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Ludwig I., König von Bayern

Kurzbiografie

Ludwig I., König von Bayern (*25. August 1786 in Straßburg – †29. Februar 1868 in Nizza),  der erstgeborene Sohn Maximilians I. und der Prinzessin Auguste Wilhelmine Maria von Hessen-Darmstadt, war bereits von Geburt an schwerhörig. Ab 1797 erhielt der Kronprinz eine religiöse Erziehung durch den katholischen Priester Joseph Anton Sambuga (1752-1815). Er studierte erst in Landshut und anschließend in Göttingen Alte Geschichte und beschäftigte sich mit französischer, italienischer und spanischer Literatur. 1810 vermählte sich der Kronprinz mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792-1854), deren Hochzeitsfeierlichkeiten zugleich zu der Tradition des Münchner Oktoberfestes führten und deren Veranstaltungsort, die Theresienwiese, nach der Gemahlin benannt wurde. Die Jahre zwischen 1816 und 1825 verbrachte er zumeist in Würzburg und brach zu etlichen Reisen nach Italien auf, wo er in Rom die Villa Malte kaufte. Nach dem Ableben des Vaters folgte er 1825 auf den bayrischen Thron. Um die Integration neuer Territorien zu betonen, nannte er sich ab 1837 „König von Bayern, Herzog von Franken, Herzog von Schwaben und Pfalzgraf bei Rhein“. Zu Beginn seiner Amtszeit zeichnete er sich durch einen eher moderat liberalen Regierungsstil aus: er hob die Zensur der Presse auf und ließ die Ludwig-Maximilians-Universität von Landshut nach München verlegen. Nach der Julirevolution 1830 in Paris und zunehmenden revolutionären Tendenzen innerhalb des eigenen Herrschaftsgebiets wendete sich Ludwig I. wieder dem Konservativ-Reaktionären zu und reinstallierte die Pressezensur. 1838 schürte er mit dem „Kniebeuge-Erlass“ weiteren Unmut vor allem in jenen eingliederten Gebieten, deren Bevölkerung hauptsächlich protestantisch geprägt war. Im März 1844 kam es zu ersten Unruhen während der Münchner Bierrevolution, die sich infolge einer Brot- und Bierpreiserhöhung entwickelt hatte. Aufgrund der revolutionären Bewegung und der heftigen Kritik an seiner Affäre um die Tänzerin Lola Montez (1821-1861) dankte am 19. März 1848 Ludwig I. zugunsten seines Sohnes Maximilian II. ab. Etliche bedeutsame Bauwerke zeugen noch heute von Ludwigs I. Begeisterung für Kultur und Künste. So entstanden während seiner Regierungszeit zum Beispiel die Alte und Neue Pinakothek, die seither das Stadtbild Münchens prägen. Seine Gedichte publizierte er zwischen 1829 und 1847 in vier Bänden. Weitere Werke waren unter anderem „Walhallas Genossen“ (1843), das er anlässlich der Eröffnung der Ruhmeshalle veröffentlichte, und die drei historischen Dramen „Otto“, „Teutschlands Errettung“ und „Conradin“, von denen allerdings keines uraufgeführt wurde. 1868 verstarb der Kunstmäzen mit 81 Jahren in Nizza.

Katharina Junk





[8]

Erinnerungen aus Italien

im Jahr 1805.

 

Rom.

I. Elegie.

Es erlöschte des Himmels Glut in der Kühle des Abends,
Sie doch kehret zurück, kommt mit dem kommenden Tag;
Roms Gewalt erlosch schon längst, ist erloschen für ewig.
Das Geräusche des Tags wich mit der Dämmerung Schein,
Stille der Nacht ist gefolgt, es ruhet die schlummernde Erde;
Alles verstummte, es spricht mächtiger aber zum Geist.
Zu dir, ewige Roma, entschwebet die sehnende Seele;
Hehr erhebt mein Blick sich zu den Sternen hinauf;
Freu’ mich, daß sie, die ich sehe im Schimmer der Pracht und der Stärke,
Herrliche Stadt, ich geschaut, jegliches Großen Verein,
Wie du es einst vor anderthalbtausend von Jahren gewesen.
Zart vereinet des Mond’s mildes verklärendes Licht,
Was am Tage für immer nunmehr getrennet erscheinet,
Was der Sterblichen Wuth löste und feindliche Zeit.
Herrlich’rer Hoheit erscheinet das majestätische wieder,
Rom wie’s einstmal war, Haupt der gebildeten Welt.
In das Amphitheater der Flavier, dem größten Gebäude
Der ungeheuren Stadt, kehren die Schatten zurück;
Mag es in dem Geräusche des Tages den Neuern gehören,
Von dem Geliebten Besitz nehmen die Geister bei Nacht.
[9] Doch die damaligen Römer auch waren seit langem entartet,
Waren nicht würdig mehr der Cincinatischen Zeit.
Glaub’ in Mitte derselben dich, Titus, zu sehen, dich Edlen,
Glänzest in Tugend allein in dem verdorb’nen Geschlecht.
Und ich wandele frommen Gefühles die heilige Straße,
Durch versunk’nes Gestein längstens vergangener Pracht,
Traurig, verfallend, erscheinet der Bogen des Sieges, den über
Jüdischen Starrsinn dein Muth, herrlicher Titus, errang;
Größer ist aber noch der, den über der Leidenschaft stärkste,
Ueber die Liebe Gewalt, über dich selbst du erkämpft.
Auch du bist nun Trümmer und Schutt nur, Tempel des Friedens,
Wozu brauchte doch Rom Tempel des Friedens noch jetzt?
Rom ist ja selbst des Friedens Tempel für immer geworden.
Ruhe, du Erde des Siegs! schlafe die Ruhe des Tod’s!
Längere Herrschaft, größeres Volk gab’s niemals, erregest
Ehrfurcht, Staunen in uns, immer erregest du sie.
Rom, wie deine Geschichte du selbst: bist einzig und ewig.
Ach! Die Gestalt nur blieb, aber das Leben entfloh.
Nur die Erinnerung lebt von deiner vergangenen Größe,
Tief gesunkenes Rom, schmählich erniedrigte Stadt.
In Denkmälern der Vorwelt nisten sich jetzo die Menschen,
Wo das Volk sich berieth, einstmal wo Cicero sprach,
In dem Forum Romanum werden die Kühe verkaufet,
Und es nennet sich noch römisch das heut’ge Geschlecht.



