 |  Wilhelm Friedrich Waiblinger |
Kurzbiografie
Wilhelm Friedrich Waiblinger (*21. November 1804 in Heilbronn – †17. Januar 1830 in Rom), Sohn eines Kammersekretärs und einer Pfarrerstochter, verbrachte seine Kindheit in Stuttgart, wohin seine Familie 1806 gezogen war, und ab 1817 in Reutlingen. Der frühreife und extravertierte Waiblinger hörte bereits 1819 Vorlesungen im niederen theologischen Seminar, von 1820 bis 1822 besuchte er das „Obere Gymnasium“ in Stuttgart, seit 1822 studierte er Theologie und Philologie am Tübinger Stift, wo er Eduard Mörike (1804-1875) und Ludwig Bauer (1803-1846) kennen lernte. Wichtig für seine dichterische Entwicklung wurde die Begegnung (1822) mit dem geisteskranken Dichter Friedrich Hölderlin (1770-1843), die er in seinem (stark von Hölderlins „Hyperion“ beeinflussten) Roman „Phaëton“ (1823) und in der für die Biographie Hölderlins wichtigen Schrift „Friedrich Hölderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn“ (1817/28, publiziert 1831) verarbeitet hat. Der griechische Freiheitskampf inspirierte ihn zu den „Liedern der Griechen“ (1823) und den Versepen „Vier Erzählungen aus der Geschichte des jetzigen Griechenlands“ (1826). Waiblinger erregte während seines Studiums mehrfach unliebsames Aufsehen: so durch die Beziehung zu der fünf Jahre älteren Julie Michaelis, der Schwester eines jüdischen Professors (verarbeitet in dem Roman „Olura, der Vampyr“, publiziert 1986), danach durch verschiedene andere Affären, die sich nur undeutlich in seinen damaligen Werken spiegeln („Lieder der Verirrung“, „Drei Tage in der Unterwelt“, Tagebücher 1821-1826). Das den bürgerlich-pietistischen Tübinger Zeitgenossen als ungebärdiges enfant terrible geltende Halbgenie wurde im September 1826 von der Universität relegiert, hatte aber bereits vorher Beziehungen zu dem bekannten Verleger Johann Friedrich Cotta (1764-1832) geknüpft. Ausgerüstet mit einem kleinen Stipendium Cottas trat Waiblinger im Herbst 1826 seine erste Italienreise an. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch zahlreiche Skizzen, Berichte und Feuilletons, die er in verschiedenen Zeitschriften publizierte, darunter vor allem Cottas „Morgenblatt“, Müllners „Mitternachtsblatt“ (1826), der „Gesellschafter“ (1828-1830), die „Zeitung für die elegante Welt“ (1828), die „Alpenrosen“ (1827-1829) und die Dresdener „Abendzeitung“ (1827-1830). Waiblinger war kein Kind von Traurigkeit, tat sich in Rom mit der schönen Nena Carlenzo zusammen, lebte in Künstlerkreisen und lernte einen anderen dichtenden Aussteiger kennen, den melancholischen, wegen seiner Homosexualität das liberalere Italien bevorzugenden Grafen August von Platen (1796-1835). Waiblinger, der wie Johann Gottfried Seume (1763-1810) das fußläufige Reisen schätzte, durchwanderte mehrere italienische Regionen (1823/24 Norditalien, ab 1826 Latium, Sabinerland, Olevano, Abruzzen, Neapel und Sizilien), über die er muntere Reportagen ablieferte. Im Herbst 1829 erlitt er verschiedene Blutstürze (wohl eine Folge von Tuberkulose) und starb am 17. Januar 1830. Begraben liegt er auf dem protestantischen Friedhof bei der Cestius-Pyramide in Rom. Man kann dem ‚Aussteiger’ Waiblinger für seinen mutigen Entschluss, in Rom eine finanziell ungesicherte Existenz zu riskieren, die Achtung nicht versagen. So kurz sein Leben war, so manisch produzierte er Texte: Dramen, Versepen, Romane, Novellen, Reisebeschreibungen, Erinnerungen und zahllose Gedichte. Während Waiblinger sich als Lyriker in der Nachfolge Hölderlins sah und wie dieser antike Formen (Oden, Elegien, Hymnen) wählte, so ist doch der prosaische Duktus unverkennbar: eine eigengeprägte Odensprache hat er nicht entwickelt. Die Italien-Lyrik findet sich v.a. in den Bänden „Blüten der Muse aus Rom“ von 1829 und im „Taschenbuch aus Italien und Griechenland“ der Jahrgänge 1828/29 und 1830. Seine Novellen sind interessant im buchstäblichen Sinn durch die farbigen Schilderungen des italienischen Alltagslebens, aber die von ihm entworfenen Charaktere sind samt und sonders blass und ohne Eigenart („Das Blumenfest“, „Francesco Spina“, „Die Briten in Rom“; „Das Märchen von der blauen Grotte“; am hübschesten die biographische Skizze „Das Abenteuer von der Sohle“). Er selbst strebte nach dem Lorbeer des Dichters, doch haben weder die Gedichte, noch die Romane und Novellen künstlerischen Eigenwert. So liegt die Stärke seiner Schriftstellerei am ehesten in dem, was er als Brotberuf abgetan hätte: den Berichten aus Italien, die sich in der Tat durch frischen Ton und unverstellten Blick auf die Realität auszeichnen. Hier, in den Beschreibungen von Land und Leuten, kommen seine detailbewusste Beobachtungsgabe und sein lebendiger journalistischer Stil voll zur Geltung.
Gunter Grimm
Wegen der Fülle der Italien-Gedichte Waiblingers wird ein Überblick des Gebotenen vorangestellt.
Lied der Weihe
Lieder des römischen Carnevals 1 – 8
Gedichte aus Latium und den Sabinerbergen
Vermischte Gedichte
Oden und Elegien aus Rom
Oden aus Neapel und Lieder aus Capri und Sorrent
Oden und Elegien aus Sicilien
Bilder aus Neapel. Hundert Gedichte
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[7]
Lied der Weihe.
Ein Sänger, der in weiter Ferne Vom deutschen Vaterlande lebt, In dessen Geist und Herz so gerne Der Heimat Bild herüberschwebt, Singt unter Frühlingslaub und Blüte Zum ersten Mal voll stiller Ruh Im tiefbesänftigten Gemüthe Sein Lied euch in den Norden zu.
Euch Allen rührt sie sanft den Busen, Die Sehnsucht nach dem schönen Land, Wo einst der heil’ge Chor der Musen Der Vorzeit Lorbeerkränze band, Unsterbliche, gepries’ne Siege Die Weltgebieter einst gekrönt, Und Sanzio seine große Wiege Mit allem Himmelsglanz verschönt.
[8] Drum hofft der Sänger, auch willkommen Mit seinem Herzensgruß zu sein: Denn ob ihm schon das Glück genommen Was wild und zart, was groß und klein Das heiße Herz ihm einst erfreute, Der Heimat wie der Liebe Lust; Ach Wonnen, die er nie bereute, Die Sehnsucht jeder Menschenbrust;
Doch ist der Trennung bittre Klage, Das Ach des Lebewohls gestillt, Und allen Gram verlorner Tage, Das trübe Nachtstück, überschwillt Die reine Flut des neuen Lebens, Wo die Vergangenheit versank, Wo ich des wunden Seelenstrebens Vergessenheit in Fülle trank.
Kein feuchtes Auge voll Vertrauen, Voll Liebesweh, voll sel’gem Wahn, Doch wohl auf immergrünen Auen Blickt mich manch süßes Veilchen an; Ach keiner Lippe holdes Schmachten, Kein Seufzer, kein beredter Schwall, Doch Haine, die schon Flaccus lachten, Voll vom Gesang der Nachtigall!
Wohl jauchzt die Seele voll Entzücken, Wenn von Mäcenas Wunderhaus, Gleich einem Schleier anzublicken, Aus alter Bögen Nacht heraus, [9] Von Tiburs Fels, wie aus den Lüften, Die silberne Kaskade schäumt, Im Wasserklang, in Blumendüften Die große, schöne Vorwelt träumt!
Wenn sie an deinem klaren Spiegel, Dianensee, dem Winde lauscht, Der in dem Laub mit sanftem Flügel Gleich einem Geist der Fabel rauscht; O Lust, die nur die Götter kennen, Wenn oft so unaussprechlich hold Die lichten grünen Haine brennen, Und Psyche schwelgt im Abendgold;
Wenn in die hellen, milden Weiten Ihr Blick aus Lorbeerdunkel streift, Und träumend von den Heldenzeiten Zum Zauberberg der Circe schweift, Der dort so lieblich, so verschwiegen, An Sagen und an Wundern reich, Des Meeres blauem Duft entstiegen, Den Märchen meiner Kindheit gleich;
Wenn sie, vom Jubel und Gesange Nun aus dem Träumen aufgestört, Ein frohes Volk beim wilden Klange Der Tamburine jauchzen hört, Und auf der Flur in lust’gen Tänzen, Wo goldne Früchte niederblühn, Voll Sinnenlust, mit Rosenkränzen Die schönsten Frau’n der Erde glühn;
[10] Da möchte sie voll Freude fühlen, Wie ewig jung und sorgenlos Dort im Olymp die Götter spielen, Erhaben über Glück und Loos; Da möchte sie nur selig preisen Wer keiner weitern Zukunft harrt, Da grüßte sie allein als Weisen Das Kind der holden Gegenwart.
Und so empfangt denn auch die Gabe, Die mir der Augenblick geschenkt: Zwar hat die Zeit im frühen Grabe So eilend den Genuß versenkt. Doch ihm entsproßt die schönste Blume Des Liedes duft’ge Heiterkeit; So sei die Blüte denn dem Ruhme, Die Frucht der Ewigkeit geweiht.
[12]
Lieder des Römischen Carnevals.
[11]
Erstes Lied.
Und warum nicht, heitere Muse, Lied und Lob dem Carnevale? Bienen konntest du besingen, Konntest schöne Frauen ehren, Selbst den Duft der Blumen preisen – Und warum nicht all die Schwärme Lust’ger, honigsüßer Feen, Rom in Kränzen und in Blumen?
Nein, dem trunknen Taumel geb’ ich Ungescheut mich hin, und singe, Singe meiner Lieder Weise; Wenn sie auch im Vaterlande Drob mich einen Thoren schelten, Dennoch sing’ ich, denn sie kennen Solche Lust und solch ein Fest Nur im Land der ew’gen Freude.
Doch, was wünsch’ ich mir zum Liede? Der Bacchantin Glut, des Gottes Brennend allbegeisternd Feuer? Oder deine Götterschalkheit, Aristophanes, ein wenig Nur vom Geiste deiner Maske? Wünsch’ ich, Grazien, eure Huld, Eure Schönheit, holde Veilchen?
[14] Und begreift ihr’s nicht, und wolltet Ihr dem trunknen Sänger zürnen, O ihr sah’t von Samnesertes Obeliskus bis zum Grunde Zu des Kapitoles Stufen, Sah’t noch nicht die goldgestickten Bunten Purpurteppiche Von Balkon und Fenster wehen.
Schweiget still, ich bin im Süden; Weiße Flocken stäuben nieder, Aber welch ein Schnee? o schweiget! Ja, es ist ein wilder Hagel, Doch von Zucker, und die Erde Deckt er weiß, von Frauenhänden Träuft und stürmt er süß herab, Und bedeutet Frühlingstage.
Blumen fliegen auf und nieder; Ist es nicht, als strömten junge Neckisch kecke Liebesgötter Einen Regen hier von Rosen, Dort von Veilchen in die Straße; Nicht, als schleuderten sie lachend Im Triumph auf Tausende Zart verwundende Geschosse?
Hat vielleicht die Abendsonne Schön’re Farben, oder fänd’ ich Bunter noch die Mädchenreihen, So unübersehbar schimmernd, Wie sie sind? Der Sel’gen Jubel In Elysium, er klänge Wohl harmonischer als dies Tausendstimmige Geschrille?
[15] Wo die Wirklichkeit zu finden, Das Gewöhnliche? Verzaubert Ist die Welt; der Mensch, er wandelt Wunderbar in seine Träume, Seine Wünsche, seine Sehnsucht, Seine Phantasie verkleidet, Wie er ist, er will sich nicht, Wie er möchte sein, nur zeigen.
Nur ein flüchtiger Bewohner Dieser Welt, zum Scherz geboren, Zum Moment, will er sein Dasein, Gleich dem Schmetterling genießen, Und dem dumpfen Haus der Puppe In vollendeter Entfaltung Nun entnommen, flattert er Buhlend unter seinen Blumen.
Jene mächtigen Paläste, Nur zur Lust des Augenblickes Scheinen sie gebaut, es gibt ja Kein Bedürfniß mehr, und Alles Dient dem Schwärmer nur zur Feier Seines Daseins, Noth und Sorgen Kannte ja die Puppe nur, Nicht der schmucke Sommervogel.
Und des eignen Lebens denk’ ich, Jenes schnell zerfloßnen Zaubers Meiner Kindheit, da die Erde, Da der Mensch mit seinen Räthseln Noch so farbenreich und magisch Dem befang’nen Sinn erschienen, Der Genuß der Gegenwart Mir das ganze Leben dünkte.
[16]
Zweites Lied.
Siehe doch die Stadt der Gräber In bacchantischer Entzückung! Rom verjüngt sich, Kindertage Lebt es wieder, und ich folgte Nicht dem Strome dieser Freude, Die in allen Straßen wüthet, Würfe keinen Feuerbrand In die allgemeine Flamme?
Einsam stehn die alten Tempel Um den Palatin, verlassen Von dem mächtigen Geschlechte, Das sie einst verehrt, verlassen Von der Mitwelt selbst; dem Corso Wälzt aus dem Vulkan der Freude Sich die wilde Strömung zu, Schwellend durch gedrängte Gassen.
Drum hinweg mit Ernst und Trauer, Selbst den ehrbarsten Gedanken Nennt man heut’ nur Grille; laßt mich Frisch ins taumelnde Gewimmel, Frisch ins brausende Gewoge; Wie man sonst der Narren lachte, Lacht man heut’ mit vollem Recht Eines trockenen Verständ’gen!
Fürchte nur, dich zu verlieren; Wie im Meer ein Regentropfen, So vergehst du hier, und keiner Fragt nach deinem Rang und Wissen, Aller Bande der Gewohnheit Ist der Mensch nun los, die Willkür Wird Gesetz, und lüstet dich’s, Kannst du auf dem Kopfe gehen.
[17] Armuth gibt’s nicht mehr und Reichthum. Eine Maske deckt sie beide, Und geduldig nimmst du jeden, Wie er scheint; Gesicht und Hülle, Wort und die Geberde tauschen Die Geschlechter selbst, das Alter Lächelt dich in Locken an, Und die Jugend geht an Krücken.
Was die Welt im Ernst getrieben, Und was Geist und Hand beschäftigt, Nur zum Scheine, nur zum Scherze Trägt man Alles dir vor Augen, Hier der Gärtner seine Blumen, Der Gelehrte seine Bücher, Seine Medicin der Arzt, Und der Landmann seine Früchte.
Aus der Erde fernsten Strecken Kommen bunte Völkertrachten, Mahomskinder, Mohrenprinzen, Aethiopische Gesichter, Und um ganz dich zu verwirren, Schickt das Reich der Fabel Gnomen; Widerstehe, wenn du kannst, Allerliebsten jungen Feen.
Von den fliehenden Gestalten Glückt es keine dir zu fesseln; Diese möchtest du verfolgen, Jene lockt dich an. Vergebens! Wesenlose Schattenbilder, Schwinden sie hinweg, gehören Nur sich selber an, und du Bist allein zurückgeblieben.
[18] Und des eignen Lebens denk’ ich, Jener Zeit, da ihre Bilder Mir die Welt, und seine Tiefen Das Gemüth, da mir die Menschheit Ihre Thaten aufgeschlossen, Da vom Reiche der Lebend’gen So viel herrliches sich stolz Im Gemüthe mir gesammelt.
Da der Mensch und alle Dinge So phantastisch noch im Dufte Mir erschienen, da sie alle Noch sich glichen, da die Masken Mich getäuscht, da ich nach allen Mit vermeßnem Wahn gegriffen, Und von tausenden mir nichts Als mein eignes Selbst geblieben.
Drittes Lied.
Aber was am schönsten wäre, Was am würdigsten, des Sängers Lied ein Gegenstand zu werden, Was es schmückte, wie ein Frühling Mit der wunderreichsten Blüte, Wär’ es leicht nicht zu errathen? Roms gepries’ne schöne Frauen, Wer vernahm nicht oft von ihnen?
Wen erfreut’ ich nicht, mit Feuer Ihr begeisternd Lob beginnend? Wüßt’ ich nur, wohin die Augen Und den Klang der Lieder richten, Ob empor zu buntbehang’ner Glänzender Balkone Wunder, Ob zu jener beiden Reih’n Miglienlangem Farbenglanze?
[19] Ob in rasselnden Carossen Frauenschönheit ich bewundre? Gar zu reizend däucht mir jene, Mit der Feder Schwanenwallung Einer Königin zu gleichen, Doch zu hoch dem armen Sänger, Der im Volksgewühle treibt, Scheint sie fast auf dem Balkone.
Wend’ ich meine Blicke lieber Albanesischen Gestalten Trunken zu! Beim Gott der Liebe, Schöner sind sie wohl als jene! Welche Tracht! Der Vorwelt Weiber Sind sie, oder gar der Fabel, Und an solchem Busen nur Konnt’ ein groß Geschlecht entstehen.
Blumen lächeln aus der Haare Rabendunkel, und des Schleiers Weiße Masse senkt sich üppig Auf ein Schulternpaar, wie Marmor, Und aus hochgeschwelltem Tuche Tritt ein Nacken, dessen Reize Nur des großen Donn’rers Arm Zu umschlingen würdig scheinet.
Und ich staune, wie versteinert Bleib’ ich stehn, der Rosse Schnauben Und der tönenden Carossen Und des wirbelnden Gewühles Wenig achtend. Sieh’, es fliegen Blumensträuß’ ihr zu, und alles Wildgedrängte Volk umher Trifft ein ew’ger Zuckerregen.
[20] Doch ich fühle mich ergriffen Und von sanfter Hand geschlagen. Welch ein Schalk du bist, o Amor! Eine Schaar der schönsten Kinder Schäkert um mich her; willkommen! Rufen ihre süßen Stimmen, Und beim Namen nennt man mich, Nicht beim Namen, e i n e n D i c h t e r !
Kaum bin ich bei mir, so sind sie Lachend im Gewühl verschwunden, Wer sie sind, was weiß der Sänger? Halb geneckt und halb geschmeichelt Drängt er weiter, läßt sich drängen, Immer Lieblicherm begegnend, Wird er hundert Masken gram, Die das Lieblichste verbergen.
Holde, junge Gärtnerinnen Reichen Veilchen aus den Körben, Und die breite Arlecchina Fliegt mit Schellenklang vorüber! Wie das weiße Hemdchen jene, Wie die Busenschärpe kleidet! Bleibe fern! Nimm dich in Acht, Ihre Scheeren sind gefährlich!
Wie sie jauchzen, wie sie schrillen, Wie sie schäkern, wie sie rennen, Wie sie grüßen und verschwinden! Wärst du häßlich, o so fliehe, Alle sagen dir’s, und Spiegel Halten sie dir vor die Augen, Bist du leidlich und gewandt, Nun so kannst du viel gewinnen.
[21] Rasch dein Glück versucht! Die Stunde Kehrt nicht wieder! Sinkt die Maske, Sieht vielleicht ein liebend Auge Hell dich an! Im Scherze bildet Ernstes sich, doch bleibe weise, Denn dem Scherz folgt oft die Trauer; Kränze, die man Bräuten flicht, Ruhen oft auf ihren Särgen.
Und wer möchte mir’s verübeln, Wenn ich meines Lebens denke, Jener Zeit, da mir im Herzen, Solch ein Liebessehnen glühte, Da in tiefbewegter Seele Mir die künftige Geliebte So unsäglich schön erstand, Als die Herrlichste des Festes!
Da so viele mich umschwärmten, Rasch an mir vorüberflohen, Und die eine, die ich träumte, Mir so unerreichbar dünkte, Da ich ungeduldig suchte, Nicht bedenkend, daß die frohen Kränze, die man Bräuten flicht, Oft auf ihren Särgen ruhen.
Viertes Lied.
Einen traurigen Gedanken, Siehe da, das Kind des Nordens! Doch wohlan, mit Pulcinella Lach’ ich schon, und der Doctoren Weisheit hör’ ich an, die Suada Eines Charlatans begeistert, Puterartig schreitet hier Auch der Graf in der Perrücke.
[22] Doch ich werde rasch umfangen, Und mit hohem Federnhute, Schwarzem Antlitz, buntem Röckchen, Arlecchina mir zur Seite! „Sei willkommen, Freund, willkommen, Reiche mir den Arm!“ – Wer bist du? – „Wer ich bin? Ei nun, damit Man’s nicht wisse, dient die Maske.“
Doch verrathen sie der Stimme Volle Nachtigallentöne, Und der Locken schwarze Wallung, Und am purpurnen Barette Der Begleiterin erkenn’ ich Deutlich sie; an beide Arme Hängen sie sich hüpfend an, Und ich muß geduldig folgen.
Manches art’ge Wörtchen flüstert Arlecchina nun dem Sänger Leis’ ins Ohr. Wir bleiben, sagt sie, Unzertrennlich jetzt beisammen! Laß uns durch den Corso wandeln, Bis der Pferdelauf vorüber, Dann wird uns, verstehst du wohl, Nunziata gleich verlassen!
Und der Sänger nun am Arme Solcher lieblichen Geschöpfe Fühlt, wer könnt’ es ihm verdenken, Saturnalisches Behagen! Hat er doch in all’ der Menge Nun das Seinige gefunden! Doch er fürchtet im Gewühl Unterm Volk es zu verlieren.
[23] In der That, sie ist gar artig, Und wiewohl an seinem Arme, Reißt sie doch sich los und schüttelt Einen Mann, den er nicht kennet; Selbst Confetti soll er haben Und von Nunziata Blumen, Und der Sänger schauet zu, Denn wir sind im Carnevale.
Doch im frohen Schellenklange Kehren sie zurück, und lustig Hört im ungestümen Tacte Man das Tamburin erschallen Aus dem nahen Seitengäßchen. Schnell dahin! Die Masken fliegen, Arlecchina will’s, und ich Folge hübschen Kindern gerne.
Und im enggeschloss’nen Kreise Hüpfen halb zerlumpte Paare Dort im wilden Saltarello! Doch das heiße Blut geduldet Hier sich nicht, sie ziehn mich weiter, Auf und ab, nach allen Seiten, Bald begrüßend, bald begrüßt, In dem lärmenden Getümmel.
Und im letzten Scheine glühet In der Straße fernstem Grunde Schon das Capitol! Verschwunden Sind die rasselnden Carossen, Und das Töchterchen der Liebe Führt den Sänger leicht und tänzelnd Unterm fürstlichen Palast Zu bequemem, hohen Sitze.
[24] Und man scherzt und duldet Scherze, Sitzt aufs traulichste beisammen, Und begegnende Bekannte Wirft man wohl noch mit Confetti, Bis die Straße schon geräumt ist; Alles wartet, Alles schaut, Bis es braust, und nun im Flug Rosse kommen und verschwinden.
Einen Gang noch, Arlecchina, Wenn’s auch dämmert, wenn die Sonne Längst vom Capitol gewichen! Unersättlich im Genusse Lernt im Süden man zu werden; Drum geschwärmt, bis uns das Brüllen Des Paino scheucht, und dann Auf den Ball und spät zur Ruhe.
Und zuweilen meines Lebens Denk’ ich da, der Wonnetage, Da ich endlich sie gefunden, Die ich mir so lang’ geträumet, In der Tracht des Ideales Mir die Liebende gefolget, Mir bestimmt, geboren schien, Für die Ewigkeit gegeben.
Fünftes Lied.
Und als allerliebste Bäurin Naht sie mir des andern Tages, Gestern neckte Stab und Glocke, Heut’ ein artig Blumenkörbchen, Und im weißen Seidenhemde Hüpft heran die wohl erkannte Lüsterne Begleiterin Mit dem wilden Tamburine.
[25] Voller drängt sich’s heut als gestern, Und von tausend lust’gen Bächen Jetzt vergrößert, jauchzt und schäumet Nun der Strom des Bacchanals; Ja, der Gott ist im Gefolge Seiner taumelnden Mänaden Selbst gekommen, um dem Volk Ganz die Sinne zu berücken.
Seht die schreienden Doctoren, Wie sie ihre Weisheit pred’gen, Einem hübschen Schelmenkinde Hier den zarten Puls befühlen, Mörderische Instrumente, Köstliche Arzneien zeigen, Wie der Apotheker sich Durch des Mörsers Schall verkündet.
Hier wird ein Proceß geschlichtet, Dort ein anderer verwickelt; Mit der jungen Ehehälfte Zeigt sich der Papa im Schlafrock, Und der Schalk, der Pulcinella, Ueber seine Schulter guckt er Schon mit einem Horn und setzt Ihm aufs Haupt die Narrenkappe.
Wandelnde Museen lassen Ihre Raritäten sehen, Seinen Bündel Maccaroni Speist aus dem geheimen Topfe Der Bajaccio, jener Kutscher Trägt die Windmühl’ auf dem Hute; Und am Zopfe flattert dem Gar ein Dutzend Distelfinken.
[26] Im zerlumpten Bettlerrocke, Und gewalt’gem Lorbeerkranze Wandelt der Poet. Da ruft es: Platz gemacht! und mit der Brille, Der Perrücke Lockenturme Kommt der Graf einhergeschritten, Und die derbe Römerwurst Guckt ihm aus der Seitentasche.
Zu des Dudelsackes Schnarren Singt hier der Campagnenbauer Wohlerfundne Ritornelle Jenen Damen an dem Fenster; Mit liebäugelndem Gesichte, Schmeichelnden Manieren wandelt Dort ein schönes Kind; doch nein, Ein vermummter hübscher Junge.
Sieh doch nur den schlauen Narren, Auf der Kutschentreppe steht er, Jener Brittin einen Spiegel Vor die schlimme Larve haltend, Oder dort den Rechtsgelehrten, Wie er sich zum Advokaten Einem blondgelocktem Schalk In der Liebe Zwist empfiehlet.
Auf bekränzten vollen Wägen, Unter schatt’ger Lorbeerlaube Zieht bei Becherklang der Winzer Frohe Schaar an uns vorüber; Und die Tamburine schallen Rauschend zu den Chorgesängen; Unter frischen Burschen sitzt Manches Kind mit vollem Busen.
[27] Heute gilt’s, die Welt zu narren. Heute gilt’s, genarrt zu werden! Alle Thorheit auf der Erde Hat sich schwesterlich versammelt; Der Verstand, er schwingt mit Jauchzen Heut’ die Pulcinellenkappe, Und die Weisheit zeigt dem Volk Ohne Scheu die Eselsohren.
Und des eignen Lebens denk’ ich, Mancher schwergebüßten Irrung, Mancher Thorheit, die ich offen Im Triumph zur Schau getragen. Aber still davon, wir dürfen Heute keinen Narren schelten, Und an eines Mädchens Arm Gibt’s ja keine weitern Scrupel.
Sechstes Lied.
Unter Spiel und Scherz und Possen Ist die Nacht herangekommen, Doch im sanften Sternenscheine Läßt es sich nur besser schäkern, Und gespensterhafte Schalkheit Lacht und spukt durch alle Gassen. Erst wenn Phöbus sich entfernt, Wagt sich Momus aus dem Hause.
Gib die Hand mir, Kind der Liebe, Sind wir endlich doch alleine! Laß uns schnell nach Hause wandeln, Nimm dir vom Gesicht die Maske; Denn der Nacht, warum nicht könntest, Wer du bist, ihr anvertrauen? Schnell die Maske weg, und dann Wieder auf die vollen Straßen!
[28] Folge mir, an allen Ecken Hörst du jetzt den Pulcinella Mit der Narrenglocke läuten, Manche Mandoline klimpert Unter dem erhellten Fenster! Gehn wir eilig! denn mich locket Jener schwarzen Osterie Alterthümliches Gewölbe.
Willst du fröhlich sein, so trinke Abends deinen vollen Becher Süßen Frascatanerweines, Und ein Liebchen dir zur Seite Kränz’ ihn dir mit seinen Rosen. Ohne Wein und ohne Liebchen Sieht man sich das tolle Volk Nur mit Neid des Lebens freuen.
Lauschen wir dem wilden Dichter, Der im Kreis gedrängter Masken Hier mit Liedern aus dem Stegreif Seine Hörerschaft begeistert, Wie das lust’ge blonde Bübchen, Schon Hanswurst dort auf dem Tische, Dem besess’nen Sänger lauscht Und mit seinen Händen klatschet.
Doch auch hier will sich die wilde Römerin nicht lang gedulden, Ob wir ins Theater eilen, Ob wir eine Oper hören, Ob uns das Ballet vergnüge, Oder ob uns der Taddei Seltne Kunst belustige, Oder gar Cassandro’s Puppe?
[29] Doch zum Maskenballe leitet Mich der artige Schalk; ich folge! Keine Beatrice führt mich, Aber eine Bajadere! Nein, wer konnte sie verschmähen! Tausend Frauen sah ich heute Schon verschleiert, aber doch Keine einzige Bestale.
Und des heitern Zauberhauses Hellgestirnter Lichterhimmel Oeffnet dem entzückten Auge Seine weite, schöne Wölbung, Und in magischer Beleuchtung Seh’ ich unterm wilden Sturme Bacchischer Musik die Welt Eines holden Traumes wogen.
Wie in nächtlichen Gesichten Uns die Phantasie zuweilen Tief in eines Berges Gründe Durch den Schacht der Erde führet, Und bei wundersamen Lichtern Uns phantastische Gestalten Und die allerschönsten Frau’n Um die trunknen Sinne gaukeln:
Also dünk’ ich mir zu träumen; Zwar es spukt die keckste Freude, Scherz und Witz in hundert Masken, Zwar es athmet allenthalben, Schön und glühend, sinnlich Leben, Mancher Nacken, mancher Busen Mahnt an höchste Erdenlust Uns berauschte, schwache Thoren.
[30] Doch zu viel der süßen Reize Schweben, schwellen uns entgegen, Und in heißer Wollust möchte Das gefang’ne Herz verschmachten. Solchem Leben zu begegnen, Müßt’ allein in unsern Adern So viel Lebensfeuer glühn, Als die tausende durchwallet.
Sieh bei raschgeschwungnem Tacte Wie vom Wahnsinn hingerissen Bunte Maskenpaare hüpfen! Das ist erst der Schritt der Freude, Hier und dort, und auf und nieder, Wie vom lauten Sturm getrieben, Der im Zauberhause braust Unter der Trompete Schmettern.
Weiße freudentrunkne Mädchen, Arlecchine und Doctoren, Gärtnerinnen und Bajacci, Und der plumpe Pulcinella, Leichte Schäfer, farb’ge Türken, Schwarzvermummte, schlanke Feen, Alles in Mänadenwuth, Saturnalischem Vergnügen.
Und des eignen Lebens denk’ ich, Da voll frischer Kraft und Seele Meiner Jugend Feuerströme So gewaltig in mir rauschten, Da sie alle kühn und muthig In bacchantischer Bewegung Schäumend sich hinabgestürzt In den Ocean der Liebe.
[31]
Siebentes Lied.
Nicht ermüden und ermatten, Auch wenn kaum ein Stündchen Schlummer Gegen Morgen dich erquicket! So die lustige Gefährtin, Heut’ am letzten Freudentage Mir als trefflicher Paino, Fein in schwarzem Kleid und Hut Und im Busenstrich erscheinend.
Heut’ am allerletzten Tage Sollte man nicht ausgelassen, Gleich dem Faune, gleich dem Satyr, Eine tolle Nymph’ im Arme, Jubelnd seinen Thyrsus schwingen? Und warum nicht? Rennt mit Hörnern, Pferdefuß, in schwarz und roth Lucifer nicht im Gedränge?
Wie man von dem Liebchen scheidend, Noch in Einem langen Kusse Wonn’ und Lust auf ewig trinken, Trost für immer saugen möchte, Wie dem Vaterland entwandernd, Wo man Kind war, wo man liebte, Man des Lebewohls Moment Gerne noch verlängern möchte:
So das wilde Rom, man taumelt Unter Taumelnden; es regnet Heut’ zum letzten Male Blumen Auf ein glücklich Volk, und Zucker. Goldne Tage des Saturnus Lebt man noch; es wäre Fabel, Und so viele tausend Frau’n Predigen die holde Wahrheit?
[32] Doch es neigt sich schon die Sonne, Schon erbraust es in der Menge, Meilenweit vom Obeliskus Bis zum Capitol – sie kommen – Nein! sie fliegen – kaum vernimmst du Ihren Hufschlag – Alles jubelt B a r b e r i – du schaust und sieh, Längst sind alle schon verschwunden.
Wie ersehnt steigt jetzt die Dämm’rung Von den mächtigen Palästen Nieder in die tiefe Straße. Noch ein Stündchen, Kind der Liebe, Doch das köstlichste der Erde! Nimm’ dir einen Sitz, ein Lichtchen, Denn dem Weibe ziemt ein Licht, Und dem Manne ziemt’s zu löschen.
Und schon flammet nah’ und ferne Von Balkonen und von Fenstern, Aus Carossen, von den Sitzen In unzählbar vielen Händen Durch den Nachtduft ein beweglich Muntres Heer von kleinen Feuern, Und ein neuer Zaubertag Hebt nun an, dem Fest zu leuchten.
Welch ein übersinnlich Märchen, Wie man’s oft von leichten Sylphen, Gnomen und von Salamandern, Nächtlich einem Kind erzählet! Welche Welt von schönen Mädchen, Welche Schaaren kecker Schalken, Wie das holde Farbenreich Aus dem Dunkel sich entfaltet.
[33] Wie die Lichter wehn und flattern, Und gewandte schnelle Springer Nach dem hast’gen Flämmchen haschen; Wie sie hüpfen, wie sie schlagen, Wie manch bunte Feengruppe Plötzlich in die Nacht versinket, Und ein Schelm, des Sieges froh, Im Gewimmel sich verlieret!
Wie sie auf die Wagen klettern, Und von oben her geschwinde Wie der Wind ein Licht verlöschen; Wie sie schleichen, wie sie lauschen, Durchs Gedränge schalkhaft schlüpfen, Geistern oder Dieben ähnlich, Erst nur still, dann mit Geschrei Und mit Hohngelächter necken!
Wie der Tod des Carnevales Mit einstimmigem Gebrülle Sinnbetäubend aus den Kehlen Eines Volkes sich verkündet, Unterm dumpfen Klaggesange Dieser Moccoli Erlöschen Aller Freuden Ende schon Und die Trauerzeit bedeutet.
Noch erglüht und flammt und zittert In der farbigen Bewegung Im phantastischzarten Spiele Roms erneute Pracht, da löschen Sich allmählich alle Lichter, Und die Zauberwelt verschwindet, Die gestaltenlose Nacht Folget, wie der Tod dem Leben.
[34] Und des eignen Daseins denk’ ich Mehr als je, da mir so frühe Das Verhängniß meiner Jugend, Meiner Liebe, meiner Hoffnung Süße Märchenwelt zerstörte, So viel Schönes und Geliebtes, So viel Flammen, so viel Lust In den Ernst der Nacht versunken.
Achtes Lied.
Noch umflattern mich die frohen Saturnalischen Gestalten, Noch von jenem Rosenscheine Fühl’ ich selig mich umwittert, Noch von kindisch muntrer Schalkheit Bald geschmeichelt, bald gefährdet, Noch vom Lebenssturm umrauscht, Der zum wilden Tanz begeistert.
Doch die Täuschung nur der Sinne, Die Erinn’rung des Genusses Ist es nur! Von keinem Fenster Und Balkone weht ein Teppich, Keine Veilchensträuße fliegen Mehr zu schöngeschmückten Frauen, Und der kurzen Zier beraubt, Trauert Rom in seiner Stille.
Trübte sich das Lied des Sängers, Bei der eigenen Enttäuschung, Bei den langen Trauertagen Mit gerechtem Schmerz verweilend? Klagt’ es um der Liebe Freuden, Um die Freunde, die Gespielen, Um des Ruhmes goldnen Wahn, Unersetzliche Verluste?
[35] Könnt’ es aller Lust entsagen, Und das Haupt, für Myrtenkränze Bacchuslaub und sanfte Rosen, Und vielleicht bestimmt für Lorbeer, Sollte Todtenasche decken? Nein, auch dies ist schon vorüber, Und ein neues Leben scheint Sich dem Sänger zu entfalten.
Denn der Frühling naht in seiner Lieblichkeit, in süßer Wärme Wacht er auf, und frohe Vögel Singen in des Mandels Blüte; Schwindet ja im holden Süden Nie der Lenz, der schöne Jüngling, Ganz hinweg – er schlummert nur Kurze Zeit im Lorbeerschatten.
Und es regte nicht dem Sänger Frühlingslust den frischen Busen? Wenn die Mandelbäume blühen, Keimte nichts in seinem Herzen? Wenn die milden Lüfte jubeln Vom Gesang der Vögel, griffe Nicht zur Leier seine Hand, Um ein heitres Lied zu singen?
Nein! Wer könnte solcher Allmacht, Solcher Lockung widerstehen! Neues fühlt er in sich werden, Manche Hoffnung sich erfüllen, Eine Zukunft, leicht und selig, Sieht er fern herüberschweben, Sei’s auch, daß er h i e r sie nicht, Im Elysium doch erreiche!
[37]
Gedichte aus Latium und den Sabinerbergen.
[39]
Epigramme aus Latium.
Cori.
Deine Berge sie blühn in parthenopäischer Fülle, Südliche Lüfte, wie froh grüßt’ euch mein Auge, mein Herz! Ja, hier bin ich bezaubert, und wär’s auch ein Wunder, vom Meere Lockt ja die griechische Fee mich in ihr magisches Netz.
Tempel in Cori.
Bist du des Helden Tempel, der hier dem blumigen Felsen, Einem Elysium hier, Myrthen und Rosen entragt, Wahrlich dann bauten die Grazien dich, zum lieblichsten Denkmal, Daß dir die Göttin den Trank ewiger Jugend gereicht.
Monte Cavo.
Wär’ ich vielleicht im Olymp? Hier seh’ ich Fabel, Geschichte, Rom, Aeneas, Ulyß und die homerische See, Ist es der Pegasus, der den Wandrer zum Berge herauftrug? Nein! die moderne Welt kommt hier zu Esel herauf.
Monte Porzio.
Stehst du auf Tusculums Höh’ in der aufgegrabenen Vorwelt, Suchst du in Trümmern und Schutt Cicero’s Villa hier auf, Dann zum Rebenhügel hinab ins lustige Dörfchen, Und wie Cicero bald macht dich Freund Bacchus beredt.
[40]
Monte Compatri.
Lob’ ich den Blick in das reizende Land, bis zum blauen Oreste, Bis zu Tibur, die Lust schatt’gen Kastanienhains, Wo mich die Nachtigall in schallenden Chören umjauchzet, Oder schau’ ich das Gold nur deines Nektars mir an?
Carzoli.
Deine cyclopischen Mauern, die Burg und die maurischen Häuschen, Längst vergaß ich sie schon, häßliches marsisches Nest! Aber noch schaudert mich vor dem Wein, vor Essig und Oele, Deinen Betten und all diesem entsetzlichen Wust.
Alba.
Göttliches bietest dem Auge du dar in Thal und Gebirgen, Hier der Velino, und dort strahlt aus der Tiefe der See! Einst als Gefangener saß der König Syphax in Alba, Mir auch hat es, dem Frei’n, Wasser und Brod nur bescheert.
Colli.
Wohin steig’ ich, Italien noch, nicht Helvetiens Wildniß Wär’s, wo in Wolken und Schnee stöhnend der Wanderer irrt? Aber noch sind wir im Süden! Es feindet uns zwar die Natur an, Aber dies südliche Volk nimmt’s mit den Deutschen nicht auf.
Schlachtfeld von Tagliacozzo.
Thal der Imele, dich grüß’ ich! In deinen weiten Gefilden Sank im verzweifelten Kampf unser Heroengeschlecht! Drum verehr’ ich dich auch, du bist schön, doch gefielst du mir besser, Hätte Conradin hier, hätte der Deutsche gesiegt.
Avezzano.
Freundliche Hügel umgeben das Dorf, den dankbaren Boden Hat ein fleißiger Schlag südlicher Leutchen bepflanzt. Heimathlich fühl’ ich mich hier, und kehr’ ich nach Hause zum Heerde, Sagt mir ein Mädchen, dir blüht nirgends ein heimathlich Glück.
[41]
Fucinersee.
Drohend umstarren die spiegelnde Fluth apenninische Felsen, Und acherontisches Grau’n schattet ins Wasser herab. Doch Avezzano, es lockt mich zum Strand, ich schweb’ auf dem Lethe, Und das lieblichste Kind ladet zum Mahle mich ein.
Velino.
Unerschütterlich glänzt die Schneepyramide zum Himmel, Römer kamen, es kam selber der Deutsche, sie blieb! Ja, sie ist ewig, und wäre sie’s nicht, sie stürzte zusammen, Als du die Feldschlacht hier, letzter der Staufen, verlorst!
Abruzzesische Räuber.
Lauert mir nur im Gebirg und schreckt mit Dolch und Pistole, Ziert mit dem blutigen Schmuck glänzender Opfer euch nur. Mich erschrecket ihr nicht, die unsterbliche Gabe der Lieder, Aber kein irdisches Gut hat mir der Himmel verliehn.
Classisches in Tibur.
Jagst du dem Classischen nach, und ist’s dem Barbaren Entzücken, Nun so sieh, wie mich hier Vorwelt und Mitwelt erfreut! Ueber der Grotte Neptuns wird gezecht, im purpurnen Becher Spiegelt sich Tempel und Berg, Hain und die Villa Lukulls.
Rückkunft nach Rom.
Seine Beute, die Schätze der Welt, hat der Feldherr, der Cäsar, Dankbar aufs Kapitol einst im Triumphe gebracht, Kronen bring’ ich dir nicht, mir mangelt selbst noch der Lorbeer, Nimm meine Lieder dafür, Jupiter Xenius, an!
[42]
Olevano
Erstes Lied
Wenn der goldenen Loose mir das Schicksal Eins vergönnte, wenn heitrer Himmel wieder Ueberm Haupt mir die hohe lautre Schönheit Bess’rer Tage verjüngt ergöß’, und voller Mir die heilige reine Flut des Lebens Aus der Urne des Gottes ränne, wenn sie Frei vom drohenden Fels, wo sie zerstäubet, Ungefährdet vom Abgrund, dessen Grauen Oft die schäumend bewegte gern verschlänge, Nun im Schatten des jungen Lorbeers und im Süßen Dufte der Rose klar und ruhig, Wellenlos, zu des Friedens Sonnentempel Ihrem Genius folgte, – dann wohl trennt’ ich Nimmermehr mich von dir, bis meiner Tage Vollgewachsener Strom ins Meer verrauschte; Dann wohl blieb’ ich dir treu, wie seinen Felsen, Seinen Lüften der Adler; meine Freuden Baut’ ich kühn mir ins Urgebirg, des Aethers Frischem Reiche vertraut’ ich mich, der Menschheit Nur aus neblicher Wolkenferne sichtbar, Ihren giftigen Pfeilen nicht erreichbar, Felsenland der Sabiner, und des alten Volks der Herniker, dir, mein heimlich Tempe, Mein Olevano, treu! Vom hohen Grabe, Das die Sag’ als dreitausendjährig Denkmal Des Ascanius ehrt, ist’s schön, des Morgens, Im gewaltigen, ew’gen Eichenschatten Hinzuwandern, bis aus Elysiums üpp’ger Waldesfülle, dem Dunkel der Cypressen, Noch vom Pupurhauche der Früh’ umduftet, Des sikul’schen Ariccia’s busch’ger Hügel [43] Mit der glänzenden Kuppel sich entfaltet. Schön ist’s auch von Genzano’s sonn’ger Höhe Hier hinunter zu blicken, wo im Schooße Seiner Haine Dianens blauer Spiegel Deine schmachtende sanfte Mild’ und Schöne O hesperischer Himmel, wiederstrahlet, Unter Pappeln von Nemi’s jähem Fels die Nymph’ Egeria sich im Thränenbache Niederstürzt, und den grauen Zeiten heilig, Unterm Cavo der ferentin’sche Hain blüht, Ja der taurischen Göttin grüne Heimat Aus den Fernen der Vorwelt das Geheimniß Holder Fabel der Gegenwart zurückruft, Aber dort des Tyrrhenermeeres Bläue, Wie ein Wunder, homer’scher Geist entwehet, Und die muntre Erinn’rung noch in Circe’s Feenwelt und des griech’schen Wandrers spielet.
Dennoch suchte die Heimat hier ein ruhig Unzerfallnes Herz nur, deß Empfindung Sanft und tief wie Dianens Spiegel wäre, Das der Freud’ und der Wehmuth Schauern leise, Wie dem Zephyr die stille See, erbebte, Dem die Liebe, die erste, heil’ge, schöne, Wie italische Lüfte, rein und selig Noch ins knospende Blumenreich des Innern Allerquickend und tiefbelebend schiene, Dem der scheue Genuß, der zücht’ge, täglich Noch die fliehende Lust mit holdem Wahne Nie vergänglicher Dauer lächelnd täuschte, Das die Qualen der ersten Jugendliebe Nie im Taumel der zweiten und die Täuschung Neu entzündeter, sturmverwehter Flamme Nie im schrecklichen Wagen der Verzweiflung, Nie im dreifachen Brand vergessen wollte, [44] Das noch niemals verloren, dem im tiefen Heiligthume der Seele nie der Altar Und das Bild der befleckten Göttin stürzte, Dem noch Leben und Liebe so gefahrlos, Ungerührt vom Orkan, im linden Dufte Weiter Ferne, wie des Tyrrhenermeeres Ruhig liebliches Bild von dort erscheinet. Solche Herzen erfreuten Cynthia’s Haine, Und die blühende Schattenwelt Ariccia’s. Meine Seele, die schon das Glück des Friedens Wie die schweigenden Ufer der Diana Nun das glückliche Fabelreich, verloren, Meine trauernde Seele haucht nur Wünsche, Nur Erin’rungen, Seufzer, Klagelaute, Dort hinüber, wo sie nur längst Entfloh’nes, Der Vergangenheit einsam weinend suchte.
Deine Felsen, die zeitgetroffnen, aber, Mein Olevano, sind’s, wo sich der hohe Düstre Geist der Natur mit ernsten Schauern Seiner Einsamkeit gerne mir befreundet, Finstre Wälder des Apennins, in deren Melancholischen Schluchten über Trümmer Niederschäumend der Bergstrom tos’t, in deren Blitzgespaltenen Wipfeln oft der Wind ein Lied hinhaucht, das, verwandt mit meinen Leiden, Meinen Schmerzen, wie wilde Geisterliebe Mir ertönet, das ich versteh’ und kenne, Dem antwortend sich Stürm’ in meiner Seele Heulend regen, o Wälder, euch erwählt’ ich Mir zur Heimat! in eurem Grün vernähm’ ich Keinen menschlichen Laut, nur des Naturgeists Ewig Sausen und Weh’n, nur selten hallte Ferneher der Gesang des Ziegenhirten Aus dem Thal, zu der Pfeifen rohem Spielwerk, [45] Das, nach Sitte der Väter, der Campagna Volk erfreut, und auf luft’ger Felsenspitze, Wenn der blühende Wald sich lichtet, stünd’ ich Plötzlich, und in den Lüften hängen wie der Leichtgeflügelten Vögel wind’ge Heimat, All’ die Dörfer umher, dem Auge Staunen Und Verwundrung erregend – Civitella’s Nackte schaurige Höh’n, sie lockten mächtig Mir das stürmische Herz, und frischer Bergwind Bliese wild mir durchs Haar, die Wolken zögen Nah um’s Haupt mir, die fels’ge Pyramide, Mein Olevano, graut’ empor, und ungeduldig Zitternd schweifte der Blick, der alten Volsker Vielgestaltig Gebirg, die Schlösser all’ und Luft’gen Dörfer entlang, bis fern, wo dämmernd Unter Latiums wollustvollen Hügeln Sich Velliträ erhebt, das rebengrüne.
