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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Rom

Karoline Hornik

Stimmen zur »Italienischen Reise«:
Kunst und Ästhetik

Stand: März 2007

 

Kunst und Natur, Schönheit und Wahrheit gehören zu den Begriffe, aus denen sich Goethes Vorstellung von Ästhetik speist. In Italien nun gewinnen diese für Goethe an Anschaulichkeit, in ihrer Erfahrung reift er zum klassischen Dichter heran.

 

 

Kunst, Natur, Schönheit, Wahrheit

Seine Idee der Natur hat sich seit den Straßburger Tagen gründlich verändert. Damit verändert sich auch die Kunst. Doch nach wie vor gibt Goethe keinen Streit der beiden Sphären zu. Noch immer gilt ihm als höchste Kunst, was von selber aus der Natur hervorgeht und was dem Sein der Natur entspricht. Es wäre schwer zu sagen, wo die eine beginnt und die andere endet.
(Staiger 1956, 25)



So durchreiste Goethe Italien und Sizilien mit dem durchdringenden, für alle sichtbaren Einzelheiten und unsichtbaren Zusammenhänge wachen Doppelblick der die Natur in der Kunst, die Kunst in der Natur sah und ihrer beständigen Wechselwirkung nachforschte [...]. Diesen Doppelblick hatte Goethe als Anlage schon nach Italien mitgebracht, aber erst in Italien ward ihm die fruchtbare Anwendung, ja die Bestätigung seiner Sehart, und namentlich die äußere Wirklichkeit der sie vollkommen angemessen war.
(
Gundolf 1916, 375)



Nun steht die Natur aber längst nicht mehr im Gegensatz zur Idee der Kunst. Es kann geschehen, daß eine neue Generation die Natur gegen eine erstarrte, künstliche Kunst ausspielt.
(Staiger 1956, 24)



Nur die Betrachtung der Natur und Kunst als eines einzigen Ganzen kann dazu erziehen, das Schöne richtig aufzufassen.
(Viëtor 1949, 95)



Dies Gegeneinanderwirken von Stoff und Formtrieb, von Gestalt und Bewegung, von Schaffen und Bedingtwerden, ist das der Natur wie der Kunst gemeinsame Prinzip das Goethe bei der Kunstbetrachtung fand und anwandte. Seine Begriffe des Motivs, des fruchtbaren Moments, des symbolischen Falls sind daraus abzuleiten, seine Forderungen an Komposition, an Wahrheit, an Notwendigkeit, an Schönheit eines Kunstwerks beruhren darauf.
(Gundolf 1916, 372)


Sein ganzes Wesen dringt auf edle große Schönheit. Er kann aber diese nur in der Wahrheit finden, und diese zeigt sich ihm - wie in der Natur - nur im Einfachen. Er kommt auf diese Weise zu edlen Einfalt und stillen Größe, als den höchsten Eigenschaften des Schönen zurück.
(Bielschowsky 1914, 379)



Er ist überzeugt, die ewig gültige Wahrheit entdeckt und begriffen zu haben, und traut sich zu, sie jedem, der Augen hat und sehen will, zeigen zu können.
(Staiger 1956, 17)

 

Größe ist die erste Forderung, die er jetzt an ein Kunstwerk stellt. [...] Nun ist nach seiner Überzeugung das Große nichts weiter, als die oberste Spitze des Wahren. Die Werke der Alten sind demnach nur deshalb groß, weil sie ihrem Gedanken und ihrer Ausführung nach wahr sind.
(Bielschowsky 1914, 389)



[...] wenn er auf die Größe des Künstlers und seine Leistungen zu sprechen kommt, ist immer nur von dem Einen die Rede, ob er der Forderung seines Gegenstands gerecht geworden ist, ob er den Vorfall, das Ereignis ins günstigste Licht zu rücken gewußt hat. Dann ist ihm dies nach Goethe geglückt, wenn er das Mannigfaltige, das ihm die Bibel oder die Sage bietet, in einer Einheit zusammenfaßt, die alle Momente klar gruppiert und uns an keiner Stelle nötigt, über das Bild hinauszugehen, uns etwas noch hinzuzudenken, und wenn das Ganze in einem Augenblick kulminiert, der sich selbst genügt.
(Staiger 1956, 35)



Zwischen Wahrheit und Schönheit besteht für ihn kein Gegensatz, sondern wenn nicht Identität so doch Parallelität.
(Lichtenberger 1949, 83 f.)