[10]

Tivoli.

II. Elegie.

Höret ihr’s stöhnen hieselbst aus des tiefen Gemäuers Gewölben?
Einstmals trug es des Feinds prächtiges üppiges Haus;
Doch es sank zusammen, es stürzten die schimmernden Wände,
Mit vergeblichem Fleiß spähet der Forscher darnach.
Längstens nahm ihr Eigenthum wieder die Erde zurücke.
Werden und Schwinden ist das Allen gemeinsame Loos,
Immer verdrängen einander die Völker, es wechselt die Herrschaft,
Aber der Erde verbleibt ewig die alte Gewalt.
Bist du ein Teutscher und dich erhebet nicht mächtiges Fühlen?
Führet es, Wanderer, dich hier an der Stelle vorbey,
Wo die Villa des Quintilius Varus gestanden,
Der die Teutschen verhöhnt, Rache der Teutschen empfand.
Hermann tönet es dumpf in die Stille des einsamen Thales;
Freude und Scham zugleich treibt in die Wange mir Glut,
Denkend an das, was Teutschland ist und was es gewesen,
Soll für den Retter in ihm keine Empfänglichkeit seyn?
Wäre das Vaterland Hermanns so verächtlich geworden?
Drücket doch weniger nicht wahrlich der Ketten Gewicht!
Und es gäbe zu siegen, Befreyung wie dort zu erringen,
War doch damals Rom stets die gewaltige noch,
Und die, Teutoburg nahe, vertilgten Legionen die besten.
Was die Geschichte uns lehrt, niemals doch wird es benutzt.
[11] Sie sind nun verhallet, die herrlichen Siege der Teutschen,
Jedem Eroberer dient längstens das alternde Rom.
Es gehorchet Teutschland, sich selbsten zernichtend, dem Corsen;
Und die Zwietracht allein hat es besiegt und besiegt’s.



[12]

Tivoli.

III. Elegie.

Hier ertönte einstmals die Klage verschmäheter Liebe
Zu dem Hügel hinauf, aus dem Gefilde des Thals.
Alle wurden gerührt von den Liedern, nicht seine Geliebte.
Längst ist die Klage verhallt, längst der empfundene Schmerz;
Wo der Dichter gewohnet, das Auge erspähet es nimmer,
Selber die Spur ist verweht, alles vertilget die Zeit.
Viele Geschlechter vergingen und Völker kamen auf Völker,
Unveränderlich währt Treue und Liebe doch hier.
Zwei Jahrtausende fast verschwanden, seit Properz gestorben,
Liebe, die ihn durchdrang, lebet beständig im Thal.
Namlose Sehnsucht weckt der verklärende Schimmer des Mondes,
Oeffnet des Menschen Gemüth. Heiliger Ahnung erfüllt,
Schwinget die Seele zur seligen Heimath der ewigen Liebe.
Liebe! du dringest herab, hebst zu den Sternen das Herz.
Johanniswürmchen flimmern herum in den laulichen Lüften,
Scheinen Funken der Glut ewiger Liebe zu seyn.
Unter des Oelhains bläßlichem Laube bemächtigte meiner
Sich wehmüthiger Schmerz, süßer Empfindung Gefühl;
Weg von der Erde entschwang sich die Seele, gehörte der Liebe,
Lebte derselben allein, löste sich auf in die Glut;
Liebte, doch hatt’ ich keine Geliebte, da dachte ich meine
Nie noch gesehene Braut mir aus dem Norden hierher,
[13] Uns zufällig begegnend, nicht aber einander uns kennend,
Beyde ergriffen zugleich flammender südlicher Glut;
Sah uns einander erblicken und finden, wonach wir gesehnet;
Liebend bekannte das Herz, was es für’s andere fühlt.
Mit der Ersehnten ward ich verbunden. So träumte ich wachend.
Bleibest du mir ein Traum immer mein Leben hindurch?



[14]

Tivoli.