Hier, wenn mir’s der Olympier einst vergönnte, Hierher flüchtet’ ich mich und jenes wen’ge Noch von Hoffnung und karger Lebensfreude, Was vom Schiffbruch des Lebens mir geblieben.
Zweites Lied
Doch nicht immer der Berge melanchol’sche Wälderschauer, der Felsschlucht altes Dunkel, Wo des Räubers Auge dem Wandrer lauert, Und der fliegende Dolch so manchen Busen Von den Qualen des Lebens schon befreiet, Doch nicht immer des Bergstroms ödes Brausen Und des Sturmes Gespielen, jene Wipfel Uralt rauschender Bäum’ und jene Pfade, Die nur selten das Maulthier keuchend wandelt, Wären meine Gesellschaft. Menschen suchen Gerne Menschen. Erhab’ne Geister freilich, [46] Schöpferische, die Herrscherthrone stützen, Völkern, oder den Sternen, des Gedankens Unergründlichem Werk, ja selbst dem Gotte Den er denkt, des Gesetzes Ordnung geben, Die das All und was in ihm ist, bis zu der Pflanze treibendem Keim, die weite Schöpfung, Die lebend’ge, mit ihrem Geist, mit Anfang Selbst und Ende, die Alles, was im Raume, Alles, was in der Zeit geschieht und lebet, Zaubrern ähnlich, in Zahl und Chiffern bannen, Geister auch, die des Bildes ew’ge Schönheit Aus dem Marmor mit Schöpferfreiheit rufen, Als ob längst sie vollendet in der rohen Ird’schen Masse geschlummert, und nun herrlich, Wie die Seele dem Körper, ihr entstiegen, Ferne wären sie mir. Doch wie die Sonne, Der unendliche Lichtquell, alles Lebens Heitre Mutter, die Schatten auch erzeuget, Folgt dem Genius auch des Schwarzen, Dunkeln, Allzuviel, und der karge Neid, die grimme Eifersucht und der Bosheit Schlangentäuschung, Alle Martern und Leiden einer kühnen Ruhmbegierigen thatenlust’gen Seele, Nie mehr träfen sie mich; treulose Herzen Und eidbrüchige Freunde würfen nie mehr Tödtlich Gift in die Quelle, die kastal’sche, Wo ich schöpf’ und den ernsten Musen opfre; Haß und Kleinmuth bekränzte mir den Altar, Wo die Flamm’ ich entzünde, nicht mit Dornen, Statt mit Rosen und süßer Myrt’ und Lorbeer; Vor dem Grauen der schicksalsheil’gen Furien Furchtsam zitternd, verbärg’ ihr süßes Antlitz Mir die fliehende, scheue Grazie nicht mehr; Lieblich wäre mein Lied alsdann und lauter Wie italischer Aether; meines Lebens [47] Milde sinkende Sonne göss’ in diesen Sanften Himmel des Liedes ihres Abends Schönstes, glühendstes Gold; besänftigt ruhte Nun im friedlichen Glanze meiner Leiden Endlos Meer, die beschwornen Stürme schwiegen, Und in Blüten des neuen Frühlings sänge Nun die Nachtigall. Wenn die Nacht sich nahte, Stiegen nicht die Gespenster mehr der Todten Leichenbleich aus den Gräbern; still erschiene Mir die Sonne der Schlafenden, der Träume Zücht’ge Göttin; die Stätte, wo sie ruhen, Die Geliebten, umduftet’ eine Klarheit, Wie von jenseits zur Erde niederdämmernd.
Mein Begleiter, mein Freund und Umgang aber Wäre doch nur Homer; denn wie ich ferne Von der Mitwelt und ihrem Wuste lebte, Möcht’ ich auch nur der Kinder und der Helden, Nur der Weisen und Götter Sprache hören! Einsam wäre ja dann und schlicht und kräftig Auch mein Leben, so wie mein Lied; am Quelle Treuer heil’ger Natur säß’ ich, in ihrer Unerschöpflichen Flut mich täglich badend, Jeden Flecken vertilgend, und in immer Voll’rer schön’rer Gesundheit wachsend, säh’ ich Zur unsterblichen Jugend schon mich reifen; Ruhig kehrt’ ich in Platon’s Arme wieder, Ein Enttäuschter, zurück, der ich die Wahrheit Irrend außer mir sucht’, und, wie sie schweigend Mir im Busen gewohnt so lang’ nicht wußte. Freudeschauernd begrüßt’ ich Diotima’s Seherlehre zum erstenmale wieder, Von den Schmerzen der Wanderung genesen, Von der Liebe der Körper und der Seelen, Von der Sehnsucht der unvollkomm’nen Schönheit. [48] Die zum Menschen uns lockt, zum ersten Anschau’n Allvollendeter, geist’ger, ew’ger Schönheit, Die in Gott ist, die reine Seele wendend.
Drittes Lied
Kehrt’ ich müde von Fels und Berg nach Hause, Schlüge freilich kein liebend Herz dem Wand’rer Ungeduldig entgegen; von der Treppe Meines friedlichen Hauses streckte freilich Mir die Arme kein treues Weib zu, freudig An die züchtige, keusche Brust mich drückend, Wo ein blühender Säugling hellen Auges Uns anblickte, wie wenn er schon der Mutter Schalkhaft lachte, daß sie den Vater küsset. Schweige stille, mein Herz, laß ab, mit Bildern Dich zu martern, die nur dich dran erinnern, Was du bitter auf immer hast verloren.
Doch nicht gänzlich ohn’ alle Lieb’, ohn’ allen Menschlich freundlichen Blick verflössen mir die Stillen Tage. Des Hauses muntre Kinder Wären gerne bei mir: denn gut und menschlich, Kindern freundlich, ist in des Lebens Stürmen Stets mein Herz doch geblieben, wie’s die falschen, Bösen Zungen der Menschen auch verleumdet. Alle liebten sie mich; ich schenkte diesem Spielwerk, jenem erzählt’ ich ein Geschichtchen, Ja ich scherzte mit ihnen, heute führt’ ich In Kastanienhaine sie und morgen Zu den Höhen voll Feigen und Oliven. Kehrt’ ich Abends zurück, so spränge jubelnd Rafaello mir zu, der wilde Knabe, Sich mit Jauchzen um meine Füße klammernd, Oder riefe Demetria mich zum Schutze Vor des Brüderchens Ungestüm; das eine [49] Brächte Feigen auf grünem Weinlaub, jenes Frischen stärkenden Wein aus der Campagna, Und Melonen voll süßen Markes, einen Blumenkorb, den sofort die ältre Schwester, Scheuer gegen den Mann, und dem Geheimniß Des Geschlechtes schon nah, ihm still entwindet, Und mit feinerem Sinn der Blumen schönste Wählend, weiblich verschämt, mir durch des rohen Bruders Hand zum Geschenk ein Sträußchen sendet.
Treulich sorgte die hohe schöne Mutter – Frisch und jugendlich noch, wenn auch der Sohn ihr Auf den Gipfeln der Serpentara muthig Jagend streift, noch ein Kind am Busen nährend, – Für den einsamen Gast, damit kein Ding ihm Zu des Lebens Bequemlichkeit entgehe; Rüstig käme der Vater auch und scherzte, Lacht’ und nennte mich einen finstern Träumer, Einen Sonderling, den die Nacht des Waldes Mehr erfreu’ als der Menschen lustig Treiben, Dem die Stirne zu frühe sich gefaltet, Der mit Grillen sich plagt’, und mahnt’, die Schwermuth Mit begeisterndem Weine zu verscheuchen. Dann ergriff’ er der raschen Kinder eines, Schwäng’ es lachend empor, und setzt es nieder, Und entlief’, ein Geschäft im Hause, flüchtig, In der Vigne, im Garten zu besorgen. Doch am liebsten das greise Haupt des Alten Säh’ ich an, wenn im Kreis der muntern Enkel Seine Seele sich freut, wenn er des Knaben Unart wehrt, und dem Arm der hohen Mutter Oft den Säugling entnimmt, damit sein Händchen In den silbernen Locken spiel’; und Abends, Wenn der Geistliche kommt, der alte, ernste, Spricht man traulich von Krieg und Menschenelend, [50] Wann die Kinder entschlummert, und erzählet, Von der Herrlichkeit Roms, und von den Fremden, Die bis hieher gepilgert, und der Schönheit Dieser Zaubernatur und von den Räubern, Die den Wanderer drohn, und ihrer Mordlust, Vom Ertrage der Ernt’ und der Oliven, Und vom Herbste der Feigen und des Weines. Manches mischt auch der alte Pred’ger über’s Alterthum ins Gespräch, und redet kundig Von den Spuren der Römer, und den Resten Längst vergangener Zeit; ich aber schild’re Tausend Dinge, die ich, die Welt durchpilgernd, Einst gesehn und bewundert, Völkersitten, Land und Meer und entfernte Städt’ und Reiche, – Tief im Herzen das traur’ge Schicksal bergend, Das mich quälend von Ort zu Ort getrieben!
Viertes Lied
Eine Stunde des Tages aber weiht’ ich Dir, o Loggia! Des Morgens, wenn die Sonne Aus den Hernikerfelsen, überm kahlen Sanft umdufteten Haupte des Serone Sich erhüb’, und die Purpurflamme glühend Um Olevano’s Häuserpyramide Höh’re Schönheit ergösse, säß ich längst schon Auf des Hauses Balkon, an dem das Weinlaub Schwellend volle Gewinde hoch emporrankt, Ueberquellend vom Geist des Freudengottes Schon die Traube dem süßen Lichte zulacht, Wo in mächtigen Blättern aus der Mauer Mit der reifenden Frucht die Feige vorgrünt, Saftig schon die Citrone lacht, die goldne, Die Melon’ ihr Gewächs zur Erde senket, Und zur Seite der einsamen Cypresse, Aus dem Busche die Goldcitrone blinket. [51] Helle säh’ ich die wind’gen Schlösser blinken, Sähe Rocca di Cavi, morgenheiter Der Capranica Burg, Kastanienhügel Führten nun mir den Blick in der Campagna Bunte, schimmernde Gründe weit zur Ferne, Bis wo durch die Elysiumshaine Cavi’s Palestrina der Schattenpfad sich nähert, Zu der Volsker Gebirge, Cavignano, Bis zur Scurcola und Anagni’s Tempe.
Und die volle Erinn’rung schweifte manchmal In mein Latium hin, das ewig theure, Zu den Hainen Albano’s, zu Gandolfo’s Klarem, erlenbekränzten See, zu Nemi’s Altem, dunkeln Dianenwald, Genzano’s Meeresaussicht, und zu des Monte Cavo, Weltbeherrschenden Haupt, wo oft mein Auge Von Oreste, von Tibur’s Paradiese Das unendliche Meer bis zu der Circe Fernem, bläulichen Vorgebirg’, hinunter Zu Parthenope’s Zauberinseln schaute, Schweifte gerne zum rebenvollen Hügel, Wo die Stadt der Lavinia, fabelheilig, Drei Jahrtausende bald sich schon im Lichte Des hesperischen Himmels sonnt; sie schweifte Nach des ewigen Frühlings Wollusthainen, Frascatanischen Gärten zu, und bliebe Träumend stehn an der Einzigen, der Hehren, Unaussprechlich Erhab’nen, deren Kuppeln Aus der Schwermuth und Oede der Campagna Einsam ragen und doch die Welt beherrschten.
Einst auch so auf dem Hausbalkone saß ich, Unstät irrte mein Auge von dem Maulthier, Das den Bergpfad herauf der träge Führer [52] Der rothwammsige, nach des Thores grauer Wölbung führte, hinweg in weite Fernen: Lange mocht’ ich wohl so hinüberschauen, Den Gedanken folgend, die gleich den Wolken Manchmal über die schöne Erde schweben, Und im fliegenden Wechsel bald verwehen, Als mein Blick nach Olevano’s Terrassen Aus der Ferne zumal sich kehrt; und siehe, Drüben, wo sich am Fels das Dorf emporhebt, Da gewahr’ ich auf hoher Loggia schöne, Farb’ge Frauengestalten, eine aber Ragt vor allen hervor an Wuchs und Hoheit Und an Jugend, an reicher Tracht und Kleidung. Weiß, in reizendem Faltenwurf erglänzt das Busentuch, um den Nacken sanft sich wölbend; Albanesische Sitte, weiß der Schleier, Blendend weiß das Gewand auch, Rosenbänder Und viel andere zieren Brust und Arme, Groß und königlich anzuschauen ist sie, Dienerinnen nur dünken mir die andern; Nieder aber von des Balkones Höhe, All die schönen Olivenhaine, die den Fuß des Felsens mit Silbergrün bedecken, All die Fülle der Feigen und Kastanien Und die farbigen Gründe der Campagna Ueberblickte sie, zu der Volsker fernen, Violetten Gebirgen dann sich wendend. Und mir däuchte – warum? ich wüßt’ es deutlich Nicht zu sagen – ein Weib aus grauen Zeiten Aus homerischer Welt zu schauen, sei es Nun Andromache, die von Priams Beste Ueber Ilion’s Eb’ne blickt, wo Hektor Mit den Danaern kämpft, sei es die schöne Königstochter Antigone, die ängstlich Mit der Sklavinnen Schaar von Thebens Mauern [53] Niedersieht in das Feld, wo sich der Sieben Waffenglänzendes Heer zum Sturme nähert. Also königlich war sie anzuschauen, Jene Frauengestalt im weißen Schleier, Und im weißen Gewand und Busentuche; Nur ein Punkt in der weiten Felsenlandschaft, Schien sie doch mir die Herrin all des Landes.
Einsmals blickte sie auch zu mir herüber, Und in düsterer Träume Nebel senkte Sich die Seele mir ein. Da schlich Cechino, Mein Begleiter zuweilen durch die Berge, Sich heraus, und die Schulter mir berührend, Weckt’ er mich aus dem Traum. »Siehst du hinüber,« Fragt’ er lachend, »wo auf der hohen Loggia –« Nein, erwidert’ ich, rasch empor mich hebend, Eben däuchte mir, daß sich über’m Monte Artemisio vom Meer her ein Gewitter Nahen wird, und so laß uns eilig vorher, Eh’ es kommt, auf die Serpentara wandern.
[67]
Abschied von Olevano
Lb’ wohl, du unvergeßliches Felsendorf, Leb’ wohl! Mit heiter scherzendem Lied nicht mehr Will ich dich preisen, wie’s den Kindern, Göttern und Glücklichen ist gegeben.
Der leichte Scherz, der flüchtig im Sommertag Dem Schmetterling vergleichbar die Blumen neckt, Ist nicht mein Erbtheil, anders lenkt’ es Jener zerstörende Geist, den schauernd
Im Lebenskampf mein glühendes Herz erprüft. Gefährlich ist’s zu spielen; die Nemesis Ist eine ernste Macht, die Charis Fliehet vor ihr in das Reich der Kindheit.
Was dein Beginnen, armes getäuschtes Herz? Ziemt es dem Krieger mitten im Graun der Schlacht, Dem Schiffer in des Meers Orkanen, Bilder der Heimat, der Ruh’ zu nähren?
Den aus des Paradieses verlorner Lust Der unversöhnte zürnende Gott gejagt, Ziemt’s dem, die süße Frucht zu wünschen, Deren Genuß ihm den Tod bereitet?
Still, Herz, dein wartet Rom! noch empfängt dich heut Sein uralt Thor, und größerer Herrlichkeit Schwermüth’ge Reste wirst du schauen, Schäm’ dich des wen’gen, das du beweinest!
Und dennoch einmal, einmal noch kehrt mein Blick Sich rückwärts, wo der wallende Nebeldunst Und milde Morgenwolken röthlich Mir mein Olevano schon umziehen.
[68] Ist’s nicht, als wär’s der dampfenden Erd’ entrückt? Versteh’ ich dich, o Geist der Natur, hinfort Wär’s nimmer möglich, wär’s vorüber, Wäre verschwunden für mich auf ewig?
Und was auch hofft’ ich, glücklich zu sein, und es Zu bleiben für und für, o verwegner Wahn! Mir reifen keine Früchte; Blüten, Aber hesperische, sind mein Alles.
Ach freilich süß war’s, menschlicher Irrthum nur, Was ich geträumt. Noch tief in der Schattenwelt Hofft ja der Todte, seine Qualen Mit der Erinn’rung der Freude nährend.
Nach finstern Tagen bricht aus dem Nachtgewölk Oft noch ein hold wehmüthiges Abendlicht, Und mancher schon am Rand des Grabes Lächelt und spricht noch vom Glück der Jugend.
O wer nur einmal irrte! Zu schön, zu tief, Zu wahr ist doch die Täuschung, zu herb und leer Die Wahrheit, und in Wolk’ und Nebel Bildet den Bogen die sanfte Iris.
Darum ist’s dir nicht Schande, mein Dichterherz, Wenn du dem theuren Felsen, dem gastlichen, Und dem noch Theurern, was dir droben Athmet, noch einmal voll Liebe zuweinst!
Das sei der Opfer letztes und zärtlichstes, Hinfort laß ab von Hoffnung, du kennst dein Loos, Dein Glück, dein kurzes Zauberleben Flieht mit dem fliehenden Bild der Berge.
Und Wiedersehn? Sie hofft’ es, versprach es ja, Doch ach, sie kennt den glücklichen Träumer nur, Kennt den Erwachten nicht, so lebe Wohl, o Geliebte, die Götter geben’s!
[89]
Vermischte Gedichte.
[91]
Das Pantheon.
Oft in der Mitternächte Schweigen Pfleg’ ich mit leisem Geistertritt Das Kapitol herabzusteigen, Und schnell beflügelt sich mein Schritt, Die dunkeln Wege wandl’ ich schnelle, Die nur die tiefste Sehnsucht kennt, Wo selten noch ein Lichtchen helle Vorm Bild der Mutter Gottes brennt.
Da hör’ ich durch die düstre Stille, In der so gern die Trauer sinnt, Wie schon des Brunnens kühle Fülle Ins Marmorbecken niederrinnt, Und plötzlich – als erstünd’ es eben, Ein hoher Geist, vom Grab empor – O Götter Roms, ihr habt mein Leben! Taucht’s herrlich aus der Nacht hervor.
O wie mit namenlosem Schauer Hängt Herz und Auge da an dir, Und wie voll schwermuthsvoller Trauer, Voll heil’gem Ernst erscheinst du mir, Du Stolz der Vorwelt und der Ahnen, Du Riesenkind voll Majestät, Von Völkerstürmen und Orkanen Fast zwei Jahrtausende umweht,
[92] Das sich, der dunkeln Macht der Horen, Dem Schicksal seines Roms zum Spott, Zum großen Liebling auserkoren Dein alter heil’ger Donnergott, Mein Tempel, und mein höchstes Sehnen Der zarten Kindersehnsucht schon, Du Opferschaale meiner Thränen, Nun meine Braut, o Pantheon!
Mir ist, es sei dir zugeschworen, Als wärest du mein größ’res Herz Zur kühnen Schöpfung ausgeboren, All mein Gesang mit seinem Schmerz, Zum hohen Marmorbild geründet, Der Götter Herrlichstem geweiht, Auf ew’gen Säulen fest gegründet, Und sein Altar Unsterblichkeit.
Der Wand’rer sieht mit sel’gen Blicken Roms Forum in der Abendgluth, Wo unter mächt’gen Tempelstücken Der breitgehörnte Stier nun ruht, Und sanft umblüht von frischem Grüne, Durchstrahlt von Gold und Himmelblau, Der Vorwelt furchtbarste Ruine, Des Colosseums Riesenbau.
Doch flücht ich stets aus diesem Grause Erinnrungsvoller Einsamkeit Mich wieder zu dem Götterhause, Wo eingehüllt in Dunkelheit, Von tiefem Schatten nur gehoben, Die stolze Säulenhalle blickt, Und über seiner Wölbung oben Mich nur ein einz’ger Stern entzückt.
[93] Von Tasso’s Eiche seh’ ich gerne Hinab, wo sich, gewaltig Rom, Vom Tempel der Minerva ferne Hinan bis zu Sankt Petri Dom Dein ungeheures Bild entfaltet, Und über grüner Pinien Pracht, So unaussprechlich schön gestaltet, Sabina’s Duftgebirge lacht!
Doch stillt mein Sehnen all und Hoffen, Agrippa, nur dein Tempelrund, Denn gastfrei allen Göttern offen, Mit allen Himmlischen im Bund, Ist ihm das ernste Herz willkommen, Das für die alten Götter fühlt, Und jetzt, ach nur zu oft beklommen In deiner Nacht die Flamme kühlt.
Lied der Liebe in die Heimath.
Ach warum in dieser Ferne, Süßes Herz, so weit von dir? Alle Sonnen, alle Sterne, Oeffnen ihre Augen mir, Nur die schönsten blauen Strahlen, Nur das reinste tiefste Licht, Drin sich Erd’ und Himmel malen, Nur dein treues Auge nicht.
Ja, ich seh’ in wilden Lauben, Ueber Bergen, über Seen, Kind voll Unschuld und voll Glauben, Dich in frommer Stille gehn. [94] Um die bleichen feuchten Wangen Spielt die frische Abendluft, Und es steigt dein zart Verlangen Himmelwärts wie Blumenduft.
Thrän’ an Thräne seh’ ich rinnen Tief aus deines Auges Nacht, Und mit glühend heißen Sinnen Hängst du an der Sterne Pracht – O mein Kind, in jenen Räumen Suchst du den Geliebten schon, Und so früh den schönen Träumen Spräche das Verhängniß Hohn?
Nein, dem liebenden Gemüthe Sind sie schmerzlich sanfter Trost! Nach dem Winter kommt die Blüthe, Die ein neuer West umkost. Bei den heimathlichen Auen, Bei der Burgruine Bild, Da, wo Aug’ und Blumen thauen, Mädchen, sei dein Weh gestillt.
Was du weinend mir gegeben, All dein himmlisch Heiligthum, War ein Kuß fürs Erdenleben, War es für Elysium. Mein ist dein verschämtes Zagen, Mein die jungfräuliche Scheu, Konntest du so muthig wagen, Liebes Herz, so bleibe treu!
[95]
Der Kirchhof.
Die Ruh’ ist wohl das Beste, Von allem Glück der Welt, Mit jedem Wiegenfeste Wird neue Lust vergällt, Die Rose welkt in Schauern, Die uns der Frühling giebt; Wer haßt, ist zu bedauern, Und mehr noch fast, wer liebt.
Es trübt den eignen Frieden Mit seiner Gluth das Herz, Das Kind ist nicht zufrieden, Dem Mann bleibt nur der Schmerz. Du hoffst umsonst vom Meere, Vom Weltgetümmel Ruh’; Selbst Lorbeer, Ruhm und Ehre Heilt keine Wunden zu.
Nun weiß ich auf der Erde Ein einzig Plätzchen nur, Wo jegliche Beschwerde Im Schooße der Natur, Wo jeder eitle Kummer, Der mir den Busen schwellt, In langen tiefen Schlummer Wie’s Laub vom Baume fällt.
Ein Plätzchen ach! so theuer, Wie mich noch keins entzückt, Wo Lieb’ und liebend Feuer Mein Herz einst nicht mehr drückt, Wo’s ruht in aller Stille, Dem Sturme nicht mehr bloß, Entbunden aller Hülle, Ja frei und schicksallos.
[96] So freundlich ist’s und heiter, Wenn du es kennen lernst, Stets lieblicher und breiter, Und doch voll hohem Ernst, Der Vorwelt düstres Grauen Hat’s königlich geweiht, Und weiße Steine schauen In all’ die Einsamkeit.
Die Pyramide düstert Voll finstrer Pracht empor, Aus jungen Bäumen flüstert Ein Klagehauch hervor, Es weht auf diese Gründe Das grauste Alterthum, Wenn irgendwo, so finde Ich hier Elysium.
Es glänzt im Abendlichte Umher die goldne Au’, Und himmlische Gesichte Weckt mir das lautre Blau, Das mit den reinen Fluthen Dort auf des Berges Nacht, In sanften Purpurgluthen, Ein andrer Lethe, lacht.
Die Brüder selbst, sie stören Hier meine Ruhe nicht, Nur selten, daß sie hören, Wie mir ein Ach entbricht, Sie schlafen hier geschieden Von aller Welt, allein, O welch ein Glück, hienieden, Kein Gläubiger zu sein!
[97]
Das Vaterland.
An stillem Sommermorgen walle So gern ich durch die Einsamkeit, Wo sich des Tempels Säulenhalle, Dem Göttervater einst geweiht, Wo sich in tausendjähr’ger Trauer Der Eintracht nun zertrümmert Haus, Des Kapitoles ew’ge Dauer, Aus Schutt erhebt und ödem Graus.
Gern blick’ ich, wenn der Dämm’rung Schleier Die sieben Hügel schon umwebt, Dem Grabe mächtiger und freier Der Geist des Alterthums entschwebt, Hinunter in die dunkeln Tiefen, Wo mir, zum ernsten Freund erwählt, Von jenen Helden, die entschliefen, Der alte Tibergott erzählt.
Gern wandl’ ich auf verlassnen Wegen, Die kaum ein trüber Schein erhellt, Mit schauderndem Gefühl entgegen Des Colosseums Trümmerwelt; Wenn furchtsam von den wilden Schrecken Des schwarzen Ungethüms verscheucht, Der scheue Mond, sich zu verstecken, In einer Wolke Schooß entfleucht.
Oft daß der furchtbaren Gestalten Ehrwürd’ger Ernst mein Herz erfüllt, Und mir der Gottheit strafend Walten Ihr hoher Sehergeist enthüllt, Wenn Michel Angelos Propheten Gleich Stürmen aus den Himmeln wehn, Und bei des Weltgerichts Trompeten Die Todten aus dem Grab erstehn.
[98] Oft daß ich selig mich erhebe In Tabors heiligem Gesicht, Daß ich dem sanften Geist erbebe, Der überstrahlt von reinem Licht, Mit Gottes glanzumflossnem Sohne, Von seinen Jüngern treu verehrt, Im Angesicht vor Gottes Throne, Der Erd’ entschwebend, sich verklärt.
Ich sah wie vom begrünten Saume Der Felswand in gewalt’ger Wuth Dumpfdonnernd in zerstäubtem Schaume Hinunterbraust des Anio Fluth, Wie tief in uralt finstern Klüften Der Meergott in den Wassern rauscht, Und oben in den milden Lüften Im Tempel die Sibylle lauscht.
Wenn endlich an Dianens Bade Durch Alba’s duft’gen Veilchenwald, Fernhin das blumige Gestade, Das Echo Jubel wiederhallt, Durchs Schattenlaub, o welch Entzücken! Des Abends goldner Regen träuft, Durch blendend helle Blätterlücken Der Blick zum nahen Meere schweift, –
Doch ohne Zagen, ohne Schwanken, Weih’ ich selbst in Elysium Nur Einem herrlichen Gedanken Mein Herz zum treuen Heiligthum, Ob mir der Zauber aller Fernen Und aller Meere sich erschließt, Doch glaub’ ich, daß ihn fliehn zu lernen Auf dieser Welt kein Lethe fließt.
[99] Du bist es, große theure Wiege, Ach einst mein einzig Paradies, Du Heimath schwer errungner Siege, Die ich voll bittern Grams verließ, O Mutter, die vom eignen Sohne So schrecklich zürnend los sich wand, Verschließe meinem Klagetone Dein Ohr nicht, deutsches Vaterland!
Späte Einsicht.
Die Lieb’ ist wie die Sonne, Verwegner Uebermuth, Der schaudernd in der Wonne Der heißen Lebensgluth, Den Lichtquell zu ergründen, In seine Tiefe blickt, Muß da zuletzt erblinden Wo sich sein Herz entzückt.
Doch wer nur still bescheiden Das sanfte Licht genießt, Woraus ein Meer von Freuden Für alle Wesen fließt, Wer nie die letzte Quelle, Nur ihre Wirkung sucht, Den labt die Sonnenhelle, Der keine Thräne flucht.
So denk’ ich oft und meine, Daß ich wohl gut gedacht. Doch wenn ich trostlos weine Hinaus in all’ die Nacht, [100] Wenn sich mein Auge wendet Zu Morgensternes Glanz, Da fühl’ ich’s nicht geblendet, Wohl aber blind es ganz.
An den Grafen Platen.
I.
Laß mich, Freund, in meiner Weise Dir ein artig Liedchen singen! Zürne nicht, wenn meine Muse Nicht als ernste hohe Gottheit, Nur als Schmetterling der Dichtkunst Blumenhöhen heut umflattert, Wenn sie von Anakreons Bienenhonig gerne nippte.
Sind wir doch im ew’gen Frühling, Wo im warmen Hauch des Südens Uns die Frucht der Hesperiden, Frohe Lebenslust, erblühet! Drum so frisch und leicht und munter, Wie Albanos Morgenlüfte, Soll, o Sänger, dir mein Lied Um der Schläfe Lorbeer wehen.
Laß den Ernst für heute schwinden, In Italiens ew’ger Jugend Wollten wir allein veralten? Alles müssen wir erlernen, Nun, so lernen wir uns freuen! Nimm den Lorbeer ab, er runzelt Nur die Stirn! ein Myrthenkranz Und die Rose steht ihm besser!
[101] Dich erquickt es ja zu wandeln Durch die immergrünen Haine Und du rufst ja, wenn sie glänzend Von der Sonne Purpur träufeln, Das ist Süden, das ist Schönheit! Unter Blüthen, unter Blumen Ließen wir den Freudenkranz Uns allein vom Herbst entblättern?
Ferne sei’s! Wie dieser Schöne Lautrer Lebensstrom die Wunden Meines Herzens heilen konnte, Wie ich reiner und gesünder Solchem Wunderbad entstiegen, So erheiterten, erfrischten Dich allein die Fluthen nicht, Die den schönsten Himmel spiegeln?
Dich gewiß! In deines Herzens Still verschlossnem Heiligthume Hielt das schönste Paar des Himmels Psyche mit dem Schalken Amor Ihre lieblichste Vermählung, Und du kennst der Psyche Freuden Nur daß ein Elysium Ihrem sanften Fluge fehlte.
Doch du hast es nun, du lerntest Dein Parthenope genießen, Und du singst, ein andrer Orpheus, An elysisch holden Ufern Fels und Wellen deine Lieder, Und die Schattenbilder lockst du Aus dem finstern Orkus selbst Unsrer Heimath dir herüber.
[102] Munter drum, laß uns genießen, Und vergiß nicht, jener schöne Jugendliche Gott der Dichtkunst Ist derselbe, der die Traube Mit dem heißen Blut begeistert, Willst du seine Huld behalten, Mein geheimnisvoller Freund, Bring’ ihm seine Freudenopfer.
II.
Noch gedenk’ ich jenes Morgens, Da wir uns zum erstenmale So von ohngefähr gefunden, Auf dem Esquilin! Des Klosters Stillem Garten sahn wir mächtig Sich der Palme Wuchs entheben, Und in ihrer Herrlichkeit Roms Ruinen sich entfalten.
Oftmals wanderten wir einsam Der Metella Riesengrabe, Oft der Grotte der Egeria, Oft des Pincio süßen Höhen, Oder wohl des Tibers Brücken Und des Forums Tempeltrümmern, Und dem Colosseum zu, Wo der Genius uns geführet.
Und wie um der Römertempel Altergraue düstre Reste Lustig Laub und heitre Blumen Gern in flücht’ger Blüthe wuchern, [103] Wand durch ernstere Gespräche Still bedächtliche Betrachtung Sich ein kecker muth’ger Scherz In verweg’ner üpp’ger Fülle.
Wahr ist es, auf meinem Boden Wuchs des Unkrauts viel, zerstörend Traf ihn Sonnenbrand und Stürme; Zwar die vollsten Rosenkränze, Doch der Dornen allzuviele Drückte mir auf’s Haupt der Amor, Dem ich in Genuß und Lust Als ein irrend Weltkind glühte.
Aber du im Heiligthume, Nie entweiht, hast ihm als Priester Seine geist’ge Flamm’ erhalten. Ich verstand dich wohl, und gerne Hast auch du mich stets geduldet, Und so wehte mir die Schalkheit Auch ins Herz den Blüthenduft Deiner Muse, deiner Scherze.
Aber laß nun, mich zu schelten! Ist die Sündfluth, die so schnelle Meine kleine Welt zerstöret, Endlich doch zurückgewichen, Und die grünen lichten Höhen Glänzen schon im Sonnenscheine, Und der Friedensbogen ruht Lächelnd im entwölkten Himmel.
Eine Taube ließ ich fliegen – Deute sie – und einen Oelzweig Brachte sie zurück! ich habe Doch mein Bestes mir gerettet. [104] Freund, mein Herz! In frischer Weihe Hat es der versöhnten Gottheit, Hat’s der Muse, die dich krönt, Ew’ge Treue schon geschworen.
Und so könnt’ ich wohl es wagen, Dir die Freundeshand zu bieten; Wär’ ich noch ein Schwärmer, rief’ ich Alle Tempel Roms zu Zeugen, Doch wozu? Du liebst zu schweigen, Liebst die Einsamkeit, und freilich Dir verdenk’ ich’s nicht, du hast Alle Grazien zu Gespielen.
III.
Daß ich’s aber nur gestehe, Dieser Lieder heitre Weise, Dieses schlichte Spiel der Leier Ruft dich auf zum Wiederklange. Sei’s daß in gewicht’gem Ernste Du ein Dichterwort mir sagest, Oder daß die Fröhlichkeit Dieses Himmels dich beseele!
Zwar verschwieg’ne Zauberhüter Stehn an deines Herzens Pforten, Und nur wen’gen läßt du’s öffnen, Wen’ge schauen in die Kammern, Wo in flammendem Geblüte, Schöpfrischer Natur geheiligt, Sich des Goldes Lieblichkeit Aus der Erde Schooß gerungen.
[105] Doch beim duftigen Elysium Des Gianicolo, den süßen Veilchenauen vom Pamfili, Bei des Pantheons Gewölbe, Bei des Forums Tempel-Säulen, Ja bei Roms Titanenbilde, Wenn’s in holder Rosengluth Unaussprechlich herrlich leuchtet,
Oder kann’s dich mehr bezaubern, Bei Parthenopes Gestade, Bei den Felsen von Sorrento, Bei der Einsamkeit von Capri, Bei dem Anblick all’ des Landes, All’ des Meeres auf dem Gipfel Des Vulkans beschwör’ ich dich, Mir ein Gegenlied zu singen.
Gern verwehe dann das meine, Ist’s ja doch nur leicht und munter, Wie’s die Vögel in Hesperien Auch an Wintermorgen singen. Mit Entzücken aber will ich Dann der Nachtigall verstummen, Und im tiefsten Lorbeerhain Ihren sel’gen Tönen lauschen.
Quelle: Wilhelm Waiblinger’s Gedichte aus Italien. Nach den ersten, vom Dichter selbst besorgten Drucken, sowie aus dem handschriftlichen Nachlaß hrsg. von Eduard Grisebach. Erster Band. Lieder des Römischen Carnevals und andere Gedichte aus Latium und den Sabinerbergen. Zweie, vermehrte Auflage. Leipzig: Reclam [1893].
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[9]
Oden und Elegien aus Rom.
[11]
Ave Maria.
Untersank, o Roma, die Sonne deinen Siebenhügeln. Langsam erscheint die Nacht schon, Und ein Tag verschwindet von deinem Leben, Ave Maria!
Deinem Leben! welch’ ein Gedank’, o Roma, Aufbewahrt im Buche der Ewigkeit ruht Jeder deiner Tag’, und die Weltgeschichte Deine nur ist sie!
Also, Allumarmende, streckt der Vater Seine Arm’, Okeanos um die Erde, Ihnen sinkt die scheidende Sonn’ entgegen, Ave Maria.
Welch ein Ernst! wie wandelt die Nacht, die alte, Deines Schicksals Geist zu vergleichen, aus des Colosseums schreckhaft geborstnem Sarge Dämmernd hervor schon!
Hell entstrahlt, gebadet im frischen Nachtblau Jovis Stern dem Himmel, mit Wehmuth blickt er Seine Tempeltrümmer am Capitol an, Ave Maria.
Halb im Mondschein, halb in der Dämmerung schon Graut der Stiere säulenbedecktes Schuttfeld, Und im Zwielicht wandelt noch eines Mönches Einsamer Schatten.
[12] Und von hundert Kirchen zumal ertönet Fern und nahes Glockengeläut dem Tage Schwermuthsvoll und feierlich noch sein Grablied, Ave Maria.
Dumpf antwortend folgt ein gewalt’ger Nachhall In der Seel’, ein betend Gefühl, als klängen Eben drei Jahrtausenden dieser Roma Glocken zu Grabe.
Und man denkt der Stunde, da vors Gericht sie Treten, wenn der ewigen Stadt und mit ihr Auch der Welt zum letztenmal schaurig tönet: Ave Maria.
An die Veilchen des Albanersees.
Alles Schöne feiern die Dichter, Alles So im Schooß der Mutter Natur, und so im Menschenherzen schlummert, warum nicht euch auch, Duftende Wesen,
Die ihr mein Elysium schmückt, vom Ufer Meiner Lieblingsfluth in den kühlen Schatten Immergrüner Eichen die Blumenfelsen Freundlich emporblüht!
Was von allem Zarten der Erde glich’ euch, O ihr süß Verletzbaren? Ausgeathmet Im verschämten Mutterverlangen hat als Bräutlichen Seufzer
Euch die Frühlingserde: zum erstenmale Ihr verborgnes Schmachten bekennend, lächelt Sie aus blauen Augen zum Himmel, ihrem Ewig Geliebten!
[13] Tiefe heil’ge Stille, wie dieser Landschaft Ist auch euer Geist: ihr gehört der sichern Gegenwart nicht an, nur der tiefern Ahnung, Nur der Erinn’rung.
Eure Farbe wohl ist die schönste: denn sie Trägt und liebt Hesperiens See und Himmel, Nur daß eurem Blau noch der Sehnsucht Purpur Lieblich entäugelt.
Alte Sagen kehren zurück und fromme Fabeln, ja die heitern Gedanken schweifen In die goldne Zeit, da Askan euch pflückte, Sinnende Blümchen.
Dort am Fels, das nieder am Wasserspiegel Mit der Last der üppigen Wälder grünet, Führte ja Aeneas gekrönter Sohn den Scepter von Alba.
Aber Alba sank, und des Troerfürsten Enkel alle, Weiber und Greis’ und Kinder Zogen mit den Göttern aus den gestürzten Mauern der Heimath
Roma’s immerwachsenden Herrscherthoren Weinend zu; da ward es an diesen Ufern Oed’ und wild, statt Königen sproßten Einsame Veilchen.
Und wie selbst die rächende Hand des Schicksals Rom auch traf, und furchtbar die Tempel stürzten, Wo Triumphatoren den nun gefallnen Göttern die Schätze
[14] Der besiegten Erde zum Opfer brachten, Dennoch bliebt ihr, sicher in eurem Laube, Wo’s der Gott im Tempel nicht war, der Cäsar Nicht im Palaste,
Noch dieselben, wie ihr geblüht, als drüben Dort am Rücken einst des Vulkans im Haine Ferentina’s Latiums Bürger sich am Altar versammelt.
Ihr dürft nicht erzittern, so wie die Eiche, Deren Kron’ umwirbelt der Sturm, ihr schaut dem Völkerwechsel zu, und am Ende pflückt euch Selbst nur die Liebe.
Ich allein, holdlächelnde Frühlingskinder, Ich, der, sterblicher ich als ihr, der Liebe Sanfte Freuden lange nicht anders als im Liede gekannt hat,
Ach, ich pflück’ euch nicht! Als ein trüber Fremdling Wandl’ ich nur in eurer bescheidnen Heimath, Meine Liebe suchend, die mit des Lebens Blüthen verschwunden.
Eines fällt mir ein, ob Diana, dieser Ufer Schutzgottheit, mir die Liebesfreuden Nicht in euch verwandelt, da ihr so süß, o Veilchen, mich anseht!
[15]
Quelle der Nymphe Egeria in Nemi.
Wär’s wahr, o Nymphe? hätte den Dichter wohl Vielleicht des Felsquells Lieblichkeit nicht getäuscht, Du wärst es, ewig fließend Wesen, Das hier den Berghang hinuntermurmelt,
Du wärst, als Numa, deinen Pompil, der Tod Zur Schattenwelt entführte, vor Schmerz und Weh An dieses Hügels Felsenwurzel Wärest vergangen in Thränenströmen?
Dein hätte sich die taurische Artemis Erbarmt, dein jammernd Flehen geendet dir? O dann, du Bergstrom, küss’ erfrischend, Küsse mir, Nymphe, die heißen Lippen.
Aus Treue sterben! Schönster Gedanke du, Aus unsern Tagen lange hinweggeflohn Ins Reich der Dichtung, in die Zeiten, Da ihn die Menschen von Göttern lernten.
Aus Treue sterben! Seliger Knabentraum, Du Stolz des thatenglühenden Jünglinges, Du überschwänglich Wort der Liebe, Grausamer Spott des enttäuschten Pilgers!
Aus Treue sterben! Königsgeliebte du, Mit Trauer deinem ewig lebend’gen Grab Nah’ ich, dir eine Schuld bekennend: Höre mich, Sterbende! Nimmer glaubt’ ich
An Menschentreue. Wie es so kam, es sei Vergessen – aber Nymphe, wenn wahr, daß du Gestorben für Pompil, so laß mich Artemis hier für den Frevel büßen.
[16] Ich will ja glauben, Göttliche, daß du treu Dem Freund geblieben; denn von olympischem Ursprung ist ja dein Herz: der Erde Kinder nur hab’ ich nicht treu gefunden.
An deinem Felsen, einsamer alter Hain, Hier, wo Orest einst mit Iphigenien Der taur’schen Göttin Bild geflüchtet, Schau’ ich hinab zum Dianenspiegel,
Und schau’ und fleh’ und weine, bis mich die Huld Der Göttin einmal plötzlich zerfließen läßt, Und ich für meinen Glauben sterbe: – Treu sind die Himmlischen, nicht die Menschen.
Das Grab der Scipionen.
Wohin, o Wandrer, daß du die Appia So einsam hin, die hochummauerte, ziehst? Auf deiner Stirne seh’ ich Falten, Ernsthaft erscheinst du, und tiefen Trübsinn
Verräth dein suchend Auge. Gewahrst du sie, Die kleine Thüre, kennst du sie? tritt nur ein, Des Weinbergs schmale Mauertreppe Führt dich zum Grabe der Scipionen.
Hier ruht sie nun, die hohe Cornelia, Die mit Carthago’s trauerndem Lorbeer einst Ganz andre Treppen im Triumphe Kapitolinischen Siegestempeln
Entgegenwallte. Jubelnder Heere Zug, Festtrunkene Völker folgten dem Roßgespann, Der Aar vom Donnrer in den Himmeln Ueber den Häuptern der Herrn der Erde
[17] Ragt’ er, ein Kampfgespiele von stolzer Art, Der über Asia, über Britania, Der Korsen Eiland und Lukania, Afrika’s Reiche den Fittig wölbte.
Jetzt steht die Nachwelt schweigend an ihrem Grab, Und schaurig dunkel, wie das Verhängniß selbst, Und stille, wie im Schattenlande, Schaun die Gemächer, die unterird’schen,
Voll Ewigkeit und schicksalgeheiligter Grabruhe dich im Scheine der Fackel an, Wo ruhm- und kampfsatt das gewalt’ge Römergeschlecht sich zum Grab gebettet.
In diesem Sarge ruht der Eroberer Lukania’s: die Seele begrub der Leib In dem Gestein, und seine Inschrift Trugen die Götter ins ew’ge Buch ein.
Denn Männerkraft stirbt nie: und wenn Helden auch Geboren sind vom Weibe, sie sterben nicht, Es wartet ihrer der Olympus, Und ihr Olymp ist die Weltgeschichte.
Dort sind sie gleich den Sternen des Himmels fest In ihrer großen Ordnung gereiht: auch wenn Ihr Strahl Jahrhunderte durchflieget, Trifft er doch endlich noch unser Auge.
Nur daß dies Auge, sei es geklagt voll Schaam, Unwürdig oft der heiligen Strahlen ist, Die in ein Herz voll niedrer Wünsche, Oder ins Leere hinunterschauen.
[18] Der Vorwelt war es Schande, so thatenlos Zu leben, Schand’ auch, niedriges bloß zu thun, Groß wollte sie die That, und eine Dünkt’ ihr nur groß, die dem Vaterlande,
Sich selbst aufopfernd, Segen und Heil gebracht; Nicht Lorbeer, aber Tugend erstrebte sie. Es sprach der weise Rath der Greise: Der ist der Beste, – das dünkt mir Lorbeer.
Darum, o Wandrer, komm in dies Grab herein, Nur nimm den kleinen Kummer nicht mit. Das ziemt Dir nicht: wo Scipionen schlafen, Sollst du erwachen, o Sohn der Nachwelt!
Den Sarkophag, aufschaudernd betracht’ ihn du, Mit einer Frage siehet er stumm dich an: Wenn du, o Mensch, dereinst gestorben, Sage, was gräbt in den Sarg man dir ein?
Antworte nicht! o gehe beschämt hinweg Aus diesem ew’gen Todtengemach, das dir Allein eng ist, doch nicht den großen Todten, die mehr, als du dachtest, thaten.
Und wenn dich außen wieder das Licht begrüßt, So sieh, wie schlicht und einfach der Weinberg grünt, Und wie am Grab noch junge Rosen, Selbst noch ein Lorbeer die Wand emporblüht.
[19]
Die Grotte der Diana am Albanersee.
O du vom heil’gen Boden der Fabelwelt, Vom Frühlingsgarten meines Hesperiens, Von meiner Sehnsucht Grab und Wiege Süßestes, theuerstes Schattenplätzchen!
Wohin die Schwermuth flüchtet, die Ewige Verlassend, die Jahrtausende nicht gelehrt Ihr stolzes Herrscherhaupt zu bücken, Roma, die Einsame, wie die Eine!
Denn also ist des Menschen Gemüth. Der Geist, Der einsam lastet über den Trümmern all’, Oft drückt er, und ein starkes Herz zürnt, Wenn sich die Hehre vor ihm entfaltet,
Einst ach so großer Thaten und Götter voll, Noch ohne Lorbeer glühet der Genius, Und Scham ihm, gleich der Purpurblüthe Künftiger Früchte, die Wange röthet.
Zu schwach auch ist er. Immer im Tempel selbst Verharrt die Andacht nicht. Der Olympier Legt oft den Donnerkeil zur Seite, Ueber den schlummernden Kronos lächelt
Die Charis. Eilig flieg’ ich zu dir alsdann In kühles Dunkel, wo den Erinn’rungen Der fernen Vorwelt noch zum Denkmal Epheugehänge dem Fels entsinken.
Da stört sie nicht in mächtiger Wirklichkeit Die Ruhmsucht auf: sie wehet dem Lüftchen gleich, Sie dämmert, wie die Abendröthe, Duftet, wie Rosen, ums Angesicht mir.
[20] So ist’s dem Kühnen, der aus der wogenden Urnacht des Meeres schwindelnd hervorgetaucht, Noch taumelnd von den Wundern allen, Die er gesehen im ew’gen Abgrund.
Wie mir’s ist, wenn ich deiner Gewalt entfloh, O Rom, und dennoch hängt mein Gedank’ an dir, Herakles du der Weltgeschichte, Nur daß ich ihn in der Wiege denke.
Denn wo die Fluth so selig durch Frühlingslaub Vorblinkend, dort am felsigen Ufer spielt, Stand ja die Mutter Alba, die ihr Leben geopfert dem Zorn der Tochter.
Doch nicht die Schlachten, nicht die zerstörenden Streitkräfte, nicht des Kriegesgetümmels denkt Mein Geist; es jubeln hier und singen Liebliche Vögel zurück die Götter,
Die alten, die zur Heimath das Seegestad, Der Grotte Dunkel, und dies erquickliche, Dies ew’ge Grün gewählt, und heimlich Noch ihr unsterbliches Leben führen.
Die Menschen ja vergess’ ich so leicht und gern, Nur Eine Scheu ist’s, die mich beängstiget, Ob nicht dem Grottenbad entsteigend, Plötzlich die Jägerin mir erscheine.
Der Abendstern.
Alle Freud’ und Trauer, o du holdselig Wesen, so voll züchtigen Lichts und süßer Keuscher Klarheit, wohnet in dir, im sanften Sterne der Liebe.
