein Maurer war und mit ihm zugleich diesen Aufenthalt bezogen hatte. Sie hatten sich mit ihren eigenen Händen diese harten Betten in dem Felsen ausgehauen, der von ihrer Aufopferung und Selbstverleugnung ein immerwährendes Denkmal ist.
Die übrigen Kirchen und Paläste zeichnen sich ebenfalls durch Simplizität aus, die an Armut grenzt, und machen daher kein Missverhältnis mit dem Ganzen der Republik, welche auf Resignation gebauet ist.
Wir besahen den Palast eines gewissen Cavallieri Magi d' Urbino, wo uns denn doch eine Gemäldegalerie von sehr mittelmäßigen Kupferstichen, ein Porzellanservice von Fayence und ein Prunksaal, mit ganz gemeinen Stühlen und Tischen möbliert, gezeigt wurde. Der Bediente, welcher den Cicerone machte, nahm, wie es in Italien Gebrauch ist, ein Trinkgeld dafür, dass er uns die schönen Sachen gezeigt hatte. Er war auch gar nicht geheimnisvoll damit, dass sein Heroismus, den er durch einen Dolchstoß bewiesen, ihn auch zu diesem Zufluchtsorte gebracht habe.
Wir stiegen darauf zu dem ersten von den dreien Türmen hinauf, wo die Staatsgefängnisse sind und wo uns die Gefangenenwärterin jedes Zimmer bezeichnete, in welchem eine merkwürdige Person in Verhaft saß. Sie redete dabei ganz leise, mit einem geheimnisvollen Wesen. Die vielen Staatsgefangenen sind ein Beweis, wie strenge die kleine Republik in der Verwaltung ihrer eigenen Justiz verfährt.
Der Senat der Republik besteht aus vierzig Personen, wovon die eine Hälfte aus dem Adel und die andere aus dem Volke genommen ist. Es dürfen in diesem Senat nicht zwei von einer Familie sein; kein Sohn kann bei Lebzeiten seines Vaters und niemand ohne vorhergegangene Wahl eintreten. Die höchsten Staatsbedienten sind zwei Kapitäne, welche alle sechs Monate gewählt werden und einen Justitiarius zur Seite haben, der ein Fremder sein muss und nur auf drei Jahre zu dieser Stelle gewählt wird, damit man unter einer schlechten Wahl nicht zu lange leiden möge. In Staatsgeschäften von außerordentlicher Wichtigkeit wird der Große Rat zusammenberufen, in welchem jedes Haus seinen Repräsentanten hat.
Da wir gegen Abend wieder nach unserm Borgo herunterstiegen, begegnete uns ein Mann, in einen Roquelaur gehüllet, den mein Begleiter ehrerbietig grüßte; und als er vorbei war, sagte er, das sei der Capitano regente (der regierende Befehlshaber), aber incognito gewesen; denn sonst gehe er immer mit Begleitung und trage eine Allongenperücke. Mein republikanischer Schuster schien doch eine Art von Stolz darin zu finden, mir seinen Capitano so glänzend wie möglich zu schildern; ihm wäre sonst eine Wache von sechzehn Mann bestimmt, wovon sein Sohn einer sei, den ich den Abend würde kennenlernen.
Als wir zu Hause kamen, war es strenge kalt; wir setzten uns ums Feuer; der Sohn meines Wirts, ein junger, wohlgewachsener Bursche, kam auch zu Hause und setzte sich zu uns, und nun wurde über Staatseinrichtungen gesprochen, und mein Wirt erzählte mir, dass außer ihm noch fünf Schuster in der Republik waren, dass die Zahl von sechsen nicht dürfe überschritten werden und dass ein jeder sein Leben daran wagen würde, die Republik bei einem feindlichen Angriff zu verteidigen.
Einmal hatte sich ein päpstlicher Legat mit Gewalt und List der Republik schon so weit bemächtiget, dass er im Namen des Papstes feierlich Besitz davon genommen hatte und in der Hauptkirche das Tedeum anstimmen ließ, als ihm während dem Lobgesang auf einmal eine Flintenkugel dicht vor dem Ohre vorbeisummte, die den siegreichen Kardinal so in Schrecken setzte, dass er plötzlich und still mit seinen Truppen wieder abzog und seit der Zeit die Republik beständig in Ruhe ließ.
Freilich ist es dem päpstlichen Despotismus höchst zuwider, mitten im Schoße des Kirchenstaats ein freies Völkchen zu dulden, da überdem verschiedene Große aus dem Kirchenstaate sich das Bürgerrecht von St. Marino für eine Ehre schätzen.
Man sucht daher im Kirchenstaat, und besonders in dem benachbarten Rimini, die Republik auf alle Weise lächerlich zu machen, um sich gleichsam dafür zu rächen, dass dieses Volk seit Jahrhunderten edler und größer als seine Nachbaren denkt.
Über diese und ähnliche Gegenstände brachten wir den Abend mit Gesprächen hin und verzehrten dabei unser Abendessen dicht neben dem Herde, auf dem es zubereitet war.
Den andern Morgen früh machte ich allein wieder eine Wanderung auf den Berg, um eine vollständige Idee von dem ganzen Umfange der Republik zu haben, die ich dann auch bekam, weil sich ein paar junge Leute zu mir gesellten, die mir nach allen Seiten die Grenzen des Gebiets von St. Marino bezeichneten, so dass man dasselbe von der einen Spitze des Berges ganz übersehen konnte.
Diese beiden jungen Leute waren wohlgekleidet und schienen sehr wohlerzogen zu sein. Sie befriedigten noch über Verschiedenes meine Wissbegierde, zeigten mir die großen Zisternen, worin das Regenwasser aufgefangen wird, weil es gänzlich an anderm Wasser fehlt, und führten mich in die Kapuzinerkirche, wo über dem Altar ein schönes Gemälde hängt, das eine Abnehmung Christi vom Kreuze darstellt. Die Kapuziner haben aus ihrem Kloster die schönste Aussicht und auf dem Felsen hinter dem Kloster einen Garten, der für St. Marino so schön ist, als er nur sein kann.
Meine beiden höflichen Begleiter sagten mir, es sei sehr ungewöhnlich, dass Fremde hierherkämen, darum sei auch kein Gasthof in ihrem Gebiet. Vor mehreren Jahren waren einmal Engländer dagewesen. Sie fragten mich, ob man in unserm Lande den Namen ihrer Republik wisse und was man mir in Rimini für eine Beschreibung davon gemacht habe usw. Nach dem, was sie sagten, zu schließen, war ihr republikanischer Stolz sehr bescheiden.
Sie begleiteten mich bis zu dem Borgo hinunter; und die Frau des Schusters, die uns hatte kommen sehen, sagte mir mit einer sehr bedeutenden Miene, ob ich wohl wisse, wer der eine von meinen Begleitern gewesen sei. Es sei der Sohn des Capitano regente gewesen.
In dem Borgo war es lebhaft, weil gerade Markt war; und in einem Kaffeehaus war eine Anzahl Priester versammlet, denen man es an der armseligen Kleidung und hagern Gestalt wohl ansahe, dass sie keine päpstliche, sondern republikanische Geistliche waren.
Wir nahmen nun Abschied von unserm Wirt, dessen Sohn uns noch eine Strecke begleitete; dann eilte ich mit meinem Wegweiser schnell den Berg hinunter. In Ceravallo hielten wir uns nicht auf, und kurz nach Mittag erreichten wir schon die Grenzscheidung. Der Berg von St. Marino hatte sich in Wolken gehüllt, und wir befanden uns wieder auf päpstlichem Gebiet.
Moritz. Werke in zwei Bänden. Ausgewählt u. eingeleitet von Jürgen Jahn (Bibliothek deutscher Klassiker) 3. Aufl. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1981. Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788. In Briefen. Hier: Rimini, 12. Oktober. S. 6-14.
Moritz, Karl Philipp, Schriftsteller, geb. 15. September 1756 zu Hameln, erst Gymnasiallehrer in Berlin, in Italien (1786-88) mit Goethe befreundet, gest. 26. Juni 1793 als Prof. an der Kunstakademie zu Berlin. (Brockhaus Kleines Konversations-Lexikon. Elektronische Volltextedition der fünften Auflage von 1911 (Digitale Bibliothek; 50) Berlin: Directmedia 2004, S. 50.018.)