IV. Elegie.

Wie in nächtlicher Stunde ich hier nun wandle, begaben
Einstens die Rächer sich her, schweigend in schweigender Nacht,
Sicher zu seyn, daß sie nicht der lauschende Späher entdecke.
Sehe dieselben, wie sie denken der älteren Zeit.
Cassius und Brutus, ihr letzten der Römer, eure Schatten
Nahen der Mauer noch jetzt, welche das Landhaus umfing.
Der Olivenhain schimmert verkläret im dämmernden Mondlicht,
Das Nachdenken erzeugt, Sehnen im Herzen erweckt.
Hier war es, wo einst die Versammlung hielten die Männer,
Wo sie Nächte durchwacht, heiliger Freyheit durchglüht,
Wo sie schwuren, dieselbe im Blute des Räubers zu rächen,
Während daß Festgelag, prunkender Schimmer erfüllt
Die umliegenden Villen. In Ueppigkeit gänzlich versunken,
Froh der eigenen Schmach, lag es das schwelgende Rom.
Nur in der Stille erzeuget das Herrliche sich; was im Lärmen
Rauschend geboren, enteilt schnell mit des Augenblicks Flug.
Werth, euch Feinde zu seyn, seyd ihr, Erhabne, gewesen;
Edel war Cäsar und groß, Brutus war redlicher doch,
Würdig besserer Zeit, der Tage der frühen Roma;
Einsam ragt er hervor aus der vergangenen Welt.
Nicht der Freyheit jedoch war mehr die entartete fähig;
Cäsarn folgte sogleich, ach! der Triumviren Gräul.
[15] Lange beschlossen ist schon die zahlreiche Folge der Kaiser,
Lange geendet bereits Roma’s gewaltige Macht;
Aber in ewiger Gleiche, wie damals, noch aus der Stille
Des unendlichen Raums leuchten die Sterne herab.



[16]

Rom.

V. Elegie.

Innigste namlose Wehmuth fasset mich bey dem Gedanken
Immer an dich, o Rom, nie zu vergleichende Stadt!
Die Jahrtausende, wie die Geschlechter, entstanden und schwanden,
Denkmal der Größe bist du und der Vergänglichkeit auch.
Du vereinigest uns die ganze Vergangenheit, Roma;
Sehnsucht hab’ ich nach dir, möchte entfliehen der Welt,
Bin in Betrachtung versunken, ich fühle des Irdischen Leere;
Wo ward mehr und wo länger des Großen gethan,
Als in Roma? Verhallet sind lange die Siegesgesänge,
Und die Dichter allein halten Triumphe nur mehr.
Diese Säule bezeugt, wo Roma errettet geworden,
Als in der Kindheit ihr frühe das Ende gedroht;
Hier ermannten sie sich auf’s neue und standen im Kampfe
Und den Römern hiedurch wurde Errettung und Sieg.
Sie erbaueten auf der nämlichen Stelle den Tempel
Jupiter Stator zum freudigen Danke dem Gott;
Denen hilft er nur, die standhaft sich selbst nicht verlieren.
Ruhig fließet so fort immer, wie gestern so heut,
Die Fontana, die ewig sich leeret und ewig sich füllet,
Gleich der endlosen Zeit rinnt aus der Urne der Strom;
Und so kommen und schwinden die Tage, es siehet das Wirken
Allbelebter Natur immer der Sterbliche, kann’s
[17] Nicht erklären jedoch. Dort auf der Thermen Ruinen
Blühen Violen bereits mitten im Winter in Rom
Lautlos ist’s, wo ein Wort das Schicksal der Völker bestimmte,
In verwittertem Schutt lieget der Kaiserpalast;
Wo einst goldene Hallen, verweilen einsame Vögel,
Tragen den Raub hinein, thaten’s die Kaiser doch auch!
Sanft berührende Lüfte bewegen die einzelnen Blätter,
Wehen Wehmuth zu, Wehmut ins sehnende Herz.
Trauernde alte Cypressen erheben die düsteren Wipfel
In die Bläue der Luft, über das trümmernde Rom,
Ernstvoll, melancholisch, wie über die Stätte des Todes;
Sein Gefilde bist du, bist nur ein einziges Grab.
In dem Strome der Zeit entrinnet die Macht und die Größe,
Die der Gegenwart auch; schon das geborne Geschlecht
Tritt zu des Eroberers Grab hin. Alle beraubend,
Wurdest zum Raube du selbst, Rom, der zernichtenden Zeit.
Stürztest durch das Gewicht der eigenen alternden Größe;
Sie ertragen nicht mehr konnt’ das entartete Volk.
Es versanken die Werke der herrlichen Roma, zertrümmert
Mehr durch die Hände des Volks als der Barbaren sogar.
Wie die Geschichte der Menschheit, unergründlich in deinem
Schutte, bist du! Und es forscht nach der Gelehrte bereits
Seit Jahrhunderten in dem Schutte; es forschet die Nachwelt,
Neues entdeckend gleich uns, stets in des Alterthums Schatz.
Ernst, stolz ragen empor die ungeheueren Mauern,
Selbst das Getrümmer erzwingt unsre Bewunderung noch.
Einzig, wahrlich bist du, o Roma! du zeigst dich alleine
Zweymal als Herrin der Welt, doppelt bemeisternder Kraft.
[18] Sie verlor durch Waffen den Scepter, den Waffen erworben,
Als das Alte erlosch, kräftig das Neue entstand.
Lichteren Glanzes entstieg aus der Asche der jüngeren Roma
Weiter verbreitetes Reich durch der Ideen Gewalt,
Und es blüheten wieder die Künste und wiederum wurde
(Nun durch eignes Verdienst) Roma des Schönsten Verein.
Ein erhab’nerer Geist, als selbst in der herrlichsten alten,
Lebt in der christlichen Kunst. Griechen erbaueten nichts,
Wie die dem Petrus geheiligt zum Himmel sich wölbende Kirche,
Die das Pantheon selbst trägt in den Lüften mit Lust.
Auch die zweite gewordene Herrschaft Rom’s ist vergangen,
Und sein Ansehn nun mindert beständig sich mehr.
Seine geschätzten Geschlechter erlöschten und jene, die leben,
Sind entblößt des Sinn’s, welcher die Ahnen erüllt.
Was noch von Kunstwerken da, raubt oder erhandelt der Fremde.
Täglich verfällt es mehr was von Ruinen besteht.
Neue entstehen wohl viele, schöne Gebäude doch nimmer.
Farbe verlöscht auf der Wand ach! und der seelvolle Geist
Schwindet dahin, die Natur entfärbet sich gleichfalls, es kehret
Aber die Farbe in ihr frischeren Lebens zurück,
Bis auch sie am Ende getroffen wird von der Zernichtung.
Einzig ewige Stadt? eitle Benennung des Wahns!
Wirst zu Erde, aus der du geworden, verschwinden wird jedes;
Was das Auge erblickt, zeiget Vergänglichkeit an.
Inneren Werthes Bewußtseyn blos wird währen, von allem
Nehmen wird dieses allein hier aus der Endlichkeit mit.