 

 

Antike, klassische Kunst

Schon in Weimar hatte er die Ahnung, in Italien die deutliche Gewißheit, daß die griechische Kunst, die Antike, in der er bisher nur Volkspoesie und Naturalismus gesehen hatte, noch etwas anderes ist. Er entdeckt in ihr das Geheimnis der Schönheit, des Stils, des Ewig-Menschlichen.
(Lichtenberger 1949, 85)



Keine der neuen Einsichten schien Goethe so wichtig wie die, daß die Kunst eine zweite Natur sei, geschaffen von großen Menschen. So sieht er nun die Kunst der Griechen.
(Viëtor 1949, 102)



An den Anfang seiner Tafel der Werte stellt er die griechische Kunst. Er hält sie für beispielhaft, obwohl er nur einen recht engen Begriff von ihr hat und weder die Kunst der Primitiven, noch selbst die des Phidias kennt. Seine Auffassung beruht tatsächlich allein auf der Anschauung einiger weniger Werke, zumeist römischer Kopien griechischer Originale, die er damals in Italien sehen konnte und die im allgemeinen der Spätzeit oder sogar der Verfallzeit angehörten.
(Lichtenberger 1949, 88 f.)



Goethe wußte erstaunlich wenig über das Wesen der bildenden Künste, denn er ging an allem vorbei, was nicht von vornherein als klassisch empfohlen war; war es aber das, so war es gut, auch wenn er es noch nicht kannte; daß die antike Malerei der modernen überlegen gewesen, wurde ihm so zur Selbstverständlichkeit, während andrerseits Giotto nicht zum Modell genommen werden durfte, da er nur eine Vorstufe darstelle, weil ja die hohe klassische Kunst erst später erreicht wurde.
(Meyer 1951, 366 f.)



In Schöpfungen so verschiedener Zeiten und Geister, die wir heute nicht gern auf einen gemeinsamen Nenner bringen, empfand er ein und dasselbe Glück und sah er das Heil der Menschheit umschlossen.
(Staiger 1956, 31)



Wenn er die antike Kunst erhebt, so sucht er in ihr Erlösung von dem wilden Anspruch und den gestalt- und maßlosen Träumen seiner Jugend.
(Staiger 1956, 30)



Die antiken Künstler und die wenigen Späteren, die ihnen zur Seite gestellt werden können, haben alles Zufällige und Willkürliche von den Dingen abgestreift und ihr Wesen dargestellt, insofern es uns erlaubt ist, das Wesen der Dinge in sichtbaren und greifbaren Gestalten darzustellen. Das heißt: sie haben das Typische gesucht und dargestellt und sind dadurch aus dem Naturalismus und der Manier zum Stil gelangt. Und das ist fortan Goethes eigenes höchstes Bestreben. Die bloße Nachahmung der Natur, auch der 'schönen' (Batteux' beliebtes Rezept), verwirft er, und er hält sich an das Typische, das in jedem Falle schön und zugleich immer groß ist, weil es das Wahre ist.
(Bielschowsky 1914, 415)

 

In derselben Zeit, in der Goethe [...] zum Klassizismus übergeht, entwickelt er sich auch aus der verworrrenen Spontaneität zur Klarheit und Bewußtheit.
(Lichtenberger 1949, 85)



Klassisches Leben und klassische Kunst betrachtet er als zeitlos, als dem Wandel und Gang der Geschichte entrückt und unvergänglich wie die Natur.
(Staiger 1956, 29)



Wenn irgend etwas Goethes schon seit geraumer Zeit vorhandene Vorliebe für die Antike befestigen konnte, so war es das Studium Palladios.
(Bielschowsky 1914, 382)



Wir haben uns damit abzufinden, daß Goethe Palladio gegen die einst so hoch geschätzte Gotik ausspielt. [...] 'Schön', 'notwendig' und 'natürlich' ist jetzt nicht mehr, was in einem gewaltigen Zug nach oben, in die blaue Unendlichkeit Gottes wächst, sondern was sich im Widerspiel von Vertikale und Horizontale, von Säulen und Giebeln das Gleichgewicht hält, was wohl sogar, wie die Villa Rotonda, dieser klassische Zentralbau, in sich selber kreisende Vollkommenheit dem Auge darstellt.
(Staiger 1956, 38)

 

Für uns bleibt das bedeutsame Resultat bestehen, daß Goethe sich in Italien mit voller Entschiedenheit zur Antike wendet und daneben nur noch ihre Widerspiegelung und Fortbildung in der Renaissance duldet, sobald sie in so tiefem Verständnis wie durch Palladio erfolgt.
(Bielschowsky 1914, 383)



In der Straßburger Zeit hatten wir auf dem Boden von Goethes Kunstanschauungen zwei Pflanzen aufsprießen sehen. Die eine, die Begeisterung für die Gotik, hoch emporgeschossen, welkte rasch ab, die andere, die Liebe zu Rafael und zur Antike, bescheiden daneben stehend, wuchs langsam, aber stetig in die Höhe.
(Bielschowsky 1914, 379)

 

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