Goethes Italienische Reise, Rom
Künstler in Rom:
Jakob Philipp Hackert
Stand: Juli 2010
Philipp Hackert
Gemalt von Augusto Nicodemo. Gestochen von Ernesto Horace
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Gliederung
1. Kurzbiographie
2. Hackert und Goethe
3. Wichtige Werke Hackerts aus Goethes römischer Zeit
4. Literatur und Weblinks
5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse
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Jakob Philipp Hackert, geboren am 15.9.1737 in Prenzlau, begann seine künstlerische Ausbildung in der Werkstatt seines Vaters Philipp Hackert (gest. 1786) und seines Onkels, einem Berliner Dekorationsmaler. Ab 1758 besuchte er die Akademie in Berlin und trat 1761 erstmals mit zwei Veduten an die Öffentlichkeit. Auf Einladung Baron Adolf Friedrich Olthoffs reiste er nach Stralsund, Rügen und Stockholm und führte Ausmalungen in dessen Besitzungen aus.
1765-1768 weilte Hackert zur weiteren Ausbildung in Paris. Dort machte er die ihn zeitlebens prägende Bekanntschaft mit dem französischen Landschafts- und Marinemaler Claude Joseph Vernet (1714-1789) und dem Kupferstecher Johann Georg Wille (1715-1808), der ihn während seiner Pariser Zeit begleitete und förderte.
Um „Studien der schönen Natur in Italiens reizenden Gegenden fortzusetzen und sich in Roms lehrreichem Aufenthalte völlig auszubilden“ (BA Bd. 19, S. 535, 19-21) reiste Hackert mit seinem Bruder nach Rom. Kontakte zu dem in Rom als Kunstautorität geltenden Johann Friedrich Reiffenstein (1719-1793) und dem englischen Diplomaten William Hamilton (1730-1803) etablierten schnell Hackerts Ruf als einer der bedeutendsten Landschaftsmaler seiner Zeit. Die Aufträge von zahlreichen Grand-Tour-Reisenden vor allem aber vom russischen Hof sowie die Festanstellung als Hofmaler König Ferdinands IV. von Neapel im Jahre 1786 brachten ihm einen für Landschaftsmaler erstaunlich großen wirtschaftlichen Erfolg. Für die weite Verbreitung seiner Werke sorgte die Kooperation mit seinem Bruder Georg Hackert (1755-1805), der zahlreiche Stiche nach Zeichnungen und Gemälden fertigte. 1786 trafen sich Goethe und Hackert erstmals persönlich in Neapel. Ihr gemeinsame Stellung als „Hofkünstler“, Goethes Verehrung gegenüber Hackerts Talent als Zeichenlehrer und die hohe Wertschätzung der Hackertschen Landschaftsauffassung verbanden die beiden auch nach Goethes Abreise aus Italien, so dass Goethe 1811 zu Hackerts erstem Biograph wurde. Infolge des Lazzaroni-Aufstandes musste Jakob Philipp Hackert mit seinem Bruder und Tischbein über Livorno und Pisa nach Florenz flüchten. Dort starb er am 8.4.1807.
Jakob Philipp Hackert gilt als der angesehenste deutsche Landschaftsmaler des frühen Klassizismus. Seine zahlreichen Reisen von Frankreich nach Rom, in die Campagna, Tivoli und über Neapel nach Sizilien verschafften ihm einen unschätzbaren Fundus über alle Bereiche der klassischen Landschaft. In zahlreichen Motivvariationen und Wiederholungen bewährter Kompositionsschemata arbeitete er die unzähligen, genau konstruierten Umrisszeichnungen aus. Bildzyklen und Bildpaare aus Blick und Gegenblick einer Landschaft stehen für Hackerts Streben nach einer präzisen Erfassung der Landschaft. Seine topographisch genauen Landschaftsveduten sind durch ihren streng klassizistischen Aufbau gekennzeichnet. In trockener, gewissenhafter und detaillierter Malweise stellt er die Landschaft fast ohne jegliche Stimmungswerte dar. Hackert konnte sich damit von den frei komponierten heroischen Landschafen seiner römischen Künstlerkollegen Giovanni Paolo Pannini (1698-1765), Giuseppe Vasi (1710-1782) und Francesco Piranesi (1720-1778) absetzen und auf einen durch den Italientourismus gestiegenen Bedarf an detaillierten Landschaftszeichnung als Dokumentations- und Erinnerungsstücke reagieren.