[19]

Rom.

VI. Elegie.

Bin ich in der Vergangenheit? Lebt das Erstorbene wieder?
Bin ich im mächtigen Rom längstens verflossener Zeit?
Herrliche Pracht, die würdig der Erdegebietenden selber,
Himmlisch verklärender Glanz füllt und umgiebt’s Capitol,
Welches das Haupt des gewesenen Haupts der gesitteten Menschheit.
Rom ist Rom nur noch ach! in den Festen allein.
Eine der Seiten des Baues enthält Plebejer, die and’re
(Alle in schimmerndem Staat) lauter Patrizier bloß.
Die altrömische Würde, sie ganz bei den Männern vermissend,
Zeigt in den Frauen sich mir, doch in der Haltung allein.
Und da stehen in prangenden Hallen die marmornen Bilder
Aus der schöneren Zeit jener vergangenen Welt.
Leblos, sind diese beseelter als die hier lebenden Menschen.
Kleinlich, sinnlos vorbey flattert das heut’ge Geschlecht,
Auf die es umgebenden Werke der Künste nicht achtend,
Fremder als Fremde darin leben die Römer in Rom.
Reich sind sie nur durch das Alterthums spärliche Reste,
Aeußere Form allein, Schatten der Vorwelt verblieb,
Lebenskeim starb, nur übrig ist die verfallene Hülle,
Weg auf ewig gewandt hat sich der Geist von der Stadt;
Menschenmenge erfüllet den Platz, er breitet die Rechte
Marc Aurel stets aus liebevoll über sein Volk.
Ihn umschimmert nicht mehr der imperatorische Purpur,
Glänzt durch eigenen Werth, bleibt der verehrteste Fürst.
[20] Feierlich, ernstvoll tönet der Chor in die Lüfte, vereinigt
Sich der Harmonie, welche umfängt die Natur.
Tag verbreitet das Capitol, es flammet die Helle
Gegen euch Sterne hinauf, seyd das beständige Fest.
Euer Anblick, zahllose Sterne, verkleinert den Menschen;
Während er sich verliert, hebet doch ihn nichts so sehr.
Glanz, Musik, Beleuchtung, ein magischer Zauber und Menschen
Aus ganz Europa, alles in dem Capitol!
Welche Empfindung! Vergangenheit! Zukunft! Es wehet
Von den Bildern herab Leben der Griechen mich an,
Ueber das Irdische hehr erhebendes Fühlen durchströmet,
Schwinget die Seele entzückt hin durch das ewige All.
Wie im vereinigenden Mondlicht Kleinliches schwindet,
(Größe erscheinet allein), also erhebet befreyt
Unsere Seele sich über das Endliche, fühlt sich verkläret
Bey dem verklärenden Licht ewigen Sternengefilds,
Traulich eröffnet’s das Herz dem Gleiches empfindenden Herzen.
Da begegnete mir unter den Fremden ein schon
Aus entlegenen Ländern befreundeter Hannoveraner,
Der für das Vaterland fühlt, (dort ist der Adel noch teutsch);
Worte sprachen wir nun aus unserem innersten Leben,
An die Ewigkeit jetzt dachte die Seele entzückt.
Aus des Festes Geräusch in der nächtlichen Stille verweilte
Nun mein Blick auf der Stadt, welche die Erde beherrscht.



[21]

Campagna di Roma.