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1. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - La seconda Torre con in fondo il Palazzo, la Pieve e la Rocca. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
2. Ansicht von oben: Repubblica di San Marino - Il Monte, la Rocca, la Citta. Verso: Repubblica di San Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. 4-7246. Nicht gelaufen.
3. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - La Citta, la Rocca, il sottostante Borgo. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
4. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino. Veduta delle tre linee di Colli scendenti verso la pianura Romagnola. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Repubblica di S. Marino - 7. La Rocca e il Palazzo visti dalla 2° Torre. Verso: Edizione Rufo Reffi - S. Marino. Proprietà riservata. Handschriftlich: 22. Sept. 29. von Riccione aus. Nicht gelaufen.
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Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien in den Jahren 1791-92
Auf dem Wege zwischen Catolica und Rimini sahen wir hoch auf einem Berge das Städtchen San Marino an unsrer linken Seite liegen. Dieser kleine Freistaat würde berühmter sein als große Staaten, wenn Unschuld und Tugend von den Menschen mehr als glänzende Laster bewundert würden. Gleich der kleinen schweizerischen Republik Gersau besitzet diese nur Einen Berg. Ihr Gebiet hat eine deutsche Meile im Durchschnitt. Ein Maurer aus Dalmatien arbeitete im Anfang des 6ten Jahrhunderts 30 Jahre lang in Rimini, welches erneuert ward. Dann lebte er als Einsiedler auf diesem Berge. So sehr er aber auch die Stille suchte, führte der Ruf seiner Heiligkeit ihm doch Jünger zu. Eine Fürstinn schenkte ihm den Berg als ein Eigenthum. Hier stiftete er einen kleinen Freistaat.
Wie er die Wohnung seiner Bürger auf einen Fels gründete, so gründete er seine einfältigen edlen Gesetze auf das Evangelium. Die Verfassung der Republik ist sehr einfach. Jedes Haus sendet einen Deputirten zur großen Versammlung der Bürger. Die executive Macht ist in den Händen des Raths von Sechszigen, deren Hälfte aus dem Adel genommen wird. Zu Fassung eines Entschlusses werden zwei Drittel der Stimmen erfordert. Dieser Rath wählet alle zwei Monate zwei Capitani, welche im Kleinen das sind, was die Consuln der Römer waren.
Der Richter und der Arzt müssen Fremde seyn. Beide werden nur auf 3 Jahre gewählt. Da den St. Marinesen an der Erziehung ihrer Kinder viel gelegen ist, halten sie den Schulmeister in großen Ehren.
Nur Einmal haben sie Krieg geführt. Sie standen im 15ten Jahrhundert Pabst Pius dem Zweiten gegen Sigismund Malatesta, Herrn von Rimini bei. Pius schenkte ihnen 4 feste Schlösser, aber sie wollten sich nicht vergrößern. Im Jahr 1740 luden einige Unzufriedne Pabst Clemens den Zwölften ein, Besitz von der Stadt zu nehmen. Er sandte den Cardinal Alberoni hin, welcher sehen sollte, ob die größte Zahl der Bürger für die Entsagung ihrer Freiheit stimmte. Alberoni berichtete nach der Wahrheit, daß nur einige Antheil an diesem Vorhaben hätten; und der Pabst war so gerecht, ihnen die Freiheit ungekränkt zu lassen. Sie genießen ihrer noch.
Man rühmt ihre Sitteneinfalt und ihre Redlichkeit. Sie verschmähen die Handlung, weil sie Reichthümer zu entbehren wissen, und leben mehrentheils von ihrem Landbau. Wiewohl ihr Berg oft 3 Monate mit Schnee bedeckt ist, bauen sie edlen Wein und treffliche Früchte.
Es fehlt ihnen aber eine Quelle; sie trinken daher Cisternenwasser. Ihre Jugend übt sich fleißig in den Waffen. Bei allen Unruhen, welche Italien in mittlern Zeiten zerrissen, ehrten alle Fürsten und Freistaaten ihre Tugend und Friedensliebe. Nicht Einer feindete sie an. Wenn dieser kleine Staat an die Republik Venedig schreibt, so steht auf dem Umschlage des Briefes Alla nostra carissima sorella la serenissima Republica di Venezia (Unsrer geliebtesten Schwester der Duchlauchtigsten Republik von Venedig).
Erläuterung:
Gersau, von Napoleon dem Kanton Schwyz einverleibt, war, "mit seinen anderthalbhundert Häusern, ehmals ein eigner, souveräner Freistaat; hatte aber nicht durch seine Winzigkeit das beneidenswürdige Loos, in den politischen Stürmen des Welttheils ganz übersehen und vergessen zu werden, wie San-Marino inmitten Italiens, oder der Freistaat Andorre im Pyrenäenthal, und wohl andre dergleichen mikroskopische Republiken." Die klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte in Originalansichten dargestellt ... Mit Erläuterungen von Heinrich Zschokke. Erste Abtheilung. Karlsruhe und Leipzig: Kunst-Verlag 1836, S.68.
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg. Neunter Band (= Reise in Deutschland, der Schweiz, Italien und Sicilien in den Jahren 1791-92 von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Bd.4) Hamburg 1822, bei Perthes und Besser. Darin: Hundert und dritter Brief. Venedig, den 19ten October 1792. Hier S.402-04, Absätze eingefügt. Digitalisiert durch Google.
Friedrich Leopold Graf von Stolberg; geb. 7. November 1750 zu Bramstedt (Holstein), mit seinem Bruder Christian Mitglied des Göttinger Hainbundes, 1789 dänischer Gesandter in Berlin, 1791-1800 Kammerpräsident zu Eutin, trat 1800 zur katholischen Kirche über, gest. 5. Dezember 1819 auf dem Gute Sondermühlen bei Osnabrück. (Brockhaus Kleines Konversations-Lexikon. Elektronische Volltextedition der fünften Auflage von 1911 [Digitale Bibliothek; 50] Berlin: Directmedia 2004, S. 72.714.)
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Oben: Repubblica di S. Marino. Piazza della Libertà con le tre Torri. Verso: Editore Rufo Reffi - S. Marino. Printed in Italy. Im Briefmarkenfeld: Extra 2037. Nicht gelaufen.
Mitte: Repubblica di S. Marino - Panorama: Verso: Repubblica di San Marino. Premiata Ditta rag. A. Reffi - San Marino. Nicht gelaufen.
Unten: Repubblica di S. Marino. Panorama visto dal Palazzo Governativo. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. 1935 - "Fotogravure" Cesare Capello - Milano. Nicht gelaufen.
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Oben links: Repubblica di S. Marino. Piazza della Libertà vista dalla Loggia del Palazzo Governativo. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. Nicht gelaufen. Handschriftlich: 5/VII. 25.
Oben rechts: Repubblica di S. Marino. Dettaglio del Palazzo - Statua di S. Marino. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. 1937 - "Fotogravure" Cesare Capello - Milano. Nicht gelaufen.
Unten links: Repubblica S. Marino - Palazzo Governativo. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Editrice Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. Im Briefmarkenfeld: Produzione Italiana. Nicht gelaufen.
Unten rechts: Repubblica di S. Marino. Fianco del nuovo Palazzo Governativo. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Oben: Repubblica di S. Marino. Il Palazzo e Piazza della Libertà. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Editrice Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Martino. Gelaufen. Poststempel unleserlich.
Unten: Repubblica di S. Marino - Atrio del palazzo governativo. Verso: Repubblica di San Marino. Premiata ditta Cav. Rag. Alfredo Reffi - S. Martino. Nicht gelaufen.