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Ein angebornes entschiedenes Talent, durch anhaltenden Fleiß ausgebildet und gesteigert, ein reines ruhiges Gemüt, eine klare Denkweise, eine bei vieler Weltkenntnis und Gewandtheit unbefleckt erhaltene Redlichkeit bezeichneten seine Natur. Sein rastloses Wirken, seine Ausdauer war musterhaft, seine Heiterkeit, sein Gleichmut beneidenswert. Er zeigte durchaus die bereitwillige Anhänglichkeit an seinen Herrn, den König, eine mehr als väterliche Sorgfalt für seine Brüder und eine unverrückte treue Neigung gegen die, welche ihm seine Freundschaft abzugewinnen wussten. Von seiner Denk- und Handelsweise gibt auch seine hinterlassene Lebensbeschreibung, die wir dem deutschen Publikum bald mitzuteilen wünschen, das schönste Zeugnis.
(Goethe 1807, zitiert nach Krönig 1994, S. 21)
Mit diesen Worten beschreibt Goethe den Maler Jakob Philipp Hackert in einem 1807 bei Cotta veröffentlichten Nachruf. Der Aufsatz galt als Vorabpublikation für die geplante und nach langen Streitigkeiten mit den Hackert-Erben erst 1811 veröffentliche Biographie mit dem Titel „Philipp Hackert. Biographische Skizze. Meist nach dessen eigenen Aufsätzen entworfen von Goethe“. Sie besteht aus drei Teilen: einem Abriss des Lebens- und Kunstganges, dem Reisejournal eines englischen Reisebegleiters auf Hackerts Sizilienreise und weiteren Anekdoten über seine Kunst- und Lebenstätigkeit.
Wir haben daher an diesen Aufsätzen nichts mehr getan, als Nötig war, um sie lesbar zu machen, damit das meistens glückliche Leben unseres Freundes auch glatt und bequem vor den Augen des Beschauers fließen möge.
(BA, Bd. 19, S. 678, 6-10)
Die Biographische Skizze, nach dem Vorbild der Beschreibungen von Cellini und Winckelmann, sollte neben einer Würdigung von Hackerts Kunst vor allem eine didaktische Funktion für zeitgenössische Künstler haben. In dieser Forderung zeigt sich in erster Linie Goethes restriktives Verhalten gegenüber der Romantik, und es erstaunt nicht, dass eine Resonanz unter den Künstlern, die am Beginn des 19. Jahrhunderts eine neuen Landschaftsauffassung vertraten, nahezu völlig ausblieb. Auch zeitgenössische Kunstkritiker sprachen sich gegen Goethes epochale Einschätzung von Hackerts Kunst aus.
Goethe war bereits im Juni 1783 durch zwei Landschaften, die sich in der Sammlung des Herzogs von Gotha befanden, auf Hackert aufmerksam geworden. Im Februar 1787 berichtet er in seiner Italienischen Reise schließlich vom ersten persönlichen Zusammentreffen mit dem Künstler in Neapel, der im Dienste des Königs mit der Überführung der Sammlung Farnese nach Neapel betraut war. Goethe schätzte an ihm und seiner Malweise die Gewissenhaftigkeit und Struktur, die Kunstfertigkeit sowie den unermüdlichen Arbeitsethos und die Geduld bei gleichzeitig heiterem, umgänglichem Wesen. Auch wenn Hackert ein aufrichtiger Verfechter von Johann Georg Sulzers (1720-1779) „Allgemeine Theorie der schönen Wissenschaften und Künste“ war, die Goethe in jungen Jahren in seinem Aufsatz „Die schönen Künste in ihrem Ursprung, ihrer wahren Natur und besten Anwendung“ scharf kritisiert hatte, fand er in Hackert einen achtbaren Lehrer für seine Zeichenstudien:
In Tivoli war ich mit Herrn Hackert draußen, der eine unglaubliche Meisterschaft hat, die Natur abzuschreiben und der Zeichnung gleich eine Gestalt zu geben. Ich habe in diesen wenigen Tagen viel von ihm gelernt [...]. Herr Hackert hat mich gelobt und getadelt und mir weitergeholfen. Er tat mir halb im Scherz, halb im Ernst den Vorschlag, achtzehn Monate in Italien zu bleiben und mich nach guten Grundsätzen zu üben; nach dieser Zeit, versprach er mir, sollte ich Freude an meinem Arbeiten haben.