VII. Elegie.

Oede verlanget der Geist; wo irdische Leere sich findet,
Bildet die Seele allein ihren Gedanken ein Reich;
Wo es von Menschen verlassen in einsamer Ruhe verweilet,
Ueber gewesener Macht schwebt in Betrachtung der Geist.
Wieder von Neuem erglänzen und schöner als selbe gewesen,
Die Paläste sodann, Tempel erstehen geschmückt,
Und es wölben von Neuem sich triumphalische Bogen,
Laut tönt Siegesgesang, feyerlich nahet der Zug.
Neues erscheinet, das Alte vergeht, ist nicht zu erhalten;
Roma’s Zeit ist vorbey, herrschen wird Roma nicht mehr,
Mumie aus der Vergangenheit; unbedeutend erscheinet
Uns darum nunmehr, was sich ereignet in ihr.
Ob nun dieser in ihr Gebieter ist oder ob Jener,
Sie erwachet nicht mehr, ewig ist, Roma, dein Schlaf!
Langsam bewegt sich Woge auf Woge, es fluthet die Tiber
In das unendliche Meer, eben so folget in Rom
Ein Geschlecht dem andern, die Menschen erneuern sich immer,
Immer ist Wechsel, im Kreis stets die Natur sich bewegt.
Nicht um in der Zukunft etwaigen Ruhm zu erlangen,
(Die Geschichte bewahrt einzelne Namen allein)
Um des Bewußtseyns  würdiger Handlung seliges Fühlen,
Gut um gut zu seyn, übe die Tugend der Mensch.
Fest war ihr Charakter, es waren’s die Werke der Alten;
Leicht und schwach wie sie, sind’s die der Neueren nur.
[22] Seit Jahrtausenden wallet die Appische Straße der Wandrer,
Aquäducten so alt bringen noch Wasser der Stadt.
Nach Rom gehe die künftig zu herrschen berufene Jugend,
Damit frühe bereits werde von solcher erkannt:
Daß wie das Kleinste das Größte, daß alles auf Erden vergehet;
Trost wird leichter in Rom für den verlorenen Thron.
In der Stadt, im Gefilde ist Ruhe, die Ruhe des Todes,
Wo die Vereinigung war aller Nationen der Welt.
Was einst Cicero sprach von Athen, das wäre doch jetzo
Anzuwenden auf Rom, und auf Paris was von Rom:
„Zu geräuschvoll sey’s in der Hauptstadt des Reichs, um zu würd’gen,
„Was die Hellenen gethan Großes in herrlicher Kunst,
„In die Stille Athens begebe man sich, um’s zu können.“
Aber Paris ist nicht Rom, wird es auch niemalen seyn.
Still wird es einstmal werden, es wird wie dieses zertrümmern,
Sein Geräusche verweht; der uns besiegt, wird besiegt.
Zu der Herrschaft Europa’s schnell erhoben, wird enden
Bald die französische Macht, kurze Erscheinung uns seyn.
Dort thront vor mir auf den Hügeln die ewige Roma,
In dem Verfalle noch stolz, alt wohl, veraltet doch nie.
Aus der Trümmer Unendlichkeit in sich kehret die Seele,
Nirgends empfindet der Mensch irdische Nichtigkeit so.
Welch’ ein Zauber fesselt an euch, ihr leeren Gefilde,
Mir entzückend den Blick? Jetzo verödetes Land,
Was gewesen die blühendste Flur sonst; kümmerlich schleichen
Einzelne Menschen nunmehr da in der giftigen Luft.
Haide, entblößt von Gebüschen und Bäumen, versengt durch die Sonne;
Doch was du, gibt selbst reizendste Gegend mir nicht.
[23] Hie und da nur noch sieht einzelne Trümmer der Wand’rer,
Von den mehresten sind selber die Spuren verwischt.
Aus den Flächen des Südens, des Nordens, unzählige Völker
Alter und neuerer Zeit kamen in dieses Gefild;
Blos hier findet sie sich, die Geschichte der Völker und Zeiten,
Alles vereinigest du, ewiges, einziges Rom,
Die Natur und die Menschen und Erde und Himmel; in Liebe
Scheinest du zu sterben, mein Rom, immerhin lebest du doch
Lebest und herrschest, wenn gleich die irdische Macht dir genommen;
Herrschaft des Geistes besteht ewig und ewig allein.



[24]

Via Appia.