Schön warst du, wenn einsam der Dichter oftmals Seines Baches Erlen entlang im Thale, Ach mit düstrem Sinnen und namenloser Sehnsucht gewandelt.
Schön warst du, als endlich dies Herz gestillt war, Als ein Auge, schwarz wie des Himmels lautre Tiefe Nacht, aufblickte mit mir zum lieben Sterne der Liebe!
Schön warst du, als träumend mit großen Menschen Großen Freunden, schwärmend in Vorgefühlen Künft’gen Ruhms, das Auge voll Gluth in deinem Strahle sich kühlte.
Schön warst du, als endlich mein Schicksal nahte. Als ich mehr verlor, denn ein Mensch gewinnen Kann, kehrt’ oft wehmüthig zurück im stillen Sterne die Liebe.
Doch am schönsten dünkst du mir wohl vor Allem Wenn ich oft im Schmerz und der Trauer meiner Einsamkeit, in Schutt und in Säulentempeln Heimathlich wandle,
Und zumal dein freundliches Licht des schwarzen Colosseums Schauern, wie eine Seele Ihrem Grab am Tag des Gerichts, entstrahlt, o Stern du der Liebe.
[22]
Der Mond.
Gestirn der Trauer, liebliche Schutzgottheit Gestürzter Tempel, du der Ruinenwelt Schwermüth’ge Freundin, wie zur Heimath Hast du erkoren die stille Roma!
Du selbst ja gleichst ihr: wie du dein heilig Licht Der Sonne dankst, der untergegangenen, So dankt auch sie die ew’ge Hoheit Ihrer entflohenen Herrschersonne.
Wo auch herab sich senke dein milder Blick, Ob auf die öden Mauern, wo einsam sich Die Straße windet und zuweilen Epheubewachsene Gräber düstern,
Ob auf Kapellen, schweigende Klöster auch, Die halb aus vollen Büschen und Gärten sich Im Schattendach der Pinie heben, Halb sich im üpp’gen Gewächs verbergen,
Ob in des Tibers schicksalgeweihte Fluth, Wo sich des Fischers Netz in die Wasser taucht, Und Brück’ und Insel und der Besta Trauernder Tempel der Erd’ entsteigen;
Stets blickst mit gleicher Liebe dein Rom du an, Und unaussprechlich finster erhaben ruht’s, Mit Trümmern und Cypressenhügeln Dämmernd in Mondlicht und Todtenstille.
So oft in tiefen Schauern durchwandl’ ich noch Die hohen Stätten, und die Allee entlang Lenk’ ich den Tritt, wo einst der heil’ge Weg an den Tempeln vorüberführte.
[23] Dann harr’ ich, bis die Glock’ auf dem Capitol Die ernste Stund’ ankündigt der Mitternacht, Ein dumpfer Klang und plötzlich wieder Schweiget die Welt und ihr off’nes Grab hier.
Dir dann, du schmachtend Auge der Nacht, o Mond, Dir blick’ ich träumend wieder von neuem zu, Die Wolken seh’ ich um dich wandeln, All’, wie sie kommen, wie sie verschwinden.
Oft bist du klar, sanft lächelnde Freundin Roms! Oft aber gleich den Schatten des Schicksals, gleich Den Völkerstürmen und den Schrecken, Die einst gewüthet an Roma’s Himmel,
Bedeckt dein Antlitz fliegend Gewölk, und schwarz Entragt der Siegesbogen des Abgrunds Grau’n, Und selbst des Donn’rers Säulentempel Schwindet in Dämm’rung am Capitole.
Und stumm seh’ ich die mächtigen Treppen an, Die nun urplötzlich wieder der Vollmond hellt, Und starre hin, und lausch’ und horche, Ob wohl nicht Cäsar heruntersteige.
Und einsmals aus dem buschigen Palatin, Dem trümmerschwarzen, klagt’ eine Nachtigall In all’ die Nacht, in all’ die Stille, Klagte vielleicht von der goldnen Vorzeit.
[24]
Grab der Cäcilia Metella.
Thurm der Einsamkeit, den ich lieb’, o festes Uralt rundes Römergebild, du Seufzer Byrons, der Campagna gerühmt als Capo di Bove!
Dich lobpreisend singet ein Lied der Dichter, Gern an Gräbern weilend, weil seine Lieben All’ im Grabe schlummern für ihn, und selbst sein Glaub’ an die Lieben.
Aber wie erreicht dich Gesang? Ein Wort ist Wenig für den Tod, und der Mensch zerstört nur, Aber baut die Vorwelt nicht auf. Doch ist der Dichter ihr Echo.
Gleich der Windharf’ ist er, die hoch in alten Moosbewachsnen Thürmen das Spiel der Lüfte Wechselnd regt, und selig verrauscht in holden Strömen von Wohllaut.
So, mein ewig Trauergewölb’, bewegst auch Du die Seele mir, wenn ich dein nur denke, Wie dein graues Rund so erhaben einsam Aus den Gebüschen.
Weit in menschenleere Campagna hinblickt, Sichtbar schon aus luftiger Ferne, krönend Deinen Hügel, wie mit des Schattengottes Mächtiger Krone.
Denn vor dir, o König der öden Wildniß, Neigen tief die Nachbarn sich, der Cypressen Melancholisch Heldengewächs, gesellt der Schweigenden Trauer,
[25] Neigt sich halb verschüttet Gemäu’r, durchbrochner Thürme Wand, verwitterte Reste langer Blut’ger Kämpfe, die der Colonna stolzes Haus mit dem Stuhle
Petri einst in kräftigen Ritterzeiten Durchfocht. Solche Nachbarn in hoher Ruhe Ueberschau’st du: selbst in die tempelvollen, Unübersehbar’n
Römerebnen blickst du hinaus, die Rennbahn Legte Caracalla zu deinen Füßen, Und in jenem Hügel verbirgt die schatt’ge Grotte des Numa
Dir die heil’ge Quelle, bei deren Kühlung Er in stillem Umgang mit einer Gottheit Einst der siebenhüglichen Roma große Zukunft berathen.
Und sie selbst, der ird’sche Olympus, lächelt Dir entgegen, glänzend im Lichte der Sonne, Dort vom paradiesischen immergrünen Hügel des Janus,
Mit St. Petri Kuppel, die eines Erdballs Schattenbild vergleichbar, im Himmel dunkelt, Hingestreckt die Berge, von allem Schönen Wahrlich das schönste.
Forschend sieht das Auge der Appia lange Gräbervolle Linie hin, bis wo dort Hinter sanften Hügeln und Rebengärten Finster der Mauer
[26] Riesenwerke ragen, und durch des Thores Düstre Majestät und durch Drusus Bogen Geist und Herz endlos zu der Scipionen Grabe hinabschweift.
Und der Wind treibt Wolken die Stadt hinüber, Daß in Schatten sinken die Kirchen alle. O ihr Götter! sterben ist schön in Rom, doch Schöner zu leben.
Der Thurm des Nero.
Gerne, wenn der Abend aus Schattenthälern Aus dem Felde steigt, das des Capitoles Majestät und finster des Kaiserhügels Trümmer umragen,
Gerne dann im einsamen Hause sitz’ ich So das müde Haupt mit dem Arme stützend, Wie es oft die Trauernden thun, die Freunde Ernster Gedanken.
Und hinüber blick’ ich, wo alter Sag’ ein Schaurig Denkmal, mitten in grauer Kirchen Frommen Kreis der Thurm des Tyrannen noch zum Himmel emporstarrt;
Schon entschwand die goldene Sonn’, es dunkelt Abendblau in düsterem Duft um Berg und Thurm und Kirch’ und schwarzen Ruin, die Erde Dunkelt, die Nacht kommt.
Flammen aber röthen die Lüfte noch, und über’m Weiten graunerweckenden Bilde Roma’s Glüht in langen purpurnen Strömen noch ein Blendendes Feuer.
[27] Da nun mein’ ich, hoch auf dem Schattenthurme Sitze der Tyrann mit der Laut’, und sänge Troja’s Schicksallied, und der Himmel sprühe Nur, weil der Erde
Königin entbrannt. Da erschallt der Abend- Glocken tausendstimmig Geläut: als ob des Kaisers furchtbar Lied in die Flammen tönte, Dünkt mir dann oftmals;
Und allmählich schweigt es in Todtenstille, Selbst die Gluth des Himmels erbleicht, die Nebel Rauchen aus den Thälern, die Nacht deckt Rom, es Schlummert im Grabe.
Der Monte Pincio.
O hätt’ ich Farben, Aether und Seel’ und Geist, Du unaussprechlich himmlische Luft, getaucht In deiner Schönheit süßen Abgrund, Wär’ ich dein Priester, dein reinster Säugling,
Wär’ ich geboren, wär’ ich erzogen auch An deinem Lichtquell, könnt’ ich die Reinheit doch, Könnt’ ich die Milde nicht, die Wärme Dieser Natur in mein Lied einhauchen.
Wenn du zuerst in schauender Seligkeit Voll Unschuld in ein glühendes Auge schaust, Wenn du vergehst in seiner Tiefe, Wenn du verschmachtest in seiner Seele,
O dann vielleicht verstehest die Wonne du, Verstehst mein überschwänglich Entzücken du, Und meine Liebe zu des Südens Blühendem Grün und krystallnem Himmel.
[28] Drum wählt’ ich dich zum Liebling, mein Pincio, Wo Roms unübersehbare Herrlichkeit, Wie ein empörtes Meer, vom sonn’gen Hügel das Marsfeld hinunter leuchtet.
Denn solch ein Anblick größer erscheint er stets, So oft er dir in all’ der Gewalt ersteht, Womit das Schicksal ihn geheiligt, Könige, Consuln, Cäsare, Päbste.
Doch oft im dünnen Laubwald versteck’ ich mich. Wenn so unsäglich blendend aus glänzenden Lichthellen Blüthen und Gebüschen Ach wie elysisch die Ferne strahlet.
Dann auf Borghese’s üppigem Schattenhain, Des Pinienwaldes mächtiger Masse ruht Mein Blick, sich an der Villa wilder Lockend arkadischer Nacht erquickend.
Blaudämmernd über wallendem Eichengrün, In seiner Lüfte liebliches Bad getaucht, Entsteigt mir selbst von fern mein schöner Einsamer Freund, der Sorakte, mählig.
Kein Tag vergeht, wo, träumender Muse voll, Ich dieses Paradies nicht durchwandere, Doch schwach ist nur mein Lied, das bess’re Fliehet als Seufzer von meiner Lippe.
[29]
An die Berge von Latium.
Könnt’ ich mit Worten, könnt’ ich mit Thaten auch, Die euer würdig, zeigen, wie dieses Herz Euch liebt, ihr ewig theuren Berge, Blumige Kette vom Fuß des Cavo,
Bis wo ihr sanft liebäugelt mit finsterern Sabinernachbarn über die Thäler weg, Mit euren lind geschwungnen Hügeln, Heimath des Frühlings, des nie verblüh’nden!
Wenn ich so still und doch so der Schmerzen voll Um Roma’s Mauern wandle, wenn mich der Drang Ins weite warme Feld hinaustreibt, Wo mir der Spuren von alter Größe
So viel begegnet; wenn ich der Appia Vermorschte Römergräber durchwandere, Wenn ich die Königin von Janus Seligen Hainen mit Einem Blicke
Frei überschau’, wie lächelt ihr da mir zu, Und lockt mich an, als wäret ihr Mutter mir, Als hätt’ ich mich aus eurem Schooße Noch als ein Kind in die Welt verloren.
Seit eure kühlungschattenden Wälder mich In ihre Fülle nahmen, und eure Stirn, Die weinbekränzte, so unendlich Mir das tyrrhenische Meer entfaltet,
Seit in dreitausendjährigen Städten dort In wilden Massen süßer Gebüsch’, im Duft Der Veilchen ich die schöne Last des Maulthiers, die reizenden Frauen, zieh’n sah,
[30] Seitdem verwehte jede Erinnerung An andre Berg’, ihr seid mir so heiß geliebt, Daß ich mich selbst vom Capitole Frevelnd in euer Elysium sehne.
Was ihr auch bergt an eurer Dianenbrust, Holdsel’ge Gärten schöpfrischer Fruchtbarkeit, Was ihr in Thälern, Höh’n und Ufern Himmlisches hegt, vor dem Auge steht mir’s
Endlos. Vor allem du, mein Albano, bist Dem sanft verjüngten Herzen die schöne Welt, Die es verlor, bist seine Kindheit, Bist dem Verlassenen die Geliebte.
O klare Augen ihr meines Latiums, Du See von Nemi, du mein Albanersee, Wie lauter strahlet eure Seele Sehnsucht und Liebe zu eurem Himmel!
Jungfräulich hat die Mutter Natur euch schon Bekränzt mit nie verwelkendem Blüthenreiz, Die Dichter der Natur, die frohen Vögel, sie jubeln schon euer Brautlied.
Und du Ariccia, Tochter Siculia’s, Die du dein wollustschmachtendes Angesicht Mit deiner Haine Zaubernacht der Glühenden Sonne verschämt bedeckest!
Du Stadt der Cynthia, himmlisch umwaldete Genzano, wo dem Wand’rer zum erstenmal An grüner Berge Schattenwand der Spiegel Dianens emporgeduftet!
[31] Du Nemi, wo der taurischen Artemis In Latiums Vorzeit dunkel ein Hain geblüht, Du uralt heilig Kind von Troja, Stadt der Lavinia, wo das Auge
Hinüberschweift zum bläulichen Vorgebirg Der Circe, wo in schaudernder Seele mir, Gleich einem Traumgesicht, des Meeres Abgrund homerische Welt entstiegen,
Und du, Gandolfo, Grotta ferrata du Mit deines Klosters sinniger Einsamkeit, Du Adlernest am Felsen hängend, Rocca di Papa mit deinen Wundern,
Ihr alle Frascatanische Gärten, wo Das Aug’ aus überschwellender Ueppigkeit, Aus Tusculums erhab’nen Trümmern Trunken hinüber zum sonn’gen Rom blickt,
Das, einer Milchstraß’ ähnlich, die farbige Campagna hin sich lagert voll Majestät, So groß und ewig, wie das Meer, das Drüber die schattige Erd’ umarmet.
Ihr lebt in meinem Herzen, und wenn ihr mich Dereinst gelehrt, unsterblich zu sein, o dann Lebt ihr unendlich drin, dann nehm’ ich Selbst zu den Himmlischen euch hinüber.
[32]
Die Töne.
Freundinnen der flüchtigen Horen seid ihr Töne doch vor allen, geheim im Bunde Steht ihr, und das Schönste, die Seele nach dem Traurigen Tode
Lassen jene Genien zurück in eurer Sanften unvergänglichen Macht und Schöne, Ja ihr weckt sie immer zu neuem Leben Selbst aus dem Grab’ auf.
Meine Kindheit schließt mir im Flötenklange Ihre Rosenwelt und den tiefen Kelch auf, Dessen Duft einst, wie der Gedank’ im Herzen, Lange geschlummert.
Wie vermöcht’ ich jenen Gesang, die Stimme Ihrer heißen Sehnsucht, der ersten Liebe Klagelaut, und all’ das unsäglich Zarte Noch zu ertragen,
Wenn’s einmal in rauschenden Melodien Freudejauchzend, ach aus so ganz verlornen Blumentagen, jubelnd zurück ins Herz kehrt, Wo es gestorben.
Das, o Töne, wie ich auch oft es fühle, Das ertrüg’ ich nicht. Denn der Freud’ und Jugend Schwand mir so viel, daß die Erinn’rung nicht, nur Lethe mich tröstet.
Eines aber lieb’ ich, wenn meiner Leiden Und Verluste schmerzlicher Seufzerlaut und All’ mein Weh, gleich Aeolus Lüften, leise Mir in des Herzens
[33] Düstre tiefzerfallne Ruine spielet: Denn mir ist, als kämen die Geister meiner Lieben schon von Jenseits zurück in solchen Sel’gen Accorden.
Ora pro nobis.
Heil’ge Dämm’rung waltet durch der Rotunda Tausendjähr’ge Wölbung, der Geist des Abends Mahnt zum Beten, mahnet zur letzten Andacht, Ora pro nobis.
Auf den Knieen umher in des Tempels hoher Rundung liegt das gläubige Volk, und Alles Tönt einstimmig, Jungfrau, dein Lob und flehet: Ora pro nobis.
Und die Schatten decken auch mich; der Vielen Sieht mich keiner, wunderbar drängt’s von Innen, Widerständ’ ich? – Zaubrische Macht, ich kniee, Ora pro nobis.
Immer wiederkehrt der Gesang, der Vorwelt Schauer kehren wieder mit ihm – o Menschheit, Sieh’ mich nicht, ich bin – ich bin dein und flehe: Ora pro nobis.
Doch was fühl’ ich! Holde Erinn’rung, bist du’s, Die mich tief anwandelt, o bitter bist du, Bitter – denn sie kniete mir einst zur Seite – Ora pro nobis.
[34]
Der Tiber.
O Lethe, dessen Strome der alten Kraft Und Weltherrschaft Vergessenheit Rom entschlürft, Roms Schatte nur, wie oft den Fluthen, Da ihn die Mitwelt begrub, ersteht er
Gleich einem Geist der Schicksalsgedanke mir, Ob von der Brücke, wo mir der Insel Bild Mit Kirch’ und Kloster und der Vesta Säulenrotunde, wo der Cäsare
Den Palatin umstarrende Trümmer mir Erscheinen, oder ob in der Wildnis du Der schweigenden Campagna nur mit Thürmen der Vorwelt am sand’gen Strande
Begegnest: immer athmet Melancholie Dein träger Strom, kaum wälzet das Mühlrad sich Und kaum das Doppelnetz den Wellen, Während auf Trümmern von Kokles Brücke
Umsonst der Fischer laurend ins Wasser schaut; Kein lust’ger Nachen gleitet die Ufer hin, Nur selten seh’ ich schweren Ganges Schweben vom Strand in des Abends Schatten
Ein schwarzes Boot, als führte des Acherons Fährmann Roms große Todten zur Ruh. Auch selbst Des Himmels Lieblichkeit, du spiegelst Nie sie zurück; denn es trübt der Schlamm dich,
Wie des Tyrannen Seele der Friede nie Durchleuchtet, sondern ewig des Scepters Schuld, Des Thrones Greul, der Völker Jammer Und des vergossenen Blutes Anblick
[35] Umdüstert. Dann nur röthet dich Purpurlicht, Wenn aus des Kaisers Grabe des Aetnas Gluth In tausend Blitzen steigt. Da, dünkt dir, Hadrians Asche sie schlummr’ allein nicht,
Es schlummr’ im Mausoleum die Menschheit selbst, Die er beherrscht’, und nun aus geborstnem Grab Urplötzlich stünde sie empor mit Flammen und Donner des Weltgerichtes.
O Rom, wie sankst du, wenn auch vom Quirinal Des Priesters stolz dreifaltige Krone blitzt, Dennoch wie sankst du! Dich beglückt er Noch mit der heiligen Pracht des Schauspiels!
Gewaltig steigt Palast, Obelisk empor, Und Kirch’ und Tempel, Säul’ und des Springquells Glanz, Noch ziert’s dich, und auf Marmorböden Winselt der Bettler, auf Tempelstücken.
Am Platz, wo Brutus Söhne vom Vaterspruch Gerichtet starben, da es gebot, das Volk, Und groß an Tugenden und Greueln Selbst die Gesetze sich gab und oftmals
Mit Bürgerblut sie schrieb in den ew’gen Stein, Aechzt nun der Krüppel, nach dem Bepurpurten Die Hand ausstreckend, der mit stolzem Rossegespann und Gefolg’ erscheinet.
Noch traur’ger darbt die Armuth im Gramgemach, Wo nichts mehr blüht als Seufzer, vielleicht ein Stück Errungnen Brods; doch fühl’ ihr Herz sich Glücklich, denn prachtvoll von Deck’ und Wölbung
[36] Glänzt Gold in hundert Tempeln, vom Throne giebt In Goldgewändern schimmernd Sankt Petri Fürst Den Segen, und Roms größte Kuppel Leuchtet in Flammen als Krone Petri.
Doch leichten Sinn und fröhlichen gab Natur Roms Volk, genähret einst an der Wölfin Brust, Im Blut des Feindes und dem eignen Wüthend und Kön’ge zu sehn in Ketten
Gewöhnt, von Cäsarn und von Tyrannen selbst Geschmeichelt und gefürchtet vergaß es nun Der alten Männer mit den Göttern, Denen sie opferten, kämpften, siegten.
Statt Schlachtgesang ertönet das Tamburin Zum Herbsttanz, zärtlich klingt in der Sommernacht Dem Liebchen Lied und Mandoline; Und der Triumphzug des Imperators,
Der Mönche Schwarm wich er; und dem Pulcinell Des Colosseums blutiges Römerspiel . . . O Tiber, gönn’ in deiner Nähe Bald mir ein Grab an der Pyramide!
[37]
Campo Vaccino.
Elegie.
Götter, wohin durch die Nacht? ich folge mit bebender Seele, Ueber die Sinne habt ihr Nebel und Schleier gehüllt. Götter, wohin? ich glaub’ es noch nicht, nur begeisterte Täuschung, Nur ein verwegener Traum, aber nicht Wirklichkeit ist’s. Träumte der Knabe nicht schon von der Stunde der großen Erscheinung, O und es wäre nun mehr, mehr als ein fliehender Wahn? Dürft’ ich es glauben, du hättest dieß Herz, o Genius Roma’s, Hättest zu heiligem Schau’n endlich mein Auge geweiht? Noch bin ich blind, und doch wandelt’s von furchtbaren Schatten der Vorwelt Wie ein erstehendes Reich größerer Geister um mich. Sind wir so nah’ schon? O leite mich du, mit schüchternem Fuße Folg’ ich und schwanke – so gieb, Genius, doch mir die Hand! Aber, o Donnerer, hilf, ihr zahllos uranischen Schaaren, Götter des alten Olymps, stehet dem Menschen ihr bei? Plötzlich vorm dämmernden Aug’ entfalten sich schwarze Gestalten, Vor dem gewaltigen Geist reißt mir der Schleier entzwei, Nacht der Erfüllung, des Schau’ns! was gewahr ich? das römische Forum? Welch ein Schrecken, wie graut’s tausendgestaltig umher! Ja das ist Rom! Dein Triumph, Septimius, ging mit dem Cäsar Nicht zu Grabe, noch ragt düster sein Bogen empor! Dort mit dem finstern Gebälk die Tempelsäulen der Eintracht, Ueber des Abhangs Gebüsch, dort der tarpejische Fels! Todtenruhe! aus Schutt und Trümmer und Säulen und Bögen, [38] Einsame Kirchen ans Grab römischer Götter gebaut! Kaum, daß die stille Allee noch ein Mönch einsiedlerisch wandelt, Kaum, daß ein flüchtlicher Wind nächtlich im Laube noch rauscht. Jupiter Stator, wie schlank in der Kraft korinthischer Schönheit, Ueberm verödeten Feld, deine Ruine sich zeigt! Düstert nicht geisterhaft durch der Säulen erhabene Hoheit, Halb nur erkennbar im Duft, Nero, dein goldner Palast? Wag’ ich mich weiter! wie dort sich gigantische Bögen entfalten, Sind sie’s, die Vespasian dankbar dem Frieden geweiht? Wie auf der Felsenstirn der gebietrischen Wölbungen oben Noch dem bewachsnen Gestein luftig ein Gärtchen entblüht! Tief erschaudernd dem Geist des Verhängnisses steig’ ich hinunter, Steig’ ich hinauf, wo mein Fuß Hügel von Marmor durchirrt. Da urplötzlich starrt und thürmt in entsetzlichen Massen, Wie ein zertrümmert Gebirg’, Vorwelt, dein Wunder sich auf! Gleich dem Krater des wilden Vulkans, vom Donner zerspalten, Oeffnet’s die Tiefe voll Grau’n furchtbar der schweigenden Nacht! Unter den Tempeln umher und den Bergen voll einsamer Reste Ragt’s wie der Vater der Welt unter den Ew’gen hervor. Staunend steh’ ich: es zittert voll sanftem friedlichen Lichte Ueber dem Schauergewölb lieblich im Aether ein Stern. Götter, wie hold! er lächelt in zarter himmlischer Schöne Ueber den Schrecken des Grab’s süß wie die Liebe herab. Könnt’ ich mich trennen! versuch’ ich’s zu gehn, ich stehe gefesselt, Diese titanische Nacht! ach und dies schmachtende Licht! Langsam voll sinnendem Ernst schleich’ ich den Hügel hinunter, [39] Und ins verlassene Herz senkt sich der irrende Blick, Nun so zerfallen, zerstört vom langen Sturme des Schicksals, Ach, von der brennenden Gluth kühner Gefühle verzehrt, Sieht es die blühende Welt nicht zur düsteren Ruine zertrümmert? Wandl’ ich nicht einsam, das Herz bitt’rer Erinn’rungen voll? Fühl’ ich im stummen Gemüth nur Eine Regung der Sehnsucht Nach der Heimath, die mir jegliche Freude vergällt, Ja, wo die lautere Seele geheim im Heiligthum liebte, Selbst den Altar mir befleckt, der mich vom Pöbel getrennt? Stille, das bleibe verscharrt im großen Grabe des Herzens, Find’ ich ja Cäsars Welt über der Erde nicht mehr. Aber o freundliches Licht, dir öffn’ ich die schaurige Stätte, Wo meine Lieben geruht, todt und lebendig, mein Herz! Sieh, schon umfängt mich herrlich der Siegesbogen des Titus, Und durch die Bäume zurück wandl’ ich in schnellerem Schritt. Schon entsteigt dem Abgrund dein graues Denkmal, Severus, Deiner Colonnen Gestalt, Jupiter Donn’rer, dem Berg. Und die Treppen hinauf, die steinernen, führt mich der Dämon, Und dein gewalt’ges Bild dämmert mir auf, Capitol! Und du umpfängst mich! den Geist voll erhab’ner Erinn’rungen wandl’ ich Ueber den schweigenden Berg deine Paläste vorbei. Wunderbar rauscht durch die Stille der Nacht der lebendige Brunnen, Rossebänd’ger, wie zart lächelt euch Sternenlicht an! Und ich eile hinab, und wende noch einmal mich rückwärts, Und zu den Himmlischen steigt schaudernd ein heilig Gelübd’.
[40]
St. Onofrio.
Elegie.
Wahrlich, o Roma, du bist an bezauberndem Wechsel ein Wunder, Nur wer dich siehet, erkennt, was du dem Glücklichen bist. Selbst der schweigende Gott, wenn der staunende Wandrer ihn fraget, Deutet aufs ewige Buch, das die Geschichte sich nennt, Denn, was der Schöpfung er ist, das ist Roma der Welt, und ihr Schicksal Fiel aus der Urne, wie nur Einer Kronion es gab. Schaue die Tempel nur an, und die mächtigen Säulen, die herrlich Unterm erhabenen Schutt zweier Jahrtausende stehn! Tritt nur ins Pantheon ein, da lächelt’s ins heilige Dunkel, Oben voll heiterem Licht, schön wie der Himmel herab. Und kein verwegenes Wort, das empfindende Herz nur erreicht es; Aber das schönste ist Rom, was mir in Rom noch gefiel. Darum erwählet mein Herz mit deiner Pinienhügel Blühenden Gärten so gern, süßer Gianicolo, dich! Und ich entwandle dem Schwarm der rauschenden Straßen am Abend, Bis dein erquickendes Bild über dem Tiber erscheint. Dann erglüht mir das stumme Gemüth, und ich fliege dir sehnend, Wie der Mutter das Kind, heil’ger Onofrio, zu. Und du labst mich mit friedlichem Grün und einsamen Schatten, Wo ich so selig dich einst, Kloster und Kirche, begrüßt. Da ist Ruhe, da lispelt es kaum im zitternden Laube, Still, wie des Dichters Grab breitet das Plätzchen sich aus. Da mit unendlicher Lust eil’ ich ans moos’ge Gemäuer, [41] Feuer und Nebel im Blick – Himmel und Roma vor mir! Und ich knie auf die steinerne Bank, und hinunter, hinunter Schau’ ich wie Zeus im Olymp, über die Herrliche hin. O weß Auge das Meer nie erblickt, weß Auge nicht Rom sah, Der hat die Welt und in ihr auch nicht den Schöpfer gesehen. Schweiget, ihr Worte, mir ist als erständen die Geister vom Grabe, Die ihr erhabenes Werk hier für die Nachwelt gebaut, Als erbraust’ ihr rauschendes Lied hoch über den Trümmern, Als erhübe die Zeit selber den Schicksalsgesang! Und doch lächelt der Himmel so voll unaussprechlicher Liebe, Ueber dem blühenden Kind, über der süßen Natur, Wie er’s, das blaue Auge voll tief wollüstigem Lichte Selig am Schöpfungstag einst auf die Stirne geküßt. Sieh nur hinunter, wie hold aus dem Laub die Limonien lachen, Wie aus dem Lorbeergesträuch marmorne Bilder erstehn! Wie mit unsäglicher Pracht die Villen Zypressen beschatten, Wie die Pinie so stolz über dem Kloster sich wölbt, Wie der Tiber am Schattengewölb von Adrians Grabe Trauernd sich schlängelt und dort Berge von Häusern durchirrt! Ueber der Rebe St. Peter sich thürmt in den glühenden Himmel, Ueber Palästen sich dort Reihen von Kuppeln erhöhn, Wie die gewaltigen Säulen und Obelisken sich heben Fern bis zu Cestius Grab, über der flammenden Stadt, Fremd in der fremden Welt Agrippa’s ernste Rotunda, Nero’s düsterer Thurm, Jupiter, dein Capitol, Romulus Hügel und grausig die Trümmer der stolzen Cäsare, Furchtbar, wie Felsen, die Gott strafend mit Blitzen zerschellt; Ueberall Tempel im Grün und entlang die unendlichen Gründe [42] Bögen, in rosige Fluth himmlisch vom Abend getaucht. Götter, was all’? und das duft’ge Gebirg in verschämtem Erröthen, Zart und herrlich, wie nur Claud’ und der Schöpfer gemalt! O wie ein glühender Seufzer der liebenden seligen Schöpfung Dieser unsägliche Hauch über dem schmachtenden Bild. Blendend die glänzenden Höhen, vom bläulichen Haupt des Sorakte, Dünn, wie ein schwellend Gewand, dem sich ein Busen vertraut, Immer reiner und zärter hinab zum elysischen Tibur Bis wo der Cavo sich hold über Albano verklärt. Auf in die Lüfte! welch strahlendes Meer von fluthendem Golde, Alles unendliche Licht, Himmel, mit dem du entzückst! Auf in die Lüfte! da fällt’s mir aufs Haupt wie heiliger Wahnsinn, Und ich drücke das Aug’ stumm mit den Händen mir zu, Und ich lege die brennende Stirn ans kalte Gemäuer, Und der entfesselte Geist ringt im vergehenden All, Und mir ist, als sänk’ ich hinab in den ewigen Abgrund, Ueber mir brauste das Meer, und mich verschlänge die Nacht!
Deutscher Künstler in Rom.
Elegie.
O wann kehret die Zeit, die unschätzbare, alte, vergangne, Wann der Frühling der Kunst wieder ins Leben zurück? Allgemein, wie die Sonne, war einst die Kunst, es erfreute Ihr erquickliches Licht jedem das offene Herz. Welch ein Wechsel! Ach nun ist sie dem Leben entflohen, Nur noch in Gallerien, auf dem Katheder ist sie. Schwach ist die Liebe für sie, die Pensionen noch schwächer, [43] Schirmlos, arm und entblößt steht die Verschmachtende da. Willen haben wir wohl, will’s Gott auch Kraft und Gedanken, Wenigstens Hände, doch fehlt einzig das leidige Geld. Kommt ein Wechselchen an, so kommt auch der Wirth und der Schuster, Kommt der Schneider, und fast reißen in Stücke sie mir’s. Allzutheuer ist mir ein Modell: ich kann’s nicht erschwingen, Farb’ und Leinwand! es läuft jämmerlich gleich mir ins Geld. Was der Pöbel verlangt, der unverständige, mach’ ich, Statt für Ehr’ und für Kunst schaff’ ich fürs tägliche Brod. Meiner Sehnsucht und meiner Idee, dem schöpfrischen Drange Ist mir nur selten zu glühn, doch nicht zu folgen vergönnt. Hab’ ich etwas vollendet, so hab’ ich Schulden; bezahl’ ich, Bleibt mir weder das Bild, noch der geringe Erwerb. Und was das ärgste mir ist, ich muß zusehn, wie man die Arbeit In der Schenke, wie man gar sie im Kunstblatt beschimpft. Jeder erlaubt sich zu kritteln, und keiner bezahlt: wer ein Aug’ hat, Rezensirt, und mir ist keine Vertheid’gung erlaubt. Denn es ist wahr, im Schreiben sind wir nicht immer die Besten, Und so rauft sich und zieht jeglicher Sudler mich durch. Einige Jahre vielleicht studir’ ich in Rom, und studire Mehr als alles, wie man heutigen Tags sich behilft. Keine Ruh’ erquickt mich: denn niederträcht’ge Kabalen, Eifersucht, Bosheit und Neid rauben mir Frieden und Lust. Geh’ ich unter die Leute, so grüßen sie freundlich, und scheid’ ich, Machen sich alle sogleich über mich Armen sich her. Jeder verkleinert den andern, und jeder lästert und schadet, Jeder gilt nur, indem andre zu Pfuschern er macht. Statt sich wechselnd mit Rath und Verstand und Erfahrung zu helfen, Deckt sich jeder, indem andern den Schleier er lüpft. [44] So verbittern die Leiden der Kunst auch die Freuden des Lebens, Und im geselligen Kreis forscht man die Schwächen sich aus. Doch es liebt sich der Deutsche den Wein, und ohne die Schenke Kann er nicht leben, so sucht Abends den Deutschen er auf. Dutzende sitzen beisammen in uralt römischer Höhle, Kaum durch ein düsteres Loch stiehlt hier der Tag sich herein. Unser Mahl ist frugal, doch trinken wir gern, und im Dampfe Derben Tabackes vergißt leicht man den heimlichen Feind. So bis Mitternacht oft wird geplaudert; es flieht uns der Römer, Denn er scheut den Taback, wie das barbarische Deutsch! Aber den andern Tag giebt’s viel zu sprechen von gestern, Was der eine gesagt, wird von dem andern verhöhnt. Nun wird gedreht und gedrechselt, geschimpft und tüchtig verleumdet, Und durchs germanische Rom läuft’s wie ein Feuer herum. Spricht man ein kräftiges Wort, so lauschen die Frommen, wie Nattern, Spricht man ein Urtheil, so wird’s gleich von der Dummheit verlacht. Nichts bleibt verborgen, sie wissen es all, und wenn du gehustet, Deutelt’s den folgenden Tag auch schon der Pincio dir aus. Ja, zur Karikatur strengt sich die gerunzelte Hand an, Die vor Jahren dem Herrn erst noch die Stiefel geputzt. Aber Bedientenwitz träuft nur wie Regen auf Lorbeer Ohne Schaden und wird, was er auch ist, nur zu Koth. Kommt denn endlich ein Abschied heran, und scheidet ein Bruder, Und versammelt man sich nun in der Schenke zum Fest, Singt man ein deutsches Lied nach Burschenweis’, und erhält man Alten Trinkbrauch, der noch mächtig ermuntert, im Gang, Wird herkömmlicher Witz vom Schultheiß und von den Schwaben [45] Nun zum hundertstenmal auch zu dem Abschied gebracht. Gleich kommt wieder ein Neuer: der Scheidende trifft schon am Thore Seinen Landsmann und wird trefflich des Abend ersetzt. Kommt man aber hinaus, so beginnt die Noth erst entsetzlich, Und das Leben in Rom scheint jetzt ein glücklicher Traum, Dann ist man froh und begnügt sich, ein Stammbuchblättchen zu malen, Drunter schreibt man: ich bin Künstler und war einst in Rom.
Umgebungen Roms.
Daß ich Eurer gedenke wie einer süßeren Heimath, Wann ich die deutsche dereinst wieder als Fremder betrat, Grüß’ ich Euch jetzt im Lied. Wo schon Natur und Geschichte Fabel und Alter geweiht, ziemt auch dem Dichter ein Wort.
Albano.
Wenn deine Seele so leicht wie ein Sommervogel der Puppe Einmal dem lästigen Zwang ärmlicher Fesseln entflohn, Dann hinüber zum See! Die entbundene Psyche verweilet Nur am Lethe, sie schwelgt nur im Elysium noch.
Ariccia.
Sikuler bauten die Stadt, Jahrtausende sind’s, und die Bürger Rief im benachbarten Hain Latiums König zum Rath. Deine Wälder sind kühl und die Lüfte gesund, und du rühmst dich Darum den Britten auch nur Villegiatura zu sein.
Genzano.
Köstlichen Wein, du findest ihn hier, und junonische Frauen, Artemis floh, doch sie ließ uns ihre Nymphen zurück. [46] Glücklicher Wanderer, wenn am Blumenfeste der Göttin Venus auch dir einen Kranz duftiger Rosen bescheert.
Nemi.
Suchest du schattiges Grün, so lockt dich der Hain der Diana, Willst du dich kühlen, so lockt hier dich zum Bade der See. Suchst du Weisheit, Egeria lehrt! Am Ruder des Staates Saß sie mit Numa, und jetzt treibt sie die Mühle des Dorfs.
Cività la Vigna.
Ob Lavinia’s Enkel dem troischen Ahn zu vergleichen, Schwerlich gäb’ es Virgil, wenn er sie kennte, dir zu; Aber hat sich das teukrische Blut in Reben verwandelt, Wahrlich, so stammen sie selbst von den Olympischen ab.
Grotta ferrata.
Flohn einst Griechen hierher, in friedlichem Kloster sich bergend, Ein Arkadien hier, Tempe vergaßen sie leicht; Eure Natur hat euch der mildeste Himmel gesegnet, Eure Kapelle hat euch Dominichino geweiht.
Frascati.
Lorbeer grünt und Cypresse, die Myrthe blüht, die Fontaine Plätschert und rauscht, aus dem Haine glänzet der stolze Palast. Alles that die Natur, ein Paradies zu erschaffen, Schade, daß Kunst und Geschmack nicht sie zu ehren verstand.
Palestrina.
Deine Berge sind nackt. Kaum ragt aus dem Schutt noch die Pinie, Aermlich baust du und wild über die Trümmer dich hin. [47] Deine größte Ruin’ ist der Tempel der alten Fortuna, Stolzes Präneste, und so schmachtest in Armuth du denn!
Tivoli.
Haine glänzen, es donnern die Stürze des Anio, es stäuben Kaskatellen, es grau’n Tempel und Villen umher. Wunder bietet die Vorwelt dir an, und Wunder die Mitwelt, Ueber die schäumende Kluft herrscht die Sibylle noch heut.
Blandusische Quelle.
Wandre nur vor, es umgrünen dich wild der Sabiner Gebirge, Folge dem Strom, es entragt einsam Licenza dem Fels, Unter Kastanien erreichst du den Kies, wo der dicht’rische Quell rinnt; Trink! noch sprudelt der Quell, aber der Genius fehlt.
Subiaco.
Gerne bliebst du im Kloster, im Rosengärtchen, das lieblich Wie ein Märchen so hoch über dem Anio hängt. Aber ein Frauengeschlecht von vollendeter üppiger Schönheit Zieht aus dem Himmel, es zieht dich auf die Erde zurück.
Civitella.
Felsen hast du genug, und umher gewaltig Gebirge, Hernikern nicht, du gehörst fast nur den Lüften hier an. Großes erblickst du, erhab’nes hier, und ist es dir möglich Arm mit den Armen zu sein, bleibe getrost auf dem Berg.
Olevano.
Freundliche Leute, sie locken dich an, und reizende Wälder, Welch ein entzückend Geländ’ schimmert und duftet vor dir! Feigen blicken dir zu, und Reben und selige Berge, Doch ein Sabinischer Raub, Freund, er entzückte dich mehr.
[48]
Ostia.
Einsam graut das Kastell in weiter schweigender Wildniß, Trümmer der mächtigen Stadt liegen wie Gräber umher. Einst umspülte sie Meer, nun zog sich’s zurück, und die Erde Müssen wir jegliches Jahr seichter und trockener sehn.
Fiumiccino.
Freude gewährt dir die Ebne des weiten unendlichen Meeres, Trauernd blickst du von hier in die Campagna zurück, Bettler und Fischer umgeben, Matrosen, Verbrecher, Mönche, Soldaten, und kurz, Bilder des Jammers dich nur.
Kunst und Antike.
Venus des Capitols.
Götter steigen herab in menschliche Hülle sich bergend, Und dem Sterblichen mischt gern sich das Himmlische bei. Sinnlicher Fülle hast du, uranische geistige Schönheit, All’ dein Wesen und Sein, all’ dein Geheimniß vertraut. Weib ist die Göttin, vergängliche Form hat das Ew’ge gewählet, Aber das Sinnliche wirkt auch auf das Sinnliche nur.
Venus von Milo.
Menschen steigen zum Himmel: zur schönen olympischen Blume Schließet der irdische Keim drüben im Lichte sich auf. Geist verschmilzt sich mit Geist, und im freier entfalteten Leben Wird die sterbliche Form schöner und heil’ger verklärt. So zum vollendetern Bild durch ein mächtiges Wunder verwandelt, Lenkest den irdischen Sinn du auf das Himmlische hin.
[49]
Venus von Medizis.
Nie ist die Göttin geworden, von Anfang ist sie, vollkommen Stieg sie der Welt aus des Meers rauschenden Wassern empor. In der flücht’gen Natur ist sie die dauernde Seele, Und im Wechsel der Form ist sie das ew’ge Gesetz, Unter sichtbar Gemischtem die tief unsichtbare Einheit, Unter dem Einzelnen ruht bleibend als Ganzes sie fest. Und als vollkommne Idee gereifter dauernder Schönheit Zeigt sie dem Sinn nicht, dem Geist nur die olympische Macht.
Niobe.
O so lang’ eine Mutter noch heilig ist, und nur Eine Mutterbrust noch fürs Kind ihrer Umarmungen glüht; Eine Seele noch leidet, und Eine den Schmerz noch der Liebe Den unsäglichen fühlt, Eine für andre noch seufzt, Eine mit menschlicher Kraft noch gefüllt ist, Eine mit Treue, Eine das klopfende Herz liebend dem Tode noch weiht, Bleibst du das heiligste rührendste Bild; denn es schuf dich die Liebe, Sanft wie ein Muttergemüth, stark wie Olympische sind. Reiche dem Tod nur den Busen, empfange den Pfeil nur und drücke Sterbend dein furchtsames Kind schirmend und zärtlich an dich. Dein erbarmen die Götter sich schon, ja die himmlische Schönheit Zaubert ihr süßestes Licht schon auf die Stirne dir hin. Kaum noch gewahr’ ich den menschlichen Schmerz, dein erhabenes Antlitz Ist mir verklärt, und du sinkst eben dem Himmel in Arm.
Colossen des Phidias und Praxiteles.
Quirinalischer Stolz, Colossen des Monte Cavallo, Wie ihr mir täglich ersteigt, seid mir im Liede gegrüßt! [50] Ewiger Jugend Bilder, der Kraft erhabne Gestalten, Blieb euch die Jugend, und blieb’s mitten im alterndem Rom. Ja, ich glaub’s, eure Väter sind nicht die griechischen Bildner, Sterbliche nicht, doch der Gott hat euch, der Donnrer, gezeugt.
Apollo von Belvedere.
Göttlicher Sieger, du zürnst, dein Angesicht flammet von Unmuth? Ist’s, weil die bessere Welt, weil der Olymp dir entflohn? Ach dir nahen die Musen nicht mehr, du zürnst zu gewaltig, Ach das verdorbene Geschlecht schirmet Apollo nicht mehr.
Cimabue.
Einer begann, es erschien der Sinn und die Kraft, doch es fehlten Noch die Mittel, und so fehlt die vollendete Kunst.
Fra Giovanni da Fiesole.
1. Dir ist die Kunst ein Gebet, worin du die liebende Seele Immer nach Gottes Thron, immer zum Himmel erhebst. Als ein getreuer Knecht dem Herrn und dem Reiche des Sohnes Weihtest du Pinsel und Herz, weihtest du Leben und Tod.
2. Heiliges maltest du nur, denn wie du Gott dich gewidmet, Mußt’ auch die Kunst ihm sofort heilige Priesterin sein. Nicht die Muse begeisterte dich; es stiegen die Engel Weihend und segnend zu dir, während du maltest, herab.
3. Fromme glückliche Demuth und seelenvolles Vertrauen, Glauben und Liebe hat durch Leben und Kunst dich geführt. [51] Könnte der Genius nicht in kühnerm Schwung sich dem Himmel Stolzer nahen, so daß eins mit dem Ein’gen er ist, Wärst du der christlichste Maler, und so erhebet die Demuth Nicht zum Begeistertsten, doch Frömmsten, Gemüthlichsten dich.
Filippo Bruneleschi.
Herrliche Zeiten, da einst in geselligem Bunde die Künste Sich in Einem zum Werk Aller so thätig vereint! Deinem Florenz zu nützen, hat Rom dich gelehrt, und dein Lohn war Nachruhm, dein Pantheon hast du in die Lüfte gebaut.
Benvenuto Cellini.
Gerne bekenn’ ich, du bist der Ulyß der Künste, so vielfach Trug dich dein guter Humor, Kraft und Genie durch die Welt. Längst schon sperrte die Zeit, die schwarze Zauberin Circe Deine Genossen im Stall ew’ger Vergessenheit ein, Aber durch manche Charybdis erreichtest du endlich die Heimath, Deine Penelope schloß dich in die Arme – die Kunst.
Raffael.
1.
Es giebt Seelen, doch wen’ge, die, reiner als andre, vom Urquell Sich, vom unendlichen Grund alles Lebend’gen, gelöst. Jedes Räthsel der Welt es scheint in ihnen gefunden, Jeglicher Widerstreit hold und entzückend versöhnt. Nimmer trübt sich in ihnen die übernatürliche Klarheit, Und doch sind sie wohl nie sich ihrer Allmacht bewußt. [52] Keines Zweifels erzitternder Hauch regt die liebliche Tiefe Ihres Innern, es ruht stille der Himmel auf ihm. Aehnlich sind sie dem Herrn, der die ungemessenen Kräfte Seiner Natur oft im Bild blühender Rosen verhüllt. Ja sie schaffen wie er! Nicht im Wirbel des Sturms, in des Frühlings Sanft holdseliger Lust sproßt und erschließt sich der Keim, Der sich zur Fülle der Frucht in frischer Gesundheit erschwellet. Nur in der Zephire Wehn reift sie vollendet heran. So ihr ruhiges Wirken. Wie all’ ihr Wesen nur Einheit, Wie selbst die flüchtige Welt ihnen harmonisch erscheint, So am geheimen Punkt, aus dem in vollkommenem Gleichmaaß Sich der entwickelte Stoff rein und gesondert belebt, So das erstehende Werk erfassen sie auch, und bescheiden Zeigt es sich jeglichem Blick, aber es reizt nicht, es ist. Nicht im üppig erquellenden Werden, im schmachtenden Welken, Stellen sie’s eben wo’s ist, wo es entfaltet ist, dar. Drum ist ihr Werk das Höchste: doch jene Schöpfung der Einheit Nennet man schön, die Idee, die sie beseligend weckt, Nennt man Schönheit, und so, o Raffael Sanzio, bist du Der vollendetste mir, weil du der schönste mir bist.
2.
Transfigurazione.
In die glänzenden Himmel in überschwänglicher Glorie Hebt sich der Heiland der Welt über den Tabor empor. Wie er im Lichte zumal der enthüllten Herrlichkeit Gottes, Nicht als den Menschen, wie er Menschen erschienen, sich zeigt, Also dünkt mich, hat auch in seiner vollendeten Hoheit Raffaels Genius sich unseren Augen verklärt.
[53]
3.
Ja schon dem Lichte vertraut und dem höheren Reiche des Lebens Schwand er der Erde nun satt, plötzlich den Jüngern hinweg.
4.
Logen.
Ist dir der heilige Bund, der alte, nicht klar, o so grüble Nicht darüber und sieh Sanzio’s Logen nur an.
5.
Stanzen.