(HA, Bd. 11, S. 351, 4-20)
Vielleicht geh’ ich wieder nach Neapel, um Hackerts Unterricht zu genießen. Er hat mich in vierzehn Tagen, die ich mit ihm auf dem Lande war, weiter gebracht, als ich in Jahren für mich würde vorgerückt sein.
(HA, Bd. 11, S. 382-383, 37-4)
Hackerts Meisterschaft, die „Natur abzuschreiben“, d.h. sich einer genauen Naturbeobachtung bzw. Naturerforschung zu verpflichten, kam Goethes Studienauffassung sehr entgegen. Diese zeigt sich primär in den zahlreichen Studienblättern und Sepiazeichnungen von Landschaftsprospekten, einzelnen Baum- und Pflanzenstudien. Hackerts Zeichnungen dienten ihm als unerreichbares Vorbild, eifrig hat er sie zahlreich gesammelt.
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Bei St. Angelo alla Scala
“St. Angelo alla Scala”
(Weimar, Stiftung Weimarer Klassik), 1797, Feder in Braun, Bleistift auf Papier, 760x537 mm.
Bezeichnet mit: „St. Angelo alla Scala Filippo Hackert 1797“. Im Nachlass Goethe.
Jakob Philipp Hackerts 1797 entstandene Graphik zeigt wie der Titel andeutet einen Landschaftsausblick in die Gegend bei S. Angelo a Scala. Vom rechten unteren Bildrand erheben sich drei verzweigte, ineinander verschlungene Laubbäume. Die näher als Buchen zu identifizierenden Bäume erstrecken sich nahezu über die gesamte obere Bilddiagonale. Hackert arbeitet hier zahlreiche Verästelungen, den Blätterbewuchs und die Rindenbeschaffenheit aus und setzt kontrastierende Licht- und Schattenakzente. Der dominante, nahsichtig gezeichnete Vordergrund gibt nur einen kleinen Ausblick in die hügelige, im Licht verblassende Landschaft im Hintergrund frei.
Die Graphik zeigt exemplarisch eine Studienzeichnung Hackerts. Darin kombiniert er eine detaillierte Baumstudie mit einer topographischen genau bezeichneten Landschaftsskizze. Hackert hatte den kleinen Ort in der Nähe des Monte Vergine während seiner zahlreichen Zeichenwanderungen kennen gelernt und auch die sich in der Ferne erstreckende Ebene Valle Caudina des Öfteren gezeichnet.
Die kleinformatige Zeichnung befand sich mit vielen anderen Grafiken und Gemälden von Hackert in Goethes persönlichem Besitz. Unklar bleibt jedoch wann und durch wen Goethe in den Besitz der Zeichnung kam. In einem Brief an einen Leipziger Kunsthändler spricht er sich für den Kauf weiterer Hackert-Grafiken aus, die mehr als nur einen Erinnerungswert für Goethe hatten:
Sollten Ihnen etwas von J. Ph. Hackerts Umrissen oder ausgeführten Zeichnungen in die Hände kommen, so legen Sie mir solche bey Seite; um leidlichen Preis werde ich sie immer gern behalten, da sie mich an die Zeiten erinnern, wo ich mit diesem trefflichen Manne glückliche Tage verlebte und ihn nicht ohne Belehrung nach der Natur arbeiten sah.
(zitiert nach Krönig 1994, S. 20)
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Blick auf Rom von den Caracalla-Thermen
„Blick auf Rom von den Caracalla-Thermen“
(Berlin, Kupferstichkabinett), nicht datiert, Bleistift, Aquarell auf Papier, 490x728mm, nicht bezeichnet.
Das querformatige Aquarell zeigt einen ruhenden Wanderer, der von leicht erhöhtem Standpunkt einen weiten Blick über eine mit Feldern und Bäumen kultivierte Ebene auf die in dunstiger Ferne liegende Stadtkulisse Roms genießt. Nahezu zwei Drittel des Blattes nimmt der nur wenig strukturierte Himmel ein.