VIII. Elegie.

Stille wandle ich nun die stille Appische Straße
An des Römischen Volks trümmernden Gräbern vorbey.
Freunde und Feinde vereint gleichmäßig die hüllende Erde;
Dem die Welt zu klein, deckt ein vergessenes Grab.
Auch ihr schlafet den ewigen Schlaf in den Armen des Todes,
Die ihr unglücklich geliebt, leidend das Leben gefühlt,
Habet Ruhe, nach der ihr vergeblich euch sehntet, gefunden.
Als wenn nie es geschehn, ist was die Menschen gewirkt.
Steinern wölbet ihr Gräber euch über die steinernen Herzen,
Die selbstsüchtigem Ruhm Völker zum Opfer gebracht;
Euch Denkmale erbauten die Römer noch stolz in dem Tode,
Stolz zu leben nach ihm, aber wir wissen nicht mehr,
Wer und wem dieselben errichtet. Die Gräber bedecket
Selber der Erde Schooß, alles verschlingendes Grab.
Heiter verbergender Rasen ergrünt auf der Gräber Ruinen,
Grünet und welket und grünt immer von Neuem jedoch;
Treuestes Bild des Waltens der großen Natur, die erzeuget
Und auflöset im Kreis. Ragende Steine umrankt
Epheu, Blüthen entfalten sich aus des Begräbnisses Dunkel.
Schnelle vergehet die Kunst, ewig bestehet Natur,
Und nicht wähne der Sterblicherzeugte, für ewig zu gründen;
Kann er doch selbst sich nicht geben ein dauerndes Grab.
Wie die Lebenden sich, verdrängen die Todten die Todten,
In dem Grabe sogar höret der Wechsel nicht auf.
[25] Wegen Erwerbes von Werken, die es nicht zu bilden vermögend,
Störet das letzte Asyl frevelhaft dieses Geschlecht,
Welchem heilig ja nichts mehr, ach! in dem Leben erscheinet,
Was denn frommet es euch, Erderoberer, jetzt,
Rom erhoben zu haben, damit es das Herrschende wurde?
Stieg zu dem Höchsten es nur, daß in das Tiefste es fiel,
Daß man sage, was einstmal solches gewesen und wurde?
Frühste Gemarkung ist wieder die Gränze von Rom.
Wer das Größte erreicht, der sinket zum Kleinsten zurücke.
Ewiges Sterben ist nun, ew’ge Matrone, dein Loos.
Wie ein gewesener Traum ist die römische Herrschaft, erfüllte
Aber die Erde mit Gräul, Völker vertilgend in Blut.
Geistiger fühlen wir uns in euch, ihr südlichen Fluren;
Ladet der Himmel zu sich, schrecket das Sterben uns nicht;
Uebergehen zu besserem Leben, zu ewiger Liebe
Ist’s; die Zukunft hebt freudeerfüllend den Geist.
Namlos Sehnen der Wehmuth träumet durch dieses die Seele,
Fühlt hier immer sich fremd, fühlet zur Heimath sich ziehn.
Von dem Sterblichen schwebet der Geist zu den ewigen Höhen,
Der Gedanke verliert in die Unendlichkeit sich.



[26]

Molo di Gaeta.

IX. Elegie.

Nacht.

Schweigend wird von der friedlichen Nacht die Erde umfangen,
Einsam weilet der Blick auf der entschlummernden Welt;
Sie entschlummerten auch, all’ die Unzähligen, welche
Einstens gelebt in ihr, kaum daß noch Spuren davon.
Vieles verging und Jedes vergeht, nichts währet auf Erden,
Alles vertilget die Zeit. Fühle mein künftiges Seyn,
Sehne, ergriffen, zu dir hin, All’ umfassendes Ew’ges!
Friedlich scheint auf das Meer Wehmuth erregender Mond,
Schimmert auf die unendliche Fläche in zahllosen Flimmern,
Kräuslender Wellen Gespiel nahet sich sanft dem Gestad,
Flüstert hinein in die Stille, im Gleichmaaß nahend und weichend;
In der ganzen Natur immer ist Ebbe, ist Flut.
Schnelle folgen die Tage, die Menschen, die Reiche einander;
Schwindet das Einzelne gleich, währet das Ganze dennoch,
Währet und schreitet beständig voran dem Vollkommenen näher,
Das Vollkommene weilt nie auf der Erde jedoch,
Aber ein Funke der Gottheit lebt die unsterbliche Seele.
Selige Klarheit bist du, milde Hesperische Nacht!
Näher der ewigen Heimath unter dem südlichen Himmel
Fühlen wir uns, es verliert da sich in Ahnung der Geist.



[27]

Morgen.

Es entstieg in majestätischer Feyer dem Meere
Leuchtend des Tages Gestirn. Wie in dem Anblick des All’s
Sehnend bei Nacht ich verweilte, so bey dem Aufgang der Sonne.
Herrlich, o! herrlich bist du, heilige große Natur.
Alles erwachet zu freudig erneuertem glänzendem Leben;
Aufgethan ist mir eine beglückende Welt.
Vor mir liegt die (einst Großgriechenlands) reizende Küste,
Dort ist Parthenope noch, rauchend der alte Vesuv;
Durch die, von der Sonne durchschimmert verklärenden Düfte
Wolkig entsteiget sein Dampf zu dem ätherischen Raum.
Heiterer, kühlender Morgen, es folgt dir Schwüle des Tages,
Fröhlicher Jugend die Last, welche das Alter beschwert.
O! Italien, selber das Irdische scheinet uns irdisch
Nimmer in dir, du stimmst alles zum Heiligen um.
Ja! ich liebe und sehne, ich ahne, ich glaube und liebe;
Hier, hier lebet der Mensch! lebet ein Seliger schon.
Aus der Schönheit der Schöpfung erheben wir uns zu dem Schöpfer,
Staunen und beten ihn an, beten und staunen auf’s Neu.
Endlos gleich dem Meere erstrecket vor mir sich die Zukunft,
Trunken wie’s Auge, verliert nun sich die Seele entzückt!



[28]

Pompeji.