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Es gab noch einen kleinen Staat in Italien, der bisher glücklich jeder Berührung mit den Franzosen entgangen war: die Republik San Marino. Die Revoluzion konnte den ruhigen Zustand dieses Ländchens nicht länger ertragen. Der französische Oberfeldherr schickte aus Tolentino den Bürger Monge an die Obrigkeiten des kleinen Freistaats, und ließ denselben, unter der schmeichelhaftesten Anpreisung ihrer Bürgertugenden, die unveränderliche Freundschaft der französischen Republik versichern, und jede ihnen vielleicht erwünschte Abrundung der Grenzen, ja selbst Gebietserweiterung, anbieten. Die Regenten von San Marino wiesen das gefährliche Geschenk mit merkwürdiger Klugheit zurück, und antworteten dem französischen Gesandten: "Sie seyen mit der Unbedeutenheit [!] ihrer Republik zufrieden, und scheueten sich, die großmüthig dargebotene Gebietsvermehrung anzunehmen, weil eben durch diese in der Zukunft ihre Freiheit gefährdet werden könnte."
Der Feldherr, welcher bereits auf alle italienischen Mächte einen so gewaltigen Einfluß geübt, ließ sich durch die kluge Bescheidenheit dieser Antwort nicht abhalten, dem kleinsten aller Staaten einen Beweis seines Wohlwollens aufzudringen, indem er den friedfertigen Marinern im Namen der französischen Republik vier Feldgeschütze als Geschenk überschickte.
Oesterreichische militärische Zeitschrift. Dritter Band. siebentes bis neuntes Heft. Wien 1835. Gedruckt bei Anton Strauß's sel. Witwe. Hier Heft 7. Der Feldzug 1797 in Italien, Inneröstreich und Tirol, Zitat S.40. Digitalisiert durch Google.
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"Auf dem großen Temperagemälde von Retrosi schreitet die priesterliche, feierliche Gestalt San Marinos zwischen zwei Engeln mit ausgebreiteten Flügeln und hält eine Schrift mit den Worten: >Relinquo vos liberos ad utroque homine<. Das Volk versammelt sich zu seinen Füßen."
(Giuseppe Rossi: Die Republik von San Marino. S. Marino o.J., S. 31.)
1. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - Sala del Consiglio col quadro del Ritrosi. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
2. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - Gran Sala del Consiglio Principe Sovrano nel Palazzo Governativo. Verso: Edizione del Bazar Emporio - Rimini. Riproduzione Vietata. Cartolina Postale Italiana. Nicht gelaufen.
3. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - La Sala del Consiglio Principe dalla Tribuna. Verso: Foto Avv. Belloni. Proprietà Riservata. Gelaufen. Datiert 1936. Poststempel unleserlich.
4. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino - Seduta cousigliare [!] coi Reggenti attuali. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Repubblica di S. Marino. Camino della Sala del Consiglio. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. Nicht gelaufen.
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Links: Repubblica di S. Marino - I due Capitani Reggenti. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
Rechts: Repubblica di S. Marino. Costume dei Reggenti. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Ditta Rag. A. Reffi - S. Marino. Gelaufen. Datiert u. Poststempel 1907.
"Die Stoffe [des Regierungsgewandes] sind Samt und Seide, die vorherrschende Farbe ist schwarz. Eine seidene Weste ist das erste Kleidungsstück, das in eine kurze Hose mit Verschnürung unter dem Knie übergeht. Diese wird von einem gebauschten Röckchen mit Fransen überdeckt. Die Hosen werden ergänzt von den langen schwarzen Strümpfen und den Samtschuhen mit seidener Schleife und goldenen Knöpfen. Über der Weste ist der schwarzsamtene Mantel. Lebhafter, weißer Fleck ist der Spitzenlatz und die außen angebrachten Manschetten. Das Barett ist aus schwarzem Samt und mit Hermelin verziert."
(Giuseppe Rossi: Die Republik von San Marino. S. Marino o.J., S. 44, 46.)
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Rep. di S. Marino. La Reggenza e il Suo Corteo. Signet. Dr. Trenkler Co., Lipsia. 12116. Verso: Cartolina Postale Italiana. Nicht gelaufen.
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William Berrian
Travels in France and Italy in 1817 and 1818
After we got the city my guide spoke to a gentleman passing us, who immediately accosted me in a very polite and friendly manner. We conversed a few moments together, when, observing that he addressed me as an Englishman, I undeceived him. Upon discovering my country he expressed the most lively satisfaction, and his civility grew into kindness. He rejoiced to meet an American, and seemed gratified to reciprocate the kindred feeling which had led me to St. Marino, by making the most flattering encomiums on the United States. He said that we were the happiest people in the world; that be esteemed us highly from the analogy between their political institutions and ours; that he considered us already powerful, and likely to become so much more powerful that he even looked to America for the emancipation of Europe.
Travels in France and Italy in 1817 and 1818. By the Rev. William Berrian. New York. Printed by T. and J. Swords 1821. San Marino, S. 274-277. Zitat S. 274f. Digitalisiert durch Google.
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Mathias Bruen:
Essays Descriptive and Moral;
on Scenes in Italy, Switzerland, and France
In the little that a stranger could perceive of character in a passing visit, physiognomy would naturally be called in for aid, and fancy help out the lack of better means of investigation. By such assistance it was not difficult to discover an independence of action and feeling in these mountaineers, which would have befitted the ancient Romans. The people are poor, having no advantages of agriculture beyond what are necessary for their sustenance, and no commerce. It is with extreme difficulty that any thing more than a beast of burden can reach the dwellings where they are perched. And as liberty cannot subsist with an idle populace, the inhabitants of San Marino have full employment in seeking to supply the pressing wants of nature. The absence of a more bountiful provision for these necessities is well compensated by the rich resources of a free spirit; and their fire-side musings are invaluable, when compared with the scenes in the theatres of Venice and Florence. Even those of the lowest orders with whom I conversed, were far more intelligent than people of the same class at Rimini and Ancona. Such is the force of uncultivated intellect when frequently called into exercise. In a small state where all its concerns touch each individual, there is an impulsive given to mind that would have remained dormant in other circumstances: the same man who is a passive functionary of police at Bologna, might be an active and intelligent citizen at San Marino.
But the government of this republic is as unlike that of our free American states, as the character of their people is different from ours. The general knowledge in the western communities, their enlightened moral principles, the habit of obedience to law only, and their acquaintance with constitutional authority, fit them for an administration which would not agree with an ignorant or catholic population. Such an administration would speedily either raise them above an influence which harmonizes only with despotism, or would itself be vanquished by it. A slavish submission to human dictation, in reference to our opinions about a future world, prepares us for a like implicit reliance in the affairs of this life, upon those who are set above us, less by merit than by birth or wealth.
The citizen who informed me that there were thirty priests in this republic, exclaimed, "molto troppo;" and they are indeed "far too many," unless they had better occupation than to recite Latin prayers to the Queen of Heaven, - as this religion styles the Virgin - whom it would convert into a female Saviour.
But we must not forget that frequently these priests are instructors of youth, as well as the ministers of religion; and it would be well if every state, upon the same population, supported as many for these two purposes, and sought to make them intelligent and zealous in dispelling ignorance, and eradicating wickedness.
In the Protestant cantons of Switzerland, so far as I could make an estimate upon this point, which is well worth minute investigation, and is a part of statistics in which political economists usually feel less interest than in the relative produce of wheat and potatoe cultivation, there is commonly one minister of religion to each thousand; but his duties are then almost exclusively spiritual.
Essays Descriptive and Moral; on Scenes in Italy, Switzerland, and France. By an American [= Mathias Bruen]. Edinburgh. Printed for Archibald Constable and Co. 1823. San Marino, S. 134-149. Zitat S. 138-141. Digitalisiert durch Google.
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Repubblica di S. Marino - Via Belluzzi. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Oben: Repubblica di S. Marino - Basilica e palazzo governativo visti dalla rocca. Verso: Repubblica di S. Marino. 19679 Ed. M. Lavoretti - Rep. di S. Marino. Riproduzione vietata. Rechts unten: Fot. Berretta S.A.-Terni, XIX. Nicht gelaufen.
Mitte: Repubblica di S. Marino - La Pieve ed il Palazzo. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
Unten: Repubblica di S. Marino - La Pieve di S. Marino. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. Signet. Nicht gelaufen.
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Repubblica di S. Marino - Basilica - Ingresso: Verso: Repubblica di San Marino. 19681 Ediz. Savoretti Marino - S. Marino. Riproduzione vietata. Nicht gelaufen.