Jakob Philipp Hackert gibt hier den Blick von den Caracalla-Thermen auf Rom wieder. Im Mittelgrund erhebt sich rechts der Palatin mit den Ruinen des Kaiserpalasts; es schließt der Aventin mit dem weit sichtbaren Campanile von S. Maria in Cosmedin an, bis der Blick schließlich am linken Bildrand das Convento di S. Margherita erreicht. Die in leuchtendem grün-braun angelegte Farbigkeit sowie die in rosa-grau getauchte Stadtsilhouette weisen auf eine Ansicht am frühen Morgen hin.
Goethe beschreibt in seiner Italienischen Reise das beindruckende Erlebnis in den Ruinen des Palatins und die erhebende Wirkung von St. Peter aus der Ferne:
[…] abends auf dem Palatin, oben auf den Ruinen der Kaiserpaläste, die wie Felsenwände dastehn. Hiervon läßt sich nun freilich nichts überliefern! Wahrlich, es gibt hier nichts Kleines, wenn auch wohl hier und da etwas Scheltenswertes und Abgeschmacktes; doch auch ein solches hat teil an der allgemeinen Großheit genommen. Kehr' ich nun in mich selbst zurück, wie man doch so gern tut bei jeder Gelegenheit, so entdecke ich ein Gefühl, das mich unendlich freut, ja, das ich sogar auszusprechen wage. Wer sich mit Ernst hier umsieht und Augen hat zu sehen, muß solid werden, er muß einen Begriff von Solidität fassen, der ihm nie so lebendig ward.
(HA Bd. 11, S. 134-135)
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Literatur:
Ausst.Kat. Köln 1984
Wallraf-Richartz-Museum (Hrsg.): Heroismus und Idylle. Formen der Landschaft um 1800 bei Jacob Philipp Hacert, Joseph Anton Koch und Johann Christian Reinhart, Ausst.Kat. Köln, Köln 1984.
Ausst.Kat. München 2005
Büttner, Frank; Rott, Herbert W.: Kennst Du das Land. Italienbilder der Goethezeit, Köln 2005.
BA Bd. 19
Goethe, Johann Wolfgang von: Philipp Hackert. Biographische Skizze. Meist nach dessen eigenen Aufsätzen entworfen von Goethe 1811, in: Goethe, Johann Wolfgang von: Kunsttheoretische Schriften und Übersetzungen. Schriften zur Bildenden Kunst, Bd. 19, Berlin 1973, S. 523-721.
Krönig 1994
Krönig, Wolfgang: Jakob Philipp Hackert: der Landschaftsmaler der Goethezeit, Köln 1994.
Miller; Nordhoff 1997
Miller, Norbert; Nordhoff, Claudia: Lehrreiche Nähe Goethe und Hackert. Bestandsverzeichnis der Gemälde und Graphik Jakob Philipp Hackerts in den Sammlungen des Goethe- Nationalmuseums Weimar. Briefwechsel zwischen Goethe und Hackert. Kunsttheoretische Aufzeichnungen aus Hackerts Nachlaß, München 1997.
Nordhoff; Reimer 1994
Nordhoff, Claudia; Reimer, Hans: Jakob Philipp Hackert (1737-1807). Verzeichnis seiner Werke, Berlin 1994.
Weidner 1998
Weidner, Thomas: Jakob Philipp Hackert. Landschaftsmaler im 18. Jahrhundert, Bd. 1, Berlin 1998.
Nach Abschluss des Projekts erschienen:
Europa Arkadien. Jakob Philipp Hackert und die Imagination Europas um 1800. Hrsg. von Andreas Beyer. Göttingen: Wallstein-Verlag 2008. ISBN 978-3-8353-0308-9
Weblinks:
Quellen zu Hackerts Kunstauffassung, Dokumentation im Rahmen des Projekts Schule des Sehens, LMU München:
http://www.projekte.kunstgeschichte.uni-muenchen.de/dt_frz_malerei/41-dt-franz-malerei/studieneinheiten/doc/d_2a_q3.doc
Forschungsprojekt über die Kunstagententätigkeit von Reiffenstein, durchgeführt von Bibliotheca Herziana Rom und dem Forschungszentrum Europäische Aufklärung, Potsdam:
http://www.biblhertz.it/deutsch/forschung/Reiffenstein.htm
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