X. Elegie.

In das fröhliche Treiben, in blühende Fülle des Lebens
Griff erstarrend die Hand plötzlichen Todes hinein,
Daß ein ganzes Geschlecht vertilget im Keime geworden;
Zeigest im Kleinen hiemit einstens der Menschheit Geschick.
Grab bist du, Pompeji, der eigenen Gräber geworden
Und die Urne bewahrt selber die Asche noch heut.
Namlose Wehmuth wohnet in dir, du todte, ich sehe
Wirkung des Lebens, es selbst wich für beständig aus dir;
Schulen bestehen, es stehen die Tempel; für Römer, für Griechen
Ragen Theater empor; auch das Gefängniß ist da.
Holde Gemälde erfüllen die Wände jedwelchen Gemaches.
Freundlich geziert ist der Hof, lieblich geschmückt ist das Haus,
Und mit besseren Werken, als jetzo der Fürsten Paläste.
Alles bezeuget hieselbst thätiges reges Gedräng’,
Großes Getümmel der Menschen, und Fleiß und Freude des Lebens;
In den Straßen der Stadt drückte das Wagengeleis
Tief in das Pflaster sich ein, aus Lava bestehet es selber,
Fruchtlos warnende Spur früher Verheerungen schon.
Bäche fließen noch durch, es liegt noch darüber die Brücke,
Gips in irdnem Gefäß ist zu verzieren bereit;
Waaren enthalten die Laden, es sind die Farben zu kaufen;
Alles erblicke ich hier, außer den Lebenden nur;
[29] Ausgestorben sind die Straßen und Häuser. Verborgen
Sechzehn Jahrhunderte lang ruhte vergessen die Stadt.
Die Zerstörung wüthete immer und wüthet auf Erden,
Aber getreu erhält mütterlich sorgsam ihr Schoos;
Nimmer berühret die Zeit das Bewahrte. Die Menschen belehrend,
Zeigst du der jetzigen Welt, wie die vergangene war;
Wie es geordnet gewesen, so ist’s in der Erde enthalten,
Für den Gedanken besteht unter derselben es fort;
Ihr entrissen Bruchstücke, nicht in die Gegenwart passend.
Berge der Vorwelt Rest vor dem entweihenden Blick!
Ihr nur fehlet, Bewohner, es mangeln die Menschen alleine,
Alles sonsten ist da, kommet, o! kommet herbey,
Kommet und nehmet Besitz von dem Eigenthum, aber vergeblich!
In das Leben nicht mehr kehret das Todte zurück.



[30]

Salerno.

XI. Elegie.

Leise spülen sie gegen das Ufer, die Wellen des Meeres,
Abendschimmer nunmehr ziehet sich über Natur;
Glut ist der Himmel, er leucht in Gold und Purpur verkläret.
Leben im Süden ist ein seliger steter Genuß;
Freude ergießet sich aus der Höhe des ewigen Aethers,
Himmel und Erde und Meer flößen dieselben in’s Herz.
Von Beschwerden gedrückt schleicht schwunglos das Leben im Norden;
Kämpfend entgegen der Noth, mühsam erhält sich der Mensch.
Was seyd ihr Hellenen geworden und Römer? die Gothen?
Longobarden? auch ihr, tapfre Araber, die einst
Knechtschaft gedroht der christlichen Welt? und was der Normänner
Reichebegründende Schaar, muthig zu Land wie zur See?
Kaum noch deutet Getrümmer auf euch. Die meisten der Völker
Sind zernichtet und längst, oder zurückgekehrt
In die entlegene Heimath, in die früheren Gränzen,
So wie ein Bergstrom, wenn er die Völker verheert,
In sein kleines vormaliges Bette zurücke sich ziehet.
Eure Herrschaft wich mit der entweichenden Zeit.
Aber Natur ist dieselbe geblieben; es leuchtet die Sonne
Noch erfreuend und mild stets auf die Erde herab,
[31] Aromatische Düfte enthauchen die üppigen Pflanzen,
Und es berühret das Land immer das nämliche Meer,
Auf den mit Gesträuchen bewachsenen, ragenden Felsen
Weiden die Ziegen in Lust, weiden wie damals so heut,
Lieblich blaset dazu, begleitend die scheidende Sonne,
Noch der harmlose Hirt friedlich sein abendlich Lied.
Stürmend folget Geschlecht den Geschlechtern, es herrscht und gehorchet
Jegliches Volk einmal. Was ist der Zweck? und das Ziel?



[32]

Paestum.

