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Goethes Italienische Reise, Rom

Johann Wolfgang Goethe: »Römische Elegien«

Lesung mit Hans-Jürgen Schatz

 

Dreizehnte Elegie

Amor bleibet ein Schalk, wer ihm vertraut, ist betrogen!
   Heuchelnd kam er zu mir: »Diesmal nur traue mir noch.
Redlich mein ichs mit dir: du hast dein Leben und Dichten,
   Dankbar erkenn’ ich es wohl, meiner Verehrung geweiht.
Siehe, dir bin ich nun gar nach Rom gefolget, ich möchte
   Dir im fremden Gebiet gern was Gefälliges tun.
Jeder Reisende klagt, er finde schlechte Bewirtung;
   Welchen Amor empfiehlt, köstlich bewirtet ist er.
Du betrachtest mit Staunen die Trümmern alter Gebäude
   Und durchwandelst mit Sinn diesen geheiligten Raum.
Du verehrest noch mehr die werten Reste des Bildens
   Einziger Künstler, die stets ich in der Werkstatt besucht.
Diese Gestalten, ich formte sie selbst! Verzeih mir, ich prahle
   Diesmal nicht, du gestehst, was ich dir sage, sei wahr.
Nun du mir lässiger dienst, wo sind die schönen Gestalten,
   Wo die Farben, der Glanz deiner Erfindungen hin?
Denkst du nun wieder zu bilden, o Freund? Die Schule der Griechen
   Blieb noch offen, das Tor schlossen die Jahre nicht zu.
Ich, der Lehrer, bin ewig jung und liebe die Jungen.
   Altklug lieb ich dich nicht! Munter! Begreife mich wohl!
War das Antike doch neu, da jene Glücklichen lebten!
   Lebe glücklich und so lebe die Vorzeit in dir!
Stoff zum Liede, wo nimmst du ihn her? Ich muß ihn dir geben
   Und den höheren Stil lehret die Liebe dich nur.«
Also sprach der Sophist. Wer widerspräch ihm? und leider
   Bin ich zu folgen gewöhnt, wenn der Gebieter befiehlt. –
Nun, verräterisch hält er sein Wort, gibt Stoff zu Gesängen,
   Ach! und raubt mir die Zeit, Kraft und Besinnung zugleich;
Blick und Händedruck, und Küsse, gemütliche Worte,
   Silben köstlichen Sinns wechselt ein liebendes Paar.
Da wird Lispeln Geschwätz, wird Stottern liebliche Rede:
   Solch ein Hymnus verhallt ohne prosodisches Maß.
Dich, Aurora, wie kannt ich dich sonst als Freundin der Musen!
   Hat, Aurora, dich auch Amor der lose verführt?
Du erscheinst mir nun als seine Freundin und weckest
   Mich an seinem Altar, wieder zum festlichen Tag.
Find ich die Fülle der Locken an meinem Busen! das Köpfchen
   Ruhet und drücket den Arm, der sich dem Halse bequemt.
Welch ein freudig Erwachen, erhieltet ihr, ruhige Stunden,
   Mir das Denkmal der Lust, die in den Schlaf uns gewiegt! – 
Sie bewegt sich im Schlummer und sinkt auf die Breite des Lagers
   Weggewendet, und doch läßt sie mir Hand noch in Hand.
Herzliche Liebe verbindet uns stets und treues Verlangen,
   Und den Wechsel behielt nur die Begierde sich vor.
Einen Druck der Hand, ich sehe die himmlischen Augen
   Wieder offen. – O nein! Laßt auf der Bildung mich ruhn!
Bleibt geschlossen! ihr macht mich verwirrt und trunken, ihr raubet
   Mir den stillen Genuß reiner Betrachtung zu früh.
Diese Formen wie groß! Wie edel gewendet die Glieder!
   Schlief Ariadne so schön: Theseus, du konntest entfliehn?
Diesen Lippen ein einziger Kuß! O Theseus, nun scheide!  
  Blick ihr ins Auge! Sie wacht! – Ewig nun hält sie dich fest.

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