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Repubblica di S. Marino - Monumento a S. Francesco e Convento Cappuccini. Verso: Repubblica di S. Marino. 11452 Ediz. Marino Savoretti. Nicht gelaufen.
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Ansichten von oben nach unten und von links nach rechts:
1. Ansicht: Repubblica di S. Marino - La Rocca (m. 745). Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. [Jahreszahl, unleserlich.] - "Fotogravure", Cesare Capello - Milano. Im Briefmarkenfeld: 11179. Nicht gelaufen.
2. Ansicht: Repub. di S. Marino - La Rocca, la Basilica e il Palazzo visti dalla Secooda [!] Torre. Verso: Repubblica di San Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. 4-1954. Nicht gelaufen.
3. Ansicht: Repubblica di San Marino - La Rocca vista dalla Seconda Torre. Verso: Repubblica di S. Marino. 4-1919 Premiata Casa Cav. Rag. A. Reffi - S. Martino. Nicht gelaufen.
4. Ansicht: Repubblica di S. Marino. La Rocca dai bassi contrafforti del Titano. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di s. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
5. Ansicht: Repubblica di S. Marino - La Fortezza. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. Signet. Nicht gelaufen.
6. Ansicht: Repubblica di S. Marino. La Rocca veduta dagli Orti Borghesi. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Nicht gelaufen.
7. Ansicht: Repubblica di S. Marino - La Rocca prima dei restauri. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
8. Ansicht: Repubblica di San Marino - La Rocca (m. 749 s.l.m.). Verso: Repubblica di San Marino. 4-1932 Premiata Casa Cav. Rag. Alfredo Reffi - San Marino. Nicht gelaufen.
9. Ansicht: Repubblica di S. Marino. La Rocca vista dalla seconda Torre. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
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Oben: Repubblica di S. Marino - Torrione della Rocca. Verso: Repubblica di S. Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. Signet. Gelaufen. Datiert 1926. Poststempel unleserlich.
Unten: Repubblica di S. Marino - Seconda e terza Torre. Verso: Repubblica di San Marino. Premiata Ditta rag. A. Reffi - San Marino. Nicht gelaufen.
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Die Schatten ruhten noch auf den Thälern, auf den von Cytisus und Eriken umgebenen Maisfeldern, den Maulbeerpflanzungen und Weingärten der Romagna, als ich im leichten Wägelchen aus dem Thore von Rimini und den im Frühstrahl der Sonne erglühenden Bergen zurollte. Meine Fahrt galt der Republik San Marino, jenem stolz die seufzende Ebene überragenden Phönixnest der Freiheit, dem kleinsten, ältesten, einzig echten Freistaat des alten Europas. Eine Quadratmeilen große Oasis, voll kräftig wurzelnder, 1400 Jahre alter, frisch grünender Freiheitsbäume, auf deren Wipfel nicht die blutigrothe Mütze des entfesselten Galeotten schaukelt, deren Stämme keine hohlen, prunkenden Reden der Phraseologen bekleistern, unter deren Schatten ein frisches, freies, fröhliches Volk sich des Daseyns freut, ein Urwald wahrhaft freiherrlicher Stammbäume - ist meines Erachtens ein würdigeres Reisemotiv, als eine steeple-chase nach byzantinischen Basiliken, oder allen jenen vom Geblöke der reisenden Schaafherden wiederhalltenden Echos.
Der Weg führt mächtig bergan, wohl unterhalten im Päpstlichen, kaum fahrbar auf republikanischem Gebiet. Auf allen Radien, die ich durch den Kirchenstaat einschlug, habe ich mich verpflichtet gefühlt, dem Ehrenmann von Cardinal, der jetzt Commissario delle strade ist, dicke Lorbeerkränze zu winden; er verdient sie fürwahr, und manche transalpinische Regierung dürfte wohl thun, sich in diesem Punkt ein Exempel zu nehmen und gleichen Dank zu erwerben, indem sie ihr Augenmerk mehr auf die Mosaik der Chausseen als die der Museen richtete. Die Marineser sind die einzigen, denen ich ihr Straßenabsperrungssystem nicht verarge. Sie sind keine Handelsleute, haben nichts mit den Nachbarn zu verkehren, und genügen sich vollkommen, eben wie die Wege ihren Saumthieren. Der Fremde, der Neugierige mag sehen, wie er fortkommt. Möcht' ich doch fast wünschen, daß die Grenzen dieses Eldorados mit unübersteiglicher chinesischer Mauer umgeben würden, um auf Schillers Frage: "Edler Freund, wo öffnet sich dem Frieden, wo der Freiheit noch ein Zufluchtsort?" auch nach Jahrhunderten mit "zu San Marino" antworten zu können.
Die Sonne schwang sich höher empor. Die phantastischen Klippen von San Marino, mit ihren drei Kastellen und der neuen blitzenden Kathedrale, leuchteten glühend über den von dichtem Gestrüpp umbüschten Felswänden, und die Cicaden begannen ihre schrillenden Symphonien in den die Straßen einfassenden Granatenbüschen, deren Flammenblüthen aus dem glänzenden Grün überall hervorzüngelten. Eine Brücke bildet die Grenze zwischem dem päpstlichen Gebiet und dem der Republik; auf dem mittelsten Bogen begegnen sich die Wappen, die gekreuzten Schlüssel des Himmelspförtners, die drei Federn San Marinos. Hinter dem Flecken Serravalle steigt die Straße schroffer hinan; aber dem felsigen Boden trotzend, wandten sich Weinreben überall an den Maulbeerbäumen, schmückten die Aecker sich rings mit üppiger Saat, bis an den Fuß des eigentlichen Felskammes, an dem das Borgo di San Marino liegt. Ich stieg aus dem Wagen und setzte meinen Weg zu Fuß fort; er leitet im Bogen, den Fels umkreisend, in die eigentliche Bergstadt. Alle italienischen Reisecompendien, welche sich unter einander wie die Nachfolger Banquos im Hexenspiegel abglänzen, narriren von dem öffentlichen in Marino geduldeten Hazardspiel und den zahllosen Bettlern; ich habe weder diese noch jenes zu sehen bekommen, wohl aber ein freundliches, dienstfertiges, still emsiges Völkchen, welches, anstatt wie in den andern italienischen Städten, den Fremden wespengleich zu umsummen, seine Arbeit nur verläßt, um ihn gutmüthig, und ohne auf Belohnung zu rechnen, zurechtweisen.
Unweit des Thores liegt auf geebnetem Platze, der mehrere Cisternen enthält, das Stadthaus, kenntlich am Wappen der Republik, den drei Bergen, auf deren jedem ein Thurm mit der Straußfeder steht. Die Straßen sind eng, und oft, vom Terrain bedingt, nur Treppen mit Geländern. Das schönste Gebäude, und erst in der jüngsten Zeit vollendet, ist die nach der Zeichnung von Giuseppe Sartore von Muscoli entworfene Kirche des heiligen Marino, die einzige Kirche Italiens, bei welcher die antiken Tempelmotive dem christlichen Zweck glücklich angepaßt worden sind. Vier korinthische Säulen von Sandstein tragen die Vorhalle, zwölf mit Stuck bekleidete das Mittelschiff, vier das Chor, an welches sich zwei Seitenkapellen schließen. Hinter dem mit grauem und grünem Marmor bekleideten Hauptaltar steht auf einem Säulenschaft die schöne Marmorstatue des heiligen Marino, Stifters der Republik, eines würdigen, von langem Bart umwallten Greises in reichem priesterlichem Ornat, welcher mit der Rechten auf eine entfaltete Rolle deutet, auf das Wappen des Freistaats mit der goldnen Devise: "Libertas." Sancte Marine, ora pro nobis! murmelte ich leise. Die Statuen des Heilands und der Apostel sind in den Nischen des Chors und der Seitenschiffe vertheilt, in vier andern, an der Eingangspforte und am Chor, die edelgeformten Bildsäulen der Stärke, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Wahrheit. Die Gemälde der Seitenaltäre und Stationen sind wenigstens nicht schlechter als die so mancher anderer hochgefeierter Kirchen. Der ganze Tempel trägt das Gepräge der Würde, der Simplizität und Heiligkeit. Er war leer bis auf eine Alte, welche, die Spindel drehend, auf der Schwelle saß und sich eben nicht weiter um mich kümmerte. Das Gesindel, welches durch ganz Italien die Kirchen zu Salons des Müßiggangs, der Heuchelei und Bettelei entweiht, fehlte hier. Die Marinesen dienen ihrem Gott in Werken, nicht in Worten.