Nenn’ ich euch wohl den Tempel der Kunst? So erscheint die Geschichte: Meinen Tempel hab’ ich, spricht sie, hierin mir erbaut. Aber die Philosophie eröffnet die Schule der Weisheit, Zeigt mit erhabenem Stolz ihre Gewaltigen vor. Zeig’ ich Apoll’ euch nicht und die Musen im Chore der Dichter, Spricht die Dichtkunst, ist nicht mein hier der größte Triumph? Nein, antwortet die Religion, mein tiefstes Geheimniß Und mein Heiligthum ist hier euch vors Auge gestellt. Oeffn’ ich den Himmel euch nicht, und zeig’ euch den Vater im Glanze Seines Thrones, den Sohn nicht und den heiligen Geist? Unser ist dieser Raum, will die Kirche, was hier wir und drüben Lösen und binden, du siehst’s, hier ist mein mächtigstes Reich. Da ertönt’s von Stimmen, es naht die Menschheit, ich habe Mein lebendigstes euch, meinen Charakter, enthüllt. Nehmt denn alle Besitz, für all’ ist Platz in dem Tempel; Mir gehört nur der Schmerz seiner Vergänglichkeit an.
[54]
6.
Madonna del Gran Duca.
Wie voll Unschuld du bist, du süß jungfräuliches Antlitz, So befangen, so sanft, kaum noch der Kindheit entblüht. Schüchtern noch thust du, obwohl schon Mutter geworden, so bist du Dir’s nicht bewußt, und weißt selbst noch nicht, wie dir geschah.
7.
Madonna di Foligno.
In den Himmel erhaben, zur Königin herrlich verkläret, Blieb dir das Herz, wie es war, aber es wuchs dir der Geist. Denn man betet dich an, du umgiebst dich mit strahlender Hoheit, Und der Vater hat dir längst dein Geheimniß enthüllt.
Michel Angelo Buonarotti.
1. Deiner Brust hat die güt’ge Natur nicht den Frieden gegeben, Der, wie der Frühling so zart, alles erheiternd verjüngt. Du verschmähest den sanften Verkehr mit dem Genius, zürnend Stürmest, Titanen gleich, du in den Himmel empor.
2. Nicht wie zu Sanzio geheim in der Stunde der Weihe die Gottheit Niederstieg, und sein Herz ruhig im Schaun sich gestillt, Du hast im Rosenduft den schöpfrischen Gott nicht gefunden, Nur in dem Riesengebäu seiner Planeten erkannt.
3. Hier verfolgtest du ihn mit alldurchdringlichem Scharfblick, Und nicht die Poesie seines unendlichen Werks, [55] Aber das große Gesetz und die ew’ge organische Ordnung Fandest du auf und hast’s kühn und gewaltig zersetzt.
4. Der Verstand ist dein Gott, ein anatomischer Newton, Wolltest du Nahrung für ihn, wo sie in Strömen erquillt Wie du dem eigenen Herzen Tyrann warst, und dem Gemüthe Harter Gebieter, so giebst auch dem Gemüthe du nichts.
5. Zärteres widert dich an, du willst die gigantische Wahrheit, Die das zaubrische Reich holder Gefühle verlacht. Staunen nur magst du erwecken, das Uebrige dünkt dir zu kindisch, Thorheit dünkt’s dir, geliebt, Weisheit, bewundert zu sein.
6. Ungeheuer bist du. Nur die wilde Erscheinung der Geister Ohne das lindernde Maaß trieb und begeisterte dich, Ja der erhabenen Kraft in deinem Busen gefiel nur Wie der Gedanke, so auch Form und Natur kolossal.
7. Deiner männlichen Brust erschien der Schöpfer nur furchtbar, Wie er voll Allmacht der Welt einst sich zu bilden gebot. Weibern Feind und ihren Gespielen, der Anmuth und Zartheit, Kümmert’s dich nicht, daß dich selbst furchtsam die Grazien fliehn.
8. Sanftmuth kennet er nicht und Liebe, Demuth und Duldung Findet da keinen Raum, wo nur der Stolz sich erhebt. Ja, von allen Ideen, die Gottes Wesen begründen, Dünkt ihm die Kraft nur, die Macht göttlich und herrlich zu sein.
9. Also thürmt’ er die Kuppel der Basilik’ in die Lüfte, Schuf er den Moses, und so selber den Heiland der Welt, [56] Also malt’ er das jüngste Gericht und die großen Propheten, Um, wie kein Sterblicher je, dreifach unsterblich zu sein.
Tizian.
Wäre nur sinnliche Wahrheit, und keine höhere geist’ge, Käme Correggio dir nicht, Raffael selbst dir nicht gleich.
Tizian’s Venus.
Das ist Venus, die Göttin, die hohe olympische Schönheit? Nicht die Venus ist das, aber der Venus Geschöpf.
Guido und Tizian.
Hätte Tizian’s Pinsel die Seele Guido’s geführet, Säh’ ich Vollendung im Bund geist’ger und sinnlicher Kraft.
Guido’s Aurora.
Abendröthe der Kunst ist deine Aurora geworden, Warum brachte sie nicht neuen unsterblichen Tag?
Michel Angelo Caravaggio.
Warum mir Caravaggio mißfällt? Weil mir das Gemeine In der Natur nicht, und noch wen’ger gefällt in der Kunst.
Andrea del Sarto.
Weil du die Hölle nur fand’st im Weibe, so hat die Madonna Dir den Himmel dafür in ihrem Antlitz gezeigt.
Claude Lorrain.
Was der Historie Raffael ist, das bist du der Landschaft, Eine Seele hat euch beiden den Pinsel geführt; Was der eine von lauterem Licht in den Menschen gezaubert, Hat der beseelten Natur dieser an Schönheit verliehn.
[57]
Gaspard Poussin.
Du erkanntest sie nicht, die Natur, wie in seliger Ruhe Lächelnd ihr Kind sie im Schooß lieblicher Frühlinge wiegt, Aber sie hat dir dafür gewaltige Wunder verliehen, Auch in der Schwermuth, im Zorn, ist sie noch göttlich und schön.
Canova.
1.
Großer Bildner, es öffnete dir die verschlossene Vorwelt, Deinem gelichteten Blick, alles verborgene Gold. Liebliche Rundung und Fülle, die sinnliche Lust und die Weichheit, Ueppige Formen und Reiz nahmst du in Menge heraus.
2.
Doch wie der Griech’ am natürlichsten ist, so gesellet er weise Weiblichem Reize den Ernst männlicher Stärke zur Hand. So entsteht ein vollkommnes Geschlecht aus der herrlichen Paarung, Und die Schönheit erscheint so vom Verstande geführt.
3.
Diese Vermählung erkanntest du nicht: dir genügte die Weichheit, Und der weibliche Theil ohne den schöpfrischen Bund. Darum wirkst du auch nur mit dem Reiz, dem entartenden, selten Näherst dem weisen Maaß ruhiger Schönheit du dich.
4.
Traurige Zeit, es ist wahr, die griechische Kunst war dem Leben Nah’, und es borgte der Gott sich von dem Menschen die Form. Aber vorüber ist’s nun, Canova’s Götter, sie lernten Nur die Tanzkunst der Zeit, die Toilette nur ab.
[58]
5. Hebe.
Du bist reizend und üppig, ich leugn’ es dir nicht, und die Sinne Fühlen es, schwach ist das Fleisch, ist er auch willig der Geist. Aber ich sorge denn doch, es ist kein uranischer Nektar, Ist nichts Göttliches, was du auf der Schale mir beutst.
6.
Venus.
Wär’ es gewiß, und hättest du nur dem entzückenden Leibe Seine Gewänder verlieh’n, weil dir die Schaam es gebot, Dann verehrt ich sie fast als Höchstes, doch leider befürcht’ ich, Daß du die Lust nur nach dem, was sie verbergen, erzielst.
7.
Pietà.
Eine treffliche That des edeln fühlenden Herzens, Wenn sie auf blumigem Weg schon in den Himmel uns führt, Dann, Canova, hat dich dies einz’ge unsterbliche Bildwerk Auch aus des Irrthums Gewalt in den Olympus geführt.
Thorwaldsen.
1.
Größerer Bildner, es öffnete dir die verschlossene Vorwelt, Deinem gelichtetern Blick, tiefer verborgenes Gold, Und nicht den sinnlichen Reiz, den erhabenen Sinn und die Hoheit, Geist und Schönheit, Verstand nahmst du begeistert heraus.
2.
Dir ist die Grazie erschienen in hoher schweigender Weihe, All’ ihre Seele hat sie, all’ ihren Ernst dir enthüllt. [59] Denn zur Seite ging ihr der Schönheit Schwester, die Weisheit, Und erschloß dir zum Schau’n dieser Gesichte den Blick.
3.
Darum irrtest du nicht, in der sinnlichen Hülle dich täuschend, Sinnen erscheint nur der Sinn, aber dem Geiste der Geist. So erkanntest du sie, wie sie ist, die Göttliche, Ernste, So begeisterte sie dich zum geweihtesten Werk.
4.
Keusch war sie dir, sie nahm nur zum Schein, zum lieblichen Sinnbild Einen weiblichen Leib, einen unsterblichen um. Nur als Priester bist du in ihrem Tempel, und stellest Auf dem Altar ihr Bild, wo du sie sahest, ihr auf.
5.
Jason.
Nenn’ ich dich einen Hero’n? Hast du nicht den rohen Barbaren, Hast du das goldene Vließ ihnen der Kunst nicht geraubt? Wahrlich, du mußtest’s zuvor, und eine Zauberin half dir, Denn wie hättest du sonst Jason der Nachwelt geschenkt?
6.
Alexanders Triumph.
Jubelnde Völker, sie ziehen dem Völkerbesieger entgegen, Um den Einzigen reiht sich zum Triumphe die Welt. Groß ist des Helden Triumph, und verewigt hat ihn die Geschichte, Einen größeren kaum feiert der Künstler in ihm.
7.
Christus und die Apostel.
Hoh’ und göttlich erscheint der Lehrer der Erde den Jüngern, Wie sie auch seien, du siehst immer den Einzigen an. [60] Also blendet den sterblichen Blick unsterbliche Größe, Also stehst du allein unter den Jüngern auch da.
8.
Wär’ es möglich, versucht’ ich’s zu rühmen, was huldreich der Genius Deinem Gedanken, was er all’ deinem Meißel vertraut, Dann auch wüßt’ ich, wie möglich, daß nun der Genius der Vorzeit In der Mitwelt so reich, männlich und thätig sich zeigt.
9.
Merkur.
Aber ich schweige. Schon naht in der Kraft der Jugend und Schönheit Aus der Wohnung des Zeus mir der geflügelte Gott. Das ist die ewige Jugend, ein himmlischer Leib – und er kündet, Eben vom Vater gesandt, dir die Unsterblichkeit an.
Dichter.
Dante.
1. Alle beten dich an, und keiner versteht dich, die Frage Ist es nun einzig, was sie thäten, verstünden sie dich.
2. Sage mir redlich, mein Freund, wie gefällt dir Dante’s Comedia? – „Ei, ich bin orthodox, halt’ an der Mode mich fest.“ – Aber wie so? „Nun ja, das Centrum aller Romantik Ist es nach Schlegel, und ich lese die Dichter nach ihm.“
[61]
3. Hier gilt nur das Commando, man stößt in die stolze Trompete, Und als gemeiner Mann folg’ ich den andern getrost.
4. Bücher verderben die Deutschen, Journal, Kritik und die Zeitung Trommeln so wüthend, daß man’s eigene Wort nicht mehr hört.
5. Der ruft: das größte Genie ist Shakespeare, jener Cervantes, Calderon dieser, und der: Alighieri nur ist’s! Alle schreien, ich schreie mit ihnen, und schwinge die Mütze, Shakespeare, Cervantes und Don Calderon, Dante Genie!
6. Reinen Geschmack such’ ich, und lautre gediegene Schönheit, Doch ein scholastisch Gewand steht dem Apollo nicht an.
7. Staun’ ihn an, wie den mächtigen Dom, vor dem er gedichtet, Das ist ein riesig Gebäu, ist ein erhabenes Werk, Düster wehet’s aus ihm; der Geist der Vergangenheit wandelt Zürnend darin und erweckt dir die Geschichte vom Grab. Dich erschüttert die Größe, das Heilige, das in gewalt’gen Liedern am Altar ertönt, füllt dir mit Schauern das Herz. Aber bist du ein Freund vollendeter griechischer Schöpfung, Suchst du im Riesigen nicht, nur in der Schönheit die Kunst. Aber bist du ein Feind des alten katholischen Ritus, Stößest du tausendmal an Ceremonien dich an.
8. Bist du gewohnt, mit Homer durch Himmel und Erde zu wandern, Suchst du die Klarheit und gern sicheren Boden und Tritt, So erscheint dir der Geist Alighieri’s, fantastische Wolken Tragen im düsteren Sturm dich ins Unendliche hin. [62] Statt den heitern Gebilden, den menschlichen, die du verstehest, Zaubert vom Abgrund er dir wesenlos furchtbares auf. Ungeheures umgiebt dich; du fassest es nicht, die Scholastik Füllet mit dunkeln Ideen Himmel und Hölle dir aus. Endlich kommt noch die Theologie, der gefräßige Veltro, Und für die Poesie bringt sie das jüngste Gericht.
9. Willst du Philosophie, so suche sie in der Geschichte, Liebst du die Theologie, halt’ an dem Glauben dich fest, Möchtest du reine poetische Form, so find’ im Homer sie, Sophokles zeigt sich, es zeigt selbst sich Anakreon dir. Wärest du sentimental nach deutscher Mode, so giebt dir Dante nicht viel für dein Herz, aber für deinen Verstand.
10. Senkt er sich aber zur Erde voll Zorn und göttlichem Unmuth, Straft er das Laster, und blickt er sein Italien an, Ist er nur Florentiner, und geißelt er seine Geschichte, Dann verehr’ ihn, er spricht wie ein gewalt’ger Prophet.
Petrarca.
Ist dir die Liebe der Faden, woraus das Weltall gesponnen, Der alles Wesen und selbst Gräschen und Sterne verknüpft, Dann in Francesco vielleicht hast du den Dichter gefunden, Der das geheime Gespinnst bis an das Ende verfolgt, Aber ich sorg’, es hanget die Welt noch an anderen Dingen, Und die Lieb’ nicht allein gab ihr Bewegung und Sein. Darum mag’s dich verdrießen, wenn Laura nur wie zum Halsschmuck Himmel und Erde Petrarc’s schwärmender Sinnlichkeit trägt; Oder es langweilt dich: er leiht dir die magische Brille, Aber dein kälterer Sinn siehet zuletzt nur ein Weib.
[63]
Boccaccio.
Laß in den Garten mich ein, wo deine Versammlung erzählet, Immer hab’ ich ja gern lustige Schwänke gehört; Glücklich sind die, so dir lauschen, gewiß der olympische Vater Schämte sich nicht und mit Lust hört’ ein Histörchen er an. Glücklich sind sie. Doch über den Alpen versteht man die Späße Nicht mehr, in Deutschland ist man allzu gebildet und fein. Man erröthet, man spricht von Moral, und hat sie im Munde, Aber im Herzen ist man, aber im Leben ihr Feind. Doch so ist’s immer. Man trieb in Eden Alles in Unschuld, Und nach dem Sündenfall kam erst der Teufel in Ruf.
Ariosto.
1. Schwing’ auf den Hippogryphen dich auf, und waffne mit Zauber, Waffne mit magischer Kraft Sinn und Verstand dir und Geist. Denn es droht dir die wimmelnde Welt, die begeisterte Willkür, Tausend Sirenen hinab dich in den Wirbel zu ziehn. Ist es nicht so, als hätt’ in fantastisch munterer Laune Gott nur zum Zeitvertreib seinen Planeten gemacht? Halte dich fest, du verlierest dich selbst; der rasende Dichter Nimmt dir das Hirn und hinweg setzt es dir’s kühn in den Mond. Still, mit der alten Mama, der Natur, ihr Gesetz ist vorüber, Und von Magiern und Feen, zaubernden Todten und Frau’n, Fliegenden Rossen, krystallnen Kastellen und Wundern des Meeres, Lanzen und Hörnern und Schild ist sie verlacht und geneckt. Dennoch öffnet sie zärtlich den Schooß, und die süßesten Blüthen, Und den unendlichsten Reiz beut sie verschwenderisch dir. [64] Himmlische Frühlinge wehen dich an, und Jugend und Freude, Selig melodisch ertönt dir aus den Sternen Musik. Laß sie kämpfen die Helden, und tausend Lanzen sich brechen, Sammle zur blutigen Schlacht Karl und der Mohr auch sein Heer, Dennoch hängt der Dichter die tolle schwärmende Erde An einen Blumenkranz wie eine Perle dir auf.
2. Suchst du die brennendste Gluth der Liebe, die Schönheit der Treue, Hat Beatrice dir nur Andacht und Schwindel erweckt, Ist dir auch Laura’s Bild im unendlichen Aether verschwunden, Ach, so hast du gewiß mit Bradamanten geweint! Diese Thränen sind süßer als jenes kalte Erstaunen, Nur wo ein menschliches Herz, fühlest die Liebe du mit.
3. Dante’n führte Virgil und die überschwängliche Freundin, Und in den Tiefen und Höhn droht dir der Athem zu fliehn, Aber der heitre Humor, der begeisterte, wohnte der holden Grazie bei, und es kam so Lodovico zur Welt.
Tasso.
Du wirst bleiben, so lange Musik und melodischer Wohllaut Dein entzückendes Welsch noch sich zur Wiege bestimmt, Und so lange die Lieb’ in zärtlichem Feuer die Sprache Der Musik, und des Reichs lieblicher Töne sich wählt. Aber Homer, er gefällt mir schon nicht im Virgil, wie gefiele Darum in deinem Gedicht, Tasso, mir gar nun Virgil?
Alfieri.
1. Gäbe dir Shakespeare nur von seiner Kenntniß des Herzens, Tauschtest du reinern Geschmack, klassische Formen ihm ein.
[65]
2. Es ist wahr, du bleibst in Italien ein trefflicher Dichter, Deiner versunkenen Zeit warest du herrlich und groß. Und der Tyrannenhaß, der die Völker in Gährung geschüttelt, Füllte mit Stolz und mit Zorn über das Niedrige dich. Männlich sprichst du, ja selbst der Kothurn ist dir nicht erhaben, Hoch genug und du streckst gar mit Gewalt noch dich aus. Das ist traurig, den Griechen allein nur wäre die Hoheit Tragischer Sprache Natur, aber der Nachwelt nicht mehr?
Metastasio.
Lieblich bist du, ich lese dich gern, ich höre dich lieber, Wenn dich ein römischer Mund, wenn der Gesang dich beseelt. Dir fehlt’s nicht an treuer Natur und artiger Einfalt, Immer das Nächste nur bringst du verständlich mir vor. Deine Sprach’ ist entzückend, ich lausche dem zärtlichen Dichter, Aber sprächest du deutsch, fänd’ ich den Dichter nicht mehr.
Goldoni.
1. Spendet der Gott der Freude dir einen Becher voll Weines, Halt ihn beisammen und wirf nicht in den Ocean ihn. So auch wäre Goldoni mir viel, doch Talent und Gedanken Seh’ ich nun leider im Meer seiner Komödien verschwemmt.
2. Dir wohl reicht’s zur Komödie, tritt eine Dame der andern Nur auf den Fuß, auf das Kleid, – aber nicht mir, mit Verlaub.
3. Die Komödie scheint nur das Kind politischer Freiheit, Drum bei den Griechen auch nur sahen politisch wir sie. Wir sind allzu politisch, um die Verkehrtheit zu geißeln, Und die Komödie hilft äußerst politisch sich durch.
[66]
4. Alte Freiheit wählte den Staat und das offene Leben Sich zum Schauplatz, doch uns bleiben die Stuben kaum frei. Darum zürne mir nicht, wenn unsre Komödien schlecht sind, Außerm politischen Joch blieb uns die Ehe ja nur.
Sonettendichter.
1. Eins wie das andre! Journal und Almanach, Zeitung und tausend Uebersetzungen macht nun man auf deutschem Parnaß. Was ist Apoll geworden? Ein Spekulant, und Fabriken Legt er sich an, und kaum treibt er’s Papier noch sich auf. Stets an der Press’! und die Hand, von der Druckerschwärze beschmutzet, Wäscht er am Sonntag sich rein im kastalischen Quell. In Italien aber, da schreibt man Sonette zusammen, Anakreontica und Hendecasyllaben auch. Tausende liest man vor in den Akademien am Tiber, Professoren sind es, Monsignori dazu, Cavalieri, Grafen, Abbati, Barone, Doktoren, Alle Stände, doch fehlt einzig der Dichter dabei.
2. Und sie conjugiren: ich liebe, du liebest, er liebet, Ich bin, du bist, er ist – nichts als ein schlechter Poet.
Rosa Taddei.
Träumt’ ich die Muse zu sehn, so laß mir den Wahn! auf Papier nur, Doch auf lebendigem Mund sah ich noch nie ein Gedicht.
Sgricci.
Sicherlich ist’s zum Erstaunen, er improvisirt mir im Fluge Wie der Wind so ein Ding, wie ‘ne Tragödie, her. [67] Jahre studieren andre daran, ein Abend genügt ihm, Wie sie an Einem entsteht, so auch vergeht sie an ihm.
Improvisatori.
Wie sie singen, wie sie die Muse befeuert, wie wüthend Sich im entzündeten Kampf wechselnd beginnen ein Lied: Bauern sind es zwar nur, Sackträger und Pizzicarole, Stiefelputzer und solch Lumpengesindel der Stadt. Aber sie sind mir lieber, denn ihresgleichen in Deutschland, Die man zwar nirgends liest, aber zu Tausenden druckt.
Künstler und Liebhaber.
An die Supranaturalisten in der Kunst, Fiesolaner, Nazarener, die vom strengen Stil u.s.w.
1. Meinet ihr wohl, weil der Heiland der Welt an der Krippe geboren, Sei auch ein Eselsstall eben genug für die Kunst?
2. Arme Bethlehemiten, es kommt der krit’sche Herodes, Weh’ euern Kindern, es bringt hier nur das Aechte sich durch.
3. Viele lieben das Dunkel und haben so gänzlich nicht Unrecht, Denn die Schwachheit thut wohl, wenn sie ins Dunkel sich hüllt. Spärlich brennt euch die Lampe der Kunst, und Fiesole wird nur Still andächtig von euch tief in der Dämm’rung verehrt. Aber sagt mir, ihr Herrn, betrachtet man Bilder im Dunkel, Oder blendet euch gar Raffaels Sonne den Blick?
[68]
4. In den rauhen Gebirgen, die hoch zum Himmel sich thürmen, Die zuerst und zuletzt, Sonne, dein Angesicht schau’n, Trifft man des Goldes genug; sie sind nicht jedem besteigbar, Dem ist der Athem zu lang, jenem die Brust zu gepreßt. Ströme rollen von ihnen aus unerschöpflichem Urquell, Mancher hat schon daraus für sein Bedürfnis geschöpft. Ihnen vergleich’ ich Angelo’s Geist und Angelo’s Werke, Ob mich einer versteht, ob mich die Liebe nicht täuscht, Doch im Flachen findet man nichts als schmächtige Bäumlein. Findet man Gräslein und Staub, Würmer und Heilige nur.
5. Fragt die Geschichte, sie lehrt: mit Angelo’s jüngstem Gerichte Rief die Posaune die Kunst selber zum jüngsten Gericht.
6. O der traurigen Zeit, was gilt die Natur und die Wahrheit, Was die Kunst, es wird jetzt Alles durch Künstler ersetzt.
7. Freilich man geht am Apollo vorbei und zucket die Achseln, Wo der Gott nichts mehr ist, gilt auch die Weisheit nichts mehr.
8. Schweigt nur vom Pantheon still, das ist ja ein heidnischer Tempel, Statt des alten Olymp wird nun der neue verehrt.
9. Steinen prediget man und Tempel werden katholisch – Und der rächende Mars räumt der Madonna den Platz.
10. Lug und Trug war Alles, nun ist die Wahrheit erschienen, Statt dem Mythus regiert jetzt die Legende die Welt.
[69]
11. Gothisch ist eben das Pantheon nicht. Es wußte der Schöpfer Nichts von gothischer Kunst, da er den Himmel gewölbt.
12. Ihr erwidert, berechne die Zeit, da Fiesole malte, Ei das thu’ ich, allein just die gefällt mir nicht ganz.
13. Ich erwidre, berechnet die Zeit, in der ihr euch reget, Ewig rollet sie fort, aber ihr bleibet zurück.
14. Nichts ist vollkommen, Fiesole auch hat seine Gebrechen, Wählet das Gute mir aus, lasset das Schlechte mir stehn.
15. Tief ist die Kunst gefallen, entgegnet ihr, einst die Gespielin Frommen Glaubens – ei nun, wo ist der Glaube denn hin?
16. Alles zu seiner Zeit, des Cornelius rühmt sich der Nepos, Aber dem Avus geziemt’s quitt mit Grammatik zu sein.
17. Göttliches maltet ihr gern? Das Göttliche wohnt im Verstande, Und ein verstandlos Gemüth nennt man zuweilen auch dumm.
18. Göttliches maltet ihr gern, es enthüllt sich der Kunst in der Form nur, Darum wünscht’ ich mir auch göttliche Formen gemalt.
19. Manierirt und barock ist Angelo’s Moses? Wohl etwa Weil es euch eben nicht scheint, daß er viel Magro gespeist?
[70]
20. Das sind Bäume, so wie sie uns Pinturichio gemalt hat – Ja getrocknet sind die, wie in der Bibel gepreßt.
21. Malet doch sonst nur nichts als alttestamentliche Männer, Aber vergesset mir nicht, keiner davon war getauft.
22. Ihr verachtet die gute Natur, und ihr Muster und Vorbild, Ist es Neid, weil sie euch etwas zu sparsam versehn?
23. Wie der Esel, ihr kennet ihn wohl, dem muthigen Rosse, Gleichet dem Menschen die Art Heiliger, wie ihr sie malt.
24. Gute Kritik ist nöthig, wie Brod, drum tüchtig gesäuert, Daß uns das Gute noch mehr schmecke, hinweg mit der Spreu.
25. Aber die gute Kritik passirt ihr leider so wenig, Als ein Kameel nach des Herrn Wort durch ein Nadelöhr geht.
26. Stille, ledern ist er, der belveder’sche Apollo! Ledern? Bleibet doch nur, ärmliche Schuster, beim Leist.
27. Michel Angelo’s jüngstes Gericht ist ein rohes Gebilde, Seht mir den Christus nur an, welch ein Charakter ist das? Ist er nicht wie ein Pizzicarol, Lastträger und Bierwirth? Welch eine feiste Figur, welche gemeine Natur! Sieht er nicht aus, als rief er, daß euch die Schwernoth – vielleicht ja, Daß dich der Henker, o du kleinliches Pinslergeschmeiß!
[71]
28. Was ist gegen Fiesole doch so ein Guido! – Das selbe, Was wohl der Kerzendampf gegen das Sonnenlicht ist.
29. Sei er ein Sternchen auch, so ist Guido der Vollmond; ein Sternchen Ist, wie ihr wißt, uns so fern, daß es im Vollmond erbleicht.
30. Einmal starb für die Sünden der Welt der Erlöser, o stürb’ er, Für die Sünden der Kunst endlich doch einmal in ihr.
31. Höre man doch, was in heutiger Welt man wunderlich plaudert, Wie nur so paradox, wie so genial man sich stellt! Fromme Künstler behaupten in Rom: Buonarotti, der Rohe, Raffael ist’s, der die Kunst schon ins Verderben gestürzt. O noch haben wir Trost, noch Hoffnung, ihr Herren! So sicher, Wie sie durch Raffael sank, hebt sie durch euch sich empor.
32. Die Verklärung ist nichts, noch weniger seine Madonnen, Frömmigkeit fehlt und der Geist, den nur Fiesole hat. Raffaels erste Manier ist noch hübsch, ja manchmal vortrefflich, Da er noch steif, da er noch heilig wie Giotto gemalt.
33. Still von Homer! Das ist nun vorbei auf immer, die deutschen Nibelungen sind doch andere Waar’ als Homer. Was die Menschen dort sind, das sind kaum homerische Götter Und was die Thiere Homers – scheinet kaum ihr, meine Herrn.
34. Unter die schönen Künste hat man nach alter Aesthetik Einst auch die Malerei, wenn ich nicht irre, gesetzt. [72] Nun ist’s anders! Man kann es nicht mehr mit gutem Gewissen, Weil man zum Henker ja doch Heil’gengerippe nur malt.
35. Ist es euch wirklich zu eng, das weite Gebiet der Aesthetik, Durch eine häßliche Kunst wünschtet ihr noch es vermehrt?
36. Statt dem einzigen Gott, der ew’gen unendlichen Schönheit, Habt ihr ägyptischen Dienst, Ochsen und Götzen gewählt.
37. Lauter Frömmigkeit ist er, und lauter Sanftmuth und Güte, Und das Christenthum nur hat ihn so menschlich gemacht. Magro speist er getreu dem Gesetz, und geht in die Messe, Frommes malt er, dem nur Fra Giovanni gefällt. Willig duldet sein friedliches Herz, nur aus christlichem Ingrimm Schlüg’ er uns alle, die wir schlimm von ihm denken, ans Kreuz.
38. Niemand wär’ ein Urtheil erlaubt, der den Pinsel nicht führet? Sei’s denn, verdienet ja sonst niemand solch Elend zu sehn.
39. Täglich predigen, lehren und drohn der Sistina Propheten, Aber das Volk hört sie nicht, und das Verderben ist da.
40. Jeder beschimpft ja den andern. Drum, wenn mich einer befraget, Sage, wen meinst du damit – „Grade denselben, wie du!“
[73]
An die Mißgünstigen unter den Künstlern.
1. Er ist ein Künstler? – „Ein Maler!“ – In Rom gewesen? – „Versteht sich!“ Ist es möglich? – „Ja wohl, sehen Sie, hier ist mein Paß.“
2. Lorbeer wollt’ ich von euch? O ihr irrt, denn ihr, meine Freunde, Seid ja der Feigenbaum, den der Erlöser verflucht.
3. Ihr seid Künstler? Ihr malt und meißelt! Doch seid ihr es darum? Straßenpflaster ist doch immer Mosaik noch nicht.
4. Ihr karikiret mich schlecht! Hut, Strümpfe, Hosen und Schuhe Habt ihr getroffen, doch längst legt’ ich sie alle hinweg.
5. Stechend seid ihr zum Staunen, so wie die römischen Wanzen, Deren stinkendes Volk nächtlich dem Lager entkriecht.
6. Man zernichtet euch nicht? Davor behüt’ uns der Himmel, Wenn man die Wanze zerquetscht, stinkt sie entsetzlicher noch.
7. Wie die Mücken sind manche von euch, so hungrig und dummdreist, Wo ihr ein Licht nur bemerkt, brennt ihr die Flügel euch an.
8. Jeder sagt mir, der andre malt schlecht, der andr’ ist ein Stümper! Aber wem glaub’ ich denn wohl? Jedem, vergebt es dem Lai’n!
[74]
9. Bleibt vom römischen Forum hinweg, vom Felde der Stiere, Warum malet ihr sie? Besser, ihr spanntet sie an!
10. Nur sechs Wochen in Rom? Da konnt’ er ja kaum sich ein Urtheil Bilden – „Possen, o das hab’ ich schon vorher gefällt.“
11. Als das Scherbengericht den gerechten Athener verdammte, Kam auch ein ärmlicher Wicht zu Aristides und sprach: Schreibe mir doch auf die Scherbe: verbannt, ich weiß nicht zu schreiben, Und es verdrießet mich doch, daß so gerecht man ihn nennt. Vieles lehrt die Geschichte, die Mutter jeglicher Weisheit; Deutet, mir dünkt es nicht schwer, dieses Histörchen auf euch.
Landschaftmalerische Kuriosität.
Ihr seid närrische Leute, da wandelt ihr durch die Campagna, Wie durch die Gallerie, immer mit kritischem Blick. Das sind Linien, Gründe, Gebirge, Beleuchtungen, Tinten, Aber das ist nicht nach Clauds, das nicht nach Poussins Geschmack.
Märtyrer im Vatican.
Nein, das nenn’ ich Tortur, das ist eine Strafe, so schrecklich, Daß sie der Maler allein, der sie gebildet, verdient.
Porträtmaler.
Herrlich getroffen, mein Freund! Der Fernhintreffer Apollo Wirkt in homerischer Zeit, wie in der heutigen noch.
Architekt.
Das ist schlimm, wie die Architektur so schrecklich gefallen, Darum bin ich nach Rom, bess’res zu lernen, gereist. [75] Jahrlang hab’ ich daselbst das Pantheon und den Farnese, Tempel, Basiliken und alle Paläste studirt. So erlernt’ ich guten Geschmack; die ästhetischen Regeln Wend’ ich zu Hause nun auf Hühner- und Schweinestall an.
Gothischer Architekt.
Nun auch vom Friedenstempel, was ist Ihr Urtheil von diesem? Ei, er gefiele mir wohl, wär’ er nur gothisch gebaut.
Landschaftmalerische Hyperbel.
Hast du den Himmel gesehn heut’ Abend? – „Nein, und wie war er?“ – O welch herrlicher Claud, ach welch ein himmlischer Ton! „Und die Campagna, wie war sie?“ – Nur Claud in Himmel und Erde, Jeglichen Pinselstrich hab’ in der Luft ich gesehn!
Deutscher Kopist.
Beefsteaks haben das Geld, und der Deutsche den Beutel, ich male Wüthend drauf los und so fällt doch in den Beutel das Geld.
Landschaftsmaler.
Französischer.
Fürchterlich saust der Orkan; es schäumt das Meer aus dem Grund auf, Wolken bersten, es scheint heut’ die Natur zu vergehn. Regen schüttet, es zittert die Erd’, es wüthet der Donner, Eichen splittern, der Wind wurzelt in Wahnsinn sie aus. Grauenerweckende Nacht! der verheerende Blitz nur beleuchtet, Stürme wehen das Haar schrecklich dem Maler empor, [76] Stürme fassen ihm schon den Regenschirm, und der Blitz zuckt Flammend auf ihn, doch er bleibt, malt und studirt die Natur.
Deutscher.
Welche Natur! welch Studium ist’s, das kostet des Schweißes, Kostet der Tage so viel, ach und das Geld ist so rar. Was nur der Ultramarin mich geängstiget! Doch ist’s der Himmel, Ist es das Ganze, der Geist, was ich erziele, noch nicht. Nein! der Vordergrund ist’s, ob dem ich möchte verzweifeln, Sieben Monate schon schaff’ ich mit Eifer daran. Aber es glückt, und ich mache nun doch zwei gemüthliche Blümlein Täglich, und schon hab’ ich hundert und zehen gemacht.
Italiänischer.
Hurtig, Postillon! Cospetto die Bacco! Die Pferde Laufen wie Mähren und ich habe nicht länger Geduld. Das will Eile! Der Hügel in Rom sind sieben, und alle Muß ich haben, und noch jeden von hinten und vorn. Hab’ ich die Extrapost doch bezahlt! Drum hurtig, Herr Schwager, So in Flug und Galopp nehm’ ich das Ding mir hinweg.
Historienmaler.
Französischer.
Wähle den Stoff nur gut, er sei fein klassisch, denn einzig Ist es das Klassische nur, was mit der Kunst sich verträgt. Römer und Griechen und Mythologie sind klassische Quellen, Aber verstehe mich, daß du den Effekt nicht vergißt. Ungewöhnlich sei Licht und Reflex, Halbschatten und Schatten, Denn das Gewöhnliche bleibt einmal für immer gemein. Was die Antike betrifft, so ahme den Reiz und die Wollust, Ahme die sinnliche Form, aber die Kälte nicht nach. [77] Gieb der Venus ein üppig Gelock, und künstliche Blumen, Und so lüstern sie kann, liege die Schmachtende da. Bildest du Helden, so bilde sie mir in rasender Stellung, Nimm das tragische Spiel großer Acteurs zum Modell. Componirest du Cäsars Tod, so denke, du malest Furien, und daß der Blick stier nur und fürchterlich ist! Nur nichts an Farben gespart, du hast auf Augen zu wirken, Und auf die Menge, was gehn Sinn und Verstand dich denn an?
Deutscher.
Religion ist die Seele der Kunst und heil’ge Geschichte, Und die Bibel allein bringt ihr Gedeihen und Heil. Glauben und Frömmigkeit sei’s und stille christliche Demuth, Und der heilige Geist, der dich beseele zum Werk. Fliehe vor allem den Reiz der Sinnlichkeit, denn der Aesthetik Ist sie Sünd’, ist sie Tod, wie der Moral sie es ist. Geist, unsichtbares Wesen, geheimnißvolles und tiefes Hast du zu malen, und nicht irdische niedre Natur. Denn nach ihrem Gesetz, nach ihren lieblichen Formen Schaue du nicht, das genügt einzig dem heidnischen Sinn. Aus der eigenen Tiefe, dem innern Schauen und Fühlen So empfange dein Bild, schaff’ es von innen heraus; Und weil wir unsichtbar Unsichtbares bilden nicht können, Sei’s von der groben Natur wenigstens gänzlich entfernt. Drum mit wenigem Fleisch und himmlischer Magerkeit kleide Deine Heil’gen, so daß fast ihre Seelen man sieht. Alte Meister, sie lehren es dich, mit frommer Verehrung Schaue sie an, und es wird dir das Geheimniß enthüllt. Besser sind ihre Fehler, als selbst die Tugenden Neu’rer, Bete Fiesole an, Guido verachte mir brav. Bleibst du in Armuth auch, und schätzt man hienieden dich wenig, Ist dir die Gnade dafür, jene von oben, gewiß.
[78]
Englischer.
Original vor allem, und voll der tiefsten Gedanken, Unergründlich und groß sei dein erstaunliches Werk; Führ’ es gigantisch aus, und vierzig Schuhe sind wenig, Denn ein gewaltiger Geist will auch gewaltigen Raum. Jage mir nicht nach Effekt, und halte nicht streng an Natur dich, Ungeheures will ich, Seltsames bilden und sehn. Wage nur keck, und vertrau’, in tausend Verkürzungen balle, Wind’ und drehe die Schaar fliegender Engelchen du. Wähle das Schwierigste nur, das Ungewöhnlichste sei dir Vorwurf. Malst du vielleicht einst des Erlösers Geburt, So bevölkre zuerst mit etlich Dutzend verschlungner Gruppen die wimmelnde Luft, male den Kindermord auch! Vorn auf ehlichem Bett sei die Madonna gelagert, Joseph bei ihr, doch dabei laß mir die Tradition. Jupiter schein’ es vielmehr und Juno; der heilige Knabe Sei es allein, der den Sinn, der die Gestalten erklärt. Und zum Zeichen des Siegs, den Davids Linie glorreich Nach den Verheißungen jetzt über die Feinde gewann, Male zur Seite des Christ den Riesen Goliath, wie er Erderschütternd im Meer dampfenden Blutes sich wälzt. Geld ja hast du genug, drum bleibe fein original mir, Denn dem Britten geziemt’s nicht wie ein andrer zu sein.
Die Engländer über den Vatican.
Schad’ ist’s wahrlich, daß doch das vatican’sche Museum Eingesperrt ist in Haus, Zimmer und Saal und Gemach. Besser stünd’s auf dem Corso in Einer Reihe, so könnte Man’s mit weniger Zeit doch auch zu Pferde besehn.
Sistinische Kapelle.
Nun so seh’ ich doch endlich einmal die berühmte Kapelle, Aber das närrische Zeug, dort an der Decke, was ist’s? [79] „Wie? ich verstehe Sie nicht, das sind Angelo’s große Propheten!“ – Spaß bei Seite, mein Freund, wär’ das der Michel im Ernst?
Kunsturtheil.
Kommen Sie doch, welch Gepinsel ist das, das ist ja erbärmlich, Welch eine Farbe! – „Mein Herr, das ist ein Tizian doch!“ – Richtig – ein Tizian – es ist wahr – ich erkenn’ es, ja freilich – Ja ‘s ist ein Tizian – ist ein vortreffliches Bild.
Stanzen des Raffael.
Sagen Sie mir, um Vergebung, was stellt das Ding an der Wand hier Eigentlich vor? – „Ei das ist ja die Schul’ von Athen!“ – So, die Schul’ von Athen? Nun führen Sie doch mich, ich bitte, Weiter, ich möcht’ auch gern Raffaels Stanzen besehn.
Vatican.
Ist’s denn wirklich so groß, das vatican’sche Museum, Wie viel hätte man denn nöthig, es ganz zu durchgehn? „Wohl drei Stunden, mein Herr, doch die Kunst –“ Ich bin ein berühmter Läufer, basta, und so komm’ ich in anderthalb durch.
[80]
Vermischtes.
Triumphbogen des Septimius Severus.
Siegesbogen errichtete man den Heroen zum Denkmal, Was sie vor andern, so wie was sie für andre gethan. Steig’ ich vom Capitol, so steht mir einer vorm Auge, Den uns Kronion, doch nein, den uns Barbaren bewahrt. Und wie der Cäsar einst mit seinen Heeren hindurchzog, Treiben da unten auch nun Hühner und Gänse sich um.
Triumphbogen des Titus.
Vieles erzählt die Geschichte von Titus’ menschlicher Güte, Und das dankbare Rom hat ihm dies Denkmal geweiht. Noch verehrt die liebende Welt den liebenden Heiden, Hat vor der Liebe ja nun auch der Verstand sich gebückt. Kapuziner durchziehen das Thor mit frommem Gesange, Und statt dem Lorbeer bedeckt nun die Kapuze das Haupt.
Friedenstempel.
1. Wirklich, des Friedens Tempel ist noch der Tempel des Friedens, Und die heutige Welt schließt an die alte sich an. Wo der Römer bejahte, da hört man „Yes Sir“ die Menge, Und im Tempel geht’s noch leidlich und „very well“ zu.
2. Was, wo das Alterthum dem Frieden Altäre geweihet, Trägt die Nachwelt des Streits glühende Fackel hinein? Welch ein Geräusch? Ist Marius wieder, ist Cäsar gekommen, Droht Catilina mit Tod, Feuer und Knechtschaft der Stadt? Um Vergebung, der Tag ist zu heiß, und ein Haufen Minenti Findet’s im Heiligthum selber zum Mora bequem.
[81]
3. Auch auf der Vorwelt Grab erblüht noch lebendige Schönheit, Und aus gebrochnem Gestein äugeln noch Blümchen hervor. Jene Tage sind hin, wo der Mensch sich in rühmlichem Frieden Mit dem Bruder, sich selbst, und den Unsterblichen sah. Freilich hat die zerstörende Zeit mit den stärkeren Menschen Ihre Werke, sogar Tempel und Gräber zerstört, Und das gewaltige Haus des Friedens stürzte zu Trümmer, Aber den Trümmern umblüht Lorbeer und Myrthe die Stirn.
4. Friedenstempel, du bist vor allem nah mir am Herzen, Ach dein Schicksal hab’ ich mehr, als mir gut war, gefühlt. Einst auch wölbte sich mir ein seliger Himmel voll Frieden, Und mein glückliches Herz war ihm zum Tempel geweiht. Nur dem verwandten Gemüth ersteigt aus der düstern Ruine Tief in den Schatten der Nacht wieder der magische Bau. Doch die kleinliche Welt hängt gleich bei Tage die Wäsche Und den ekligen Kram in der Ruine mir auf.
Aquädukte.
Sage mir doch, was hab’ ich mir wohl von den Bögen zu denken, Die so entsetzlich hinaus in die Campagna sich ziehn? „Aquädukte nennt man’s, mein Freund, womit man in Rom so Wie auf dem deutschen Parnaß alle die Zeitungen kriegt.“
Ponte rotto.
Eine zerbrochene Brücke, was ist’s, kein Wunder am Ende! Alles vergeht, und der Welt wird’s nicht viel besser geschehn. Dererlei merkt man sich nicht, auch wenn die Brücke sich weigert, Mit dem gefallnen Geschlecht über die Tiber zu gehn.
[82]
Tempel der Minerva Medica.
Armer Tempel, wie droht dein Rundgewölbe zu stürzen, Nur das mächt’ge Gebälk hält dein verwittert Gebäu. Wenn die Weisheit nichts gilt, die heilende, fällt auch der Tempel, Und aus Sonderbarkeit hält man das Ding noch so so.
Tempel des Jupiter Stator.
Dir erbaute das siegende Rom, o Jupiter Stator, Dankbar ein Säulenhaus, weil du es siegen gelehrt. Herrscher, durch deine Macht triumphirte der Römer und beugte Seinem Scepter die Welt, die du für deinen bestimmt. Freilich warst du ein heidnischer Gott, und glichest den Menschen, Doch die Menschen dafür glichen dem Göttergeschlecht. Nun ist’s anders, am Haus des Olympiers hängen Gerüste, Und mit Zirkel und Maaß forscht man das Dasein ihm aus.
Pantheon.
1. Sei mir gegrüßt, ehrwürdiges Haus des alten Olympus, Götter und Menschen, umsonst such’ ich sie wieder, du bliebst! Aber warum? Man hat dich mit Eselsohren geheiligt, Und nach dem Sprichwort hast selbst du mit den Wölfen geheult.
2. Welch erschrecklich Gesicht, es hat der Tiber die Wasser Ueber die Ufer geschwellt, weit in die Stadt sie geführt. Und der zürnende Strom ist bis zum Corso gedrungen, An der Rotunda hinauf spielet die wachsende Fluth. Einst, so liest man in heiliger Schrift, hat die strafende Sündfluth Auch die große Natur rein von Bewohnern gefegt.
[83]
3. Auf, ans Pantheon hin, untrügliche Forscher der Vorzeit, Und das mächtige Rund seht ihr von Wasser gefüllt. Ja, ihr habt Recht, ihr setzet ja Erd’ und Himmel in Wasser, Und das Pantheon selbst habt ihr zum Badhaus gemacht.
Grotte der Egeria.
Numa Pompil, noch wölbt sich die heilige Grotte der Nymphe, Und der lebendige Quell sprudelt noch immer in ihr, Wo mit Unsterblichem einst der Sterbliche traulich verkehrte, Und die Weisheit die Frucht solcher Umarmungen war. Jetzt besucht sie der Britte dafür, doch die Nymph’ ist verschwunden, Und die Weisheit wird nun besser von Nibby docirt.
Tempel des Antoninus Pius.
Alles in unserer Zeit ist archäologisch geworden, Und das Alterthum gilt mehr als im Alterthum einst. Vetturine sind nun von klassischem Schwindel ergriffen: Alsbald, wie sie dein Thor, ewige Roma passirt; Rasch den Corso hinab, mit Wagen, Gepäck und mit Rossen Geht’s in den Tempel sogleich, in die Dogana hinein.
Capitol.
Berg der Götter und Helden, Triumphatoren und Sieger, Welche Gedanken du mir, welche Erinn’rungen weckst! Denk’ ich der Scipionen und all’ der alten Heroen, Wie der Feldherr, das Heer dich im Triumphe betrat! Wie der Lorbeerbekrönte dem capitolinischen Herrscher Für den verliehenen Sieg dankbar ein Opfer gebracht! Stolz, wie du bist, verleugnest du auch in heutigen Tagen Noch den gebietrischen Geist, noch den gewaltigen nicht. Heute noch fährt im prunkenden Zug der röm’sche Senator Just vor dem Carneval in der Perücke herab.
[84]
Nero’s goldner Palast.
Wo der Tyrann die Schätze der Welt im Wahnsinn vergeudet, Fressen die Esel auch jetzt noch aus dem Schober ihr Heu.
Carneval.
Wie, du wunderst dich, Freund, wie so urplötzlich ein Volk sich Wochenlang wie toll, närrisch und albern beträgt? O mein Theurer, du irrest dich sehr, schilt keinen, der heut sich Auf dem Corso herum wie ein Besessener treibt, So erscheint mir am wahrsten der Mensch, dies Carneval steht ihm, Aber das Schlimmere folgt, wenn er kein Mäskchen mehr hat.
Vasi.
1. Einst war dem herrschenden Rom zu eng die lebendige Erde, Heutigen Tages ist’s kaum noch für ein Büchlein genug
2. Hannibal fürchtete sich vor Roma’s ewigen Mauern, Aber der Britte trägt nun Rom ganz behaglich im Sack.
Römischer Ehekontrakt.
