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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Goethes Italienische Reise, Rom

Karoline Hornik

Stimmen zur »Italienischen Reise«:
Bedeutung für Goethe

Stand: März 2007

Goethe: Blick auf St. Peter

 

Vermittelt durch den Vater und untermauert durch die Begeisterung für die Antike richtet sich Goethes Sehnsucht bereits früh nach Italien aus. In diesem Land hofft er, all das zu finden und zu erfahren, was ihm in Weimar fehlt. Von September 1786 bis Juni 1788 dauert Goethes erster Aufenthalt in Italien. Kein anderes Ereignis in seinem Leben hat der Dichter so überhöht und enthusiastisch beschrieben. Bis heute wird die 'Italienische Reise' sowohl von Goethe selbst als auch von der Goetheforschung als wichtigster Wendepunkt und Zäsur im Leben des Dichters angesehen.

 

 

Erwartung Goethes

Goethe [richtete] ungeduldig den Blick nach einer Wirklichkeit die zugleich wahr und weit, groß und geformt, natürlich und gehoben sei . . die mit runder Gegenwart der Objekte zugleich den Forderungen einer hohen Seele und anspruchsvoller Sinne genüge. Als eine solche Welt schwebte ihm seit seiner Kindheit Italien vor, insbesondre Rom.
(Gundolf 1916, 363 f.)



Goethe weiß jetzt, daß es sein Beruf ist, Dichter und Wissenschaftler zu sein und daß er alles opfern muß, um seine Bestimmung zu erfüllen. Unter dem grauen Himmel Weimars kann er Botanik, Zoologie oder Geologie treiben. Aber er vermag keine lebendige Anschauung der Schönheit zu erlangen. Diese kann er nicht in Büchern finden. Er muß sehen, um zu verstehen. Er erwartet, daß ihm vor den Resten antiker Kultur, vor den Kunstschätzen der Renaissance, in Berührugn mit der Natur des Mittelmeers die Offenbarung der Schönheit zuteil werde. Er denkt, daß er sich durch die Anschauung der Kunst, die er in Italien sucht, weil er sie in Weimar nicht finden kann, zur Anschauung des Typus, der ewigen physischen und geistigen Formen der Menschheit, erheben kann. Er stellt sich die Aufgabe, eine lebendige Auffassung der Kunst zu gewinnen und sie mit dem Bild der Natur in Einklang zu bringen, das sich in seinem Geiste gestaltet hat.
(Lichtenberger 1949, 82)



Was Goethe in Italien zu finden hoffte, war also zunächst wieder Gleichgewicht zwischen großen Forderungen und großen Gegenständen, großen Stil alles Sichtbaren, eine weiträumige undd formenreiche Natur, mit klaren Umrissen und eine Kunst die den Menschen unverschnörkelt und unverschnürt in edlen Maßen und freier Haltung als vollkommene Gestalt in Ruhe und Bewegung darstelle, sodann ursprünglichere, sinnlich bedeutsamere und gefälligere Sitten und Typen, eine Kultur die sich nicht im Kampf gegen die Natur, sondern mit und an ihr entwickelte.
(Gundolf 1916, 364)



Er weiß, daß er ohne zu zögern, dem trüben Grau des Nordens entfliehen muß, wenn er das Ideal, das er im Innern hegt, voll verwirklichen will, und daß er die zeitraubenden und undankbaren Beschäftigungen aufgeben muß, zu denen ihn sein Amt verurteilt.
(Lichtenberger 1949, 83)



[S]o reise er ab, um das Ideal in Italien zu suchen. Sich selber wollte er finden, meinte er, die Kunst wollte er finden, das Leben wollte er finden, aber er suchte nicht seine Wirklichkeit oder die wirkliche Kunst oder das wirkliche Leben, er suchte von Anfang an sein ideales Leben, eine Antike, eine größere, edlere, vollkommenere, sonnigere Welt der edlen Normen.
(Meyer 1951, 360)

 

 

Ausbildung der Persönlichkeit

Es gibt kein Ereignis in Goethes Leben, das für ihn von so einschneidender Bedeutung gewesen wäre als die italienische Reise. Sie machte ihn zu einem neuen Menschen. Alles Kranke und Nervöse wurde aus ihm ausgeschieden. Die Melancholie, in der er an einen frühen Tod dachte, ja die ihm den Tod wünschenswerter als die Fortsetzung des bisherigen Lebens erscheinen ließ, war einer herrlichen Heiterkeit und Lebenslust gewichen. Der tiefernste, schweigsame Mann, den selbst in der Gesellschaft seine ernsten Gedanken nicht verließen, war fröhlich wie ein Kind geworden.
(Bielschowsky 1914, 411 f.)