Ich erstieg die alte Burg, das erste und weitläufigste der drei Kastelle, welche die Felsenspitzen krönen. Ein dienstfreundlicher junger Mann, welcher in seiner Person die Aemter eines Festungscommandanten, Gefängniswärters und Glöckners vereinigte, führte mich herum. Das ganze Kastell besteht aus nicht viel mehr als aus drei durch Mauern verbundenen Thürmen; die andern Vesten sind gar nur einzelne Warten. Die äußerste südliche führt in der Wetterfahne einen Thurm und eine Feder, die zweite deren zwei, die dritte das vollständige Wappen. Der Commandant, ein gesprächiger, wohlunterrichteter Bursche, führte mich zuerst in die seiner Hut vertrauten Kerker. Sie waren sämmtlich hell, trocken, reinlich, und was noch mehr sagen will - leer. In dem letzten hob er eine Fallthüre und ließ mich in einen lichtleeren Raum starren. "Dort unten," flüsterte er heiser, "hat noch vor drei Monaten Einer gesessen und ist dort noch vor geschlossener Untersuchung gestorben." - Schaudernd fuhr ich zurück. - "Aber," setzte der Wärter, als er mein Entsetzen gewahrte, hinzu, "es war auch ein Mörder, ein grausamer, blutiger Mörder. O Herr, es ist der erste seit zwanzig Jahren und drüber, der dort unten gesessen hat. Ein kleiner Diebstahl, eine Eifersüchtelei - so etwas kommt hie und da wohl noch vor - zwei, drei Monate Gefängniß, das ist das Höchste; aber ein Todtschläger, Signore!" - Der Abscheu, mit dem der junge Mann von einem Morde sprach, war nicht italienisch, romanesk am wenigsten. Dort denkt man liberaler über solch ein Accidenza.
Aus dem Verließ führte der Custode mich versöhnend nach der Zinne seines Glockenthurms und ließ mein Auge im Rundblick über die endlose Apenninenkette schweifen, über die Hügelketten und Thäler, Städte und Dörfer, nach den Flüssen und dem sonnenglühenden Meer. Er nannte mir die entlegenen Gipfel, zeigte auf die ferne Einsiedelei der Madonna del Monte di Cesena, auf Monte Calia, Nerone, auf die jetzt von Franzosen ausgebeutete Solfatara und Monte Leone, auf das am Abhang liegende Verocchio, welches Bonaparte mit der Republik vereinigen wollte und von dieser ausgeschlagen ward, auf das weite Kiesbette der wie alle Küstenflüsse ausgetrockneten Marettia, und die über Höhen und Schluchten sich windenden Gränzen der Republik. Die Sonne stand bereits zu hoch, um die gegenüberliegende dalmatische Küste erkennen zu lassen. Es ist dies eine der überschwenglichsten Fernsichten Italiens.
Ich ging in ein Kaffeehaus, per far rinfresco; die Thür stand weit offen, aber die Gemächer waren verödet, nicht einmal der Bottega war zu spüren, und ich mußte mit trockenem Munde abziehen. Ich wandte mich nun nach der nahegelegenen Kirche San Francesco am Thor. Auch diese war, mit Ausnahme des Messe lesenden Priesters, des Ministranten und einiger alten Weiber leer. Zwei alte, gute Gemälde fesselten meine Aufmerksamkeit; den Namen der Meister konnte ich nicht erfragen. Besonders vortrefflich war das eine, auf Holz gemalte, leider bereits geborstene. Der granziösesten [!] Madonna auf dem Thron, welche an die schönsten des Francesco Francia erinnert, stehen zwei Heilige zu jeder Seite: rechts die heilige Catharina und San Bruno, nach dessen Stab das Jesuskind lieblich naiv die Händchen ausstreckt, links Johannes der Täufer und ein jugendlicher, mir unbekannter, besonders vortrefflich gemalter Heiliger. Zu Füßen des Throns sitzen zwei Engel, von denen der eine mit gekreuzten Beinchen die Zither spielt, der andere sehr ernsthaft die Schalmei bläst und dabei streng auf das Notenblatt blickt, welches er auf den Knieen vor sich liegen hat. Neben ihm kauert ein schwarzer Kater mit gekrümmtem Rücken. Die Landschaft des Hintergrundes ist wundersam phantastisch.
Ich erwähne dieses Gemälde, um dem Geschlecht derjenigen, welche lieber mit hölzernen Heiligenbildern als mit freien Menschen zu thun haben, zu beweisen, daß Marino von beiden vortreffliche Exemplare aufzuweisen habe. Ich für meinen Theil, der ich es mit der letztern Spezies, den Freien, halte, theile Canovas Meinung, welcher den Bürgerbrief von Marino allen seinen akademischen Diplomen vorzog, und möchte, wenn mir einmal ein Wunsch frei steht, gleich ihm, Freibürger von San Marino seyn, oder wenigstens - König von Yvetot.
Erläuterung:
Yvetot, Stadt an der Niederseine, "bildete ehemals mit einem kleinen Landgebiet jahrhundertelang ein souveränes Fürstentum (Freilehen), im Munde des Volkes Königreich Y. genannt." (Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905-1909 [Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 213.794.)
Franz Freiherrn Gaudy's poetische und prosaische Werke. Neue Ausgabe. Hrsg. von Arthur Mueller. Bd. 7. Berlin, Verlag von A. Hofmann & Comp. 1854, S. 195-198.
Franz Freiherr Gaudy (das "von" ließ er weg), geboren 19. April 1800 in Frankfurt a.d.O. und gestorben 5. Februar 1840 in Berlin, war ein zu seiner Zeit populärer und geschätzter Dichter.
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1. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino. Seconda Torre e mura castellana. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S Marino. 1934 - "Fotogravure" Cesare Capella - Milano. Gelaufen. Datiert 1934. Poststempel unleserlich.
2. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino. Interno della Seconda Torre. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. "Fotogravure" Cesare Capella - Milano. Im Briefmarkenfeld: 11189. Nicht gelaufen.
3. Ansicht von oben: Repubblica di San Marino - Esterno della Seconda Torre. Verso: Repubblica di San Marino. Premiata Casa Rag. Cav. Alfredo Reffi. 4-1923. Nicht gelaufen.
4. Ansicht von oben: Repubblica di S. Marino. Seconda Torre (m. 749) e Mura Castellane. Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Edit. Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. Im Briefmarkenfeld: 11180. Nicht gelaufen.
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Oben links: Repubblica di S. Marino - Terza Torre (altit. m. 742). Verso: Repubblica di S. Marino. Antica e Premiata Casa Editrice Rag. Cav. Alfredo Reffi - S. Marino. Im Briefmarkenfeld: Printed in Italy. 4264. Nicht gelaufen.
Oben rechts: Repubblica di S. Marino. Il Montale con la sottostante pianura. Verso: Repubblica di S. Marino. Ditta Rufo Reffi - Repubblica di S. Marino. Signet. Nicht gelaufen.
Unten: Repubblica di S. Marino - Terza Torre. Verso: Repubblica di San Marino. 19699 Ediz. Savoretti Marino - S. Marino. Riproduzione vietata. Nicht gelaufen.