Cazzo! ihr nehmet ein Weib, und könnt euch selbst nicht ernähren? – „Das ist’s eben, mein Freund, darum ernähret sie mich.“
Römische Freiheit.
Noch sind wir Römer, noch leben wir frei nach Sitte der Väter, Keiner geniert sich und kehrt offen die H . . . sich um.
[85]
Die – – – –.
1. Wir sind Herren von Rom, wir dringen sogar ins Geheimste, Und ihr Heiligthum schließt selber die Ehfrau uns auf.
2. Wir sind die Herrn, wir haben den Schlüssel zu Himmel und Erde, Keine Schatulle, der er, wenn sie nur voll ist, nicht paßt.
Mumien im Vatican.
Alles sind’ ich in dir, Laokoon, Zeus und Apollo, Aus dem gestürzten Olymp flohen die Götter zu dir. Welt der Griechen und Römer, du zeigst auch ägyptische Götzen, Und Brittania versorgt reichlich mit Mumien dich.
Trinker und Esser.
Was ein Römer ißt, und ein Deutscher trinket, das, dünkt mir. Wär’ am Ende sogar Gullivers Riesen genug.
Rossini.
Wahrlich, es ist zuweilen, als hätte der Schöpfer vor Unmuth Ueber das Menschengeschlecht und seine Frechheit gesagt: Nun denn, weil so vernünftig ihr sein wollt, geb’ ich dem Hohlkopf Großes Talent, laß uns sehen, was er für Dinge draus macht.
Colosseum.
Einst ereiferten sich auf weiter Arena die Bestien. Heut zu Tage dafür eifern die Prediger drin.
[86]
Italiänische Gärten.
Wie ein Handbuch der Logik sind italiänische Gärten, So nach Regel und Norm plagt man die frische Natur.
Uebersetzung.
Uebersetzest du gern, verwegener Deutscher, so wisse, Daß eine Ohrfeig’ in Rom wörtlich ein Messerstich heißt.
Römische Frauen.
Alte Sitt’ ist heilig: die Frau gab dem Manne den Schlachthelm Einst auf das Haupt, und noch jetzt reicht sie den Kopfputz ihm dar.
Getäuschte Erwartung.
Alles dacht’ ich mir schöner, eh’ ich’s mit Augen gesehen, Und erstaunte, wie klein alles in Wirklichkeit ist. Wie hat nur mich St. Peter getäuscht, nach der Reisebeschreibung Sollt’ er noch einmal so hoch, einmal so prächtig noch sein. Reden sie vom Capitol, ich erwartet’ es hoch in den Lüften, Und noch einmal so schön dacht’ ich’s Museum mir selbst; Und der tarpejische Fels! Doch wenigstens auch wie der Montblanc Glaubt’ ich ihn hoch, und er ist doch wie ein Hügelchen nur. Auch das Colosseum, ich dacht’ es noch einmal so furchtbar, Britten kämen wohl hier nicht ohne Extrapost durch. Wie ist der Corso so eng! Vierhundert Kirchen und dennoch Fast kein Thürmchen, und welch Flüßchen der Tiber nur ist! Raffaels Stanzen, da hofft’ ich doch auch hellschimmernde Farben, Aber welch häßlicher Wust, schmutziges Alter und Staub! [87] Dann das jüngste Gericht ist ein Fleischmarkt, und die Sistina Hätt’ ich mir hundertmal schöner und größer gedacht. Selbst die Weiber gefallen mir nicht und all’ das Gerede, Falsch ist’s, ich hab’ sie mir traun hundertmal schöner gedacht. Auch was sie fabeln zu Hause von italiänischem Himmel, Nein! Ich habe davon nicht auch ein Bißchen gemerkt. Uebrigens kann ich zu Haus mich rühmen: ich hab’ es gesehen, Und natürlich, dann ist’s – schöner noch als ich’s gedacht.
Schwäbische Magister in Rom.
1. Kommt nur alle herbei! Es ziehn süddeutsche Magister Jetzt in Menge nach Rom, wie ins Collegium ein. Das ist ein Reisen, und das ist ein Kurs! Ein halb Dutzend nun hat sich Wochenlang von Bier und von Dogmatik erzählt.
2. Kaum ist’s Examen erstanden, so packt man auch schon sich das Ränzchen, Und im geistlichen Frack reist man Italien zu, Ja, das gehet so schnell, man beschmutzt, von den Qualen des Durchfalls Noch studentisch geplagt, selber das klassische Rom.
3. Immer treibt man es so. Es liebt sich der Deutsche den Umweg, Und die unendliche Welt will er gelehrt sich beschaun. Sucht sich einer das A im ABC-Buch des Lebens, Fängt er, ich wette, beim Z mühsam von hinten auch an.
4. Darum reist man! Es kommt noch dahin, daß selber die Drescher Zur Verfein’rung der Kunst Rom und Italien sehn. [88] Und ich ahne, noch füllt der Vatican sich mit Flegeln, Ja vor das jüngste Gericht pflanzen sie gar noch sich auf.
5. Und im Tagbuch durchdrischt man die abgedroschensten Dinge, Wie’s in der Schule man einst, in den Collegien gethan, Dann mit dem wohlgeschriebenen Heft geht’s wieder nach Hause, Und als Vikarius erst drischt man gedroschenes Korn.
6. Einige Malernamen, wie Raffael, Tizian, Guido, Lernt man mit Fleiß, denn die Kunst ist für Magister auch schön. Und daß er Alles behält, was er sah, daß er hat, was er nicht sah, Hat er in Kupferstich Raffaels Logen gekauft.
7. Schön wie Italiens Himmel, von dem er so vieles gelesen, Den er nun selber gesehn, folgt die Erinn’rung ihm nach, Und in traulicher Lust erzählt er dem Küster und Schultheiß Dann von Antiken und fügt manches: per bacco! hinzu.
Fischpredigt.
St. Anton hat den Fischen gepredigt, aber ich wette, Kamen sie vor aus dem Meer, staken sie sämmtlich im Netz.
Engländer im Miserere.
Das ist ein Jammer, mit Lady und Miß erst durch sich zu kämpfen, Und drei Stunden und mehr steh’ ich und wart’ ich nun schon. Traun das Reisen ist doch beschwerlich, ich wär’ es zufrieden, Wär’ es doch einmal vorbei, hätt’ ich’s doch einmal gehört.
[89]
Moralische Differenz.
Zucht und Sittlichkeit wohnt in Deutschland, aber Italien Ist der Freude, der Lust, üppiger Sinnlichkeit Land. O welch ein Unterschied, ein moralischer! Dort sind die H . . . . Jungfern und Mädchen, in Rom haben sie gar einen Mann.
Römer und Deutscher.
Was für ein Unterschied ist zwischen Römer und Deutscher? Jener schafft nicht und lebt, dieser, er lebt nicht und schafft.
Gegensatz.
1. Italiäner und Deutscher sind nie vereinbare Pole, Jener ist immer ein Kind, dieser dagegen es nie.
2. In Hesperien preist der Greis noch die glückliche Jugend, Aber die Jugend bei uns rühmet sich altklug zu sein.
Römische Freuden.
Corso, Theater und Akademie, Oktober und Giostra, Essen und Trinken, man lebt einzig, damit man’s genießt.
Stutzer.
Sonntags bin ich im Staat und im Putz auf dem Corso zu sehen, Doch auf dem Capitol war ich am Carneval nur.
Minente.
Mein Vergnügen ist Spiel, Burratini, ein Pranzo, der Stierkampf, Hab’ ich kein Geld mehr, so pflanz’ ich an die Ecke mich auf.
[90]
Trasteveriner.
Wir sind die einzigen Römer, dem Montigianer Verachtung! Wir sind noch frei, im Moment stößt man ihm’s Messer in Leib.
Oktoberfest.
Weg mit der Arbeit! Man fährt an den Monte Testaccio, man jubelt, Tanzet und spielet und trinkt, bis der Oktober vergeht.
Weibliche Minente.
1. Lieber drei Wochen gehungert, und dann mit wallender Feder, Tamburin und Gesang nur zum Testaccio hinaus!
2. Nur geprügelt den Mann, wenn er murrt! Am Carneval muß man Schwärmen, mit Mask’ und Kostüm’ Cors’ und Theater durchziehn.
3. Jetzt kommt der Pabst und die Prozession! und den schreienden Kleinen Packt die Mutter sofort ein und hinaus aus dem Haus.
4. Wer auch plagte sich nur an dem Heerd, am Camine! Man ziehet In die Schenke getrost mit der Familie ein.
Sittenveränderung.
Eingezogen und sittsam verfließt die Zeit mir als Jungfrau, Ist die Hochzeit vorbei, fängt das Commercium erst an.
[91]
Ehesymbol.
Immer spricht man vom Joch des Ehstands, wann denn vertauscht man Endlich das Bild und setzt Hörner des Ehstands dafür?
Römische Faulheit.
Zwanzig Jahre wohn’ ich nun schon auf dem Platze St. Peters, Doch in die Kirche hinein kam ich per bacco noch nicht.
An den Leser.
Meine Zahl ist vollkommen: ich schließe. Sei günstig, o Leser, Triffst du nur wenigen Witz, thu von dem deinen hinzu.
[92]
Anhang.
An Albert von Thorwaldsen.
Zu seinem Geburtsfest am 8. März 1827.
Als Stimme der Deutschen in Rom.
So sei gegrüßt zur heitern Feierstunde, Wir nahen dir mit dankbarem Gefühl, Nur Eine Liebe weht in unserm Bunde, Nur Ein Gedank’ im festlichen Gewühl: Des Meisters Name tönt von unserm Munde, Was in den Herzen glüht, ist groß und viel, Den leeren Schwall der Worte laßt uns meiden, Der Meister ist’s, so sind auch wir bescheiden.
Ernst ist die Zeit und schwere Wolken liegen An jenem reinen Himmel ausgestreckt, Aus dem die Götter einst herniederstiegen, Die jeden Keim des Irdischen geweckt, Und ew’ge Mächte, die im Himmel siegen, Das Haupt mit ird’schem Lorbeer sich bedeckt, Da brach sich, durch den Erdendunst gezogen, Die Kunst ihr Bild – der Schönheit Regenbogen.
Doch wie es kam, daß jene Götter schwanden, Und jene hold lebend’ge Fabelwelt, Aus der das himmlische Geschlecht erstanden, Und Kunst und Leben, innig sich gesellt, An Einem Urquell, ihre Kränze wanden, Von gleicher Sehnsucht, gleicher Lust geschwellt, Verschweigen wir’s an diesem Freudentage, Denn wo Entzücken ist, verstummt die Klage.
[93] Bist du doch unser, der zu jenen Reichen Der abgeschiednen Vorwelt Wege fand, Alkmenes Sohn an Stärke zu vergleichen, Hernieder stieg, den Schattenwächter band, Dem Orpheus gleich, die Braut dir zu erreichen, Hinaus drang bis an Lethe’s Geisterstrand, Und herrlich, als ein neues Frühroth lachte, Die süße Braut – die Kunst vom Grabe brachte.
Und wenn dein Geist in seiner Schöpferfülle Mit ihr am liebsten ew’ge Kinder schafft, So stieg ihm doch aus reiner Himmelsstille Herab die zarte wunderbare Kraft, Die sich gezeigt in menschlich wahrer Hülle, Der ernste Heiland, und hinweggerafft Von seinem übermächtigen Erscheinen, Vermochtest du zwei Welten zu vereinen.
Laß uns nur Einen hohen Wunsch, den heute Die muntre Schaar vor deinem Auge hegt, Nur Einen Stolz, der dir und uns bedeute, Was uns das Herz fürs Vaterland bewegt: Wir sind ein gutes Volk, in ew’gem Streite, Voll Ernst und Kraft, von Allem angeregt, Was Großes sich erzeugt in großen Seelen, – O laß uns dich zu unserm Volke zählen!
Kann dieser Wunsch auch ganz uns nicht gelingen, So tröstet deine höh’re Heimath nur, Denn zu Unsterblichen auf Götterschwingen Enttrug dich dein unsterblicher Merkur! So wenig wir ans ew’ge Herz ihr dringen, Wir fühlen, lieben, ehren die Natur, Wenn unser selbst die Sterne sind geworden, So werd’ auch du uns, großer Stern vom Norden!
[94]
Fragment eines größeren Gedichtes:
Die Nacht in St. Peter.
I. Am Tage, da St. Petrus einst in Rom Den heil’gen Stuhl der Christenheit bestiegen, Sieht man das Volk in seinem Riesendom Vorm heil’gen Vater auf den Knieen liegen. Und wie sie alle gläubig oder nicht Von allen Enden zu dem Fest erschienen, Da als der Glocke mächtiges Gewicht Vom Schlag erklang, so kam auch ich mit ihnen – Und als die Feier nun vollendet war, Saß ich noch lange stumm an einer Säule, Ich dachte manches mir, und wunderbar Auch die Vergangenheit in stiller Weile. Wenn hinter deinen stolzen Pinienhain Die Sonne sinkt in ihren süßen Gluthen, Gianicolo, wie da im Abendschein Die Wolken trunken sind von goldnen Fluthen, Ja, wie das Meer, wenn’s auch die Klipp’ umschäumt, Die Fläche hin voll immer zärt’rer Töne, Von dieses Himmels reinem Licht besäumt, Doch glänzt in unaussprechlich hoher Schöne, So sanft im Sonnenschein des Augenblicks Erglühten alle Schatten meines Lebens, Und selbst dem dunkeln Abgrund des Geschicks Entdrohten alle Strömungen vergebens. Dem Tantalus glich einst die Herzensqual, Die mir die Tage nahm, die Nächte raubte, Dem alten Halbgott, der das Feuer stahl, Und das Geschlecht nur zu beglücken glaubte. [95] Fern vom Lebend’gen, in der Schattenwelt Stand ich verwaist in grenzenloser Leere, Die Brust vom heißen Wissensdurst geschwellt, Von Sehnsucht nach Verdienst und Ruhm und Ehre. Es winkte mir des Lebens goldne Frucht, Und doch entschwang der Zweig sich meinen Lippen, Und mitten in der Fluth war ich verflucht, In Tropfen nur den kühlen Trunk zu nippen. Und meine Schuld? Ach daß in kühnerm Drang Nach höhern Dingen und nach größern Thaten Mein Mund oft im begeisterten Gesang Aus dem Olymp Geheimnisse verrathen. Und als in reichem Frühling mein Gemüth Die jungen frischen Augen aufgeschlossen, In ungemeßner Liebe nun erblüht, Den höchsten Schmerz, die höchste Lust genossen, Da knüpft’ ich thöricht an der Blüthe Saft Die sel’ge Hoffnung eines ew’gen Segens, Bald starb die schöne Wirkung mit der Kraft, Die Blume mit dem Keim des frohen Regens. Der Schlange glich ich nun, die halb zerstückt, Vom blut’gen Schwerdt der Feinde schon zerspalten, Im letzten ungeheuern Weh umstrickt, Was sie für alle Ewigkeit will halten. Doch wie sie aus sich selbst sich auch erneut, So wuchs auch ich aus eignem Drange wieder, Nur daß von schwerer Schicksalshand geweiht, Des Gifts zuviel blieb in der grimmen Hyder. – Jetzt sah ich mich im großen Gotteshaus Der Christenheit allein in all’ der Menge, Sie beteten, sie gingen ein und aus, Und Tausende verlor ich im Gedränge. Hat ja ein Volk beinahe Raum genug In diesem freundlich hochgewölbten Baue, In dessen Hallen mich die Sehnsucht trug, [96] In dem ich auf, wie zu den Sternen schaue. Still ist’s um mich: der ferne Orgellaut Klingt leise her zu mir aus der Kapelle, Jemehr der Abend durch den Tempel graut, Jemehr die Sonne schwindet und die Helle. Bald schweigt’s, und lange Züge seh’ ich schon Die weite Marmorebene durchwallen, Ein heilig Lied in schwermuthsvollem Ton Hör’ ich in den Gewölben dumpf verhallen. Sie sind verschwunden mit dem Volksgewühl: Um mich und über mir ist’s Todtenstille, Und dieser Stätte schauderndes Gefühl Ergreift das Herz in nie gekannter Fülle. Wie’s dunkelt! Wie schon von den Höh’n herab Die Schatten wandeln in gewalt’gen Massen, Wie seh’ ich’s düstern um St. Petri Grab, Wie der Apostel furchtbar Bild erblassen! Wie lagert sich voll heil’gem Grau’n die Nacht Schon in der Kuppel wie in ihrem Schooße, Wie Buonarotti’s Geist in ihr erwacht, Die über Berge ragt gleich einer Rose. Mich faßt der Schwindel! Als ob Geister mich Empor zur himmelweiten Rundung zögen, Wie für Jahrtausende, so fürchterlich Thürmt sich hinan die Marmorlast der Bögen. Welch Pünktchen in der dunkeln Fläche dort! Kaum sichtbar ist’s – es regt sich – auf den Knieen Liegt noch ein Mönch – bald schwebt auch dieser fort, Allein bin ich mit meinen Phantasieen. Ich blick’ empor, und bin der Mücke gleich, Wie klein der Lichterkreis das Grab umzittert, In diesem übermächt’gen Schöpfungsreich Fühl’ ich vom Weltgeist schaudernd mich umwittert. Mich fesselt eine namenlose Macht, So daß die Sinne mir in Nebel schwinden, [97] Bis sich im Schlummer kühner angefacht, Des Geistes Flammen, so wie nie entzünden.
II.
O hört mein Lied! Nicht Tand und Spielwerk nur, Nicht Reim und Klang und Schall ist, was ich singe. Nicht, wie gefaßt vom Fluche der Natur Im Vaterlande jetzt der Dichterlinge, Der gottverlaßnen, ungezählter Schwarm Das Land der Staufen lästert und die Muse. Zernichte sie, wenn auch an Bessern arm, Der Nachwelt unerbittliche Meduse! Von Lieb’ und süßen Dingen sing’ ich nicht, Ein andrer soll, nicht Morpheus euch umschweben, Mein Lied ist ein erhaben Traumgesicht, Mein Lied ist ernst, wie Rom und wie mein Leben. Man weiß, wie donnernd aus erschloßnem Grund Urweltlich oft von seinem Zorn getrieben, Der Erdgeist bricht durch seinen Flammenmund, Daß Meere zittern, Berge selbst zerstieben: So weht’s gleich einer finstern Macht empor Aus tiefster Seele mir, ein einz’ger Schauer, Vom Herzen steigt es auf, wo’s mächtig gohr, Ein Feuerbild, voll schwermuthsvoller Trauer. Auf Erden weilt die Freude ja nicht mehr, Der Vorwelt Jubel sind der Mitwelt Klagen, Die Muse wählt ein Herz von Kummer schwer, Zu seinem Gram den ihren auch zu tragen. So hört denn ihr im theuren Vaterland, Hier aus St. Peters weltgepries’nen Hallen, Wohin selbst von des Nils entferntem Strand, Vom Libanon die frommen Pilger wallen, Hört, was in ihm dein Geist mir eingeweht, O Rom, du großer Tempel der Geschichte, [98] Und der Heroen ernste Majestät, Erwachend im beseelenden Gedichte, Denn mit des Weltgerichts Posaune weckt Im Sturme der Begeisterung der Sänger, Die schon Jahrtausende das Grab gedeckt, Die Vorwelt auf; je schauriger und länger Die Zeit um sie den ew’gen Schleier hüllt, Um desto heiliger ist ihr Erscheinen, Und höher wächst der Strom, je mehr gefüllt Vom Urquell, Wetterbäche sich vereinen. In Bildern red’ ich euch ans offne Herz, Die Wahrheit spricht so gern in düstern Fragen, Im Dunkel klagt der Nachtigallen Schmerz; Das Frühroth siehst du aus der Nacht nur tagen, Und soll euch Wohllaut freuen im Gesang, So sei’s nicht Lautenton, dem Kinder lauschen, Es sei des Meeres uralt heil’ger Klang, In dem der Schöpfer ewig scheint zu rauschen. Ihr aber, die der Genius nicht geweiht, Mißgünst’ge, Todtgeborne treten ferne. Wohlan! schwebt denn für alle Ewigkeit In leerer Nacht, wie sonnenlose Sterne.
Ich stand auf jener klaren Höh’ im Traum, Da, wo des Venustempels alte Zelle, Die halbzerfall’ne, mit der Büsche Saum Sich rundlich wölbt, auf längst begrabner Schwelle. Um mich herum lag es in ödem Graus Von Säulenstücken und von Marmorblöcken, Die, einst der Schmuck von Nero’s goldnem Haus, Das Gras gleich sterbenden Titanen decken. Und vor mir unaussprechlich dunkel ragt Das Colosseum in des Himmels Lüfte, So wie vom Aar des Donnerers zernagt, Prometheus Felsenherz in seine Grüfte. [99] Sieht’s mich nicht an, das heil’ge Ungethüm, Als ob in seiner ungeheuern Tiefe, Gebändigt endlich von des Schicksals Grimm, Der Römer Geist in seinem Grabe schliefe! Wie klein in dieser eingestürzten Welt Graut durch die Dunkelheit der Siegesbogen, Durch den der Schlachten großer Herr und Held Und seine ruhmbekrönten Heere zogen. O was gewahr’ ich? Ueberm Mauerkranz Des halb zertrümmerten Gebirges wieder In reinem ewig jungen Schöpfungsglanz, Du Wonne meiner Lieb’ und meiner Lieder, Ach mein Orion du! Den ich geliebt, Als ich von Platons Flügelrossen träumte, Als noch krystallhell, rein und ungetrübt Der Freude Lichtquell mir entgegenschäumte, Du Zeuge jener süßen Himmelsgluth, Als noch auf ihrem schönen Lockenhaupte Dein milder Zauberschein auf ihr geruht, Die mir so früh der Hölle Wahnsinn raubte! Wenn ihre Lipp’ in langer Seligkeit Vollathmend heiß, auf meinem Munde glühte, Und uns vom goldnen Frühlingsbaum der Zeit Der schönsten Augenblicke Lust erblühte, Da deutet’ ich so oft hinauf zu dir, Und abergläubisch hing an deinen Strahlen Mein liebend Herz; ach warum wurd’st du mir So bald das Sternbild meiner höchsten Qualen? Du lächelst noch in deiner sel’gen Ruh, Klar nach Aeonen wie am Schöpfungstage, Mit deinem holden Augenlicht mir zu, Du hörtest mein Entzücken, meine Klage. Als einst wie auf das erste Menschenpaar Auf mich sein Flammenschwerdt der Engel zückte, Als mir des Abgrunds wachsende Gefahr [100] Entgegengrauste, weil ich lechzend pflückte, Was mir die menschlich dürftige Natur Zur hohen Götterfreiheit sollte schwingen, Und weil ich los von jeder niedern Spur Hier schon zum Lebensurquell wollte dringen, Als ich nun plötzlich so verlassen stand, Gleich einer Eiche, der man die Gespielen All’ um sie her gefällt, und ach mißkannt, Verflucht, mit brennend marternden Gefühlen Die Welt in Schutt und Asche sinken sah, Da blickt’ ich oft empor zu deinem Lichte Denn immer bist du meinem Herzen nah, So oft ich’s trübe Auge zu dir richte. Du bist ja einzig, unveränderlich, Dein Sternengürtel glänzt in ew’ger Klarheit, Der Mensch allein verliert die Welt und sich, Und wer sich selbst verliert, verliert die Wahrheit. – Nun mein Orion strahlt dein heilig Bild Zum erstenmale hier dem Neugebornen, Die Schwermuth weicht, es ist der Schmerz gestillt, Entflohen sind die Schatten der Verlornen. Zum heimathlichen Grabe fliehen sie Vor höhern Geistern, die der Erd’ entsteigen, Entweicht – Rom trauert in Melancholie, Die Weltgeschichte spricht, die Menschen schweigen.
Zweites Bruchstück.
Einst führte mich in einem Traum der Geist Zum Tiber: mondhell stieg das Kaisergrab Gleich einem Schreckensbild der Unterwelt, Am stillen Ufer riesenhaft empor: Und schweigend wandelt’ ich die Brücke hin, [101] Mit jedem Schritt wuchs meiner Seele Grau’n – Noch zittert mir das scheue Herz – jemehr Ich mich dem Mittelpunkt der Christenheit, Der Erde größtem Tempel näherte.
Und sieh, umfangen vom Gigantenarm Der Säulenhallen öffnet sich der Platz, Und wie von Innen zweifelhaft erhellt, Erhebt der stolze Bau sich in die Luft, Und über ihm, von Sternen hold umglänzt, Der dunkeln Kuppel ungeheures Rund. Und lange Züge, wie von Geistern sieht Mein zitternd Auge schweben hin und her, In Leichenkleidern zieht’s die Halle durch Und über Treppen weg, und immer wogt’s Von nebligen Gestalten aus der Nacht Des Portikus, in weiten Kreisen tanzt’s Um Obelisk und Wassersäule selbst. Dem Sterblichen entsinkt das Herz: doch führt Der Geist ihn unaufhaltsam fort, er steigt St. Peters Treppen halbentseelt empor, Und ganze Heere sieht er bleich und still Von Grabbewohnern wimmeln auf und ab.
Da hält ihn eine mächtige Gestalt: Nicht aus der Gruft, vom heiteren Olymp Scheint sie zu kommen, so erhaben steht, So göttlich schön die Hehre vor ihm da; So wie’s der Vorwelt schöpferische Kunst Gebildet aus des Marmors reinem Schnee, So glänzet sie von ernster Majestät. Ein weiß Gewand umfließt den hohen Wuchs, Ein Lorbeerkranz umflicht das reiche Haar, Doch von des Angesichtes Herrlichkeit Geblendet sieht er sich der Augen Licht. [102] Ich bin die Muse, spricht sie, näh’re dich! Nicht die jedoch, von der die feile Schaar Der heut’gen Tage sich begeistert dünkt, Ich bin die Muse, die dem Sänger einst Der Helden Lob, der Götter Feierlied, Des Schicksals unerklärbar Werk gelehrt. Ich öffne dir die Augen, bebe nicht! Ich schütze dich! Ertrage das Gesicht! Tritt ein! Und von gewalt’gem Schlag erklingt Die heil’ge Pforte, die nur viermal sich Eröffnet im Jahrhundert, und von Schreck Ergriffen tret’ ich in den Tempel ein. Doch ach! erfaßt’ ich des Gesichtes Grau’n In Worten, konnt’ ich’s, dem Verschiednen gleich, Der aus dem Grabe kehrt, und des Gerichts Entsetzliches Geheimniß euch enthüllt? In langer Doppelreihe sitzen sie, Sie alle, die auf Petri Thron geherrscht, Im ird’schen Glanz des Purpurs und des Golds, Geschmückt mit ihren Kronen strahlenvoll Hinab, bis wo auf des Apostels Grab Zur Sternenwelt der Kuppel festlichhell Des Hauptaltars metallne Säule ragt. Und kühner schon – zu meiner Seite stand Mir die Begleiterin – schaut’ ich die Reih’n Der goldgekrönten grauen Häupter weg, Und viele kannt’ ich, deren Thaten noch Mit Staunen, Ehrfurcht, oder Fluch und Schmach Aus ferner Vorzeit die Geschichte nennt. Sie alle sitzen stumm in ihrem Gold. Doch am Altar, in holder Einfalt steht Voll Milde, Liebe, Demuth und Geduld Der Herr in seiner Schönheit, Brod und Wein, Die heil’gen Zeichen seines Opfertods, [103] Verwaltend mit beseligender Hand. Anbetend sink’ ich nieder, da erschallt So furchtbar donnernd durch den Tempel hin Aus Höh’ und Tief’ ein grauenvoller Laut, So grunderschütternd, daß der ganze Bau Erbebt, der Bögen Marmorlast erdröhnt, Die Heil’genbilder niederstürzen, selbst Der Kuppel Wölbung überm Altar schwankt; Da sinken die gekrönten Häupter all’ Wie Nichts zur Erde, schnell verschwunden ist Ihr Leib, leer liegt das purpurne Gewand, Der Krone Schmuck, ein flücht’ger Erdentand, Und da und dort, mit Schaudern seh’ ich es, Entwinden sich dem fürstlichen Talar Schreckvolle Schlangen, Drachen rollen sich Und das Gezücht der Hölle blutig auf. Doch unerschüttert am Altare steht In seiner Herrlichkeit der Herr, es graut Die schwarze Nacht des Grabes überall, Und nur den Herrn umstrahlt ein süßes Licht, So rein und mild, wie seiner Lehre Geist. Der Donner schweigt, ein sanfter Rosenschein Klärt dämmernd schon der Kuppel Wölbung auf. Und himmlische Gesänge klingen fern Aus ihrem Duft herab; es blickt der Herr Nach Oben, und verschwindet meinem Blick. Doch Alles schweigt, und eine Stimme spricht, Wie Gottes Stimme schallt’s den Tempel hin: Ich bin der Einz’ge, bin der Ewige!
[105]
Oden aus Neapel
und
Lieder aus Capri und Sorrent.
[107]
Oden
an seinen Eser.
1.
Verschied’nes Lob ist jedem. Mir sei der Kranz, Der weinlaubduft’ge, den mir die Götterhand Des holden schöpferischen Jünglings Drückt in die Schläfe, mir sei Begeist’rung!
Sei’s, daß verblühter Frühlinge Liebeslust Voll Nachtigallenstimmen, voll Mädchenreiz, Sei’s, daß der traur’gen Herbste Schwermuth Wieder ins klagende Herz zurückkehrt:
Sei’s, daß Neapels Inseln der Fabel Duft, Und der Geschichte lebenerweckender Gluthvoller Hauch mit Morgenröthen, Strömen von purpurnem Blut verkläre,
Daß in Sorrents Orangengeruch, am Fels, Den mir die Fluthen klarer als Aug’ und Herz Des reinsten Engels wiederstrahlen, Tasso’s gereinigter Geist mir aufsteigt,
Daß mir des Dreizacks schrecklicher Gott am Strand Tyrrhen’schen Meers der Säulen gigant’sche Pracht, Den Tempelbau mir zeigt, der ewig Wie das unsterbliche Element ist.
[108] Stets fühl’ ich mir das glühende Herz bewegt: Dem Gold vergleich’ ich seine Gedanken, die Erst roh und unrein, endlich lauter Aus der Begeisterung Flamme springen.
Dann nicht der Erde kleinliche Sorgen mehr, Der Noth unbeugsam drückende Kraft, den Sieg Nur fühl’ ich, den ich mir erkämpfe, Fühle den Stolz nur des nahen Lorbeers.
Schon in den Blüthen ehrt man die Frucht. Am Grab Achills einst stand der junge Eroberer Und weint’: in Einer Thräne glänzten Alle Triumphe der künft’gen Hoheit.
Blind treibt der Gott, der innre, beseelende, So in der Knospe, daß sie zur Rose sich Entfalte, wie im Menschenherzen, Daß es zu höherem Wort sich öffne.
Der Berg Vesuv auch, wenn ihn des Feuers Strom, Dem Weine gleich, der über den Becher schwillt, Bis an den Kranz füllt, strudelt schäumend Herrliche Gluth in die schöne Nacht aus.
2.
Nicht Schlachten will ich preisen, noch Könige Noch forschen, wer Rom’s würd’ger, ob’s Cäsar ist, Ob Brutus, Namen der Geschichte, Glänzende nicht und gerühmte Schatten.
Ich singe meinen Freund, und auf stolzeren, Auf tiefern Wogen kühnen Gesangs sei mir Vergönnt, mit Stromsgewalt und Kraft ihn Jauchzend zu tragen zum Oceane,
[109] Da sich die Zukunft eint mit Vergangenheit, Beid’ aber unvergängliche Gegenwart; Ohn’ Anfang beid’ und ohne Ende, Beide die göttliche Ewigkeit sind.
Dich kenn’ ich, seit ich kenne, was schön ist, Freund, Dich lieb’ ich, seit ich liebe, was gut ist, Freund! In meinem Herzen lebst du einzig, Seit es der delphische Gott bewohnet.
Dein Lob, es dünkte schon mir Unsterblichkeit, Erweckte Blüth’ und Frühling, wie Sonnenschein, Dein Tadel reinigte, gleich Wettern, Dünste der Erde, die mich umfiengen.
Entrissen sind wir uns, und im kalten Hauch Des Nordens athmest Seufzer der Sehnsucht du Nach meinem Süden, wo einst Menschen Wandelten besserer Art, dir ähnlich.
Dir hat, uralter röm’scher Tage werth, Kraftvollen Geists und hohen Gemüths ein Weib Das Leben schön begränzt und ewig Hält in ermüdender Wirksamkeit es
Lebendig dir der Grazie schönern Dienst: Mir nimmt aufopfernd keines des Herzens Gram Und Sorg’ ab, kein verjüngtes Abbild Lächelt mir zärtlich mein Selbst entgegen.
Die Gräber Roms sind meine Vertrauten nur; Oftmals jedoch am Fuße des aschigen Vulkans, am blauen Meer, im Glanze Parthenopeischer Lüfte fühl’ ich
[110] Die Seel’ aus jener Gräber Melancholei Erstehn, mit Psyches seliger Lust am Strand Des Lethe schwärmen, und in Düften Schwelgen der purpurnen Hesperiden.
Wenn dann in Bajä’s trümmerumgeb’nem Golf, Wo gern im Kahn ich über die Spiegelfluth Hingaukle zu Misenums Felsen, Oder zum Tempelgewölb’ der Venus,
Mir wohl erhab’ne Namen der Vorwelt sich Gebietrisch zeigen, bringst dem gepeinigten Orest doch du des weisern Freundes Theuerstes, heiligstes Bild zurücke.
3.
Komm, Freund, Geleiter bin ich und Führer dir, Komm nach Pompeji. Willig hast du mir stets Geöffnet manchen Quell der Schönheit, Manchen Gedanken von höh’rer Weisheit
Enthüllt vor mir; drum ladet der Dankbare Dich ein zum Weinberg. Hoch an der Ulme rankt Vieläst’ge fruchtbelad’ne Rebe, Wurzelnd und blühend aus tausendjähr’ger
Vulkan’scher Asche. Drunten im großen Grab Schlief eine Stadt, der Götter und Menschen voll, Als noch die Sonn’ ihr schien; verlassen Aber von beiden, da sie des heißen
Schreckbaren Regens tödtlich Gewölk bedeckt, Aus dessen Graus nun wieder der Tempel steigt, Und heit’re Säulen, und das farb’ge Kleine Gemach, die gemalte Hausflur,
[111] Und selbst des Forums tempelumragter Platz, Da längst gestürzt ist früherer Götter Dienst Und jene, die des Donn’rers Adler Und Amathusiens Rosen ehrten,
Des Heidenthums holdsinniger Name schmückt Die Glücklichen! Der kalte Gedanke, wie Empfindung, Wunsch, und Schmerz und Sehnsucht, Alles zum heitern Bild verklärte
Sich ihrem frischen schöpfrischen Geist. O Freund, Komm, sieh und fühl’s hier, offen ist Thür’ und Haus, Komm, dich umfängt der Säulen Anmuth, Dich des verschwiegnen Gemaches Schönheit.
Sagt dir’s nicht selbst die bunte gemalte Wand, Der Arabesken schwärmende Phantasie, Und all’ der Bilder Lieblichkeit nicht, Wie sie gefühlt und gedacht, die Vorwelt?
O Freund, was wären wir, wenn Jahrtausende Zuvor uns dieses Himmels Azur geblüht, Däucht mir doch, jener bessern Zeit ist Wenigstens unsere Freundschaft würdig.
4.
Der Städte Raffael ist Neapel, Freund! Das fühlten wohl Roms alte Tyrannen, das Des fels’gen Capris Ungeheuer, Jener bepurpurte blöde Wahnwitz,
Der auf vermeß’ner Brücke Puteolis Meerbusen überschritt, der entmenschte Narr, Der hier gesungen und gebadet, Wo er gemordet die eigne Mutter.
[112] Doch, ob auch Ischia’s feurige Traube mir Nektar verheißt, ob auch um Amalfis Fels Gern meinem Geist in duft’ger Ferne Dorische Tempel dem Meer entsteigen,
Ob auch durchs Schattengrün von Camaldoli Die Vorgebirg’ und blühenden Inseln all’ Im schönen Elemente schimmern Und aus dem Berge Gewölk aufwirbelt,
Doch treibt’s zurück mich. Wehmuth erfüllt mich schon Und kind’sche Wonne, denk’ ich die Säulen mir Der gold’nen Basilik’, an alter Mauer, am stillen begrünten Platze,
Wo an Ramesses thebischem Obelisk Der Brunnen plätschert, einsame Straßen auch, Hier Kuppeln in der Abendröthe, Dort des zertrümmerten Colosseums
In Sonnenflammen athmende Riesenwand Prachtvoll mir zeigen! Trauernde Roma, hier Der Völker großem Gott, dem ew’gen Schicksal geheiligt ertönt mein Lied dir.
Zweimal hast du mit eiserner Hand die Welt Gedrückt, Herrschsüchtige, größer als du war nur Das Schicksal, drum auch zweimal hat’s dir Strafend entwunden den schweren Scepter,
Den Kön’ge, Senatoren, Cäsare einst Geführt, und unerbittlicher noch zuletzt Dreifach gekrönte Priester, deren Heiliger Waffe der Hohenstaufen
[113] Großherz’ger Heldenstamm als ein Opfer sank Der Völkerblindheit, denen die Kaiserhand Den Bügel hielt, und deren Bannstrahl Könige stürzte vom Thron der Väter.
Ach, sänft’ge nun, o Rom, dein tyrannisch Herz, Und beuge dich der Zeit. Der gefallene Herrschgier’ge Engel rang vergebens Einst mit dem Himmel um seine Krone.
Im Grabe deiner großen Auguste, wo Britannicus ein heuchlerisch Todtenmahl Geehrt, vergißt in Spiel und Stierkampf Nun das entartete Volk die Vorwelt.
Des Forums Siegesbögen und Tempel, jetzt Durchzieht sie nur schwermüthiger Mönche Schwarm, Der Wand’rer nur aus fernen Landen, Fremd, wie der Römer im eignen Rom ist.
Eins bleibt dir noch, der himmlische Genius Der Kunst ist’s! Freund, drum laß mich, da Andres nicht Vergönnt ist, einer bessern Zukunft Thaten und Werke der Muse weihen.
Lieder aus Capri.
1.
Dem Horizonte nähert sich die Sonne. Versinke sie im Meer, in goldnen Bergen, Ich fühle stets die reinste Herzenswonne.
Doch welche Lust, wie alle Lüfte schweigen, Und die Natur zur Ruhe sich bereitet, Den jähen Pfad zum Fels hinanzusteigen,
Wenn schon im West, gleich einem Purpurquelle, Die Sonne glühet, und in lautern Flammen Auf Meer und Land verströmet Glanz und Helle.
Dann scheint des Himmels Schooß sich zu erschließen, Und auf der Inseln schimmerndes Gebirge Ein goldner Regen sanft herabzufließen;
Dann scheint, geblendet von des Lichtes Sprühen, Enaria dem Bad der warmen Fluthen Mit reinem Schwanenleibe zu entglühen;
Sie scheint verschämt, in kindischen Gefühlen, Den vollen Busen überm Meer, mit Rosen Und mit Violen anmuthsvoll zu spielen.
Ein Augenblick, und jene göttergleichen, Von Licht beträuften Wangen, Berg und Insel, Und Meer und Himmel siehst du schon erbleichen.
So gleich dem holden Wunderspiel der Sonne Verharrt nur kurz in ungetrübter Schöne Und schwindet bald des Lebens höchste Wonne.
[115]
2.
Der Feinde hatt’ ich immer allzuviele; Oft seh’ ich sie, gleich zaubrischen Figuren, Vorüberziehn im stillen Schattenspiele.
Ich habe viel, und wurde viel beleidigt, Ich fühlte manchen Schmerz, und weckte manchen, Oft hab’ ich andre, wen’ge mich vertheidigt.
Von wen’gen Herzen bin ich selbst geschieden, Bekennen muß ich, daß die Lieben Theuern Mich meist zuerst geflohen und gemieden.
Falsch war ich nie, so oft sie’s auch mich hießen, Ich täuschte nur, weil ich mich selbst getäuschet, Beweinte sie, die mich enttäuscht verließen.
Ein ewig Scheiden und ein ewig Lassen War so mein Leben, doch die alten Freunde Der Heimath sind’s, die mich am meisten hassen.
Kaum weiß ich selber, wie es so gekommen, Sie hätten Recht, fast sollte man es meinen, Sie sind die Bessern ja, sie sind die Frommen.
3.
Besteig’ ich nach des Sommertages Schwühle Mein südlich Dach, auf traulichem Gesteine Mich dein zu freuen, holde Abendkühle,
Betracht’ ich so in wohlgefäll’gen Träumen Die Stadt, am grauen Felsen des Solaro, Umblüht von Gärten und zerstreuten Bäumen,
Erhebt sich an begrünter Rebenmauer Des Ostens halbverwaistes Kind, die Palme, So einsam, und so stolz in ihrer Trauer,
[116] Und seh’ ich bis in ungemessne Weiten Voll Sonnenglanz, sich zwischen rauhen Felsen, Mit manchem fernen Schiff das Meer verbreiten,
Dann glaub’ ich, daß Minervens Kap entnommen, Vielleicht durch Zaubermacht bewegt, die Insel Längst in ein morgenländisch Meer geschwommen.
4.
Ich habe dich geliebt, Und Treue bis zum Grabe dir geschworen, Und doch hab’ ich dein Herz so schwer betrübt.
So oft vergaß ich dein, Denn andre Länder bringen andre Freuden, Doch immer bliebst du in der Ferne mein.
Dein hab’ ich mich genannt, Mich dir geweiht zu ewigen Gefühlen, Und dennoch hast du mich so tief verkannt.
Du kennst mein falsches Herz, Und doch hab’ ich dich nie, o süße Seele, So wahr geliebt, als in der Trennung Schmerz.
Zu leben ohne dich, Ich schwur und glaubte, daß ich’s nicht vermöchte, Und dennoch leb’ ich, lebst du ohne mich.
Blüht mir auch andres Glück, Hab’ ich auch längst mein schwankend Herz vergeben, So weint es doch, kehrt ihm dein Bild zurück.
Auf heitres Wiedersehn War unser schluchzend Wort beim letzten Kusse, Und dennoch wird und mag es nie geschehn.
[117] Du littest lang und schwer, Doch daß die Zeit mein schmerzlich Angedenken Nicht längst vertilgt, wer gäbe mir Gewähr?
Drum däuchte mir denn fast, Solch’ eine Lieb, solch’ ein Wechselglühen War uns im Frühling eine Blumenlast.
Nun da sie abgeblüht, So kränzen wir das Haupt mit frischen Rosen, Und bleiben glücklich, auch wann sie verglüht.
5.
Es baut der Mensch im wohlbepflanzten Garten, Und zieht der Rebe fruchtbares Gewinde Von Baum zu Baum in freudigem Erwarten.
So grünt denn selbst, vom Menschenfleiß bebauet, Der kahle Fels, der aus dem Meere starret, Der Gärtner erndtet, weil er fest vertrauet.
Vom Vogelfange nähret sich der Arme, Die steilste Klippe weiß er zu erklettern, Und lauert kühn nach dem verborgnen Schwarme.
Er zittert nicht, wenn er zum Abgrund schauet, Wo tief die grüne Meereswoge brandet, Erreicht die Beute, weil er fest vertrauet.
Das Element des Fischers ist die Welle, Sein Boot ist sicher, und er achtet’s wenig, Ob’s um ihn schäum’ und auf und nieder schwelle,
Er kennt die See, so wie sein Haus; ihm grauet Vor ihrer Falschheit nicht, er senkt die Netze, Und er gewinnet, weil er fest vertrauet.
[118] Erscheint mir so der Gärtner in Gedanken, Der Jäger auf dem luft’gen Felsenwege, Der Fischer in des Wassers wildem Schwanken,
Und fällt mir ein, worauf ich einst gebauet, Auf Lieb’ und Treu’ und Wort, so find’ ich leider, Daß ich verloren, weil ich fest vertrauet.
Den Glücklichen ist alle Ruh beschieden, Ich aber jage nur nach eitlem Ruhme, So sah denn auch noch keiner mich zufrieden.
6.
Wer hätte je so schwesterlich verbunden Die Kraft der ungesell’gen Elemente In einem einz’gen schönen Stern gefunden?
Verklärt schien mir in seinem Glanz die Erde, Das Irdische verewigt und vergeistigt, Ich wähnte, daß es nie vergehen werde.
Des ganzen Himmels Schöne lacht’ in blauen, In offnen, undurchdringlich hellen Tiefen, Nie konnt’ ich bis zu ihrem Grunde schauen.
Sein Licht, es galt mir mehr als Mond und Sonne, Den Frühling bringen sie, mir brachte jenes Die keuschen Rosen erster Liebeswonne.
Ach denk’ ich gar der süßen, heißen Fluthen, Womit der Schmerz, die Wehmuth es gefeuchtet, Fängt mir’s im tiefsten Herzen an zu bluten.
Genügt dir Eines schon, der Stürme Wehen, Die Macht des Meers, der Flammen und der Erde, Nur Eins, im Elemente zu vergehen,
[119] Dann darf der Sterbliche fürwahr nicht klagen, Der einst sie alle seelenvoll zerflossen In eines Auges feuchtem Licht ertragen.
7.
Zwar keinen Freund, der gleich geliebt den Musen, Begeisterung entzündend und empfangend, Im schönen Taumel sänk’ an diesen Busen,
Kein Mädchen hab’ ich, das am Arm mir gienge, Wenn mich der Gott beseelt, schon auf der Lippe Das heiße Lied mit einem Kuß empfienge.
Kaum blieb mir die Erinn’rung noch an beides, Doch, ach, es ist nicht der vergangnen Freuden, Nur die Erinnerung vergangnen Leides.
Mein Umgang, meine Freunde sind die alten Entblößten Felsen, der umrauschten Klippen Schwermüthige gigantische Gestalten.
Denn wie die Insel fern vom festen Lande Verlassen ruht, so knüpfen mich ans Leben Nicht mehr beglückende beglückte Bande.
Wohl bin ich einsam, bin ich abgeschlossen, Mein einzig Gut ist, meine einz’ge Habe, Was ich gelitten, was ich einst genossen.
Dem Meere gleich, seh’ ich im Wellenzuge Der Menschheit Wechselstrom vorüber treiben, Ich folge nicht mehr seinem falschen Truge.
Doch wie der Fels nicht mehr im Spiel der Wogen Und Winde sich vergnügt, die seine Pfeiler In ew’ger Wiederholung stets umzogen;
[120] Wie hier der Aloe stolz Gewächs erblühet, Dort Indiens Feige, Palmen und Oliven, Hier saft’gem Laubgrün die Orang’ entglühet:
So ist nicht unfruchtbar mein stilles Leben, In Fülle reifen goldne duft’ge Früchte, Im Sonnenschein die Edelste der Reben.
Wird sie zuletzt der schöne Gott bemeistern, So wird sie euch, zu reinem Wein verwandelt, Als feuriger Gesang das Herz begeistern.
8.
Dem Fischer, der das Netz den falschen Wellen So manches Jahr geduldig anvertrauet, Mag ich mich gern am Strande zugesellen.
Fast ist er nackt: vom heißen Sonnenscheine Gedunkelt und verbrannt ist Kopf und Nacken, Und Brust und Schulter, sind auch Arm’ und Beine.
Sein einz’ger Schmuck ist eine Wollenmütze, Beglückt ist er vielleicht in eines Kahnes, In einer Hütte sparsamem Besitze.
Ein Mädchen ist die Sehnsucht seiner Jugend, Und ihm getraut, so bringt’s ihm frische Kinder, Und übt bewußtlos eine strenge Tugend.
Die Kleinen lernen bald die Kunst der Alten. Das Netz zu ziehn, das Ruder keck zu führen, Den Dienst des Boots ausdauernd zu verwalten.
Oft sah ich’s, daß mit liebevollem Bangen Am Strand sie Mutter oder Weib erwartet, Und offnen Arms die Kehrenden empfangen.
[121] Friedfertig, nur im Kampf oft mit dem Meere, Betreiben sie das Urgeschäft der Väter, Ein volles Netz giebt ihnen Ruhm und Ehre.
Welch Bild der Menschheit! Mit vermeßnem Willen Wagt ins Unendliche hinein sich Jeder, Das tägliche Bedürfniß nur zu stillen.
9.