Was der Mensch gewann, gewann der Dichter. Wie er zur Lebensfreude genas, so zum dichterischen Schaffen.
(Bielschowsky 1914, 413)



'Die Hauptabsicht meiner Reise war, mich von den physisch-moralischen Übeln zu heilen, die mich in Deutschland quälten, und den heißen Durst nach wahrer Kunst zu stillen.' So schrieb Goethe am 25. Januar 1788 an den Herzog. Er hatte beide Zwecke erreicht. Den zweiten im weiteren Sinne, als er dachte. Denn nicht bloß schaute er, wonach er durstete: die wahre Kunst, sondern er gelange auch zur Herrschaft über sie.
(Bielschowsky 1914, 416 f.)



In den Jahren der heilsamen Einsamkeit in Italien habe er sich als Künstler und Mensch wiedergefunden, so formuliert Goethe den Hauptgewinn.
(Viëtor 1949, 98)



Goethe wenigstens kam über sich und seine Bestimmung zu größerer Klarheit; von allen Fesseln des gewohnt alltäglichen Lebens frei, die ihn in Weimar beengten, lernte er in Italien einen andern und weiteren Blick über seine Stellung nehmen. Ein anderer Mann kehrte er heim. Der Krystallisationsproceß, der in Weimar schon begonnen, vollendete sich in Rom. [...] Täglich wurde es ihm deutlicher, daß er eigentlich zur Dichtkunst geboren sei, und er beschloß, die nächsten zehn Jahre, 'die er höchstens noch arbeiten dürfte, nur dieses Talent zu üben.'
(Lewes 1857, 88)



Goethe selber empfand die 'sittlichende' Kraft seines Aufenthalts im Süden sehr tief. Er glaubte, die Erziehung seiner Persönlichkeit in einer sehr bestimmten Weise gefördert zu haben, und gab dem neu errungenen Zustand später gern den Namen Meisterschaft.
(Altenberg 1949, 94)



Mit einer beneidenswerten Sicherheit zieht er fortan seinen für die meisten geheimnisvollen Lebensweg. Er wird der in sich ruhende Olympier, als den ihn die Nachwelt bewundert, während viele der Zeitgenossen den ihnen sich hingebenden und mitteilenden Menschen der früheren Jahre vermißten.
(Bielschowsky 1914, 417)


Wie sich Goethe selbst verfestigt, so verfestigt sich sein Kosmos.
(Staiger 1956, 20)

 

 

Gesamtbeurteilung

Ich recapitulire: Goethe ging im Herbst 1786 nach Italien und kam im Sommer 1788 wieder. Er war Anfang November 1786 in Rom eingetroffen, im März 1787 nach Neapel, Im April von da nach Sicilien gegangen und im Mai nach Neapel zurückgekehrt. Im Juni ist er wieder in Rom und verläßt es jetzt erst nach beinahe einjährigem Aufenthalte, um im Fluge 1788 nach Weimar zurückzugehen.
(Grimm 1877, 48)



1786-88 sah er im allgemeinen nur, was seinem Wesen entsprach und sein tiefstes Verlangen befriedigte. Das war die Landschaft, waren gewisse Züge des italienischen Volks und war die Poesie und Kunst der Alten und einiger als kanonisch betrachteter italienischer Meister, ein Querschnitt also durch den unendlichen Raum der Geschichte und der Natur, den viele zwar mit ihm als geometrischen Ort der Wahrheit ehrten, der aber einem, der sich nicht als Kind gerade dieses Hauses fühlte, nur als beliebige Auswahl aus dem Schatz der historischen Möglichkeiten des Menschen erscheinen mußte. War es denkbar, daß ein Dichter, der in dieser Auswahl aufging, nicht nur in dem deutschen Norden, sondern überhaupt in der mannigfaltig verschlungenen, angespannten, unanschaulichen Gegenwart das Wort aussprechen würde, das für seine Zeit verbindlich wäre, in dem die Mitwelt und die Nachwelt sich verstanden fühlen könnte?
(Staiger 1956, 56)



Wirklich zum ersten Male in seinem Leben war er ganz sein eigner Herr.
(Grimm 1877, 16)



Jeder Satz zeugt von Genesung und von dem Hochgefühl neuer Kraft. In der Vergangenheit lag der Nebel einer verschwommenen Existenz. In der Gegenwart strahlte das Licht der zuverlässigen Erkenntnis. Und in der Zukunft kündigten sich noch unübersehbare Möglichkeiten sicheren Wissens und Schaffens an.
(Staiger 1956, 19)



Und so hat Goethe immer wieder von Italien gesprochen. Es war für ihn ein beglückendes Erlebnis.
(Meyer 1951, 377)



Das Gesamtkonzert von Klima, Dichtung, Musik, bildenden Künsten, Altertümern, Freiheit, Geselligkeit und Liebesleben hob Goethe auf einen Gipfelpunkt des Glücks, nach dem er in Zukunft das Thermometer seines Daseins abmessen wollte.
(Bielschowsky 1914, 409)

 

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