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In der äußerst malerischen Linie der Bergkette, die das Panorama von Rimini, vom Meer aus gesehen, abschließt, erhebt sich über die anderen Höhen eine dreigipfelige Felsmasse, die der »Titan« genannt wird. Sie trägt, frei und stolz wie ein Adlernest, die kleine merkwürdige Republik San Marino. Auf den drei Felsspitzen sieht man schon von weitem Türme und Mauern, hinter denen sich die Stadt verbirgt. Eine gute Straße führt zwischen schönen Villen, Kirchen, Dörfern und mit Wein bepflanzten Hügeln in etwa drei Stunden zu Wagen hinauf. Am Fuß der oberen Felsmasse, die wie auf einem Sockel auf der unteren Bergeshöhe liegt, befindet sich der Borgo, die Vorstadt, die einen Gasthof, ein Bankgebäude, eine Piazza mit Kaufläden und mehrere vielbesuchte Messen im Jahr hat. Von da geht es hinauf auf die äußerste Höhe der kalkigen Tuffsteinmasse zu der alten Stadt. Sie ist von festen Mauern und Türmen umgeben, die Anfang des 16. Jahrhunderts von einem berühmten Architekten, Belluzi aus San Marino, gebaut wurden.
Gleich beim Eintritt in diese fällt es angenehm auf, Inschriften auf einer Menge von Gebäuden zu sehen, die sie als wohltätigen Zwecken geweiht bezeichnen. An einer Kirche findet sich die Inschrift: »Divo quirino dicatum 1549«, die sich auf eine Begebenheit in der Geschichte von S. Marino bezieht: ein Fabiano da Monte San Savino brach in der Nacht des 4. Juni 1543 von seinem Schlosse mit 500 Mann Fußvolk und etwas Reiterei auf, um die Stadt zu überfallen und sich ihrer zu bemächtigen. Gegen Morgen gewahrten die Sanmarinesen den Verrat, rüsteten sich schnell und schlugen die Angreifer mit großer Tapferkeit zurück. Zum Andenken an diese heldenmütige Bewahrung ihrer Freiheit feiert man noch heutzutage am 4. Juni, dem Tage des heiligen Quirinus, ein Fest. Dann an einem kleinen, unansehnlichen Haus ist eine Tafel angebracht, worauf geschrieben steht: »In diesem Haus, am 31. Juli 1849, verweigerte Joseph Garibaldi, umringt von den österreichischen Truppen, den Akt der Übergabe und bewahrte sich für bessere Zeiten auf.«
Das Haus gehört einem schon hochbejahrten Mann, Simoncini mit Namen, der im Erdgeschoss ein kleines Café hält. Die freie Erde von San Marino war schon oft eine Zufluchtsstätte für politisch Verfolgte unter den päpstlichen und österreichischen despotischen Regierungen geworden, und der arme »Popolano Simoncini«, wie er sich selbst nennt, hatte schon mehr wie einem wackeren Mann geholfen, der Verfolgung zu entgehen; aber die teuerste Erinnerung seines Lebens war es, dass er Garibaldi hatte retten und beherbergen können. Am 28. Juli 1849, nach dem Fall der römischen Republik durch die Waffen der Schwester-Republik in Frankreich, kam Ugo Bassi: der edle Mönch, der zum Freiheitskämpfer geworden war, auf der Flucht von Rom mit drei Begleitern nach S. Marino. Zum Tode erschöpft, suchte er vergebens, in den beschwerlichen auf- und absteigenden Straßen der Stadt nach einem Unterkommen und trat endlich in das Café des Simoncini ein, mit der Bitte, ihn die Nacht da auf einem Stuhl verbringen zu lassen. Der brave Volksmann aber, sehend, wie erschöpft er war, sagte: »Nein, in meinem Bett sollt Ihr schlafen! Ihr habt es nötig; ich will mich schon mit Euren Leuten hier einrichten.« Bassi fiel dem guten Mann um den Hals und rief voll Freude: »Du bist ein wahrer Republikaner.«
Die Wanderer wurden nun mit Abendbrot und gutem Marinowein erquickt, dann traten sie an das Fenster, von wo man einen weiten Blick auf die, an das Gebiet der Republik grenzenden Berge hat, auf deren Gipfeln in dieser Nacht überall Feuer flammten und die Gegenwart der österreichischen Truppen anzeigten. Als Ugo Bassi dies sah, fuhr er erschrocken zusammen und rief: »Um Gotteswillen, der General ist zwischen zwei Feuern eingeschlossen - er ist verloren!« Darauf wendete er sich zu Simoncini und sagte: »Wir müssen ihn retten!« und beschwor diesen, einen zuverlässigen Boten aufzufinden, der sogleich einen Brief zu Garibaldi tragen könne, der auf dem Berge Tassona mit den Seinen lagere. Der brave Popolano lief alsbald in die Nacht hinaus, während Bassi den Brief schrieb, und kam mit einem mutigen Arbeiter zurück, der auf beschwerlichen Bergpfaden, immer in Gefahr, gefangen genommen zu werden, glücklich mit dem Brief zu Garibaldi gelangte. Dieser änderte alsbald seinen Rückzugsplan und kam, von dem wackeren Boten geführt, am 31. Juli in S. Marino im Hause Simoncinis an, begleitet von seinem Generalstab, einem kleinen Haufen seiner Krieger, die mit ihm von Rom entkommen waren, und seiner heldenmütigen Frau, Anita, die schon in Amerika, wie auch jetzt in Italien, alle Beschwerden und Gefahren seiner Unternehmungen geteilt hatte. Aber sie war krank und zum Tod erschöpft. Simoncinis Frau und Tochter nahmen sich der Armen liebevoll an und pflegten sie, so gut es ihre beschränkten Verhältnisse erlaubten.
Darauf entspannen sich Unterhandlungen zwischen der Regierung der Republik und den österreichischen Befehlshabern, die die Ergebung der Flüchtlinge auf Gnade und Ungnade verlangten. Garibaldi schlug dies natürlich ab und sagte in einem kurzen Brief: »Ein guter Republikaner kapituliert niemals.« Dann löste er den Rest seiner Legion auf, indem er meinte, dass es für die einzelnen leichter sei zu entkommen und dass nur die bleiben sollten, die ihm freiwillig folgen wollten. Anita warf sich der Frau Simoncinis in die Arme und rief unter Tränen: »Frau, ich habe keine Mittel, dir zu lohnen, aber ich werde nie die Güte vergessen, die du mir bewiesen hast.«
Von sicherem Führer auf gefahrvollen und beschwerlichen Pfaden an das Meer geleitet, schifften sich die Flüchtlinge ein, um nach Ravenna zu gelangen, aber noch vorher, an ödem Gestade, mussten sie aussteigen, weil die Heldenfrau ihren Leiden erlag. Der verzweifelte Gatte und der letzte bei ihm gebliebene seiner Gefährten betteten sie selbst zur Ruhe in die Erde.
Wie sehr das Andenken an den herrlichen Volkshelden, der hier Zuflucht und Rettung fand, den Sanmarinesen teuer ist, beweist außer der Gedenktafel an Simoncinis Haus ein kleines Monument mit der Büste Garibaldis, von einem Gärtchen umgeben, das liebend gepflegt wird. So ehrt diese letzte der italienischen Gemeinden des 13. und 14. Jahrhunderts das Andenken der Freien und scheint noch in die Zeit zu gehören, wo sie, friedlich und glücklich, unter dem glorreichen, mittelalterlichen Wahlspruch libertas perpetua lebte, bevor sie den klassischen Namen Republik annahm. Ein schönes, neues Regierungsgebäude, im Stil des Bargello zu Florenz, hat die Republik sich jetzt auf einem freien Platz gebaut, von wo der Blick weit hinaus schweift über die trefflich mit Wein bebaute Ebene, das Meer und die Höhen der Berge von Carpegna, wo die ersten Burgen der Montefeltro und der Malatesta waren und wo ihre Feindschaft sich entspann. Eine Menge poetischer und historischer Erinnerungen schweben um dies reiche Panorama und erhöhen den Reiz der immer jungen, blühenden Natur, die ewig neu wird über den Gräbern der Jahrhunderte.