O Einsamkeit, wo ihre schweren Sünden Des Weltbeherrschers Tochter einst beweinte, Wie läß’st du ganz mich ihre Qual empfinden!
Die einst ihr der Verbannten Haus umgrauet, Schreckbare Felsen, deren kahle Wildniß Ins öde grüne Meer hinunterschauet,
Verlaßner Strand, wo nur die Woge brandet, Wo an der hochumrauschten Fischerhütte Schon lange Boot und Kahn nicht mehr gelandet;
Ihr bargt ein Herz, in Sinnenlust verwildert, Von Qualen einer Leidenschaft durchwühlet, Wie keines Byrons Schmerz sie noch geschildert.
Leicht ist dem besten Herzen ein Verbrechen, Sobald es liebt, noch leichter ist’s dem kalten Fühllosen Zorn zu strafen und zu rächen.
Schnell ist die strenge Welt bereit zu richten, Weil sie ein flammendes Gefühl der Liebe Nicht schaffen kann, so will sie’s doch zernichten.
O Julia, laß mich theilen deine Thränen, Die Schwermuth der Verbannung, die Erinn’rung Vergangner Lust, verlorner Heimath Sehnen.
[122] Auch meine Liebe hat sie schlimm gedeutet, Die fluchbeladne Welt, und ihre Blumen Wie giftig Unkraut gänzlich ausgereutet.
Auch mir lag eine Julia in den Armen, Und Schuld und Unschuld, ach sie nannte beides Verbrechen ohne Scheu und ohn’ Erbarmen.
So schließe denn der Felsen alte Trauer Uns ein, und gern, verstoßne Kaisertochter, Umarm’ ich hier dich ohne Furcht und Schauer.
Sie mögen höhnisch unsre Namen schmähen, Mir bleibt mein Herz, und jene matten Stimmen Laß sie im Meeresbrausen untergehen.
10.
Auf jähen Felsen grauen alte Thürme, Es gähnt der Abgrund unter ihren Füßen, Ein halb Jahrtausend wehn um sie die Stürme.
Kaum schwingt der leichte Vogel sich zu ihnen, Doch mühsam über ungezählte Stufen Gelangt der Mensch zu diesen Burgruinen.
Sind’s wohl aus röm’scher Vorzeit Ueberreste, Hat hier der Feind der Welt, die er beherrschte, Tiberius erbauet eine Veste?
Ein andrer Kaiser ist’s, der Held vom Norden, Der Hohenstauf’ ist mit dem rothen Barte Der Insel Herr, des Schlosses Gründer worden.
Und wo der Waiblinger in freiern Tagen Gethront, denkt oft ein Dichter dran, den Namen Der Großen einst zu feiern, die ihn tragen.
[123]
11.
Ich hab’ es hundertmal erfahren, Daß mir die reinsten Herzensfreuden Ein blut’ger Quell von Schmerzen waren.
Mit Herz und Leib, mit Geist und Sinnen, Als Schönheit und Genuß versuchte Den Blick mir Liebe zu umspinnen,
Als höchste Kraft und Gluth im Leben, Als Drang nach That und Ruhm und Ehre Die Freundschaft meinen Muth zu heben.
Ich schlang mit glühendem Vertrauen Den Arm um manchen schönen Nacken, Sah manches Aug’ in Thränen thauen.
Mit mir zu streben und zu handeln Schwur manches Heldenherz, und manches Den rauhen Pfad des Ruhms zu wandeln.
Doch weil ich hier auf unsrer Erden Kein Heil’ger bin und kein Apostel Und erst im Himmel möcht’ es werden,
So war es leicht mich zu bethören, Denn aus dem Kelch, den sie mir reichten, Konnt’ ich den Satan nicht beschwören.
So schlürft’ ich denn, ein trunk’ner Zecher, Von Freund und Mädchen süß umlispelt, Der Hölle Gift aus vollem Becher.
Drum muß ich jetzt alleine bleiben, Und ohne Freund, und ohne Liebchen Im öden Strom des Lebens treiben.
[124] Und siehst du einst noch halb erschlossen Aus gift’gem Boden manches Veilchen In meines Lorbeers Schatten sprossen,
So sei dir eben nicht verhehlet, Daß jenen Blumen ihre Seele, Der schöne Duft, der Glaube fehlet.
12.
Wenn eures Neids und eurer niedern Ränke, Scheelsücht’ge häm’sche vaterländ’sche Feinde, Zuweilen ich in meinem Lied gedenke,
So scheint’s, daß euer Haß auch mich verbittre, Daß jener Sümpfe Dunst, worin ihr röchelt, Selbst meine reine Inselluft durchwittre.
Doch ist’s nicht so: ich muß die Zeit verfluchen, Da ich gelernt, des Lebens Geist und Würde In Freiheit ohne Schrank’ und Maaß zu suchen,
Und jene nun den Furien heil’ge Kette Von Lieb’ und Irrthum, Haß, Vertrau’n und Frevel, Die ich einst trug an deiner Richterstätte,
Befleckte Unschuld, oft mit ihrem Kummer, Mit ihrem Fluch und euern Namen kehret Sie wie ein Traum zurück in wildem Schlummer.
Ich kämpfe mit den häßlich finstern Bildern, Ich zürn’ und straf’, und meines Liedes Weise Beginnt sogleich auch wieder zu verwildern.
Doch ich erwach’, es fliehen die Gespenster, In einer reinen Welt seh’ ich mich wieder, Der holde Tag lacht schon durchs Blumenfenster:
[125] Die frischen Lüfte fühl’ ich um mich wehen, Es glänzt das Meer, und in verjüngter Schöne Seh’ ich den bessern Geist mir schon erstehen.
13.
In solcher Einsamkeit, wer sollt’ es meinen, Daß mir zuweilen auch der heitre Eros, Und alle Grazien lächelnd mir erscheinen.
Jüngst fuhr ich von Parthenope herüber, Und sieh im engen schweren Capriboote Saß eine schöne Frau mir gegenüber.
Zwar sah ich meist hinab in Fluth und Wogen, Doch läugn’ ich nicht, daß manchmal meine Augen Geheime Lust aus ihren Blicken sogen.
Und mußt’ ich mich vom Sonnenglanze wenden, Wenn’s Meer ihn wiederstrahlt, begann auch wieder Ihr holdes Aetherauge mich zu blenden.
Und nicht so schön erhoben sich die Wellen, Und sanken, als ich ihren jungen Busen, Das dünne Kleid sah auf und nieder schwellen.
Wir sprachen viel, doch eben nur vom Winde, Wir sahn die Fische hüpfen übers Wasser, Ich lachte wohl auch mit dem hübschen Kinde.
Es kam die Nacht, und sie verschwand im Dunkel, Wir freuten uns mit jedem Ruderschlage Jetzt an des Meeres strahlendem Gefunkel.
Da breitete die schwarzen jähen Wände Das Felseneiland um uns aus, – wir sahen Des Strandes Lichter, unsres Weges Ende.
[126] Schon hörte sie des frohen Vaters Rufen, Der alte Fischer schließt sie in die Arme, Nun gute Nacht! Und meine Felsenstufen
Wandr’ ich empor mit ungetrübtem Sinne: Zwar es verliert, wer Kraft hat zu entsagen, Doch leicht ist der Verlust vor dem Gewinne.
Sehnsucht nach Neapel.
(Der Dichter war auf einer Reise nach Neapel begriffen, als er auf einmal zu Genzano am Fieber erkrankte und sich wieder nach Rom zurückbringen lassen mußte.)
Kaum dieser Erde lieblichstes Schattengrün, Ariccia’s alte Sikulerburg, und kaum Der Cythia Hain, und ihres Spiegels Duftiges Seeblau und Eichendunkel,
O Freund, erreicht’ ich, und des Tyrrhenermeers Glanzreiche Pracht, und brennend im Abendgold Lanuvium’s Berg und meines Latium’s Trümmerbesä’te Campagna schaut’ ich,
Und der Erinn’rung freudige Wehmuth rief Mir schon lustselige Tage zurück, da mir Im Golf Parthenope’s, in Capri’s Felsiger Heimath und holder Wildniß
Die goldne Fluth, die lebenverjüngende, Aus ros’gem Becher Hebe zu schlürfen gab, Und sieh’ zum kaum verlass’nen Thore Führet den Trauernden schon der finst’re,
[127] Von keinem Lied’ besänftigte Gott zurück. O Rom! was ist’s, das heute so viel des Gifts Durch deine Lüfte streut, und tödtlich Hügel und Ufer und Thal entathmet?
Ist es der Vorwelt drückender Moderhauch, Des großen Kirchhofs, den ich durchwandere, In dessen Denkstein, Grab und Inschrift Einsame Wand’rer und ernste Denker
Die Weltgeschichte lasen; vielleicht das Blut Das hier geströmt Jahrtausende durch, und tief Befleckt die Erde, welch ein Tiber Faßt’ es in seines Gestades Gränze?
Nicht weiß ich’s, Freund, doch sei dir bekannt: Zwar pflegt Mich treue Sorgfalt: Amor, mein steter Freund, Wenn längst auch mit gesenktem Flügel, Ist er doch immer noch mein Begleiter,
Und kürzt der Stunden Kummer und Ungeduld, In Traum und Schlaf einwiegend das Herz, wenn nicht Mit Diotimas Lehre, doch mit Raffael’s Freuden und Benvenuto’s.
Wohl rühm’ ich deß mich! Aber in Rom dünkt mir, Als ob im Grab ich schlummr’, und im Zaubergolf Neapels Psyche bald zur reinen Schönheit Elysiums auferstünde.
[128]
Lieder aus Sorrent.
1.
Nein! Apulien hat der Hohenstaufen Letzten Sprößling geraubt dem Vaterlande, Nicht den Dichter, o Kaiserhaus von Schwaben. Nein, hochherziger Freund, in gold’ner Strömung Flossen Jahre dahin, seit ich am Tiber Und am städtebesäten, meerumspülten Aschenberge der Vorwelt Heldengröße Und der reizendsten Mitwelt Lust genieße. Alter Römer gedacht’ ich, doch beim großen, Theuern Namen des Vaterlands und Friedrichs Herrschergenius, Freund, geschworen sei dir’s, Deutscher Glorie dacht’ ich auch. Wohl hat ans Junge Herz der Sirene Lied geklungen Und im Rausch des Moments der Zukunft Plane, Der Vergangenheit Kraft vergaß der Wandrer. Doch nur kurz; aus des Anio Wasserstürzen, Aus des Pantheons heil’gen Dämmerungen, Von der Säule herab des Imperators Und aus Pästums gewalt’gen Dorertempeln Sprach der strengere Gott: Wach’ auf zum Werke! Feire muthig dein Volk und seine Helden!
Dir bekenn’ ich beschämt, dem großen Rufe Folgt’ ich nicht und des eig’nen Herzens Leiden Und vermessene Wünsch’ und Liebefreuden Sang ich nur; auf dem Haupt Weinlaub und Rosen, Oft die Asche des Grams, doch nie den Lorbeer, Oeffnet’ ich zum Gesang die Lipp’ und strömte Gluth aus eigenem Feuerquell in manches Glüh’nde Herz; doch vergieb, o Freund, der Jugend. [129] Denn voll blühte der Frühling meines Lebens Und ergieb’ger vielleicht als dort im Norden Du zu sehen gewohnt; und feur’ge Wetter, Brausten stürmend im wilden Geist des Frühlings, Kräfte strömend im Kampf der Leidenschaften, Und was Wetter und Sturm dem auferweckten Frühlingsdrang der Natur, war mir die Liebe.
Doch vom Sommer die Frucht, vom heißen Mittag Nicht die kräftige That zu fordern, däucht mir Billig. Komm’ in den Süden, Freund, und lerne, Ob geschmeichelt, getränkt von süßern Lüften, Ob am athmenden Busen nicht Armida’s, Ob dein Auge nicht bricht. Ich harre deiner In Sorrento. Mein Retter willst du werden; Komm’ und bleibe bezaubert wie Rinaldo.
2.
Wähle, Göttin der Liebe, mit den Grazien Heute Paphos zum Sitz und morgen Knidos, Ich beneide dich nicht; denn bald lockt Capri’s Morgenländischer Fels in seine Stille; Bald zu Ischia’s duft’gen Bergen rudr’ ich; Bald aus Reben- und heitern Säulentempeln In Pompeji die See und Thal und Ufer Und blauschattig Gebirg und Insel seh’ ich, Bald aus wildem Getöse des Toledo Flücht’ ich mich in Sorrent’s Orangenhaine.
Ja, geliebt ist der Berg dir wohl, der schöne, Jener Stammberg im eb’nen Schwaben mein’ ich, Der dir Eigenthum fast geworden, dessen Wolkenscheitel den Schmetterling dir sandte, Und der Zeuge des Becherklangs gewesen, Als großsinnige Freunde mein gedachten [130] Sei er beiden gelobt, der Hohenstaufe, Paladin des gewalt’gen Schwabens sei er, Capitol uns genannt des Heldenhauses! Aber schöner noch ist des Deutschen Erbland. Frage Friedrich den Kaiser, frage Manfred!
Hier auf blühenden Felsen, die der Abend Purpurn färbt und der frische Meerwind kühlet, Hier im ewigen Schatten der Citrone, Freund, umathmen mich Lüfte rein und milde, Wie die Götter sie trinken! Klar und helle Lockt zum Bade das heit’re Meer, es lockt die Schatt’ge, hallende Grotte. Wie die Seele, Die in Unschuld ich liebt’, durchs holde Auge, Leuchtet ruhig der stille Grund der Wasser. Selbst das Kieselchen siehst du hier, nur selten, Dem bescheidenen Wunsch des Innern ähnlich, Regt ein lieblicher Schauer diese Tiefe. Hier zu kühlen den Leib und hinzuplätschern Unterm Felsen ist Wonne, nur dem Seegott Und der lüsternen Nymphe ganz gegeben. Aber steige die Nacht, die kühle, holde, Steige nur den gewund’nen Pfad der Felsschlucht Hier empor, und die Last der üpp’gen Pflanzen, Die verschwenderisch niederhängt und schwellend Grünt und wuchert, erblicke sie mit Staunen, Und schon lachen die Gärten dir entgegen, Weinlaub rankt sich empor, in stolzem Wuchse Blühet über der Mauer die Orange, Die Granate, der Lorbeer und die Feige. Was im kindischen Drang’ der ersten Liebe Von Elysiums Früchten du geträumet, Glänzt und duftet dir zu, aus ew’gem Grüne Schimmert ebenen Dach’s das Haus, die Kirche. Sieh’, es öffnet das Thor sich schon der Mauer, [131] Und der schattige Hofraum und der Brunnen, Trepp’ und Laube, vielleicht ein braunes Mädchen Ladet ein, und die schwere Traube nimmst du Oder Feig’ und Orange selbst vom Baume. Nachtigallen geweiht sind diese Haine; Denn so voll und gedrängt ist Frucht an Frucht und Blüth’ an Blüthe, daß kaum durchs Laub der Erde Allerlieblichstes, kaum der Himmel glänzet.
Aber rühmt’ ich dich nicht, o meine Freude, Heimisch Dach, wo mich oft die Ghibellinen, Rothbart oft und der große Friedrich und des Kaisers ähnlichster Sohn, der schöne Manfred, Oft der sterbende Konradin begeistert? Denn in Reizen der ew’gen Jugend schimmert Mir das goldene Erbland vor den Augen, Meer und Golf und die Stadt und selbst der Himmel. Hoch auf ländlichgetünchten Säulen ranket Weinlaub über das Dach und reicht des Morgens Kühlen Schatten, bis bald des weißen Daches Heller Schimmer, der Lüfte Glanz mich blendet. Abends aber auch nimmt es schon den Müden Wieder auf; denn die Sonne brennt im Laube Schon mit röthlichem Gold, und tausendfältig Glühn die glänzenden Gärten; drüber lächelt Blau die See und der schöne Berg im Dufte, Der den zartesten Rauch die Lüfte hinströmt, Dem weißschimmernde Städte, gleich Juwelen, Fuß und Ufer begränzen. Doch nach Bajä’s Zarten Hügeln und nach Misen zu blicken, Nicht vergönnt es der Sonne Pracht. Schon sinkt sie Ueber Procida nieder, übergossen Wie von flammendem Wein; vom Lichte trunken Leuchten rosige Berg’ und fast in Wollust, Dünkt mir öfter, verschmachtet Mutter Erde.
[132] Da, o Freund, auf dem theuern Dach beim Mahle Denk’ ich Großes, und fühle Muth und Stärke, Und den Träumenden überrascht das Dunkel; Sterne blinken hervor und Purpurröthe Glühet auf dem Vesuv, die holde Nacht hin; Denn nur schön ist der Berg, wenn ihm die Flamme Hoch entlodert; nur schön das Herz, wenn’s Liebe, Ruhm und Ehre zu großem Kampf entzündet.
3.
Freunde glaubt’ ich im Vaterland nur einen, Dich zu haben, o großes Herz. Der Jugend Irrthum deutet die Welt zu schwer, und wenig Wird, wer größer als sie, erkannt. O Alles, Alles that sie, daß ich sie haßt’, und dennoch Mit verhülltem Gesicht und feuchten Augen Von mir stoßend, was sie mir gab, begann ich Die Verbannung; und mich nur, meiner Feinde Grimm und hämischen Neid, nicht dich anklagend, Heimath, pilgert’ ich in ersehnte Lande, Jung wie Konradin noch, wie er der Hoffnung Und hochherzigen Muthes voll, im Kampfe Mit dem Kinde der Nacht, dem stolzen Priester. Mag anmaßender Geistesdruck und Blödsinn, Mag, o Freunde, der Ghibelline siegen, Laßt uns streiten! Der Lohn ist eine Krone!
So oft denk’ ich auf meerumspültem Felsen, So im Hause des Tasso, da dem Dichter Vom Balkone herab des Golfes Anmuth Und der Liebreiz der Berge sich entfaltet. Lorbeerheiliges Haus, wo oft im Dufte Fremder Sieg’ und Triumphe sich zum eignen Volksbegeisternden Lied mein Herz ermuthigt. Freund, wohl weiß ich, den Hohenstaufen schmückte [133] Schon im zwanzigsten Jahr die Königskrone; Fünf der Lustern durchlebt’ ich bald, und ruhmlos Bin ich noch!
Und in tiefster Seele fühl’ ich Mich betrübt. O was that ich, euch zu preisen, Im gewalt’gen Gesang die deutsche Vorwelt Als ein Deutscher und Kampf und Herrschergenius, Wahrheit, Kraft und des Völkerlebens Größe, Hohe Menschen und Thaten zu verew’gen? Denn im Tempel der Weltgeschichte, dünkt mir, Ist der Dichter der Priester, und den Vorhang Vor dem Heiligsten wahret seine Obhut. Da, wenn oft mir die Scham die Stirne röthet, Ruf’ ich flehend Torquato’s Genius, ruf’ ich Meinen Helden, und siehe, er naht mir langsam Aus des Lorbeers Umschattungen, der Jüngling, Friedrich’s Sohn, der apul’sche König naht mir, Schön und fröhlich, wie einst, da er Epirus’ Tochter, Helena, mit des Vaters Kraft und Hohenstaufischem Arm als Braut umfangen, Minnesänger und saracen’sche Mädchen Einst den Dichter, den König, einst das junge Liebenswürdigste Paar mit Jubel grüßten! Aber groß und gebietrisch, wie das Erbland Tausendjährigem Vorurtheil und Wahnwitz, Und Roms heil’gen Tyrannen er entrissen, Wie er einst mit dem Schwerdt der fränk’schen Räuber Schaar durchbrach und ein Opfer frecher Habsucht Ungeheuern auf Petri Stuhl und blindem Aberglauben sein Heldenblut vergossen! Da, o Freund, des Geschlechtes denk’ ich nicht mehr, Das mich neidet und haßt im Vaterlande Und dreifältigen Haß und Stolz mir abdringt, Und im höheren Geist nenn’ ich mein Schwaben [134] Heimath mir, und vor Grieche nicht und Römer Beug’ ich mich, doch bei Manfred’s Grab, o Deutscher, Benevento’s und Alba’s blut’gem Schlachtfeld, Wo ich stand und zum großen Werk mich weihte, Sei’s geschworen: Dem Kaiserhaus’ mein Leben!
Letztes Lied aus Capri.
Capri werde mir stets der Edelsteine Wundervollster genannt, den Vater Ocean Mit der Wogen Azur umfängt; kein Eiland Sei ihm gleich, ob’s mit Weinlaub Bacchus kränze, Ob’s in furchtbarem Fels der Vorwelt Schreckniß, Den Gedanken der Einsamkeit und deine Werkstatt, Mutter Natur, im Schooß verberge, Blüthenweckender Hauch des Westes oder Sturm das Haupt ihm umweht, ob’s Sitt’ und Unschuld Stillen Fischern, ein Greuel der Geschichte, Künft’gen Zeiten zum Graun geweiht: mein Eiland Bist du. Möge kein Frühling mir verblühen, Wo dein himmlischer Strand den Gast nicht aufnimmt, Nicht den G a s t , denn Vertrauter, Kind und Liebling Bin ich dir; mich erkennet Haus und Garten, Palm’ und Feige, mich Fels und Fischerhütte, Mich der Mensch, die Natur; die falsche Meerfluth Ist’s allein, die den Kehrenden nicht kennet. So auch, was ich geliebt, gethan hienieden, Bleibt mir treu ins beständ’ge Herz gewurzelt; Mag das wechselnde Schicksal jede Stunde Die vergängliche Well’ im Sturm und Brandung Rauschend treiben zum Fels; beharrlich steht er.
Wo am schönsten erscheinst du mir, o Eiland? Ist’s, wo Reben, des Geistes voll, den Abhang, [135] Schöpferinnen verweg’ner Kraft, mir aufblühn, Und die holdere Sonne sie durchglühet, Wie ein besseres Herz die Liebe? Morgens Gern aus Garten und Weinberg seh ich träumend Schimmern Golf und Vesuv und Kap und Inseln, Ueber Ischia weg, wo weit im Norden, Fast dem Himmel vermählt, der Circe zaubrisch Vorgebirge mich lange täuscht, ob’s Nebel Oder Wirkliches ist. Dem Schmerz erscheinet So vergangenes Glück. Vergieb der Sehnsucht Dieses Herzens, ich denke Roms. Doch ewig, Strand der Einsamkeit, auserwählet seist du, Wo schreckhaft in des Südmeers wilde Brandung Niedergraut des Solaro Fels, dem Vogel Kahle, wolkenumrauschte Wohnung. Menschen Trifft mein Auge hier nicht, dem Oceane Preis gegeben, erscheint die Welt, in Trümmer Liegt zersplittert der Fels, doch nur am Fuße, Dem jäh starrend erhebt sein stolzes Haupt sich Und den Scheitel bekrönt die kühne Burg ihm, Unten aber umtost, vom Schaum des Meeres Ruht das Einsamste, was sich Schmerz und Schwermuth Menschenfeindliche, je geträumt, die Hütte. Fels nur scheint sie, doch Trepp’ und Thüre seh’ ich, Und die Sonne des Mittags trocknet Netze Da und dort auf dem Kies, auf ödem Felsblock. Nicht Trinakria scheint, nicht Lybien’s Küste, Jene Wildniß des Meeres zu verbergen, Wo das Auge verirrt, kein Grün am Strande, Hoch nur sproßt aus dem Spalt’ die ind’sche Feige; Himmel zeigt dir und Meer unübersehbar Das Unendliche hier. Gepriesen seid mir, Kühne Sieger des Elements, o Schiffer! [136] Fast am Grab’ der Natur, der Menschheit steh’ ich; Und von meinem Geschlecht allein noch übrig Dünke ich mich der Letzte noch zu sterben; Unvermeidlich erschien es mir, doch find’ ich Ueber’m Rücken des Felsens euch, o Fischer, Und das schaudernde Herz fühl’ ich beruhigt; In Verbannung nur wähn’ ich mich: doch süß ist Solcher Einsamkeit selbsterkorne Stille. Nicht verlangt mich’s den blauen Golf hinüber, Und die dämmernde Stadt, die ihm entglänzet, Zaubert nicht bis zum stillen Eiland; oft nur Seh’ ich lange hinein den Wasserspiegel Hoch herab mit der Bangigkeit der Liebe, Bis ein Segel im Sonnenlicht erschimmert; Süße Angst und verhohl’ne Zweifel fesseln Auf das schwankende Schiff den Blick, ob treulich Einen Brief mir von Rom das Liebchen sende.
Flügel wünsch’ ich mir dann. Das träge Ruder Legt zur Seite; der Gott der Winde schicke Mir von Osten den frischen Hauch, die Worte Der Entfernten in Eile mir zu bringen. Kummervoll, wie das engbeschränkte Leben, Ist im Reiche Neptuns der Weg, wenn mühsam Ihn das Schiffchen im Ruderschlag durchstrebet; Aber Wonne, wenn Wind die Segel schwellet, Wenn’s den rauschenden Pfad hinfliegt; dem Genius Gleicht’s alsdann den Begeisterung ergriffen.
[137]
Oden und Elegien aus Sicilien.
[139]
Syrakus.
Ja ganz, Marcell, hast du die Gewaltige Zermalmet, oder glaub’ ich der Thräne, die Du ihr geweint, war’s nicht dein Adler Doch, dein gefürchteter Bote, Vater,
Der Blitze schleudert und Schicksalsrath vollbringt, Trinakriens vierstädtiges Rom hat er’s Zermalmt und weggetilgt vom Boden, Tempel zertrümmert und Burg und Mauer?
Des Denkers selbst, des völkerzerstörenden, Geschonet nicht, und schlangenbekränzt von Mund Zu Mund gereicht des Wahnsinns Becher, Den mit der Flamme der Mordwuth Eris
Mit Blut, die streitbegeisterte, bis zum Rand Gefüllt, vom zarten Weibe, vom Säugling Blut Gleich fordernd im bachant’schen Taumel Wie von den Mördern des Königshauses.
So jemand niederschaute vom grauen Fels, Der einst umstarrt’ die Mauer des Dionys, So er des Berges Schutt und Trümmer, Hafen und Fels und Dianens Insel
Anblickte fragend: Wo denn erspäh ich sie Karthagos stolze Siegerin und Athens? Ich frage Meer und Land: die goldne, Herrlichste Tochter Korinths, wo ist sie?
[140] Der Ceres Frucht wohl seh ich in jenem Thal, Ganz andre Garben aber hat einst sie hier Die Aehrenleserin, die große, Hat die Geschichte sich hier gewunden,
Die strenge Thatensammlerin, giftig Kraut Absondernd von süßnährender Frucht, den Sohn Der Doris und den Sohn des Töpfers Scheidend von Hierons bessrem Glücke.
O weintest du, Zerstörer, was bliebe noch Der Nachwelt? Schutt und Grausen von Labdals Burg Von meerumrauschter Akradina Bis zu Kronions verwaisten Säulen!
Nur Steine, wo einst Thaten und Tugenden; Der fromme Stier, wo einst der Tyrann sein Volk Beschaut; der Mühle Schäumen, wo einst Sophokles göttlichste Sprach’ ertönet;
Des Klosters stiller Garten und Blumenweg, Wo in gigant’scher Grotten Umschattungen Athens unzählig Heer und Nikias Qualen des Henkers und Tod erharret.
Das Maulthier wandelt felsige Wildniß hin, Wo Musen sangen; Hirten und Bettler sind, Wo mit Jonen und Platonen, Wo sich mit Timoleonen Freiheit
Und Weisheit fand zu geistigstem Heldenbund Und selbst die Grazie Männer zur Schlacht geweiht. Von solchem Bunde bessrer Schwestern Blutig getrennt hat sich nun die Nachwelt.
[141] Noch wie dem grauen Archias glänzet uns Das Meer, die milden Lüfte, das reine Licht; Umrauscht noch von Aegyptens Büschen Lebt in der Quelle Cyanens Fabel,
Und Arethusa sprudelt die salz’ge Fluth Noch an Ortygias Ufer mit alter Kraft, Durchglüht der Sonnenstrahl des Gottes Süßeste Frucht, der Begeistrung Freundin.
Der Mensch nur leidet. Nimm der Natur des Lichts Erschaffend, hold erhaltend Geschenk, sie stirbt, Dem Menschen gleich, dem längst des Lebens Stolzeste Quelle versiegt, die Freiheit.
Die Villa des Timoleon.
Wär’s eine Nymphe, die in der Einsamkeit Dem Wandrer sich verräth? Im Gebüsch vielleicht Verborgen lauscht das holde Wesen Und dem Erschöpften ertönt die Stimme:
Komm, labe, Wandrer, dich und Epipoli Gestärkt besteigst du! Täuscht’ ich mich nicht, es quillt Vom Felsen sprudelnd und der Bäume Freundliche Schatten verbreiten Kühlung.
Dem Berg entsproßt großblätterig Indiens Frucht Voll Purpurfeigen, auch die Cypresse ragt, Es reift die Goldorang’ und lieblich Birgt sich im ewigen Grün die Mühle.
Ich trinke; dankt’ ich’s, lauschende Nymphe, dir? O welche Stille! Wohnte die Schwermuth hier, Der Schmerz, vielleicht verkannte Tugend, Oder die Weisheit, die Völkern Heil bringt?
[142] Timoleon, o Name mir werther selbst Als Recht und Tugend, Wort und Gedanke nur! Du bist die That! Es schuf den Menschen, Schuf auch die Erde des Gottes That nur.
Timoleon, dir bietet der Denker selbst, Der Seher des Cefiß, der unsterbliche, Das Haupt; was er im Geiste geträumet, Doppelt hast du’s in der That geschaffen.
Sah je im Tempel größeren Sterblichen Ortygias Gottheit? Gelon, der Alte, nicht, Nicht Hermokrat, nur Einer ist hier, Nur Aristomaches Bruder ähnlich,
Der Mann, der einst den Weisen von Griechenland Das Schwert umgürtet und den Tyrannen schlug, Ein Gott und Retter heut gefeiert, Morgen gemordet von schnöder Habsucht.
Timoleon, ertöne dein Name mir Noch einmal! Großer Vater des Volks, du hast Zertrümmert des Tyrannen Burg und Hast auf den Trümmern gestürzter Herrschaft
Dir selbst den Thron, Großmüthigster, nicht gebaut, Wie Menschen pflegen, hast den Entfesselten Der Freiheit Haus und seine Säulen, Weiser Gesetze Geschenk verliehen.
So, nach vollbrachtem Werke, du blinder Greis, Rathgeber, angebeteter stets des Volks, Tratst du in Einsamkeit und Ruhe, Ruhe genießend, denn Ruhe schufst du.
[143] O Brudermörder, wie doch erhabener Bist du als jener Römer, der Sieger, doch Zerstörer ist. Zweimal gestritten, Zweimal entsagt und befreiet hast du.
Und gält’ es eines anderen Bruders Blut, Fürs Heil des Volkes fließ’ es und Vaterland, Und göttlich dünke mir dein Herz und Schön wie die Liebe der Dioskuren.
Die Tempel von Agrigent.
Glanzreichste Tochter, dor’sche, des Ruhmes voll Und Goldes, stolz am Ufer des Akragas, Am Heerd, dem nährenden, der Waffen Blut’gen Triumph mit der Lust vertauschend,
Die aus olymp’schem Göttergelage nur Dem Sterblichen hellen’scher Geburt des Zeus Huldgöttinnen ins schöne Leben Hauchten, Persephones heil’ger Wohnsitz,
Noch sinn’ ich, ob Ortygias Fall, ob nicht Dein Sturz ein schicksalschwereres Loos dem Gott In zweifelhafter Hand geschwanket, Königin, holde, der blum’gen Hügel.
Folg’ ich dem Strom festfeiernden, bunten Volks Zur heil’gen Anhöh’? Ueber die Felsmau’r ragt Der Säulen dor’sche Majestät, von Kränzen geschmückt der gewalt’ge Tempel.
Und silberweißen, langen Gewandes naht Der Priester Festzug, heil’ger Gesang erschallt, Die Opfernden sie nahn, der Stiere Trotzige Kraft von der Blumen Anmuth
[144] Und priesterlicher Teppiche Pracht bedeckt Und hold verschleiert wandelt in Schüchternheit Der Jungfraun aufgeblühte Jugend Rosen ums Antlitz und Rosen ähnlich.
Nicht fehlet auch der Rosse gerühmter Stolz, Denn gute Art zeugt Cocalos Burg, sei’s nun Im Kampfgewühle sie zu tummeln Oder zu siegen im Spiel Olympias.
Der Wägen auch, der glänzenden, folgen viel, Denn weichlich lebt der Bürger am Akragas, Reich ist er fast wie seine Götter, Denen er Tempel gebaut und Altar.
Schon dampft das Opfer, aber vom Säulenhaus, Dem priestervollen, blickt auf die Glücklichen, Die Schönen Aug’ und Herz der Starken, Die sich zur Feier des Gotts versammelt.
Und Volk beschau’ ich, unübersehbares, Und Meer und Hafen, auch die geschmückte Stadt, Und Athenaeas Fels und oben Zeus Atabirios goldne Wohnung.
Nicht wein’ ich mehr dem Menschengeschick; denn schnell Und leer, bestandlos wandelt’s, den Wolken gleich, Die um die Sonne wehn, die ew’ge, Ueber die Erde dem Nichts entgegen;
Nicht mehr den Männertugenden, Wolken auch Sind sie, durchglüht nur stark von des Himmels Gold, Nicht mehr der Tapferkeit, den Wettern Gleicht sie, die segnen im Sturm und Donner;
[145] Nicht mehr dem Glück, das Perlen wie Morgenthau Ausgießt im Frühschein, Perlen, die Stunden kaum Der Ros’ entglänzen und vergehen, Während die Blume verwelkt am Mittag.
Wenn auch dein Bild, freigebigster Gellias, Der jeden Wandrer lud, und der Sieger mich Olymp’schen Kampfes – dreimalhundert Folgten ihm prangender Ross’gespanne –
Wenn auch die Braut mich mahnet, der Hymens Brand Von allen Tempeln leuchtete; dennoch nicht Verwundr’ ich des mich, dennoch frag’ ich Nicht, wie es kommen und wie’s geschwunden.
Das aber dünkt mir schwer und mit Angst erfüllt’s, Mit staunender, das zweifelnde Herz, gestürzt Und fürchterlich zur Erde nieder Sah ich geschmettert der Götter Tempel.
Giganten trugen, mächtigen Arms, die Last Des Riesenhauses, daß es der Ewigkeit Den Dienst des Donnerers bewahre; Selbst die Giganten zertrümmert sind sie.
Seitdem mich solche Trümmer umstarrt, seitdem Zernichtet mich ein ganzer Olymp umgraust, Der Vater und die Kinder alle; Glaub’ ich, daß bald von gedrückter Schulter
Die Welt dem großen Träger entsinkt, und bald All unsres Lebens Mutter Natur der Macht, Der dunkeln, unterliegt, die endlich Selbst sich zerstört im zerstörten Weltall.
[146]
Kaiser Friedrichs des Zweiten Sarg.
So je im Tempel Ernstes und Heiliges Das Herz mir traf in großen Entfaltungen, Des Gottes dunkle Offenbarung Schauer mir goß in des Geistes Tiefen,
Und wär’ es Blut und Leib des Erlösers selbst, Da ihn mein Mund berührte zum erstenmal, So Unaussprechliches im Herzen Nicht an der Treppe des Altars fühlt’ ich,
Und zürnte mir der Himmel und zürnte mir Die Erde, die im Staube Gebete lallt, Doch sei’s bekannt, vor deinem Sarge Feiert’ ich größere, kühn’re Andacht.
Du hier, o ew’ge Glorie des Vaterlands, Des deutschen Scepters herrlichster Fürst und Held, Du Schöpfer nie gewagter Thaten, Kämpfer des Lichts und der bessern Wahrheit,
Der größer als der Sieger der Hydra einst, Der sichtbaren, mit schrecklicherm Feinde rang, Mit gift’germ Ungeheur, mit blut’germ; Ohne Gestalt und verwundbar Wesen
Trug es so viel der Häupter, der streitenden, Als Herzen athmen, flammende Nahrung sog’s Im Osten, Schweif und Drachenflügel Schlug den zertretnen, zermalmten Abend.
Des Rachens unersättlicher Schlund am Strand Des Tibers gähnt’ er, Throne zertrümmert’ er, Ein groß Jahrtausend war sein Leben, Rühmt’ er nicht selbst sich des Himmels Wächter,
[147] Dein Feind, o Friedrich? Größern bekämpfte nie Ein Held, sei’s denn der Engel des Schwerts vielleicht, Der Belial schlug. O Staub des Herrschers, Betet’ ich Irdisches an, du wärst es.
Des Bannstrahls denk’ ich, den aufs gekrönte Haupt Roms frechster Priester schleuderte, Volk und Land Mit Fluch beladend und der Menschheit Heiligste Fesseln, der Wüthrich, sprengend.
Du aber, Kaiser, weintest in hohem Zorn Und riefst: Des Reiches Kronen o bringt mir sie! Und aufs geweihte Haupt sie setzend Sprachst du in Flammen gekränkten Herzens:
Wer nähme mir die Krone von diesem Haupt? Der Worte denk’ ich, und in der Seele mir Grollt bittrer Zorn; vom Sarge, dünkt mir, Stiegest empor du in deiner Hoheit,
Des Domes Säulen stürzend und fragend: Wer, Wer nähme mir die Krone vom Kaiserhaupt? Und Hände ringend, Tod im Auge, Riefe der Staufe: Wo ist mein Enkel?
Sein Blut komm’ über euch und den Priesterstuhl, Mein letztes Blut, mein theuerstes, über euch Komm’ es! Gerichtet hat die Stimme Längst schon der Menschheit, und kommen wird er,
Der Tag, wo Jener richtet, der mich dem Staub Anheim gab, fordern wird er von euch die Schuld, Und ist auch dreifach eure Krone, Dreifach mit Greueln beladen ist sie!
[148] So dünkt mir, spricht weissagend der Geist; doch längst Grollt ihm der Priester, grollt ihm die Mutter selbst, Die allbarmherz’ge, nicht mehr; friedlich Ruhet im Tempel des Kaisers Asche.
Und fern vom goldnen Altar erschallt der Chor Zu Friedrichs Einsamkeit und des Vaters Sarg, Als wollt’ er ihren Zorn, als wollt’ er Reuig den rächenden Gott besänft’gen.
Sicilianische Lieder.
Erstes Lied.
Tage verstreichen an Tage; noch immer im heiteren Zankle Hält mich die Sonne, die Lust, hält mich die Laune zurück. Runzle die Stirn, dich ergreife der Ernst altgriechischer Vorwelt, Dank es dem Glück, dich umglänzt endlich trinakrische Luft. Der Pelorias hier und die sandige Zunge des Faro, Ueber des Meeres Azur lockt dich Kalabrien dort. Hier am Horne des Stiers durchschwamm Herakles die Wogen, Hier mit Strudel und Tod kämpfte der Dulder Ulyß. Still, o nordischer Freund, und zürne mir nicht, ich gestehe, Manche Scylla hat mir, manche Charybdis gedroht. Zwinge zum Ernst mich nicht, dem Gemüth vergönne die Freiheit, Bleibe dem denkenden Ernst, bleibe dem Scherze sein Recht. Sie gehorchen dir nicht, du bist ihr Diener, ihr Priester, Höheren folgst du, sie sind dir der begeisternde Gott. So das Heiterste nur, das Fröhlichste lächelt mir heute, Und ein seltenes Glück wagt nur ein Thor zu verschmähn Hat ja den nordischen Gast am Strand schon Amor empfangen, Als er zum erstenmal Sikulerboden betrat. [149] Ist’s ein Wunder, das ich der Chalcidenser und Samer, Spartas wenig und Roms oder Karthagos gedacht? Denn ans Fenster führt mir der Schalk ein liebliches Mädchen; Erst nur Blicke, doch bald folgt der verstohlene Gruß. Und man redet mit Zeichen, man redet mit Augen und Händen; Andere Sprache vergönnt lauschende Nachbarschaft nicht. Kannst du lesen, mein holdestes Kind? so frag’ ich mit Zeichen „Ja“, ist die Antwort. Im Nu liegt auch ein Briefchen bereit. Und beschwert mit dem Kiesel, damit es der Wind nicht entführe, Fliegt es ins Fenster und schnell hebt sie erröthend es auf. Goldne Minuten erwartender Angst, und die zärtliche Antwort Eilt den gefährlichen Pfad schon in mein Fenster herein. Worte der Liebe. Wie bin ich dir gut, doch im Hause, mein Liebling, Darf ich dich jetzt noch nicht sehn, aber heut Abend gewiß. Zweimal noch durch die Lüfte geleitet Amor die Briefe; Und der Abend, er naht schon mit beglückendem Schritt. Bläuer rollet des Meeres Krystall und in glühendem Dufte Schimmert das holde Gebirg, schimmert Kalabrien schon. Und die dämmernde Nacht, bald deckt ihr Schleier die Erde, Und der glückliche Wahn wird dem Verliebten enttäuscht. Eines Andern Geliebte! Warum nicht? Wundre dich nicht mehr; Treulos bist du und willst Treue vom schwächeren Weib? Freund, genieße; du achtest es nur, so lang du’s ersehnest; Hast du genossen, es folgt gleich die Verachtung ihm nach. Nur das Edlere bleibt und das Edlere such in der Seele, Ueber dem Wechselnden steht’s ewig das dauernde fest.
[150]
Zweites Lied.
Die Felsen der Cyklopen.
Wandle die Gärten, die blühenden, hin am Fuße des Aetna, Purpurn bietet dir noch Indiens Feige die Frucht. Schwellend drängt sich zur Erde die Traub’ und rankt um die Säule, Ueber dem niedrigen Dach lacht die Orange dir zu. Haus und Garten umschließt das düstere Lavagemäuer, Ueber vulkanisch Gestein führet die Straße dich selbst. Da ermangelt das liebliche Grün, du wandelst in Felsen; Eine Wildniß erschließt sich dem befremdeten Blick. Unten rauscht um das Felsengestad die krystallene Woge, Die das mildeste Licht südlichen Himmels durchglänzt. Kaum entdeckst du das Dörfchen am öden Ufer des Meeres, Fischer nähret in ihm, ärmliche, Vater Neptun. Doch gewaltig entsteigen der Fluth die cyklopischen Klippen, Schwarzen Thürmen vergleichst du ihr gigantisches Bild. Hier, o Muse Homers, naht’ einst der troische Wandrer In zehnjähriger Fahrt irrend Trinakriens Strand. Und des Ithakers denk’ ich, des schlaun, dem in mächtiger Höhle Der gefräß’ge Cyklop Freund’ und Gefährten verschlang. Doch er blendete tapfer den Feind und mit blöckender Heerde Stahl sich der griechische Held muthig die Grotte heraus. Aber die Felsen, wo oft in der Barke der Fischer mich rudert, Warf der ergrimmte Cyklop nach dem entflohenen Feind. Dank, o Vater Homer, am Strande des waldigen Aetna Irrend, wie Dulder Ulyß, hab’ ich dein Märchen gefühlt. Doch gern denk’ ich den Sohn der Erde mir auch, da der Liebe Schelmischer Gott ihm ins Herz blutige Pfeile gesandt, Da er gelagert am felsigen Strand der Nymphe des Meeres, Ein Verschmähter, den Schmerz brennender Liebe geklagt. [151] Und wie gerne der Mensch in Anderer Leiden und Freuden Seines Herzens Geschick thätig genießt und beweint, Wie der griechische Wandrer mir oft die eigene Irrfahrt Auf der flüchtigen Welt täuschenden Bahnen gezeigt: Kehrt mir vergangene Liebe zurück und vergangener Kummer, Und am Ufer erschleicht manche Erinnerung mich. Nymphe der blauen Wellen, so noch den krystallenen Abgrund Deine Gottheit bewohnt, höre den Flehenden an. Dünke mein Wort dir albern wie einst das Liebesgeplauder Des Cyklopen, es sei doch mein Gedanke dir kund: Viel einst hab’ ich geliebt und Alles hab’ ich verloren, Was ich mir treu, was ich einst mein bis zum Grabe geglaubt. Unaussprechlicher Schmerz erfüllte da mir die Seele; Denn an ein fremdes Sein hatt’ ich das eigne geknüpft. Einem Baum verglich ich mein Herz, den die Wetter geschlagen, Dem schon im Frühling der Sturm Blüthen und Blätter geraubt. Doch nun seh’ ich ihn männlich gereift im heiteren Sommer Kräftigen Stammes und tief wurzelnd im fruchtbaren Grund. Früchte trägt er, und glücklich enttäuscht auf die Träume der Jugend Blick’ ich zurück und es ist nun auch die Ernte nicht fern. Drum verarge mir nicht, o verschmähende Göttin des Meeres, Such’ ich mein höchstes Glück jetzt in der Liebe nicht mehr. Sei ihm offen das frische Gemüth, doch begnüge sich Amor, Freund und Gespiele, doch nicht Herr und Gebieter zu sein. Noch, Galathea, hat mich kein sprödes Mädchen verschmähet, Aber trifft mich das Loos, bin ich zu dulden bereit.
[152]
Drittes Lied.
Religionen.
Laßt mich schwärmen und quälet mich nicht; im Lande der Fabel Leb’ ich, so sei auch mein Herz, sei auch mein Lied ihr geweiht. Bleibt in den Fesseln und glaubt was euch die Amme gelehret; Anderes aber bewegt mir den entbundenen Geist. Dieser Boden, er trug der Offenbarungen jede; Jupiter, Mahom und Christ glaubt’ und verehrte man hier. Drum verarget mir nicht, wenn mir der Tempel Girgentis Mehr als der maurische Dom Opfer und Andacht verdient; Wenn dein uranisches Wundergebild, Syrakus, wenn die Göttin Mehr als das heilige Holz heute dem Auge gefällt. Dir gestatt’ ich dafür, daß du deutschthümlicher Salbung Lebest für gothische Kunst, gothischen Glaubens erstirbst. Erst ein Jude, dann Christ, erst Protestant, dann katholisch, Wahrlich ein Heiland, doch erst will ich am Kreuze dich sehn.
Viertes Lied.
Glaub’ ich’s, daß ihr nun auch mein trinakrisch Glück mir beneidet? Eifrer der Heimath, ihr seid, heilige Frömmler, gemeint. „Unersättlich nach Sinnengenuß, von Freude zu Freude Jagt er bethört und bedenkt nicht, daß die Nemesis naht. Irdischem neigt sich der Sinn, der verwilderte. Bessrer Empfindung, Frommer und reiner, verschließt er das vergiftete Herz. Sitte achtet er nicht noch Gesetz, nicht Glauben und Schule, Den die Willkür allein, den die Begierde beherrscht. [153] So der Heimath entflohn von dem ernsteren Gange des Lebens Schwelgt er in Lust und Genuß selbst bis an Lybiens Strand.“ Schweigt, o Kinder des Lichts, ihr auserkohrenen Lämmer; Ja, verkünd’ ich es nur, größrer Entzückungen Rausch, Kühnere Orgien feiert’ ich nicht, seitdem mir des Lebens Schäumender Becher den Mund freieren Geistes berührt. Ja, gesteh’ ich’s euch nur, ich schämte mich selber der Heimath, Wärt ihr das Aermlichste nicht, was noch die Mutter gebar, Zeugte die Stammburg einst, die zertrümmerte, theure, die Helden, Das unsterbliche Paar, staufische Friedriche nicht. Hör’s, engbrüstig Geschlecht, ich verberge dir nichts, ich bekenne Stolz und freudig, wie Zeus reich mir die Tage geschenkt. Bald am Anapus weil’ ich, es gleitet der Kahn zu der Quelle, Und auf dem flüssigen Pfad schattet die Blume des Nils. Bald umschweben die Göttinnen mich im seligen Enna, Und die Stunde, da mir Helios einst sich erhob Ueber des Aetnas Riesengebild, nicht, glaub’ ich, ihr gleichet, Währt es auch Ewigkeit, all euer Leben an Werth. Bald in duftigen Hainen besuch ich des Akragas Tempel, Einen ganzen Olymp birgt mir das liebliche Grün. Selinunts Titanenruin und der stolzen Segesta Troisches Säulenhaus ladet den Glücklichen ein. Bald nach Karthagos Trümmern vom lilybäischen Strande Wünsch’ ich mich über die See, über die lybische, weg. Unter Marsalas Palmen und hesperidischen Reben Wandr’ ich zum heiligen Berg, hört es, zum Eryx hinan. Schmähet ihr noch, so ruf ich dich an, o Genius: Lehre Dithyrambischen Worts stolzre Bedeutungen mich. So entströme die Flamme des Aetnas Grunde, so wälze Donnernd der purpurne Strom sich aus der Tiefe hervor; So umstürme des Gipfels Orkan den begeisterten Sinn mir, Und der brausende Dampf werde mir delphische Gluth; [154] So umdufte das Veilchen Proserpinas Fels und vom Eryx Nahe voll zärtlicher Gluth, nahe mit rosigem Arm Mir das schönste der Mädchen, es nah’ Amathusia selbst mir Und kredenze des Kelchs ewig verjüngenden Trank. Schon durchglüht mich die Flamme, vernehmt’s: Was ist’s, wenn im Taumel Eurer zu spotten ich mir Apotheose geträumt!