Die Regierung der kleinen Republik ist so originell, einfach, praktisch und auf sittliche Motive gegründet, dass ich mir nicht versagen kann, die Hauptsachen davon hier anzuführen, denn sie scheint mir in vieler Hinsicht Vorzüge vor den Regierungen unserer modernen Staaten zu haben. An der Spitze der Regierung stehen zwei Kapitäne, zwei Oberhäupter, die zweimal im Jahr neu, auf sechs Monate, gewählt werden; also keine Erblichkeit wie in den Dynastien und keine konventionelle, an das Herrschertum streifende Machtstellung der Präsidenten moderner Republiken. Im März und im September versammelt sich der Rat, der aus sechzig Mitgliedern besteht, die unter den ehrlichsten und gebildetsten Bürgern aller Klassen ausgesucht und vom Volk auf Lebenszeit ernannt sind. Diesem Rat ist die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten anvertraut. Am bestimmten Tage werden in feierlicher Versammlung in der Hauptkirche die Namen von zweien der sechs Räte, die die meisten Stimmen haben, aus der Urne gezogen und zu Regenten für das nächste halbe Jahr ernannt. Es ist dies eine herrliche Garantie für das öffentliche Wohl, da nur anerkannt gute, gebildete, fähige Menschen im Rate sitzen. Den Tag darauf ist dann die ganze Stadt im Festkleid. In Prozession ziehen die alten und neuen Regenten, in schönem, altspanischem Kostüm von schwarzem Samt, um den Hals das Großkreuz des Ordens von San Marino, gefolgt von der Nobelgarde, von allen Zivil- und Militärbehörden, die Musik der Bürgergarde voran, zur Kirche, und nach der Messe und dem Tedeum ziehen sie in den Ratssaal zurück; dort leisten die neuen Regenten in lateinischer Sprache den Eid; die alten Kapitäne steigen vom Thron, grüßen die neuen mit einer Verbeugung, als Zeichen des zu beginnenden Gehorsams, und ziehen sich zurück. Die neuen Regenten empfangen die Schlüssel und Siegel der Stadt und beginnen ihr Amt.
Was ich über den Volkscharakter der kleinen Republik gehört habe, machte mir das Eiland alter, ehrwürdiger Institutionen noch sympathischer und achtungswerter. Das Volk ist ehrlich, aufrichtig, gastfreundlich, freut sich, wenn Fremde kommen, die teure Heimat zu sehen, liebt den Frieden über alles, duldet aber nicht, dass man an seine alte Freiheit rührt, und scheut weder Schwierigkeiten noch Gefahren, um dies zu hindern. Zufrieden auf der Felsenhöhe, wo sie geboren sind, wünschen die Sanmarinesen gar nicht größeren, reicheren Besitz. Napoleon I., als er Herr in Italien war, bot ihnen beträchtliche Vergrößerung ihres Gebiets an. Die damaligen Regenten antworteten ihm: »Klein sind wir und klein wollen wir bleiben.« Sie wussten es, dass mit dem größeren Besitz all die Feinde wahrer Größe, die in Tugend und Einfachheit besteht, dass Ehrgeiz, Neid, Habsucht einziehen und sie ihrer Freiheit verlustig machen würden.
Die bürgerliche Gleichheit ist das teuerste Vorrecht der Sanmarinesen, ihre Sitten bewahren ihnen die Freiheit, und ihre Armut schützt sie vor fremden bösen Einflüssen. Um den bisher unangefochtenen Charakter der Republik zu kennzeichnen, erzählt Marino Fattovi, der über sie geschrieben hat, folgendes: Im Jahr 1868 ersuchten nordische Spekulanten die Regierung um die Erlaubnis, auf dem Gebiet der Republik ein Spielhaus errichten zu dürfen und versprachen dafür Geld, Eisenbahn, Wohltätigkeitsanstalten und anderes, kurz, Reichtum für Gegenwart und Zukunft. Das Volk, zufrieden in seiner Armut, eingedenk der verlockenden Anerbietungen Napoleons, überzeugt, dass es einer freien Regierung, die nur wert ist, zu bestehen, wenn sie sich auf Tugend stützt, sehr übel anstände, sich zum Instrument des Verderbens, der Verirrungen und Sittenlosigkeit der Jugend zu machen, ließ sich nicht durch die glänzenden Versprechungen verführen und verwarf das unmoralische Anerbieten mit Stolz und Verachtung.
Sei gesegnet, kleines Adlernest wahrhafter Republikaner, und wenn unten die Welt in trüben, unredlichen Verirrungen und daraus entstehendem Elend krankt, so richte du den Adlerblick zur Sonne der Freiheit und bleibe arm, aber tugendhaft und zufrieden!
Malwida Freiin von Meysenbug: Der Lebensabend einer Idealistin, Nachtrag zu den Memoiren einer Idealistin (1898). Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky. Großbibliothek (Digitale Bibliothek; 125) Berlin: Directmedia 2005, S. 393.498 -393.505.
Malwida von Meysembug, Schriftstellerin, geb. 28. Oktober 1816, gestorben 26. April 1903, lebte seit 1848 in London, wo sie Erzieherin im Haus von Alexander Herzen tätig war und im Kreis der Emigranten verkehrte, und seit 1870 in Rom. Bekannt wurde sie durch die »Memoiren einer Idealistin« (1876).
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7. Otto Julius Bierbaum:
Eine empfindsame Reise im Automobil
1902
Es sind von hier nur zweiundzwanzig Kilometer zum Monte Titano: Der führt seinen Namen mit Recht und sieht so trotzig herunter auf das ebene Land mit seinen natürlichen Zacken und künstlich aufgesetzten Zinnen, dass einem das Herz wohl in den Motor fallen kann, wenn man sich ihm mit immer zaghafter werdendem Töff-Töff naht. Diese einzig übriggebliebene italienische Republik, die sich auf ihrem Felskegel mitten in der Unita Italia mit all ihren Gebräuchen und Einrichtungen als politische Kuriosität erhalten hat, weil sie gar so niedlich und darum politisch genommen quantité négligeable ist, tut ganz so, als wollte sie, die nie eroberte, sich selbst der Eroberung durch das Automobil widersetzen. Aber unser Adlerwagen ist aus Frankfurt, und die Frankfurter sind den Sachsenhäusern zu nahe benachbart, als dass sie sich durch irgendwelche alten Ruhmestitel oder sonstige Erhabenheiten imponieren ließen.
Es ist erreicht! durfte unser Adlerwagen heute vor den Toren von San Marino gleich dem historischen Hoffriseur ausrufen, der den Deutschen ihre Barttracht und damit einen wahrhaft haarigen Ausdruck ihrer nationalen Sonderstellung gegeben hat. Den Ruhm, San Marino als erstes Automobil genommen zu haben, hat unser Adlerwagen Freilich nicht. Vor ihm haben schon drei andere das gleiche Wagnis mit Erfolg unternommen. Der erste, der diese kurzkehrigen Serpentinen hinaufgefahren ist, war ein Wagen des Herzogs Strozzi aus der berühmten Florentiner Familie. Für uns war die Sache deshalb besonders schwierig, weil unser Wagen ungewöhnlich lang ist, weshalb seine Lenkung um kurze Kehren die höchste Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit des Fahrers erfordert. Trotzdem bin ich überzeugt, dass diese lange Form die bleibende für Reiselaufwagen sein wird. Sie allein ermöglicht die Mitnahme von Reisegepäck für längere Zeit, und nur ein Wagen, der diese Möglichkeit gewährt, kann Reisezwecken wirklich dienen.
Der Ausflug nach San Marino war in unserem Reiseplan eigentlich nicht vorgesehen; er war eine Improvisation, aber eine sehr glückliche. Noch nie hat sich unsern Blicken eine so gewaltige und schöne Landschaft aufgetan. Der Apennin und das Meer gleichzeitig - das ist viel Augenglück auf einmal. Das Wetter war freilich nicht klar, und unbescheidenere Reisende, als wir es sind, würden sagen, dass es schlecht war, aber ich finde es blasphemisch, im Laufwagen von schlechtem Wetter zu reden. In der Stadt mag man so sprechen, denn Regen in der Stadt ist unangenehm - fährt man aber in einem guten Reisewagen durch ein schönes Land, so darf man wohl von heiterem oder düsterem, klarem oder trübem, trockenem oder feuchtem Wetter reden, beileibe aber soll 'man nicht sich unterstehen, das Wort schlechtes Wetter zu gebrauchen. Schlechtes Wetter auf der Reise gibt es nicht - das ist mein Axiom.