Fünftes Lied.
Agrigent.
Wie aus heiterstem Grün, o erhabenste Tempel Girgentis, Wie vom Himmel umglänzt steigt ihr der Nachwelt empor! Zwar in Trümmer schlug euch die Zeit; wohin ich mich wende, Zu des olympischen Zeus altem, titanischen Haus, Sei’s zum furchtbaren Schutt des Herakles, sei’s zu dem Hügel, Wo vom Frühling umblüht, Juno Lucina, du einst, Oder die Eintracht dort in dorischer Schöne gewohnet, Sei’s wo der Tempel Vulkans über der blumigen Kluft Von Limonen umduftet, umlacht von Indiens Feigen, Kaum den Blick mir zum Strand, kaum bis zum Meere gewährt. Euch umglühet Natur, und selbst aus dem Grab in der Mauer Strebt der blühende Baum mächtiger Aloe noch. Jüngst so irrt’ ich im Grün, mir lachten goldene Früchte, Hier entsprang der Granat, dort die Orange dem Laub. Eine Nachtigall schlug und die Tempel entragten den Hainen, Da erfüllete mir Wehmuth das einsame Herz, Unaussprechliche fast. So oft ins zerfallene Leben, Oft in die Trümmer des Glücks, oft in der Liebe Verlust Klagt ein süßer, ein seliger Laut mit der Nachtigall Stimme, Und das Schöne vielleicht wohnet am liebsten im Schmerz.
[155]
Sechstes Lied.
Der Berg von Trapani.
Heut, Mißgünst’ge, vernehmt’s, bestieg ich den wolkigen Eryx. Aber fragt ihr warum? geb’ ich die Antwort euch gern. Schön zwar ist’s vom felsigen Haupt, dem taubenbewohnten, Nieder zu blicken auf Thal, Ufer und Insel und Meer. Jene Klippen, von Wellen umschäumt, bezaubert die Sage; Denn der wilde Cyklop warf sie hinaus in das Meer. Seinem Vater feierte hier Aeneas das Kampfspiel, Wo der rauschenden See Trepanons Sichel entsteigt. Dort um die Inseln schlug der Römer blutige Seeschlacht Und zu Frieden und Bund bot der Karthager die Hand. Ueber die Ebene blick’ ich hinweg, die rebenbegrünte, Lilybaeon erglänzt sonnig am äußersten Strand, Dem mit Aeolus Gunst das Schiff am Abend entwandert, Um mit dem Frühroth schon glücklich in Tunis zu sein. Schön zu schauen ist das; doch wißt, den ermüdenden Bergpfad Stieg der Wandrer darum nicht, der verhaßte, hinan. Eine Wallfahrt gebot ihm das Herz; zum Tempel der Venus Trieb ihn die Andacht, es trieb ernstlicher Dank ihn empor. Fromm ist jeder nach eigener Art, mir vergönnet die meine, Nur dem eigenen Drang bin ich ja immer gefolgt. Heuchelt, wie’s euch bedünkt; ich bekenne fröhlich, der Göttin Hab’ ich Jugend und Kraft gerne zu Dienste geweiht. Nicht mit Asche bestreut’ ich mein Haupt, doch kränzt’ ich’s mit Rosen, Wenn ein Mädchen mich oft feurigen Armes umschlang. Drum erhöre mein brünstig Gebet, o Himmlische, wende Deine Gunst von dem Schwarm, der dich verläugnet, hinweg. Dir zu opfern gebietet Natur allmächtigen Dranges, Und zu läugnen versucht’s Frömmler und Heuchler umsonst. Nimm mein Opfer und gieb mir ins Leben Schönheit in Fülle, Gieb der Grazie Huld, aber die edelste, mir!
[156]
Siebentes Lied.
Chiron.
Immer zu Pferde; schon kehret der Mond, schon füllt er die Scheibe Und der sikulische Herbst sieht mich noch immer zu Pferd. Fast ein Centaur erscheinet sich selbst der wandernde Sänger. Wohl ihm, fände sein Lied einen gelehr’gen Achill.
Achtes Lied.
Die Tochter von Carini.
Nicht von Heroen und Kriegern, von Königen oder Tyrannen, Dion und Dionys und von Timoleon nicht, Nicht von Roger dem Grafen, von Arabern oder Normannen, Nicht von Staufen ertönt oder von Franken mein Lied. Euch, o freundliche Wellen, entrauscht den Saiten der Wohllaut, Die ihr purpurnen Scheins lustig den Kahn mir umhüpft. Noch umwehn mich die Düfte des fruchtbeladenen Thales, Wo verschwindend Natur Wollust empfindet und weckt. Und der spiegelnden Fluth entragt der geröthete Meerfels, Den der Schiffer umfährt, wenn er Panormus erstrebt. Lachend rollet der Golf die glänzenden Wogen und ferne Dämmert im Reiche Neptuns Ustica bläulichen Dufts. Und dem felsigen Hang, der niederhängt in die Wasser, Rudr’ ich entgegen; wie süß hier die Erinnerung ist! Hykkara schwand, es zerstört’ es der Grieche; doch immer lebendig Bleibt dein reizendstes Bild, schönste der Griechinnen, mir. Laïs Heimath zu sein, nicht rühme sich dessen Carini, Wenn es der Tochter auch ewige Glorie verdankt. Eher glaub’ ich, sie stieg vollendet aus goldenen Fluthen, Um dem entzückten Geschlecht sichtbare Göttin zu sein.
[157]
Neuntes Lied.
Die Frauen.
Lasset Schul’ und Katheder und Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal, Bücher und Bibliothek, laßt sie und höret mich an. Eifrer der Frömmigkeit, euch preis’ ich Siciliens Frauen; Denn ein herrlich Geschlecht schmücket Trinakrien noch. Fremden gefällig, von lüsternem Geist, von feurigen Sinnen, Wer vermöcht’ euch darum, Töchter von Zankle, zu schmähn? Zarte Kinder, von blondem Gelock, blauglänzenden Augen Bietet Catania dir, bietet die freundliche dar. Zwar kaum hatte den goldenen West, den reinen, die erste Abendröthe mit Gluth über dem Hybla gefärbt: Sieh, und es zeigt vom Balkon ein Liebchen mir schon Arethusa, Und Ortygia dünkt längst mir die Heimath zu sein. Doch nicht wüßt’ ich darum Syrakusas Töchter zu preisen, Denn mit der Quelle gefolgt sind sie dem niederen Dienst. Frisches Blut und kräft’ge Natur und edle Gesundheit, Unverdorbene Zucht, fern der Verführung der Welt Findest am Aetna du, wo Indiens Feig’ und die Rebe, Wo Orang’ und Granat glückliche Städte bedeckt. Oder im fernen Buscemi, im pinienumgrünten Piazza, Oder auf luftigem Fels, auf dem gigantischen dort, Wo mit Dianen einst Proserpina Veilchen gepflücket Und Aphrodite selbst heilige Keuschheit bewahrt; Oder auf Trapanis Berg, nur daß die blühenden Reize Neidisch der Schleier dem Blick hier, der arab’sche, bedeckt. Dennoch aber der Preis der hohen Königin sei er, Mutter der schönsten Frau’n, dir, o Palermo, geweiht. Denn wie du selbst die erhabenste bist der Städte, wie üppig Berg und Hügel und Thal Flora mit Blüthen bedeckt, Hat die Natur, die mit Palmen dich schmückt und Aloe, der Menschheit Zärteste Blumen auch euch, reizende Frauen, geliebt. [158] Hört’s, o Eifrer, an Süßigkeit gleicht Palermos Orangen Kein’, und Palermos Geschlecht gleicht in Trinakrien keins. Nun zu Schul’ und Katheder, zu Beichtstuhl, Kanzel und Hörsaal, Bücher und Bibliothek kehret mir wieder zurück. Nennet euch tugendhaft und schmähet mich fort, doch die Strafe Giebt sich selber wer nie menschliche Liebe gefühlt.
Zehntes Lied.
Weine.
Endlich wundert ihr euch, ihr begreifet nicht, wie der Sänger So Verhaßtes, wie er euch im Gedichte bedenkt. Denn unwürdig, ihr fühlet es selbst, unwürdig der Muse Seid ihr ja ganz und verdient selber die geißelnde nicht. Aber weil ihr von Tugend mir prahlt, von Bibel und Sitte, Weil euch Lust und Genuß stets nur ein Aergerniß ist, Weil ihr mich täglich verdammt und dem glücklichen Spötter den Bannstrahl, Den zerstörenden, mir täglich nach Süden verschickt: So erfreut mir’s das Herz, euch täglich zu ärgern und euch nur Will ich erzählen wie mir Freuden an Freuden erblühn. Bachus, ihr kennet ihn nicht, ist stets mein Gefährte geblieben, Aber als Gott mir gezeigt hat ihn Sicilien erst. Zweifel plagen auch euch, so erlaubt dem Sänger den Kampf auch, Welchem trinakrischen Wein werde der köstlichste Preis. Syrakus, es bietet mir hier auf goldener Schaale Schon den süßen Muskat, schon Amarina zum Trank. Nah an den Trümmern auch der palmenreichen Selinus Hat mich das purpurne Blut näher den Göttern gerückt. Wo ertönt nicht dein Ruhm, Marsala? Dir gäb’ ich die Krone, Reichte mir Alcamo schon, reichte Palermo mir nicht [159] Andern Nektars Entzückungen schon im uranischen Kelche, Nicht im Kelche, den mir Amor, der lust’ge, kredenzt. Aber wenn auch der Freund, der treffliche, nimmer vergessne, Deutschen Herzens, ja werth mehr als ein Deutscher zu sein, Wenn unermüdlicher Gastfreundschaft der schönen Messina Gellias mich an die Gluth göttlichen Nektars gewöhnt; Dennoch sei mir vor allen gelobt, o Traube des Aetna, Der, wie des donnernden Bergs Lava dem Krater entströmt, Goldene Ström’ entquellen, begeisternde, sämmtlicher Wunder, Die der Aetna gebiert, größtes und seligstes du. Kein Element versagt dir den Kranz; dich kühlet die Meerfluth, Dich umlächelt des Lichts heiterste, mildeste Kraft; Dich durchbrennt die Flamme des Bergs, und die Erde, die tausend Blüthen und Früchte bei dir Frühling und Winter vereint. Glänze, lieblichstes Gold; es kränzt dich die Myrthe, der Lorbeer; Der ich dich schlürfe, mir ist Lorbeer und Myrthe gewiß.
Elftes Lied.
Palermo.
Aber warum von Palermo du schweigst? Normännischer Baukunst, Gothischer Kirchen ist dort, maur’scher Paläste so viel. Denke des Domes nur in Monreale, des alten, Frommer Mosaik, des Styls, der nur gerecht ist vor Gott. Wie, von Palermo zu hören, ihr wünscht es, christlichen Freunde? Nun doch, wie immer, bin ich euch zu erzählen bereit. Morgens weih’ ich ein Stündchen mir selbst und meinen Gedanken. Drauf in den Wagen – er ist reinlich und hübsch und bequem – [160] Oder durchs laute Gewühl des überfüllten Toledo Dräng’ ich mich auch und mir dünkt hier in Neapel zu sein. Vieles beschäftigt mich, mich erfreut das Getümmel, der Reichthum, Mich der thätige Trieb, mich die alltägliche Welt. Weih’ ich aber dem Schönen den Blick, gleich erfaßt mich ein Bettler Winselnd und weißen Barts, nackt wie das Weib ihn gebar. Gern besuch ich die Freunde, die wohlgesinnten, und Nektar, Altsikulischer, giebt Leben und Scherz dem Gespräch. Meist doch streif’ ich am Strande des Meers und betrachte die Barken Und die Schiffer, wie sie hier zu Rosaliens Berg, Oder zum Kap hinschweben von Zafaran, mich belustigt Jetzt die städtische Pracht, Gärten und Park und Palast, Jetzt das lieblichste Bild äolischer Inseln. Es führt mich Stunden und Tage der Weg so durch Palermos Natur. Alle Berg’, ich erklettre sie kühn; doch bist du vor allen, Fels’ger Cypressenpark, Bocca di Falco, mir lieb. Auch die Gärten durchwandl’ ich und sehe Brasiliens Pflanzen Frei, in glücklicher Luft, wie in der Heimath erblühn. Werd’ ich müde, so lockt die Citron’, es lockt mich der Maulbeer In den Schatten und reicht Schutz vor der Sonne Gewalt. Aber den Durst, bald stillt ihn Indiens stachliche Feige, Bald der Brunnen und bald stillt ihn der süße Sorbet. Denn am Abend kehr’ ich zur Stadt, und muntre Gesellschaft, Wie dem Vogel die Luft, ist sie mir nöthig, o Freund. Christlicher Freund, dich hab’ ich gemeint; doch zu guter Gesellschaft, Merk es, zähl’ ich bei Nacht immer ein Liebchen dazu.
[161]
Zwölftes Lied.
Rückkunft nach Messina.
Nimmer, dünkt mir, vergönnt es der Gott von Zankle zu scheiden. König der Winde, vernimm, König der Wasser, mein Lied. Wieder bin ich zum Strudel gekehrt der wilden Charybdis; Meiner Wanderung Ziel schien der Peloro zu sein. Und was bracht’ ich zurück? Ein Herz voll Freuden und Wonnen, Und ein Glück, wie es nur Wen’gen der Himmel geschenkt. Jubelnd strömte das Wort mir auf die begeisterte Lippe, Als vom Gebirge zumal wieder die prangende Stadt, Hafen und Burg und das leuchtende Blau des wogenden Meeres, Wie ein gigantischer Strom zwischen die Ufer gedrängt, Als der Faro sich mir und Kalabriens südliche Zauber, Scilla und Apennin wieder dem Auge gezeigt, Und vergangener Monde, vergangener Freuden Erinnrung, Meer und Ufer und Stadt dankbar und zärtlich begrüßt. Aber, o Vater Neptun, dem eilenden Wandrer entgegen Führest du Wellen und Wind, führest du Aeolus Brut. Und ein Gefangener bleib’ ich zurück; an jeglichem Morgen Tret’ ich ans Fenster, den Zug wandelnder Wolken zu schaun. Und den Schiffer ermüdet der Fragen läst’ge Bestürmung; Immer kehr’ ich an Bord, immer nach Hause zurück. Wann erblick’ ich die Segel? Es kommen und scheiden die Schiffe; Durch den empörten Kanal ziehen sie schwankend heran. Nur das meine verweilt, und vergebens heftet die Sehnsucht Nach dem Faro den Blick, wünscht sich ins Weite hinaus. Wochen voll ängstlicher Pein rollt so von der Spindel die Parze, Und das neid’sche Geschick löst mir die Fessel noch nicht. Zwar es würzt mir die Stunden der Freundschaft reichste Bewirthung; Aber, o Götter, nach Rom treibt mich die Liebe zurück.
[162]
Abschied von Sicilien.
O Brautgeschenk, das einst am Hochzeittage Proserpinen der große Vater gab, Der Ceres Liebe wie der Ceres Klage, Dianens Wieg’ und der Giganten Grab, O schönste Heimath frommer Göttersage, Dem Königsscepter und dem Hirtenstab, Der Nachtigall, dem Veilchen und Cyanen, Der Flamme heilig und des Bergs Orkanen;
O Eiland, mir geliebt seitdem ich liebe, Mir werth seit ich für Heldenkraft entglüht, Seit an der Lipp’, entflammt von größrem Triebe, Der Dichtkunst Götterbecher mir geblüht, Seit ich die priesterlichen Pflichten übe, Das Feuer hütend, das in Delfi sprüht, Seit ich gelernt, wie große Männer werden, Und lehre was ich nie gelernt auf Erden.
Noch einmal, theures Eiland, laß mich denken, Was deine Berg’ und Meere mir gezeigt. Im Purpurglanz mit ihr mich zu versenken, Der Sonne, die zum goldnen Bad sich neigt, Vermöcht’ ich der Gestirne Lauf zu lenken – O Lust, und wenn sie wieder ihm entsteigt, Dich wiedersehn am Morgen! Doch vergebens; Mir blieb Erinn’rung nur, der Mond des Lebens.
Doch sterblich ist dem sterblichen Geschlechte Des Glücks Geschenk, des Augenblickes Lust. Nur in der Gegenwart sind ihre Rechte Der Gegenwart vergönnt, nur unbewußt; [163] Du denkest, und schon nahn die strengen Mächte, Selbst das Gefühl bleibt nicht in deiner Brust, Und du gewahrst mit Freuden oder Trauer, Nur die Erinnerung hat ew’ge Dauer.
So nimm mein Lebewohl, o Blumenwiege Der Heldenfabel, wunderreichstes Land; So je noch griech’sches Ufer mir erstiege, Begrüß’ ich’s als vertrauten Heimathsstrand, So je ich das Verhängniß noch besiege, Das manchen Kranz um meine Schläfe wand, So mag die Mutter freundlich mich empfangen; Denn ihre Tochter küßt’ ich auf die Wangen.
Ja, stolz und freudig darf ich’s euch gestehen, Geweihte, die ihr fromm die Vorwelt ehrt, Die Göttinnen auf Ennas Felsenhöhen, Voll Huld sind sie zu mir zurückgekehrt. Proserpinen, Dianen durft’ ich sehen, Athene hat mich weisen Rath gelehrt; Der Seher, der der Erde sich entwunden, Hat stets das Himmlische sich nah gefunden.
Und einsam, im Gefolge nur der Musen, Hab’ ich am Hybla Blumen mir gepflückt, Zum alten Nymphenquell, in Arethusen Mich spiegelnd, hab’ ich Haupt und Mund gebückt, Und Aphroditen selbst an meinen Busen, Panormus schönstes Frauenbild gedrückt, Der Erdtitanen flammend Ach vernommen Und Galatheas blaue Fluth durchschwommen.
Die großen Schatten hab’ ich all beschworen Aus ihrem Grab, aus ihrer Städte Graus, Und festlich rief ich aus des Hades Thoren Den ernsten Zug zum alten Götterhaus. [164] Die Männer nahten, die Segest geboren Und Selinunt; dem üpp’gen Hochzeitschmaus Sah ich die Stadt des Akragas entschwanken, Und Syrakus Timoleonen danken.
Und wie Natur in solchen süßen Lüften Gastfreundlich ist und allem Schönen hold, Und bei der Vorwelt heil’gen Lorbeerdüften Die Palme blüht und der Orange Gold, Ja selbst die Eiche; sah ich aus den Grüften Die Söhne steigen von Mahomas Sold, Und Roger durft’ ich, Friedrich durft’ ich sehen, Den Großen nicht, den Größten auferstehen.
Mein Lebewohl den felsigen Gestaden, Den Höhen, wo ich von Homer geträumt, Den Meeren, wo sich steile Berge baden, Den Klüften, wo der grüne Waldbach schäumt, Den Hügeln, von der Haine Grün beladen, Den Wassern, die der Rose Gluth besäumt, Dem Aetna, wo mein Blick von Thränen thaute, Weil er das Eiland nicht, die Welt beschaute.
Schon schwimmen Aeols Inseln mir entgegen, Die wandernden, und Strombolis Vulkan, Und ferner stets auf rauschend schönen Wegen Geschaukelt wird das Schiff auf grüner Bahn: Nun könnt’ ich ruhig in mein Grab mich legen, Da meine Augen solche Schöne sahn; Doch, daß ich ihrer würdig, euch zu zeigen, So leb’ und sing’ ich, Ungeweihte schweigen.
Quelle: Wilhelm Waiblinger’s Gedichte aus Italien. Nach den ersten, vom Dichter selbst besorgten Drucken, sowie aus dem handschriftlichen Nachlaß hrsg. von Eduard Grisebach. Zweiter Band. Oden und Elegien aus Rom, Neapel und Sicilien. Leipzig: Reclam [1895].
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[1]
Bilder aus Neapel.
Hundert Gedichte.
[3]
I.
Gönnt mir mein flüchtiges Glück, und scheltet ihr mich, daß ich feire, Tödt’ ich dennoch die Zeit, nordischer Eiferer, nicht. Ja, und tödtet’ ich sie, der Erinnerung holde Verklärung Weckt sie zum schöneren Sein ew’ger Vergeistigung auf.
II.
Vieles brauchst du, o Freund, willst du dich freu’n in Neapel, Vieles, und fehlet dir Eins, fehlt dir das Ganze zugleich. Erstlich bringe mir leidliches Geld, doch reichlich ist besser, Jugend erhalte dich noch, Kraft und Gesundheit dich frisch. Sorgen plagen dich nicht, kein Kummer drücke das Herz dir, Kein ermüdend Geschäft halt’ im Gemache dich fest. Sei nicht gelehrt, doch kenne die schöne Vorwelt erträglich, Wenig wisse mir nur, aber das Wenige gut. Doch ein offenes Aug’ ist dir vor allem zu wünschen, [4] Und ein empfänglich Gemüth für die lebend’ge Natur, Reiner Sinn für die Macht der Farben, den Zauber des Lichtes, Für die Schönheit der Form, wie sie dem Geist auch erscheint. Urteil fehle dir nicht, und den Menschen kenne mir tüchtig, Wie er bieder, verschmitzt, ernst sich und lächerlich zeigt. Redest du dann noch die Sprache des Volks, so preis’ ich dich glücklich, Preise für solch’ ein Geschenk dankbar mein günstig Geschick.
III.
Immer schlendr’ ich umher, und keiner Arbeit gedenk’ ich, Unter dem wilden Gewühl irr’ ich betrachtend herum. Meer und Hafen und Stadt, und der rauchende Berg und die Inseln, Und dies tobende Volk fesselt mein Auge, mein Herz. Gegenwärtiges freuet mich nur, dem Glücklichen lächelt Nur der goldne Moment, lächelt die Wirklichkeit nur.
IV.
Sitz’ ich auch nicht am Pult, und hab’ ich Buch und Papier auch Nicht zur Seite, mein Freund, bin ich so müßig doch nicht. Vieles wälz’ ich im Kopf, wenn’s gleich das flüchtigste Lüftchen Wieder verweht, und im Nu and’re Gedanken erweckt. Meine Natur ist zu stolz, wie ein Lazzarone zu schlummern, Und zu schwach, wie ein Gott, stets im Olympe zu ruh’n.
[5]
V.
Warum plagt’ ich mir auch mit bittern Grillen und Sorgen, Selbst mit des neidischen Ruhms wilden Entwürfen das Herz? Kaum umschleichen sie morgendlich noch mein einsames Lager, Doch sie treffen mich wach, Anderes hat mich geweckt! Fernher braust der Toledo mit tausendstimm’gem Geräusche, Hurtig kleid’ ich mich an, eil’ auf die Straße hinab, Und im Volke verlier’ ich mich schnell. Olympische Kronen Achtet in solchem Tumult nur wer im Stillen sie trägt.
VI.
Wie vergäß’ ich dich je, o parthenopäischer Molo, Morgens hab’ ich dich oft, Abends mit Wonne begrüßt. Schwärme geschäftigen, müßigen Volks umgeben mich lärmend, Dutzende bieten den Arm, bieten die Barke mir an. Schreiend preist der Verkäufer die Südfrucht, preist mir die Waar’ an, Die er im ärmlichen Korb Tausenden rednerisch zeigt. Wiehernd Gelächter, es lockt mich: der Pulcinella begeistert Einen Haufen, der dort gaffend die Puppen umsteht. Hier im lauschenden Kreis des zerlumpten Pöbels erhebt sich Eine zerlumpte Gestalt, und Ariosto’s Gedicht Trägt er wütend den Hörenden vor, und ein Blinder, sich stützend Auf die Krücke, beginnt eben sein wunderlich Lied. [6] Hoch in den Lüften hängt im Labyrinthe der Taue Dort der Seemann, und hier plätschert die Barke vorbei. Und ich tret’ ans Gemäuer, es schäumt die tosende Welle Grünlich wie Lavageblöck wachsend und schwindend empor. Rötlich glüht der Vesuv, der schöne, gefährliche Nachbar, Mit dem dampfenden Haupt über des Meeres Azur; Heitere Städte, dem mächtigen Berg zu Füßen gelagert, Lächeln im Sonnenschein dort am Gestade mich an. Weiter schweifet der Blick, und es wächst mit der Ferne die Sehnsucht, Ihr lustseliges Blau öffnet dem Auge die Bucht! Taub schon bin ich der Menge, die mich umrauschet; hinüber Ueber die lachende Flut gaukelt die Seele sich hin, Bis wo in goldenen Lüften, dem Wirklichen täuschend entnommen, Deine Insel, Tiber, duftenden Fernen entsteigt: So aus dem zauberlosen Gewirr alltäglichen Lebens Flüchtet ins Fabelreich gerne der schwärmende Geist.
VII.
Anderer Gottheit weiht’ ich von je mein Sinnen und Trachten, Heilige Musen, an euch richtet’ ich nur mein Gebet! Doch vergebet ihr mir, daß nun bei’m Amen zuweilen Mein andächtig Gemüt, deiner, o Plutus, gedenkt.
VIII.
Ob ich verschwende? Du schüttelst den Kopf, du drohst mit dem Finger; Halte, sagst du, o Freund, klüglich zusammen dein Geld. [7] Aber so laß mich verschwenden, so laß mich zahlen! Ich tausche Für dieß todte Metall ewiges Leben mir ein.
IX.
Dichter leben im Traum! Nun doch, so gönne den Traum mir, Wenige Tage nur reich, reich wie ein Crösus zu seyn.
X.
Willst du glücklich leben, o Freund, so erkenne den Menschen; Doch du verstehest ihn nur, wenn du dich selber erkennst.
XI.
Willst du nicht ewig irren, so stelle zur Welt dich erträglich, Sieh, was Andere tun, sieh, was du selber vermagst. Setze Keinen zu hoch, und setze Keinen zu niedrig, Greife zur Mitt’, und du gehst frei durch die Mitte hindurch.
XII.
Anfangs betest den Menschen du an, und siehest nur Großes, Kraft und Beständigkeit, Tugend und Hoheit in ihm. Jetzt beginnst du zu lieben, beginnst zu wirken und handeln, Und du findest dich schwer, findest dich bitter getäuscht. Noch erkennst du dich nicht, noch liebst du dich selbst zu entsch[ei]den, Darum legst du die Schuld alle dem Menschen auf’s Haupt. [8] Du verachtest ihn tief, und möchtest selber ihn hassen, Zürnender Schwärmer, bis du endlich vernünftiger wirst, Bis du die eigenen Gränzen erkennst; und ist dir’s gelungen, Achtest du weniger dich, achtest du Andere mehr.
XIII.
Dränge keck den Toledo dich durch, und höre sie lärmen, Höre sie schreien und sieh jeden in seinem Geschäft. Hunderte bieten Fische dir an, und Hunderte Früchte, Und, auf die Körbe gelehnt, Hunderte Schulter und Arm. Hier versperrt dir der Kutscher den Weg mit Kalesch’ und Karosse, Fahren sollst du, und fast nöthigt er dich mit Gewalt! Bettler winseln dir nach und Krüppel! Aus lustiger Bude Spendet der Acquarol Wasser, Limonen und Eis. Weiche, dich stößt hier der Esel, mit Gartenfrüchten beladen, Und der Verkäufer Geschrei hörst im Tumulte du nicht. Peitsche warnt dich und Ruf! Zweirädrige Wägelchen fliegen Grün und golden und rot, hurtig, wie Winde vorbei. Dort der Wechsler am Tisch sein geordnet Kupfer betrachtend, Hier der Kuppler, der dir fröhliche Nächte verheißt. Hier Orangen in goldener Pracht, dort Blumen in Fülle: Willst du schenken, so winkt gleich dir ein artiges Kind. Lüstern siehst du ihm nach, und achtest des warnenden Ruf’s nicht, Bis die Last des Facchins schon dir die Seite bestreift. Was dir begegnet, und was du erblickst, Lebend’ges und Todtes, [9] Mensch und Sache, zum Kauf steht’s im Momente dir frei. So vom dämmernden Morgen erbraust’s in der staubenden Straße Bis zum Abend, zur Nacht, nimmer ermüdend hinab. Mahnet der Berg sie auch mit drohendem Donner, wie flüchtig Ungesichert der Mensch selber der Erde vertraut, Seine Stimme verhallt im Lärmen des Tags: das Bedürfniß Ist der begehrlichen Welt Gott und Orakel zugleich.
XIV.
Laß sie gewähren, sie sind nicht so schlimm! Den eigenen Vorteil Sucht ein Jeder, und du suchst ihn so eifrig, wie sie. Sorgst du treu für den eigenen Heerd, so bist du vernünftig, Denkst du der Andern dabei, nennt man dich bieder und gut. Schadest du Andern, indem du dir nützest, so heißest du böse, Tust du keines, mein Freund, hält man mit Recht dich für dumm.
XV.
Ein Tag fast wie der andre! So laßt uns, Freunde, genießen, Jubelt heute zu Land, schwärmet mir morgen zur See. Spielt mir die Herrn! Es erwartet uns treu ein eigener Wagen, Spielt mir die Herren, es steht unsere Barke bereit. Und zur Vollendung des Fests bring’ euch der hurtige Fischer [10] Abends bei’m Mahl des Kastells treffliche Austern herbei, Denn nichts ist mir zu gut auf der Welt; das Schönste, das Beste Dünkt mir eben noch recht, eben erträglich zu sein.
XVI.
Kennet ihr ihn, so gebet mir Recht, und saht ihr ihn nie noch, Hört mich, ich gebe so gern euch sein vergnügliches Bild. Arm, wie ein Bettler ist er, sein Eigentum ist ein Korb nur, Hat er ihn glücklich geleert, labt ihn der Schlummer in ihm. Wenn der Sirius brennt, läuft er halb nackt in den Straßen, Winters siehst du ihn nur in sein Capotto gehüllt. Wie Diogenes lebt er in philosophischer Ruhe, Nur daß er weiser, als er, nie mit der Armut geprahlt. Heute sucht er zu leben und lebt; für den kommenden Morgen Sorget er nicht, was er braucht findet er morgen, wie heut. Will er schlafen, genügt ihm die Treppe, genügt ihm die Straße, Will er trinken, es steht Eis und Citrone bereit. Fühlt er Hunger, so dampft in der Bude die köstliche Nudel, Reicht es heut nicht, so genügt Brod und die südliche Frucht. Alles wird ihm bequem und behaglich; jedes Bedürfniß Wird, wo er geht, wo er steht, ohne Befremden gestillt. [11] Hat er sattsam geschrie’n, und einem Besessenen ähnlich Rennend von Haus zu Haus glücklich sein Wen’ges verkauft, Ist an jeglicher Ecke gesorgt für ein kleines Vergnügen, Lockt hier Tanz und Gesang, lockt auch die Puppe herbei. Jeglicher wagt und prüfet das Glück im gefährlichen Spiele, Deutelt und träumet und zählt, wenn auch die Nummer verliert. Lauter Bewegung ist er, er spricht mit tausend Gebärden, Drückt mit Zeichen so klar, wie mit der Zunge sich aus. Staunend sehn Nordländer ihn an: ein anderes Wesen, Regsam, wie ein Polyp, scheint die lebend’ge Figur. Und in Lumpen und Schmutz gewahrst du griechische Bildung, Geistreich lächelt der Kopf unter der Mütze dich an. Unvertilgbar erhält die Natur noch südliche Grazie, Formen des Altertums spähest im Nackten du aus. Mag er bejahn und verneinen, dich überlisten und preisen, Immer erscheinet er dir lustig und fein und gewandt. Siehst du den Einzelnen an, gutmüthig triffst du ihn immer, Ehrlich ist er, wenn du anders vernünftig nur bist. Aber bist du ein Tor, so mag er mit Recht dich betrügen, Und der bess’re Verstand feire den schuldigen Sieg. Nicht wie der Römer, gemessen und stolz, einsilbig und mürrisch, Freundlich ist er, und häuft Titel an Titel dir auf. Wie der Einzelne, so die Masse. Sie schleppt sich behaglich Froh und arm in der Zeit herrschendem Takte dahin. Nur wenn sich dieser verstärkt, und in schnelleren Schlägen ertönet, Regt, wie bei’m Sturme die See, wild auch die Masse sich auf. [12] Eine Welle, sie schadet dir nichts, doch empört sich das Ganze, Droht es dem Steuermann, droht es dem Schiffe Gefahr.
XVII.
Sieh die Gruppe nur an! Der schiebt den gewaltigen Bündel Maccaroni hinab in den gefräßigen Schlund! Jener schläft; der zählt im Korbe die salzigen Fische; Diese spielen und dort streitet ob Nummern man sich. Der ist faul an den Esel gelehnt, und schmauchet die Pfeife, Jener bettelt, und der säubert dem Fremden den Schuh. Nahe dich nur, so hast du sie all’, sie umschanzen dich alle, Jeder ist dein, und du bist plötzlich von Zwanzig bedient. So ist der Mensch in der Ruh’, im Schlendriane des Lebens, Wenn ihn die Leidenschaft nicht, nur das Bedürfniß beherrscht. Der verträgliche Haufen, der Händ’ und Füße dir leihet, Um das tägliche Brod jeglichem Dienste sich weiht, Stürme die Leidenschaft ihn empor, so greift er zum Dolche, Mordet und brennet und stiehlt, wütet und raubt und zerstört.
XVIII.
Zürn’ ich auch oft, wie die Hierarchie mit tyrannischen Ketten Und mit Nebel und Dunst Geister und Herzen entehrt, [13] Dennoch möcht’ ich ihr danken, betracht’ ich den Haufen, bedenk’ ich, Wie’s um mich stünde, wenn er handelte, dächte wie ich.
XIX.
Täglich wächst meine Trägheit, zwar keine Heimat auf Erden Hab’ ich, und trenne mich doch mühsam von jeglichem Ort. Schon der Liebling des Knaben war einst der homerische Wandrer, Seitdem hat sich mein Herz stets nach dem Aetna gesehnt. Heute scheidet das Schiff; zwar klopft mir der Busen, doch hält mich Der bequeme Genuß noch in Neapel zurück.
XX.
Findest du keine Gränzen für all’ dein Wollen und Wünschen, Sieh Neapel, und dir bleibet kein anderer Wunsch. Lerne genießen im südlichen Geist, und verloren beklage Jeglichen Tag, den du nicht in Parthenope lebst.
XXI.
Ob ich der Heimat gedenke? So oft ich mich trüb’ an der Jugend Irrtum erinn’re, so kehrt auch mir die Heimat zurück.
XXII.
Möchte, wo ich geboren, doch bald mein Gedächtniß erlöschen, Jedem mein Name, mein Bild gleich einem Traume verwehn. [14] Dann wohl kehrt’ ich zurück, wenn ein zweites Geschlecht nun geboren, Und genösse den Trost Neuen ein Neuer zu sein.
XXIII.
Fühllos nennest du mich und hart; es bleibe die Heimat, Sagst du, jedem Gemüt heilig und teuer und wert. Höre, noch will ich ihm wohl, dem ergiebigen Boden, doch hab’ ich Leider im Irrtum in Dorn, Nessel und Disteln gesät.
XXIV.
Was auch riefe dahin mich zurück? Die Umarmung der Freunde, Oder die Sehnsucht der Treu’n, wieder den Wand’rer zu sehn? Aber ich zähle sie auf – doch nein, ich habe der Finger Mehr als der Teuern, und so bleiben wir besser uns fern.
XXV.
Viele vermeinen – ich kenne sie wohl – engbrüstigen Herzens, Daß ich dem Guten verlernt, Werk und Gefühle zu weihn. Weil ich nicht bin, wie sie, so bin ich die Beute des Abgrunds, Weil ich s i e kenne, der Sohn, der sich vom Vater verirrt; Weil ich mich und And’re getäuscht, ein sträflicher Sünder, Der die schreckliche Schuld büße mit knirschendem Mund; [15] Weil mich Jugend verführt und die Leidenschaft mich geblendet, Weil ich die zehrende Glut noch in so Vielen entfacht, Weil mich, dem stürzenden Bergstrom gleich in den schäumenden Felsen, Unglück einst in die Nacht sittlicher Klippen geführt, Weil es keinem gelang, am Gängelband mich zu leiten, Weil mich der Widerstand wilder gereizt und empört, Weil keine mächtige Kraft mit der Uebergewalt des Verstandes Mich in gefährlicher Bahn kühn zu regieren gewußt, Weil ich mir selbst verdanke, was ich gedacht und errungen, Und die Wahrheit erkannt, die im Verbotenen liegt, Weil ich zu oft und zu feurig geliebt, und aus jeglicher Liebe Mir das neid’sche Geschick eine Tragödie schuf, Ja ist’s möglich, o Musen, weil ihr die Gabe zu singen, Weil ihr mir Kraft und Talent, Fleiß und Empfindung verliehn: Darum verwünschten sie mich; und da ich endlich entwandert, Da ich dem Schlendrian endlich die Schulter gekehrt, Und dem Dienste der Musen, dem frei’n, selbst Freuden des Herzens, Lieb’ aufopfernd und Glück, mich aus der Heimat verbannt, Hätten sie selbst noch gejubelt, wenn mich am Tiber Jugurtha’s Hungertod noch ereilt, hätten dem Himmel gedankt – Aber still, der Abend ist schön, die Lüfte sind golden, Ruhig und eben das Meer: nimm denn, o Barke, mich auf!
[16]
XXVI.
Reinere Luft, wo fänd’ ich sie nur, als eben im Kahne, Wenn er mich über die Flut, über die glänzende, trägt. Kräftig rudert der Alte, mir längst zum Fährmann geworden, Weiß von Bart und von Kopf, ist er mir treu und vertraut. So entschwebt man dem Hafen. Neapels Getöse verhallet, Und die freundliche Stadt breitet am Ufer sich aus. Farbige Häuser, mit ebenem Dach, hellschimmernd im Lichte, Lachen voll südlichem Reiz über dem Spiegel der See. Drohend streckt das Kastell sich in’s Meer, und auf grünendem Hügel Ragt St. Elmo, die Stadt mächtig beherrschend empor. Heitere luftige Berge, mit euern blühenden Gärten, Hain’ und Villen und dich, ewig lebendiges Grün, Grüß’ ich alsdann, ich grüße den Park von Capo di Monte, Floridiana, und dort grüß’ ich Posilippo’s Fels! Blick’ ich aber zum Golfe hinweg, zu den schönen Gestaden, Wie sie die Perlenschnur sonniger Städte begränzt, Ueber die schimmernden Reihn, vom Abendlichte gerötet, Hier des dampfenden Bergs aschiges Bild sich erhebt, Dort St. Angelo’s waldiger Fels und die Ufer Sorrento’s In hesperischem Licht schwellen und duften und glühn, Aber ferne, dem Auge so süß, dem Herzen so teuer, Capri’s Zaubergestalt ewig hinüber mich lockt, Himmel und Meer sich verklärt, und hell im lauteren Aether Sich des alten Vulkans düstere Wolke verliert, [17] Dann, o Neptun, dann wünsch’ ich, in einen Triton mich verwandelnd, Ewig im Meere zu sein, ewig solch Wunder zu sehn.
XXVII.
Oft in vertraulicher Nacht wiegt mich der Kahn in der Bucht noch, Stille athmet die Luft, Stille der Himmel, die See; Kaum daß ein Fischer mich stört, der plätschernd zum Hafen zurückfährt, Kaum daß am dunkelen Strand noch eine Stimme verhallt. Dann betracht’ ich gerne, Vesuv, dein erhabenes Nachtbild, Schaudernd fühlt das Gemüth, was du im Innern verbirgst; Und es entwallt dem schrecklichen Haupt ein düsteres Glutroth, Das die südliche Nacht flüchtigen Scheines erhellt. Welche Klarheit, o Götter, was ist’s? Aus dem Krater der Somma Dämmert es mählig auf, fast wie ein zaubrischer Tag. Du bist’s, lieblicher Mond, du entsteigst in schüchternem Lichte, Und nur tiefer verstärkt seh’ ich die Schatten des Bergs. Aber sie ruhen umher, wie in Traum und Schlummer versunken, Und verschwimmen in Duft, Küsten und Inseln und Meer. Stille wink’ ich dem Greis: es funkelt die Well’ um das Ruder, Und der nächtlichen Stadt rudern bedächtlich wir zu.
[18]
XXVIII.
Rühm’ ich die freundlichen Plätze, wo oft die Sehnsucht mich hintreibt, Sei auch ein Distichon dir, Santa Lucia, geweiht. Abends bist du mir gern ein Spaziergang. Rauschend umgiebt mich Mancherlei Volk, und es rollt Wagen an Wagen vorbei; Lustige Mädchen sie schauen herab von hundert Balkonen, Alter und Jugend lärmt, rennet und spielet und läuft, Müßig oder beschäftigt; es sitzt vorm Haus die Familie, Plaudert und schwatzt, und im Haus bleibet die Sorge zurück. Alle Wunder des Meers, sein tausendfältig Gewächse, Muscheln, Korallen und was sonst noch der Abgrund verschließt, Seh’ ich geordnet: ein tobender Schwarm umschreiet die Waage, Wo der Fischer den Fang gierig mit Anderen theilt. Alles find’ ich beisammen, gewaltige Krebs’ und den Schwertfisch, Triglie, Calamar, Aal und Muräne dazu. Austern bietet ein Junge mir an, es winselt der Bettler; Geb’ ich einem, so hinkt gleich noch ein Dutzend herbei, Lazzaronen halten ihr Mahl auf die Erde gelagert, Kinder beim Tamburin hüpfen im hastigen Tanz. Schreiend warnet der Kutscher, es fliegt die Kalesche vorüber, Aus dem düstern Kastell wirbelt die Trommel darein. Fast betäubt das Getöse: doch unterm Pizzo Falcone Kehren bei feurigem Wein bald mir die Sinne zurück.
[19]
XXIX.
Richte weise dich ein, wie du die Länder durchwanderst; Zu viel Seltenes ist dir zu betrachten bestimmt. Alles umfassest du nicht, und es lohnt sich auch selbst oft der Müh’ nicht, Siehe nur an, was dir nützt, was dir als Eigenthum bleibt.
XXX.
Jahre durchzieh’ ich die Welt, und das kirchliche Rom ist mir Heimat, Tausende hab’ ich schon glänzender Kirchen gesehn: Drum verarge mir nicht, daß ich vor Kirchen mich fürchte, Daß in Neapel mir besser die Straße gefällt.
XXXI.
Marmor hab’ ich sattsam gesehn, und heilige Bilder, Säulen, Kerz’ und Altar, Decken und Kuppeln genug. Lieber betracht’ ich den Menschen im Frei’n, als auf Knie’n in der Kirche, Lieber im Handeln und Thun, als im gelernten Gebet.
XXXII.
Bibliotheken, Museen, Kabinette, Paläste, Fabriken, Hab’ ich aus Neugier erst, endlich aus Pflicht nur besucht. Längst schon hab’ ich sie all’ und mit ihnen die Zeit auch verloren, Aber ein Abend am Meer bleibt bis zum Grabe mir noch.
[20]
XXXIII.
Denk’ ich einst in der Ferne des lustigen Völkchens, wie’s lebet, Und wie’s treibt, wird gewiß auch der Kalesche gedacht. Wie den mageren Klepper die Feder schmückt, und in Lumpen Auf der Deichsel ein Kerl, leicht wie Hermes, sich hält. Pyramidalisch baut ein halb Dutzend Männer sich aufwärts, Und die Mütze, sie ziert jedem den munteren Kopf. Zwischen den Rädern liegt gleich einem Hund noch ein Bube, Und das gegeißelte Roß fliegt durchs Gedränge dahin. Werden die Knochen auch derb dem faulen Völkchen durchschüttelt, Nun, was kümmert’s, man geht immer ja noch nicht zu Fuß.
XXXIV.
Immer schwebst du vor Augen und Herz, erhabenes Rom, mir, Und entfachst im Gemüth immer den glücklichen Streit, Ob ich mehr als Neapel dich preis’! Am Strande des Meeres, Oder beim Grabe Virgils, und auf Posilippo’s Höh’, Oder wenn vom rauchenden Haupt der brennenden Somma, Wenn von Camaldoli’s Grün, und von Puteoli’s Berg Wenn von Misenums Kap, vom Epomeo, vom Schlosse Procida’s, und von Tibers schaurig entlegener Burg, [21] Von den Felsen Sorrents und dem Vorgebirg der Minerva, Meer und Städte mein Blick, Inseln und Berge beschaut: Dann vergess’ ich des traurenden Roms palatinische Schwermuth, Denke des Capitols, denke der Tempel nicht mehr. Bringt mir aber der Abend das Bild der hohen Paläste, Forum, Kirch’, Obelisk, die Pyramide zurück, Alle die ernsten Plätze, von Säulen geschmückt und Fontänen, Aquädukt und des Stroms Brücken und Häuser und Strand, Mausoleum, dein Riesengewölb und des heiligen Vaters Labyrinthisches Haus, Raffaels himmlische Welt, Deine Fluren, Pamfili, und deine Haine, Borghese, Steigst du, o Pantheon, gar mir vor den Sinnen empor, Oder denk’ ich mir nur ins alterthümliche Dunkel Nächtlicher Osterie’n unter die Sänger zurück … Stille! genug ist’s längst; ich brauche kein Liebchen zu nennen, Um den Vorzug euch schon, theure Quiriten, zu leihn.
XXXV.
Eines hast du voraus, Parthenope! Was die Natur dir Liebreich gegeben, warum pries’ ich es liebreich nicht an? Rom ergreift mit Schauern des Grabs, doch in deinen Ruinen Scheint mir das Alterthum fast noch lebendig zu sein.
XXXVI.
Wohnst du auf Roma’s Hügeln, der Welt uralte Geschichte: Hast in Pathenope du, Mythe, dein Reich dir erwählt.
[22]
XXXVII.
Fesselt in Rom die Idee der Gewalt, und der Macht, und ihr Sturz dich, Heitert die Liebe dich hier, bleibende Freude dich auf.
XXXVIII.
Wenn im Rom das Schicksal dir nur und die Parze begegnet, Mahnt dich der Schmetterling hier nur an das Glück des Moments.
XXXIX.
Gehst du dort auf der Straße, du siehst nur Pfaffen und Mönche; Gehest du hier, du erblickst nur Lazzaronen um dich.
XL.
Scheid’ ich einst von Neapel, wenn auch auf kürzere Frist nur, Manches vermiss’ ich mir doch auch in dem klassischen Rom. Du vor allem bist es, o Meer von allem auf Erden: Bist du das Wechselndste mir, bist du das Schönste mir doch. Dann den Vulkan, und die lustige Fahrt durch die Städte des Ufers, Schmerzlich verlier’ ich auch Capri und Ischia dich! Ferner das immer lebendige Volk und die rauschenden Straßen, Ja mich verlangt auch gewiß, köstliche Austern, nach euch.
[23]
XLI.
Ohne dich, o Vesuv, und euch, holdselige Inseln, Dünkte Neapel auch nicht mir Neapel zu sein.
XLII.
Was noch fehlte mir hier? So reich die große Natur ist, Blühet täglich ein Lenz holder Genüsse mir zu. Oft nur seufz’ ich geheim, wenn die Sterne glänzen am Himmel, Ruht’ ich doch wieder bei dir, römisches Liebchen, mich aus!
XLIII.
Mancherlei dünkt mir nöthig, um froh und glücklich zu leben, Schöne Natur und Geld, oder doch sichrer Kredit. Unverdorbene Kraft, wohlwollende, sinnige Freunde; Aber, merke mir wohl, fehle das Liebchen dir nicht!
XLIV.
Irdische Habe, was kümmr’ ich mich drum, und Häuser und Güter, Hof und Garten, es hat nie nach Besitz mich verlangt. Was ich zu tragen vermag, das wünsch’ ich mir nur, doch der Freuden Hab’ ich noch selten genug, aber der Leiden gefühlt.
XLV.
Daß ich zu stolz nicht werde, mich nicht im Elysium glaube, Stimmt mich bei jeglichem Schritt wieder ein Bettler herab.
[24]
XLVI.
Kommt und höret den Bettler mir an, o Pred’ger der Heimath, Winseln lernet mir ihm, Haltung, Beredsamkeit ab!
XLVII.
Endlich sah ich ein Volk im Schlaraffenleben sich taumeln Und im Schlaraffenland dünkt’ ich mir selber zu sein. Tausende kränzt der phantastische Schmuck, die komische Zierde; Feder und Tannenreis, hölzerne Gabel und Nuß Trägt auf dem Strohhut jeder, und gar Lebkuchen und Backwerk; Und auf geschältem Baum friedlich zusammengereiht Schleppt man jauchzend das Bild der Mutter Gottes, und Bänder, Fahne, Kübel und Schau’r, Schuh und Kastanie dabei. Ueppig deckt der Bacchantin das Haupt großblättriges Weinlaub, Und aus der Rebe Grün athmet ein glühend Gesicht. Diese schäkert vom Esel herab und jene vom Wagen, Dem ein farbiges Tuch Schatten und Decke gewährt; Stiere ziehen den einen und klingende Rosse den andern, Aber aus allen erschallt Jubel und Klang und Gesang, Aber aus allen das Lied zum Tamburine gejauchzet, Geigen und Flöten, es tobt alles im wilden Verein. Karavanen ziehen herbei zu Pferde, zu Esel, Jeder höhnet und wird wieder von Andern verhöhnt. Allenthalben in Lauben und Höfen, vor schattigen Thoren Kreiset der Wein, und es wird Becher um Becher geleert; [25] Auch der Eßlust gedenket das Volk, denn Trinken und Essen Dünkt ihm das einzige Gut, ist ihm der edelste Wunsch. Aber in lachenden Gärten und Vignen, auf Wegen und Straßen, Unter Feigen und Wein wechselt der südliche Tanz, Klappert die Castagnette zur Tarantella begeisternd, Pauken des Tamburins bacchische Schläge den Takt. Lumpen siehst du in Menge, den Lazzaronen im Festschmuck, Barfuß, aber voll Wein, aber zum Faunen verzückt! So vom buchtlosen Hang des Vulkans, dem rebenbegrünten, Zieht man zu Wagen, zu Roß, zieht man zu Fuß in die Stadt! Wär’ es wirklich ein Fest der Madonna dell’ Arco geheiligt, Ist es ein Carneval oder des Bacchus Triumph, Was die Sinne berauscht dem saturnalischen Völkchen, Was zu Jubel und Tanz, Springen und Possen es treibt? Gönn’ ihm, nordischer Freund, die beneideten Freuden, und schelte Keinen um flüchtigen Rausch, keinen um menschliches Glück! Nur in frostiger Ferne lernst du das Heilige sehen, Und unsichtbar und todt, ist’s ein Gedanke dir nur; Aber dem Süden ist’s erst zum irdischen Fleische geworden, Und in lebend’ger Gestalt sitzt es zu Tische mit ihm.
XLVIII.
Stört dich in Rom der Britte, der Platz und Kirche behauptet, Gallerie und Palast, Tempel und Forum beherrscht, [26] Ist dir die Miß ein Greuel, die Modepuppe zu Pferde, Wie sie Vespasians Riesentheater begafft, Ist sie dir das Modernste, was je Roms Gräber und Tempel Zum langweiligen Spiel ärmlicher Neugier entweiht; Lächelst du auch, wenn dir im Kostum vergang’ner Jahrhundert Langen Haares und Barts so germanischer Thor Mit dem Feldstuhl begegnet, und siehst du deutscher Studenten Purschikosen Gebrauch unter Quiriten versetzt: Freund, so stört in Neapel dich oft der helvetische Blondkopf, Allenthalben ertönt dir das verdorbene Deutsch. Fast gefällt dir der Schweizer noch besser, denn Stock und Kaserne Wahret wenigstens doch vor dem Gehässigen ihn. Jener ist frei, und verstehet es nicht, wie ein Freier zu leben, Besser wär’s, das Geschick hätt’ ihn zum Schweizer gesellt.
XLIX.
Hörst du die Trommeln wirbeln, und all’ den soldatischen Lärmen, Wahrlich, du glaubtest fast nicht in Neapel zu sein.
L.
Hätt’ ich nur einen Abend, wie ich mit dem Liebchen im Hader Viele verdorben, o wie nützt’ ich so friedlich ihn jetzt!
[27]
LI.
Dank euch, Götter, daß ihr mich dem Sturm und den Felsen Sorrento’s, Daß ihr dem Wellentod gnädig den Dichter entrisst? Zwar ich bin kein Tasso, doch wär’s auch eben nicht billig, Daß ich stürbe, wo er euere Erde betrat.
LII.
Jenes Moments mich erinnernd, da uns zu sterben bestimmt war, Freunde, kehret auch ihr mir ins Gedächtniß zurück. Zufall führt’ uns zusammen, und Zufall trennet’ uns wieder, Denn der Zufall bestimmt selbst dem Gemüthe das Ziel. Herzlich wollt’ ich euch wohl, und ihr auch fandet mich leidlich, Wenn mein munt’rer Humor lustige Stunden euch schuf. So durchstricht ihr mit mir die reißenden Fluten von Bajä, Freutet in Ischia mit mir, freutet in Procida euch, Auf dem Vesuv, in Pompeji, bis fern im griechischen Pästum Hielt uns gemeinsame Lust, Eintracht zusammen und Scherz. Längst schon trieb das Geschick in den Norden euch, aber der Dichter, Den die Heimat nicht ruft, blieb in dem Süden zurück. Möchte der Genius uns, der aus den Wellen von Meta Uns gerettet, dereinst wiederzusehen verleihn!
LIII.
Aber o zürne mir nicht, o vergieb mir, Vater Lyäus, Daß kein dankbarer Vers noch deine Gottheit gelobt, [28] So ist der Mensch, er gedenkt des Unbedeutendsten dankbar, Und vergißt das Gestirn, das ihm das Leben erhält.
LIV.
Göttern gefällig und fromm, so nannte den Sänger die Vorwelt, Darum sei dir getreu, Bacchus, dein Opfer gebracht. Sei’s, daß dunkel das feurige Blut des Vulkans mich begeistert, Das der menschliche Witz Lacrimä Christi genannt, Sei’s, daß Ischia’s Traube, daß Capri’s goldener Nektar Oder Calabriens Trank kühnere Geister erweckt, Oder daß euer flammend Gewächs, Sirakus und Marsala, Mich in die Heldenzeit griechischer Vorwelt versetzt: Immer verehr’ ich die Macht allgegenwärtiger Gottheit, Wo sie in Strahlen des Lichts Göttliches zeuget und schafft.
LV.
Warum nennt’ ich sie nicht, es schämte die Muse sich ihrer? Haben die Grazien ihr doch Körper und Seele geweiht! Nein, Caroline, mein Distichon preis’ auch deine Behausung, Wo du den täglichen Gast freundlich bewirthend empfingst. Abends sitzt er in traulicher Eck’, im gemüthlichen Stübchen, Wo ihn dein goldner Saft, Torre del Greco, erquickt. Kaum daß der Lazzarone mich sieht, der muntere Fischer, Bringt er im Korb auch zugleich Austern zu Dutzenden her. So verschmaust man die Stunden der Nacht, mit Plänen der Zukunft, Im Genuß des Moments, in der Erinnerung Glück, [29] Bis, o Bacchus, dein Gold, in mir allmählich geläutert, Bald mir Geist und Gemüth, reinern Gehaltes, entflammt.
LVI.
Dich beneid’ ich, Beherrscher des Meers, Neptunische Gottheit, Nicht um die hohe Geburt, und die Verwandtschaft mit Zeus, Nur um die Austern, die dir des Abgrunds freundliche Nymphen, Dem Unsterblichen dir, bringen zum göttlichen Mahl.
LVII.
Sizilianisches Eis, mit des Aetna Kälte durchrieselst Du dem Lechzenden oft leckeren Gaumen und Mund; Keiner Gottheit weiht dich der Mensch; was die kältere Nachwelt Erst erfunden, beschützt keine unsterbliche Macht.
LVIII.
Schöneres Männervolk, du suchst es auf Erden vergebens, Lazzaronen sind sie, aber von griechischem Blut; Auch die Weiber, ich tadle sie nicht, die freundlichsten Männer, Aber kein schönes Weib sind sie zu zeugen geschickt.
LIX.
Könnt’ ich ohne des schweigenden Roms melancholische Tempel, Ohne das Capitol, ohne das Pantheon sein, [30] Würd’ ich zum dauernden Wohnsitz dich, Parthenope, wählen: Führt’ ich doch wenigstens dich, römisches Liebchen, hinweg. Denn stets seid ihr von mir als die Schönsten eures Geschlechtes, Römische Frauen, und ihr, römische Katzen, gerühmt.
LX.
Hier im Herzen des Südens, wer dächt’ es, daß mich die Erinn’ rung An mein Vaterland oft trauererweckend besucht. Um Jahrhunderte kehr’ ich zurück, des Geschlechtes gedenk’ ich, Das im Süden die Kraft, Leben und Krone verlor. Seit der Staufische Friedrich Neapel den Apfel der Schönheit Zuerkannt, war der Tod, schwäbisches Haus, dir bestimmt.
LXI.
Auf dem Markt del Carmine führt mich der Genius oftmals, In der Verkäufer Gedräng’ irr’ ich verlassen umher. Hunderte stehen von Eseln, Campagnenbauern und Säcken, Auf dem Platz, der Tumult Ohren betäubt er und Sinn; Wagen rasseln vorüber am nahen Strande des Meeres, Fischer beschäftigt das Netz, andre die drückende Last, Andere schaaren sich müßig um eine Schlange zusammen, Die der zaubrische Stab eines Betrügers berührt. [31] Laß mich fliehn aus dem Lärmen, und in der Kapelle beweinen, Daß auf dem Blutgerüst einst hier ein Conradin starb.
LXII.
Hat die Natur mich ersättigt, und kommt der Abend, so wähl’ ich Mir Sanct Carlo zur Ruh, lieber Carlino mir aus. Helden triffst du hier nicht, noch Alfierisches Pathos, Noch der Crusca Gepräng’ oder Goldonisch Geschwätz. Aber freut dich die Sitte des Volks, sein Witz und Charakter, Findest Neapel du hier trefflich ins Kleine gemalt.
LXIII.
Einen Vers nun, o Studien, euch! Schon wollt’ ich euch rühmen, Aber die süße Natur hat mich, das Leben gestört. Welche Schwelle betret’ ich? Es lockt der Farnesische Stier mich, Hier der Alcide und dort fesselt der Flora Gestalt. Saal an Saal durchwandr’ ich, verweile bei dir Aristides, Und in der Venus Gemach schleicht sich der Lüsterne ein. Und ich bewund’re des reizenden Theils sanftschwellende Wölbung, Weil ihn bewundert die Welt, weil ihn die Göttin beschaut. Ob er würdig der Himmlischen ist, nicht wüßt’ ich’s zu sagen: Göttliches wünscht’ ich, und nicht, was sie mir zeiget, zu sehn.
[32]
LXIV.
Buonarotti’s Kapell’ und Sanzio’s Säle vermiss’ ich, Wenig des Trefflichen zeigt unter den Malern sich mir. Tizian aber sei, der Maler sinnlicher Wahrheit, Domenichino, und du Maler der Seele, gelobt!
LXV.
Wo ich Tage zu weilen, und täglich wünschte zu kehren, Seid mir immer und bleibt, Bronzen des Alterthums, ihr. Fern’ erscheinet die Vorwelt uns, wenn ihre Geschichte Unserm nordischen Geist sich aus den Büchern entrollt. Wie Jahrtausende zaubern, du fühlst’s; kaum dünkt es dir möglich, Daß die römischen Herrn aßen und tranken wie wir. Oeffne die Thüre des Saals und staune, du trittst in die Küche, Findest jeglich Geräth, wie’s das Bedürfniß verlangt. Was zu des Hauses Schmuck, und mannigfachem Gewerbe, Was zu Ordnung und Putz, was zu Bequemlichkeit dient, Alles findest du hier, der Vorwelt sämmtlichen Hausrath, Schminke, Bürstchen und Kamm, Leuchter und Glock’ und Gewicht. Nichts vermeldet Plinius uns von diesem Geräthe, Doch willkomm’ner ist es, wicht’ger als Plinius dir. Dient es auch nur zu niederm Gebrauch, das gemeine Bedürfniß Hat ein verschönernder Geist sinnig veredelnd geweiht. Alles hast du beisammen, was Alte brauchten und schufen, So erstehen sie selbst leicht, die Geschiedenen, dir.
[33]
LXVI.
Stunden der Muse geweiht, o Pompejanische Fresken, Dank’ ich euch, und ihr habt einzig bis jetzt mir gefehlt. Nur die plastische Form hat mir die Vorwelt gewiesen, Aber die Farbe hat sie nun, die lebend’ge, durchglüht. Vieles freilich erinnert an wunderlich steifes Geschnörkel, Wie’s der barocke Geschmack unter die Franken gebracht, Doch mir begegnen Gestalten so geistig vollendeter Schönheit, Wie sie der Grazien Gunst später in Sanzio gelegt.
LXVII.
Eins nur störet mich stets, mich verfolgt der leid’ge Kustode, Und das Gehässigste dünkt mir ein Professor zu sein. Will Sankt Peter mir einst den Himmel öffnen und endlich Gar mich begleiten, ei nun! möcht’ ich fürwahr nicht hinein.
LXVIII.
Klarer Himmel von Frühling bis Herbst, versteht ihr’s im Norden? Aber der Hitze, des Staubs trugen wir wahrlich genug. Selbst das laute Neapel wird still in der Schwüle des Mittags, Schatten zu stärkendem Schlaf sucht sich ein Jeglicher auf, Der auf weichlichem Pfühl, und der auf verlassener Straße, Der am Strande des Meers, der in die Barke gestreckt. Nur mit der sinkenden Sonne belebt die Straße sich wieder, Und es athmet die Welt frischer und freier nun auf. [34] Eis und Limonie labt der Lazzaronen, der Bettler Brennenden Durst, und ein Gran reicht zur Erfrischung ihm hin. Reichere stärkt Palermo’s Sorbet! Doch selber des Abends Ist der Spaziergang mir in die Campagna erschwert. Denn es drohet der wallende Staub mir den Athem zu rauben, Jede Karosse, sie regt, wirbelt in Wolken ihn auf. Wiesen, die Ulm’ umrankende Rebe, der Pinie Krone, Berg und Vigne bedeckt, Felder und Gärten der Staub. Keines Krauts lebendiges Grün erquickt mir das Auge, Der versengenden Glut neiget die Pflanze das Haupt. Nur die Freuden des Meers, sie laden mich ein, und ich flehe Täglich: erbarm dich mein, Jupiter Pluvius, du.
LXIX.
Wochen voll einsam vertraulicher Lust, voll geheimer Genüsse, Hab’ ich glücklich auf dir, felsiges Capri, gelebt. Aus der rauschenden Welt und der Stadt betäubendem Lärmen Flüchtet’ ich sehnsuchtsvoll mich in dein magisches Reich. Muse, du riefst mich dahin! es gedeiht dein zärtliches Leben Nur in der Einsamkeit, nicht im Gewühle der Welt. Keiner Blume schüchtern Gewächs entknospet der Straße, Wo das rasselnde Rad, und wo der Hufschlag ertönt. Fern, wie vom Meere zaub’risch umgränzt, die Insel vom Festland, Schließt du vom Tagestumult, himmlische Muse, dich ab.
[35]
LXX.
Stürme hielten noch lange mich dort, es konnte der Schiffer Sich der schäumenden Flut lange nicht sicher vertrau’n. Tage verstrichen an Tage, doch immer sausten die Winde Ueber das rauschende Meer, über den dunkelen Fels. Oft von der schaurigen Klippe Tibers, wo in schwindelnder Tiefe Brauset die Brandung, hinweg sah in den wogenden Golf. Nah erhebt sich Minervens Gebirg, ich erkenne den Oelhain, Aber der Adler nur flöge hinüber zu ihm. Endlich wagt man die Fahrt, und dem traulich befreundeten Hause Sag’ ich ein Lebewohl, geb’ und empfange den Kuß. Aber o Götter, ihr hättet bestimmt, daß im Schlunde des Meeres Finde der Dichter sein Grab, jeglicher Wanderung Ziel? Einen Tag in der Brandung des Meers, in den wüthenden Wellen Schleudert Aeolus ihn, schleudert Neptun ihn umher. Hilf dem Beängstigten du, o freundliche Göttin des Oelhains, Steige vom Berg du herab, sänftige Wellen und Wind. Jetzt im Abgrund verschwindet der Fels des duftigen Eilands, Jetzt zum Himmel empor schwingt sich das fliegende Schiff. Schrecken erweckt der Matrosen Geschrei, der ermunternde Zuruf, Die verzweifelte Kraft ringt mit dem feindlichen Gott. [36] Flügel wünsch’ ich mir nun, und wünsche zurück mich zum Eiland, Von der unendlichen See wendet das Auge sich weg. Zweimal prüften die Götter den Muth mir, zweimal beschützte Mich das milde Geschick, zweimal gewann ich das Land. Dankbar spring ich ans Ufer, noch wankt es unter dem Fuß mir, Und durch die Berge Sorrents setz’ ich die Wanderung fort. Unglück droht mir nun hier. So schwur ich denn einst: ich betrete Nie dich wieder, Sorrent, treibt mich der Sturm nicht zu dir. Und ich büßte das Wort! In seine Limoniengärten, Heimat Tasso’s, hat mich wieder das Schicksal geführt. Doch mit dem Morgenroth schon wandr’ ich in Eile den Fußpfad Ueber Vicos Gebirg’, wandr’ ich Parthenope zu. Sei mir dankbar gegrüßt, o lautes Neapel! Es rauschet Deiner Straßen Tumult fröhlicher mir, als die See.
LXXI.
Müßig gesell’ ich mich gern zu dem Schwarm, der sich auf dem Molo Täglich versammelt und dort, Roland, dein Heldengedicht Gierig vernimmt und die Lumpengestalt angafft mit Entzücken, Die mit Begeisterung dich, schwärmender Dichter, erklärt. [37] Alles lauscht, es naht aus dem Schiff der ermüdete Seemann, Halbnackt setzt man im Kreis sich um den Leser herum. Nieder zur Erde stellt der Lazzarone die Körbe, Wasser bringt auch das Weib, Traub’ und Zitrone herbei. So vernimmt man die Thaten des Helden, die Wunder der Dichtung, Und des Himmels Azur lächelt auf Alle herab. Meer und Stadt und den schönen Vesuv, und den Golf und die Insel Immer vor Augen, verweilt gerne der Dichter sich hier. Und der Vorzeit gedenkt er, da unter glücklichem Himmel Einst vom Achill und Ulyß Griechen der Sänger erzählt.
LXXII.
Grab Virgils, wer ehrte Neapel, wer ehrte die Vorwelt, Ohne dir eines Besuchs dankbares Opfer zu weihn? Düster verbirgt sich das alte Gemäu’r in Posilippo’s Felsen, Und abschüssig und jäh führet der Felspfad zu dir. Aber unten im Tiefen, da zieht in die nächtliche Grotte Wandrer an Wandrer gedrängt wie in die Unterwelt ein. Steig’ ich zur Vigne hinauf, wo zumal aus dem üppigen Weinlaub Sich die glänzende Stadt, Berg sich entfaltet und Meer, Zeigt sich die Landschaft mir, der Natur holdseligste Dichtung, Vom wollüstigen Hauch südlichen Himmels beseelt: [38] Dann beneid’ ich dich nicht um dein Grab, o römischer Sänger, Besser wäre mir hier ewig zu leben vergönnt.
LXXIII.
Was in der Stadt ich gethan und genoß, ich erzählt’ es dir redlich, Folge, Freund, mir denn auch in die Campagna hinaus.
Pompeji.
Zürnet dem Dichter der Nachwelt nicht, o Götter der Vorwelt, Daß er im spielenden Ton leichtern Gesanges euch naht. Eine römische Stadt mit Tempel, Forum und Wohnung Würdig zu preisen, vielleicht wär’s nur dem Römer geglückt. Römer ehrten sie gern mit Glorie der That, doch die Vorwelt Dankbar zu ehren ist uns kaum mit den Worten vergönnt. Vieles hab’ ich bewundert, und da ich Leben und Menschheit, Welt und Völker erkannt, hab’ ich zu staunen verlernt. Aber als mich des einsamen Wegs hochrankende Reben Schattend umgaben, und ich, sel’ger Erwartungen voll, Näher ihm kam und näher, und nun urplötzlich der Gräber Heilige Straße sich mir, gleich dem Aïdes erschloß, Da erbebte mein innerstes Herz, da verwirrte mein Geist sich, Ungewiß, ob ein Traum, ob mich die Wahrheit getäuscht. [39] Alles erschien mir so nah und bekannt, so gewohnt und befreundet, Mir durchwühlte das Herz freudiger Wehmuth Gefühl. Also kehrte vielleicht ein Wandrer zurück, in der Vorzeit; Jahre voll Wechsel und Noth hat er die Erde durchirrt; Endlich führt ihn das Loos in die glücklich errungene Heimat, Zitternd vor freudiger Angst sieht er dem Thore sich nah. Wieder erblickt er die Gräber, und bange beflügelt sein Schritt sich, Meine Lieben, o Zeus, hast du sie alle bewahrt? Furcht erfüllt ihm das Herz, er liest manch’ traurende Inschrift, Eilt, und schweigend empfängt schon ihn die traurende Stadt. Haus und Straße, noch kennt er sie wohl, und Tempel und Forum, Und dem Entfremdeten kehrt manche Erinn’rung zurück. Da erreicht er das Ziel. O meine Lieben, wo sind sie, Ruft er in steigender Angst, grüßet sein heimatlich Haus. Aber ach, er findet es leer! Kein Freund, keine Mutter Sinkt ihm an’s Herz, und ihm bleibt außer der Thräne kein Glück.
LXXIV.
Wieder durchwandr’ ich die Straßen, und wieder die lieblichen Häuser, Bald zu frommem Gebet ladet der Tempel mich ein. [40] Bald erwart’ ich des Helden Kothurn im trag’schen Theater, Bald hält attischer Witz mich in dem komischen fest. Dann empfängst du, o Pantheon, mich; die entflohenen Götter, Das verschwund’ne Geschlecht ruf’ ich zum Tempel zurück. Dann auf dem Forum irr’ ich umher, und suche den Redner, Suche des Reuters Bild auf dem verlass’nen Gestell, Das versammelte Volk, und im Haus der Gerechtigkeit such’ ich, In der Basilika dort Richter und Schuldige auf. Venus, dein Heiligthum, es umgiebt mich, aber die schönen Priesterinnen, sie sind in den Olymp dir gefolgt. Götter, wer nennt es all, wie’s ist, wer dächte, wie’s einst war. Wer beschwört aus der Nacht alle die Schatten herauf? Ins verschwiegne Gemach, in des Hauses reinliche Zellen, Unter die Säulen des Hofs zieh’ ich mich schüchtern zurück. Reizende Bilder, sie lachen mich an, und muntere Farben, Kunst und Schönheit belebt selbst die verborgenste Wand. Hier ist der Heerd, hier speiste man einst, hier erquickte der Schlummer, Hier aus dem Muschelborn sprang der lebendige Quell. Diese Bilder zärtlicher Lust, sie lehren verräth’risch, Daß ein Glücklicher einst hier sich der Liebe gefreut. Heiter scheinet die Sonn’ in des Vorhofs farbige Säulen, Nur die Hausfrau sie fehlt, spielende Kinder dir nur. [41] Jedem Gemach entathmet der Vorzeit gediegene Ruhe, Reinlich verschönernder Geist, Ordnung und häuslicher Sinn. So durchwandr’ ich die Stadt, die mit der Jugend des Phönix Wieder dem Aschengrab wunderverkündend entsteigt. Und zu dem schwarzen Nachbar, dem drohenden, blick’ ich hinüber, Dessen Rachen noch heut Feuer und Lava entströmt. Und Jahrtausende schwinden zu Nichts mir im Geiste zusammen, Nur ein flüch’ger Moment dünkt die Geschichte mir nun. Ewig flammt das Herz des Vulkans, die grünenden Berge Kleidet der Frühling, besucht noch der entblätternde Herbst. Aus der Asche blühet der aufgegrabenen Vorwelt Ueppig die Reb’ und es reift neben den Gräbern die Frucht.
LXXV.
Vesuv.
Steig’ ich, o Berg, auf dein rauchendes Haupt, und es treibet mich oftmals Unerforschter Natur großes Geheimniß hinan, Denk’ ich stets an die Reise durch’s unermeßliche Leben, Dessen Abgrund ein Geist ewigen Feuers bewegt. Erst aus dem muntern Städtchen, vom frommen Thiere getragen, In des Führers Geleit steigt man behaglich hinan. [42] Mitten in lachender Fülle des schwerbeladenen Weinlaubs Bist du und üppiges Grün hüllet die Ferne dir zu. So das glückliche Kind, bis dem reifenden Jüngling das Weite Sie [sich: E] durchs zaubrische Reich blühender Gärten erschließt. Nicht der Sonne beschwerlichen Druck, ihr verklärendes Licht nur Fühlt er, genießt und durchschwärmt muthig die heitere Welt. Sieh da hemmt ihm den eilenden Fuß die erkaltete Lava, Ihre Strömung umstarrt finster das seltnere Grün. Glühend einst in versengender Gluth aus dem Krater gestrudelt, So begegnet die Fluth düstrer Erfahrungen uns, Die erst brennend für’s liebende Herz, und sein fruchtbares Streben, Todt für’s Getäuschte, dem Schlund feurigen Lebens entströmt. Weiter klimmt er verwegen, noch schützt ihn Athem und Jugend, Fällt er zuweilen, behend richtet er wieder sich auf. So erreicht er den Krater, und steigt vom ermüdeten Thiere, Weiter bringt ihn und trägt nur ihn die eigene Kraft. Also der Mann. Und empor die pfadlos steinige Höhe Hilft er sich keuchend hinan, Athem und Stimme versagt. Asche stäubet um ihn, und in Asche watet er stöhnend, Rauch umdampft ihm den Sinn, donnernd erschallt es im Berg. Selten blickt er ruhig zurück auf den fröhlichen Abhang, Wie auf die Jugend, belebt, stärket die sinkende Kraft. [43] Da erreicht er das herrliche Ziel, und es öffnet die Welt sich Groß und gewaltig vor ihm: freudig zum Krater hinab Schaut er und sieht, wie prasselnd dem Aschenhügel die Flamme Prachtvoll entsteigt, und des Schlunds feurige Kräfte verströmt. So erkennet der Mann die verborgene Quelle der Dinge, Und das Menschengemüth, wie es sich selber verzehrt. Stückweis nicht, es entfaltet sich ganz das unendliche Leben, Gränzenlos, wie das Meer, das zu den Füßen ihm liegt. Höher steiget er nicht; es senkt die Sonne sich unter, Abwärts führt ihn der Weg schneller in schweigender Nacht, Die er, die Ruh’ ersehnend, durcheilt, und eh’ er sich’s denket, Wie der Mensch an sein Grab, ist er zum Ziele gelangt.
LXXVI.
Portici und Resina.
Wer nicht stiege herab in herkulanisches Dunkel, Irrt’ im Scheine des Lichts, wie durch den Eribos hin? Doch vergebt dem Lebend’gen, herakleische Schatten, Wenn er mit höherer Lust hier in der Oberwelt weilt. Würd ein günst’ges Geschick mir der Wünsche jeden gewähren, Führ’ ich täglich von dir, Torre del Greco, zur Stadt. [44] Heitere Straßen voll wimmelnden Volks, voll rasselnder Wagen, Lachende Häuser, des Meers wellenumrauschtes Gestad, Lustige Gärten, das wilde Bereich des dunkeln Vulkanes, Und der entzückende Blick über Parthenope’s Golf, Fruchtbare Wiesen, der Stadt jungfräulich lächelnde Schönheit Würde täglich mein Herz, Augen und Sinnen erfreu’n. Blüthe der Vorzeit doch der Moment, und genoß sie ihn weise, Dünkte der Mitwelt denn nur das Vergangene schön?
LXXVII.
Pozzuoli.
Manchen Abend verdank’ ich auch dir, wo im Kreise der Freunde Jugend und fröhlicher Geist Becher in Fülle kredenzt’. Leicht ja fliegt durch die Grotte der Wagen ans Meeresgestade, Unter’m Olibanus weg bringt er mich eilends zu dir, Altes Puteoli! Dann an Caligula’s Brücke verweilt man, Wird des ägyptischen Zeus mächt’ge Ruine besucht, Schlendert man froh durch die Vignen des leukogäischen Felsen, Bis wo im Rebenlaub sich das Theater versteckt, Bis zum Tempel Neptuns und des Klosters entzückender Aussicht Ueber Busen und Cap, Felsen und Inseln und See’n. Oft auch in Bajä’s Golf umspülte die Flut mir die Glieder, Oft nach Misenums Fels trug mich hinüber der Kahn. [45] Doch ich gesteh’, auch Leiden verfolgen mich, Kutscher, Kustoden, Ciceronen, ein Schwarm Schiffer und Bettler dazu Hängen im klassischen Lande sich dir, wie kritisch gelehrte Kommentatoren dem Text klassischer Dichter sich an.
LXXVIII.
Solfatara.
Lauter vulkanischer Boden! Das Eingeweide der Erde Brennt und siedet und wirft Schwefel und Flammen hervor. Wenn der vulkanische Geist mit Gewalt ausbricht aus der Tiefe, Berge versenkt und erzeugt, schafft er Verderben und Tod. Aber beruhigt er sich, entsproßt ihm wieder die Rebe, Und der flammende Grund theilet sein Feuer ihr mit. So das Gemüth. Im Sturm des Affekts verbreitet’s Verderben, Wieder besänftigt, erzeugt’s Freuden und Sorgen und Glück. Aber laß das kämpfende Herz, und warte den Brand ab, Desto Schöneres wirkt’s, wenn es die Ruhe beglückt.
LXXIX.
Allenthalben ein See! Vom ärmlichen Sumpf des Lucrino Unter Myrten und Schilf führt zum Avernus der Pfad. Doch ich verweile mich nicht! Zwar düstert am Ufer ein Tempel, Aber Melancholie tödtete selber den Gott. [46] Und des Acherons Teich umgrünt das elysische Feld hier, Todtenurnen, doch sonst trifft hier der Lebende nichts. Dort an Misenums Kap, in der Grotte reichte zur Speise Seiner Muränenbrut Menschen der röm’sche Tyrann. Drum misdeute mir nicht unschuldig menschliche Neigung, Hat die die Auster den Sieg, See von Fusaro, verliehn.
LXXX.
Grotte der Sibylle.
Haustest du noch in der Höhl’ am Avern, Sibylle von Cumä, Triebe die Andacht mich nicht, schwerlich der Glaube zu dir. Nun da du nicht mehr bist, trägt mich im Scheine der Fackel Hülfreich des Fischers Arm, trägt mich die Neugier hinein.
LXXXI.
Bäder des Nero.
Nackt entstürzen wir eilig des Gangs erstickendem Dampfe, Und in glühendem Strom rinnet vom Leibe der Schweiß. Wahrlich, mich wundert, daß noch dem Volk kein Pfaffe verkündet, Innen im höllischen Pfuhl büße der Heide die Schuld.
[47]
LXXXII.
Bajä.
Wo ist die Stadt sybaritischer Lust und korinthischer Freude, Schwelgt der Genuß in Begier, schwelgt die Begier in Genuß? Wohl noch grauet am Strande des Meers der Tempel der Venus, Aber zerfallen und leer, ohne der Priesterin Dienst. Statt der Rosen bekränzet ihn Moos, auf verwüstetem Hügel Deuten die bacchische Stadt ärmliche Trümmer nur an. Fieber athmet die Luft, kaum grünt der spärliche Weinberg, Und verschmachtet, versiecht siehst du die edle Natur. Häßliches Bettlervolk durchschwärmt den verödeten Boden, Wie Insecten, die gern Krankheit und Seuche gebärt. Also endet die flüchtige Lust ausschweifender Sinne, Lern’, und wähle mir nur Freuden, die schöner verblühn.
LXXXIII.
Cicerone.
„Das ist die Villa des Nero, des Marius, Julius Cäsar, „Tempel hatten hier einst Venus, Diana, Merkur!“ So der Führer. Es schreit, sich ermunternd der hungrige Schiffer: „Maccaroni!“ – doch hat jeder dasselbe gemeint.
[48]
LXXXIV.
Camaldoli.
Seh’ ich aus deiner Bäume gewaltigem Schatten hinunter Ueber das blühende Land, über das duftige Meer, Breitet Neptun sein unendliches Reich in die goldenen Fernen, Steigen, wie Wunder des Meers, alle die Inseln mir auf, Treibet des Feuers Gott aus dem Heerd des Vulkanes die Flamme, Wallen in heitrer Luft Wolken an Wolken empor, Lächelt des Bacchus begeisternde Frucht am grünenden Abhang, Deckt Minervens Geschenk dort die Olive den Berg, Buhlen der Flora Kinder am See, und entfaltet Dianens Heiligthum, und der Jagd üppige Waldung sich mir, Naht der Wächter mir gar der Geschichte, der ewige Kronos, Führt in des Alterthums graueste Ferne er mich, Zur Kumäischen Stadt und den negropontischen Wand’rern. Oder gar zu Ulyß, dort an Misenums Gebirg, Deutet er Cicero’s Villa mir an, wo die Weisen einst gingen, Einsame Schaafe nun weiden am blumigen Berg, Blick’ ich zum Hafen hinüber, der einst Roms Flotte bewahrte, Steigt Caligula mir, Nero im Geiste mir auf, Agrippina’s schrecklicher Tod, und Scipio’s Grabmal, Dort auf des Eilands Fels, Erde, dein größter Tyrann, [49] Lehrt der ergraute Gott mich solche Namen und Thaten, Zaubert in diese Natur Phöbus unsterbliches Licht, Jeglicher Farbe Glanz: – so ergreift mich ein himmlischer Wahnsinn, Mehr als ein Mensch, mich bedünkt fast der Olympier zu seyn.
LXXXV.
Sorrent.
Schön ist’s immer, vorüber die Felsen, vorüber die Grotten Durch die spiegelnde Flut lustig zu gleiten im Kahn, Schön, auf felsigem Pfad durch Vignen und Gärten zu irren, Wo der Aloë Wuchs blühend der Mauer entragt, Und durch Lorbeer und Myrte, durch’s Schattengewölbe der Pinie Manchmal im sonnigen Duft schimmernde Ferne sich zeigt. Freut dich Limon’ und Orange, du findest Thal und Gebirge Von goldprangendem Grün, südlichen Hainen bedeckt, Liebest du Schatten, so bleibe mir hier; so triffst du sie nirgends, Wie im schönen Sorrent, Sommer und Winter vereint. Nichts als Orang’ und Mauer um dich, und Mau’r und Orange, Siehst du die lautere Glut weder des Meers noch der Luft. Suchest du Menschen von besserem Schlag, so hast du Torquato’s Alterndes Haus, doch sonst Gauner und Schelmen um dich. [50] Bist du ein Feind des Weines, so komm, hier wirst du ihm Todfeind, Hassest du Führer und Wirth, zank’ und vertheid’ge dich hier. Willst du ertrinken, vertrau’ dich getrost dem kundigen Schiffer, Glaubst du mir nicht auf mein Wort, komm’ und erprob’ es mir selbst.
Inseln.
LXXXVI.
Nisita.
Gleich dem lieblichen Kinde, von schalkhaft lächelnder Wange, Das noch schüchtern, sich nicht weit von der Mutter gewagt, So enttauchst du der spielenden Flut voll freundlicher Anmuth, Drängest dem Mutterland kindisch verzagend dich an.
LXXXVII.
Procida.
Dich vergleich’ ich dem Reiz der jung aufblühenden Nymphe, Der jungfräulich noch kaum Busen und Nacken erschwillt. Auch nur halb entknospet, ergriffst du doch das Gemüth mir, Lockte die Nachbarin mich, nicht die Vollkommenheit an.
[51]
LXXXVIII.
Ischia.
Eriträisches Eiland, als herrlich erwachsene Jungfrau Stehst aus tyrrhenischem Meer mächtigen Wuchses du auf. Ausgebildet und üppig gereift zur süßen Umarmung, Wartet des liebenden Gott’s schon dein uranischer Leib. Wenn, o Enaria, vulkanische Kraft dich flammend erschüttert, Und aus dem brennenden Mund Lava in Strömen erfließt, Deutet mir’s an, daß dich schon der Unschuld Friede geflohen, Amors gefährlichste Glut schon dir den Busen durchbebt. Schön und reizend bist du, so oft am Tag, in der Nacht dich Schmachtend Verlangen erblickt, aber am schönsten vielleicht, Wenn dein lachend Gesicht dem niedertauchenden Gotte In holdseliger Schaam züchtigen Rosen erglüht. Dann nicht Phöbus’ allein, du scheinst die Geliebte des Donn’rers, Danae scheinst du, vom Strom goldenen Regens umarmt.
LXXXIX.
Capri.
Reizt mich die Freundin mit weiblicher Macht, mit dem Zauber der Jugend, Zeigst du mir männlichen Sinn, Kraft und Beständigkeit nur. [52] Kein Erdbeben erschüttert, kein Liebesfeuer das Herz dir, Schäumend umrauscht dir die See klippiges Felsengestad. Aber du bleibst und ragst, neptunischem Drachen vergleichbar, Jäh und steil aus des Meers finsterer Heimat empor, Rauh, unfruchtbarer Art, erscheinst du dem flüchtigen Blicke, Wenn dein gewaltiger Fels Brandung ermüdet und Sturm, Aber das sinnige Haupt kränzt Bacchus freundlich mit Weinlaub, Und auch ihr heilig Geschenk hat dir Minerva verliehn.
LXL.
Salerno.
Lob’ ich den reizenden Weg vom Pompejanischen Weinberg, Stabiä’s waldigen Berg, Ulmen und Reben und Au’n, Südliche Häuschen mit ebenem Dach, Nocera Pagani Oder La Cava’s Thal, grünend Dianengebirg? Nein, erst fühl’ ich mich wohl, wenn aus südlich bekleideter Felswelt Plötzlich der griechische Golf strahlend in’s Auge mir glänzt. Heiter täuschest die Zeit du mir weg, o freundlich Salerno, Fehlt dir der Vorwelt Ernst, schmückt dich der Gegenwart Lust. [53] Abende streich’ ich umher, mich ergötzt die lust’ge Marine, Und das lebendige Volk und das unendliche Meer. Einst in munterer Nacht mit den Freunden saß ich beim Mahle, Unter Scherz und Gespräch kreiste trinakrischer Wein: Durch des offenen Thors gelüfteten Vorhang erhellte Wetterleuchtende Glut flammend die nächtliche See, Innen aber erscholl der Gesang und die Harfe des Greisen, – Wer beneidete so Helden und Könige noch?
LXLI.
Amalfi.
Findet der Maler in dir, in Grotten, Felsen und Schluchten, Brücken und Häusern sich, Gärten und Klöstern beglückt: Wähnt der Dichter zu schwärmen im Reich fantastischer Märchen, Wie’s Ariosto im Spiel kühner Erfindung geträumt; Irr’ ich in schattiger Schlucht, wo in überschwenglichem Reichthum Schwelgerisch Mutter Natur Pflanzen an Pflanzen gedrängt. Wie in Orlando’s Gedicht, im Zauber einer Erscheinung Gleich den romantischen Pfad wieder das Auge verliert, Ueberragt der gigantische Fels in wilder Gestaltung, Himmel bedeckend und Meer, drohend das schattige Thal. Dann aus der Enge flieh ich durch labyrinthische Wege, Bis von des Klosters Balkon wieder die See mir erscheint. [54] Fernen lieb’ ich, nur Heit’res gefällt mir im heiteren Süden, So auch lieb’ ich dich nur, griechischer Himmel, zu schau’n.
LXLII.
Pästum.
Einst, als die Fabel noch, der Geschichte lieblicher Frühling, Blüten zu goldener Zeit, Blumen in’s Leben gestreut, Dufteten Rosen hier, wo deine verlassenen Trümmer Nun, sybaritische Stadt, einsame Wand’rer durchziehn. Aber da allzufrühe das Blumenleben der Myrte Eines traurigen Herbst’s brausende Stürme zerstört, Als die Olympischen floh’n, da nahm die Göttin der Schönheit Von der verwilderten Flur auch ihre Rosen hinweg, Und das unsterbliche Haupt bekränzt sie dem schönen Geschlechte, Das den Ewigen einst ewige Tempel geweiht.
LXLIII.
Tempel des Alterthums, ich betrachte sie täglich gelass’ner, Denn es führt mich der Weg täglich an ihnen vorbei. Wag’ es ein launiger Gott, und versetze der Sterblichen Einen In den Olymp, er gewöhnt bald sich behaglich an ihn. So der Sänger, dem Rom zur bessern Heimat geworden, Der Pompeji vertraut gleich einem Bürger bewohnt. [55] Doch so heimatlich fühlt er sich nicht am verlassenen Ufer, Unter der griechischen Stadt wilder Ruine sich nicht. Freundlich nah ist dein Pantheon ihm, o Roma, getreten, Späterm Göttergeschlecht ist es von Spätern geweiht. Seh’ ich aber der griechischen Kunst gigantische Bilder, Dorische Majestät, Alter und Einfalt und Kraft, Dünkt mir fast kein menschliches Werk, urweltliche Schönheit, Unerschaffne Natur, große gewalt’ge, zu schau’n. Oder war sie von Anfang nicht, und erbauten sie Hände, War’s der Beherrscher Neptun, der sich am schäumenden Meer Riesensäulen zum göttlichen Haus in die Erde gegründet, Wenn er zu Opfer und Fest rauschenden Wassern entstieg?
LXLIV.
Tag verstreichet an Tag, und schlendr’ ich über den Largo, Fragt mich der Vetturin, fragt mich der dicke Sensal. Aber noch hält es mich fest, und dennoch meinen Quiriten, Dennoch dem heimischen Rom sehnt sich entgegen mein Herz. So wohl schwankt’ in der Schönheit Streit der Schäfer vom Ida Zwischen Minervens Ernst, und Amathusia’s Reiz. Doch es kommt mit Briefen von Rom mir Amor geflogen, Und fast dünkt mir, der Schalk hat sie dem Liebchen diktirt. Einen Verräther nennt er mich gar! dem geschriebenen Worte Glücket fürwahr oft mehr, als dem lebendigen glückt. [56] Sieh, da nah’n auch die Musen, und besser glaub’ ich zu dichten, Wenn im verschloßnen Gemach Amor die Fackel mir hält. Auch der Winter, er redet sein Wort, im vertrauten Kamine Knattert die Flamme, wer kos’t, plaudert und schäkert mit dir? Eile, spricht er, in’s heilige Rom, ich entblättre die Bäume, Und du wolltest, daß nie Freuden und Wonnen verblühn? Nur das Edelste bleibt, es grünt die Myrte, der Lorbeer, Kränzt dich die eine, so bleibt auch dir der andre nicht fern.
LXLV.
Endlich hab’ ich entschieden; noch einmal durchwandr’ ich die Plätze, Wo ich gerne verweilt, wo ich empfand und genoß, Alle von Carmine’s Thurm bis hinab zu Posilippo’s Palme, Sage mein Lebewohl Bergen und Ufern und Meer. Und indem ich scheidend es fast als Vergang’nes genieße, Dünkt die Gegenwart auch schon mir Erinn’rung zu sein.
LXLVI.
Einmal noch in Anakreons Glück zum fröhlichen Abschied Hat mich des alten Vulkans purpurner Nektar beseelt. [57] Und man schied in der Stille der Nacht aus dem stillen Neapel, Ausgestorben und leer scheint nun die schlummernde Stadt. Nur der Rosse klingelnd Gespann ertönt durch die Straßen, Und in die Ecke gelehnt, schlummert ein Jeglicher ein.
LXLVII.
Capua und S. Agata.
Wie die Zeiten sich ändern! Wir sind am alten Volturnus, Wo sich in Lüsten einst Hannibals Krieger entnervt. Jetzt entsteigen dem Wagen am Gasthof Britten und Pfaffen, Maler und Antiquar, selber ein deutscher Poet. Wieder begrüß’ ich das schöne Minturn und die Berge Falerno’s, Und ich fühle mich fast klassisch im klassischen Land, Doch bald seh’ ich mich wieder modern, es zwitschert der Britte, Catos Sprache, sie spricht hier ein Kanonikus nur.
LXLVIII.
Molo di Gaëta.
Wieder blauet das südliche Meer durch die fruchtbaren Gärten, Aloe blüht, es entglänzt auch die Orange dem Laub. Schöne Frau’n in reizender Tracht durchwandeln die Straßen, Durch die lachende Bucht gaukelt der Fischer im Kahn. [57] Diese Berge, dies Meer hat oft Camaldolis Kloster, Hat mir dein Gipfel, Vesuv, oft aus der Ferne gezeigt. Noch in Neapel zu sein, träumt hier die schwärmende Sehnsucht, Aber das Lebewohl geb’ ich zum letztenmal ihm.
LXLIX.
Bald durch Itris grünes Gebirg’ und Myrtengesträuche Führt der felsige Pfad mich zum Limonienthal, Wo in Bäumen versteckt das lästrygonische Fondi Manchen Unhold im Schmutz häßlicher Lumpen mir zeigt. So zur Küste gelangen wir bald am röthlichen Abend, Und dein heilig Gebiet grüßet das kindliche Herz, Rom! Von des Berges Wildniß herab steigt einsam der Hirte, Seine Pfeife sie tönt, welcher Erinnerung Lust! Eingewiegt in der Zukunft Traum, im Gefühle der Wehmuth Merk’ ich kaum, wie die Nacht Felsen und Ufer geschwärzt. Selten störet die Wache mich auf, die an einsamer Straße Vor des Räubers Gewalt nächtliche Wandrer beschützt. Mondhell rauschet das Meer, und brandet an schäumender Klippe, Tief in den Mantel gehüllt, schläft der Gefährte schon ein, So im Spiel der Gedanken, im süßen Schmerze der Sehnsucht Träum’ ich hin, und du nimmst, volskisches Anxur, mich auf.
[59]
C.
Welche Pein bereitet ihr mir, pontinische Sümpfe, Immer so nahe dem Ziel, bleib’ ich immer so fern! Keine Ruh’ erquicket mich mehr. Schon schwebt mir im Rücken Circes blumiger Berg, und das Latinergebirg. Mählig dämmert es auf! Es schwimmt im Kanale der Büffel, Und mit gewaltigem Stab folgt ihm im Boote der Hirt. Bleiche Menschen begegnen mir nur, und es wächst mit der Nähe Stündlich die Ungeduld, bis ich Velletri erreicht, Und heimkehrender Frauen erhab’ne römische Schönheit Und Albanische Tracht wieder den Wandrer entzückt. Eine Nacht noch verstreicht in rastlos glühendem Sehnen, Aber das Morgenroth grüß’ ich auf Cynthia’s Berg, Wandle begeistert die Vignen hinan, und die schatt’ge Olmata, Sehe, wie wieder das Meer meine Campagna besäumt. Und in Albano bin ich. Da pocht das Herz mir in Schlägen Süßer schmerzlicher Angst. Götter des ewigen Roms, Haltet die taumelnden Sinne mir fest, noch heftiger beb’ ich, Als da zum erstenmal Rom vor den Augen mir stand. Denn was in Jahren voll wechselndem Glück, voll Freuden und Leiden Mir ein launig Geschick aus dem Olympe gesandt, [60] Alles durchfühl’ ich wieder! Und nun, erhebe Sankt Peter, Ueber der sonnigen Stadt duftigem Streifen dich nur! Hoff’ ich ja doch, daß vielleicht auch mich Roms bleibende Hoheit In der flüchtigen Zeit dauernd zu bleiben gelehrt.
Quelle: Wilhelm Waiblinger, Bilder aus Neapel und Sicilien. Hrsg. von Eduard Grisebach. Leipzig: Richard Eckstein 1879.
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