Es ist wahr, wir sahen kein azurnes Meer, und die Berge lagen unter Wolkenschatten - aber wie herrlich aufgetürmt über Meer und Gebirge waren diese 'Wolken, wie phantastisch war es anzusehn, wie die Wetter um die Gipfel zogen, wie köstlich waren die schnellen Sonnenblicke, die mitten im schwarzen Schatten plötzlich eine Bergflanke wie mit Gold übergossen. Dumm ist nur, dass der fotografische Apparat im Futteral bleiben muss, und meine Frau, die der Amateurfotografie leidenschaftlich ergeben ist, verwünscht die Wolken, die ich so schön finde. Anfangs wollte sie auch dem Nebel Lichtbilder abtrotzen - so kühn sind Dilettanten! Je mehr sie sich aber der Kunst des Fotografierens näherte, desto mehr lernte sie sich bescheiden, Das ist wie mit dem Dichten. Anfangs versucht man's auch invita Minerva, aber nach und' nach wird man fromm und wartet auf die Göttin.
Das erste, was uns zeigte, dass wir den Boden der italienischen Monarchie verlassen hatten, war ein Schild mit der großen und demonstrativen Inschrift: Café republicano. Zollwächter gibt es zum Glück keine, San Marino ist mit Italien im Zollverein. Die Sammarinesi scheinen überhaupt, so eifersüchtig sie ihre politische Sonderstellung wahren, dem großen italienischen Vaterlande mit aller Liebe anzuhangen. Auch in San Marino wird mit Garibaldi derselbe Kultus getrieben wie überall in Italien, und im großen Saal des Regierungsgebäudes prangt das Wappen Roms als der großen Mutter des Landes. An einen Besuch des ersten italienischen Königs erinnert dessen Büste; sonst ist aber recht häufig der republikanische Charakter des .kleinen Staates betont. So finden sich mehrere Büsten von Präsidenten der französischen Republik, die der kleinen Kollegin allerhand Aufmerksamkeiten erwiesen hat. So schenkte sie ihr u. a. die Stühle für die sechzig Ratsherren, die die Regierung San Marinos bilden: zwanzig aus dem Adel, zwanzig "artisti", zwanzig Bauern. Diese sechzig wählen aus sich alle sechs Monate die jeweiligen beiden Konsuln, capitani reggenti geheißen, die eine etwas misslungen renaissancemäßige Amtstracht haben und auf eine so feierliche Weise in ihr Amt eingeführt werden,'als handelte es sich 'um die Übernahme eines Imperiums.
Das ist vielleicht ein bisschen komisch für unsern Geschmack, aber im Grunde haben die Bürger von San Marino nicht unrecht, wenn sie ihre Souveränität etwas stark betonen. Sie haben es ein paarmal bewiesen, dass sie der "Libertas", die in ihrem Wappen steht, würdig sind. Einmal geschah das, als sie der Verlockung des ersten Napoleon widerstanden, der ihr Gebiet vergrößern wollte. Hätten sie damals zugegriffen, so bestände heute ihre Libertas sicher nicht mehr. Das andre Mal geschah es, als sie es ablehnten, in ihrer Stadt eine Spielbank begründen zu lassen. Hätten sie es gestattet, so würde es das Ende des alten San Marino bedeutet haben. Das Felsennest würde eine große Hotellerie und die Bürgerschaft von San Marino eine Klientel fremder Bankiers geworden sein.
In einer Kirche wurde uns ein Bild gezeigt, das man dem Giovanni Bellini zuschreibt und das, von wem es auch sein mag, wert ist, mit Andacht betrachtet zu werden. Es ist auf Holz gemalt und soll lange Zeit als Tischplatte in einem Käseladen gedient haben.
Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, dass der Schafkäse von' San Marino auch eine Sache ist, die Erwähnung verdient, wie denn überhaupt der italienische Käse eine schöne Sache ist. Das Lob des Parmesaner Käses und des Stracchino braucht nicht noch gesungen zu werden, und auch der Gorgonzola ist eine anerkannte europäische Größe, aber auch die Lokalkäse können sich kosten lassen. Sie unterscheiden sich von den spezifisch deutschen Käsen vornehmlich dadurch, dass sie, wie das Elixier in der Hexenküche im Faust, "auch nicht im mindesten stinken". Wäre dies anders, so würde Italien allerdings mephistisch riechen, denn was man hier in den Städten an Käse aufgestapelt findet, ist enorm.
Vom Käse -zur Küche ist nur ein Schritt, und ich tue ihn gern. In Deutschland herrscht vielfach eine Voreingenommenheit gegen die italienische Küche, und manchen unserer Landsleute bereitet schon der Gedanke, dass hier mit Öl statt mit Butter oder Schmalz gekocht wird, Übelkeit. Ich kann diese patriotisch kulinarische Antipathie nicht teilen, finde 'vielmehr, dass man in Italien, selbst in ganz kleinen Orten, ausgezeichnet isst, und um so besser, je weniger man sich darauf steift, nach heimatlicher Art beköstigt zu werden. Zumal alle Teiggerichte, alles, was mit Makkaroni verwandt ist, verdient das Baedekerkreuz, und Koteletts und gedämpfte Braten sowie alle Salate habe ich nirgends so gut gefunden wie hier. Nur zu dem grünen Spargel der Italiener vermag ich mich nicht zu bekennen, und die übermäßige Verwendung der Tomaten in den Saucen geht mir auch gegen den Geschmack. Übrigens ist die italienische Küche nach den Landschaften ebenso verschieden wie die deutsche.
Die Herabfahrt von San Marino kostete uns ein paar Bremsleder. Für diese steilen Berge dürften die Bremsvorrichtungen unseres Wagens noch stärker und dauerhafter sein, und vor allem wäre es nötig gewesen, uns reichlicher damit auszustatten. Das Bremsen ist im Leben überhaupt eine wichtige Funktion (wenn man seine Wichtigkeit auch meist erst Mitte der Dreißiger zu würdigen beginnt) - beim Laufwagenreisen in den Bergen gehört es zu den Hauptsachen, und es dürfte daher keine Reise unternommen werden ohne ein paar Reservegarnituren von Bremsledern. Noch besser freilich wäre es, ein Bremsmaterial zu finden, das widerstandsfähiger als Leder ist. Kupferne Bremsflächen sind wohl auch noch nicht das Ideal, aber dauerhafter als Leder müssten sie immerhin sein.
Meine Frau behauptet, dass wir infolge des verbrannten Bremsleders in Lebensgefahr gewesen wären, und sie malte es mir gleich kurz nach dem Anrumpler, den wir uns an einen Steinhaufen leisteten, grässlich genug aus, in welchem Zustand sich unsre werten Leichen jetzt befinden würden, wenn jener Steinhaufen nicht dagewesen wäre, als die Bremse versagte. Mich aber machte der Umstand, dass der gepriesene Steinhaufen eben da war, nur noch übermütiger - so übermütig, dass ich den nächsten Esel, der uns begegnete '- italienisch angedichtet habe. Da ich wohl nie wieder italienisch "dichten" werde, sei das Elaborat des Übermutes aufbewahrt, obgleich meine Frau erklärt, es sei durchaus nichtswürdig. Und also lautet mein Anruf an den Esel' von San Marino:
O pellegrin' asinello! Quanto tu sei bello! Ma, ahime, stupidone, Com' tuo padrone. |
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Auf deutsch würde ich das so gesagt haben:
O Esel, grauer Pilgersmann, Du siehst dich wirklich reizend an, Doch kommst du mir, Mein holdes Tier, Dumm wie dein wackrer Führer für. |
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Es lebe die Dichtkunst: Evviva la poesia! Und alle Steinhaufen an der rechten Stelle!
Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Eine empfindsame Reise im Automobil. Von Berlin nach Sorrent und zurück an den Rhein (Goldmanns Gelbe Taschenbücher; 356) München: Wilhelm Goldmann 1955, S.69-73.
Zu Otto Julius Bierbaum (1865-1910) siehe den Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Julius_Bierbaum
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Siegel der Republik von San Marino
Die Republik von San Marino. Umbruch und Text von Giuseppe Rossi von der Regierungseinrichtung für Tourismus, Sport und Vorstellungen der Republik von S. Marino besorgt. Ohne Jahr. Siegel, S.11.
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