XII. Elegie.

Endlich bin ich in dir nun, Poseidonia, staune
Tempel euch an, nur ihr lasset zu wünschen nichts mehr.
Stückwerk, verglichen mit euch, sind die römischen Bauten. Es reihen
Felsen an Felsen sich hier, halten einander sich selbst
Wie aus dem Haupte des Zeus Athene gewaffnet entsprungen,
Steht, vollendet in sich, herrlich das griechische Werk;
In ihm fühlen wir Kunst, die römischen aber sind künstlich.
Herrschaft und Herrschaft allein kannten die Römer als Zweck.
Mit der Religion und dem Staate, dem Leben verwebet
War den Hellenen die Kunst, welche ihr Wesen erfüllt.
Die wir gebildet uns wähnen, sind noch Barbaren dagegen.
Weniges steht nur mehr von der gewesenen Stadt.
Nicht der Rose Aroma erfüllet die heiteren Lüfte,
Wo vor Zeiten sie sich zweymal entfaltet im Jahr.
Hin sind die herrlichsten Rosen, Poseidonia’s Rosen
Blühten, erblühen nicht mehr und die Hellenen nicht mehr.
Einsam stehen, verlassen, die Tempel der Götter, entragend
Längst verschwundener Zeit, Zeugen der schöneren Welt,
Und es rauchet kein Opfer und keine umwindenden Kränze
Duften vor dem Altar, nimmer bewegt sich der Chor,
Keine Hymne erhebet sich mehr zu des Ewigen Höhe.
Grause Gestalten, entblöst so wie von Schönheit von Geist,
[33] Schleichen kümmerlich unter der Vorwelt heiligen Resten,
Scheinen Gnomen zu seyn, welche bewachen den Schatz.
Da, wo einstmals zierliche Häuser in Straßen sich reihten,
Sieht Grundlagen allein traurig der Wanderer nun;
Nur Bruchstücke bestehn von den stadtumgebenden Mauern,
Wo, mit spähender Angst, liebende Frauen geharrt.
In die Lüfte erschallten der Kommenden Sieges-Päane,
Zu den Tempeln, gedrängt, wallte das Heer und das Volk,
Opfer dampften den Göttern, doch dem Poseiden vor allen.
Daß mir vergönnet nicht war, Griechen, zu leben bey euch!
Lieber, denn Erbe des Throns, wär’ ich ein hellenischer Bürger,
In den Gedanken wie oft träumt’ ich mich sehnend zu euch.
Aus dem Thore (von allen das einzig erhaltene) wende
Ich durch ödes Gefild mich zu dem endlosen Meer,
Hin zum verfallenen Thurm, bey Poseidonia’s Hafen.
Wiegend von Wellen berührt, schwanket gelinde der Kahn;
In der bläulichen Ferne verliert sich das Auge, es spähet
Nach Sicilien mein Blick, sehnend verlanget es mich,
Akragantinon und Syrakusa zu sehen, in Kürze
Brächte der Nachen mich hin. Sollte der Wanderung Ziel
Hier schon für mich seyn? nach dem Norden zurücke ich müssen?
Alles erstarret darin, wie die Natur, so der Mensch;
Leben, das wirkliche Leben besteht allein in dem Süden,
Trennungslos vereint ist es mit Wärme und Licht.
[34] Ach! selbst in dir, du reizende Insel, noch würde mich’s sehnen,
Sehnen nach anderem Land, hier wird Erfüllung uns nie.
Stillen kann das Ewige blos der Seele Verlangen,
Die Befriedigung nur findet der Geist in dem Geist.



Quelle:
Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bayern. Erster Theil. Dritte Auflage. München, im Verlage der Literar. Artist. Anstalt der J.G. Cotta’schen Buchhandlung. 1839.

~~~~~~



[46]

Sicilische Elegien.

 

Segesta.

I. Elegie.

Oede ist alles, wohin ich sehe, verödet die Gegend,
So wie die Stadt, es herrscht überall jetzo der Tod.
Keines Vogels Gesang ertönet dem lauschenden Ohre,
Nimmer breitet ein Baum schattende Zweige mehr aus.
Einsam ragen aus den vergangenen herrlichen Zeiten
Wenige Reste allein einer verschwundenen Welt.
Nur der Tempel, er zeigt und ein Bruchstück von dem Theater,
Daß Segesta einst war, ach! daß es nimmer besteht;
Alles ist längst schon dahin, als wär’ es niemals gewesen,
Von dem üppigen Glanz blieb die Erinnerung nur.
Irdische Größe, was bist du? Schnelle verrinnendes Wesen
In den Fluthen der Zeit; bist uns kein würdiger Zweck.
Was ist hier aus dem Blüthengebilde der Schönheit geworden,
Die in beständigem Reiz lieblich das Leben verjüngt?
Ist das Segesta, das listig Athen zu bethören verstanden,
Es nach Sicilien gelockt, wo es die Stärke verlor?
Wo sind der Weisheit Werke und wo das Streben und Treiben?
Wie der Liebe Geseufz’ ist es enteilend verweht.
[47] Nichts hat Dauer hienieden, es kann nichts auf Erden bestehen,
Vor dem geöffneten Grab schwebet die rastlose Zeit.
Alles vergeht! doch Kunst erfreut und erhebet den Menschen,
Und wenn er längstens nicht mehr, zeugt sie noch rühmlich von ihm.



[48]

Selinunt.

II. Elegie.

Selinunt und Segesta, die ihr euch Feinde gewesen,
Längstens bestehet auch ihr in der Geschichte allein.
Selinuntier, ihr nur habt zu dem Feinde gehalten,
Als Sicilien vereint gegen die Punier gekämpft,
Und es traf euch die Strafe, die unausbleiblich erfolget,
Von des Vaterlands Feind wurdet ihr selbsten zerstört.
Warnend zeigt sich den Fürsten und Völkern die Folge des Bösen,
Aber die Vorwelt spricht immer zur Nachwelt umsonst.
Trümmer und Trümmer allein und nur namlose Zerstörung,
In chaotischem Graus, starret aus Allem hier an.
Lang arbeiteten schon die Menschen und waren nicht fertig,
Waren am Tempel des Zeus eben begriffen zu bau’n,
Als die Erde erbebt; da stürzet in wenig Minuten
Der Jahrhunderte Werk, aller Bemühungen Frucht,
Und es wich vor Entsetzen Poseidon für immer zurücke,
Und Demeter entzog ach! die beglückende Hand:
Nur die Myrthe, der Liebe geheiligtes, zartes Gesträuche,
Blieb von allen allein, weilet beständig allhier.
Sey auch selber die Gegenwart noch so lastend und trübe,
Heitert die Liebe sie auf, träufelt balsamischen Trost.
Liebe, du bleibest allein! wirst auch in der Ewigkeit währen;
Wenn die Welten vergeh’n, lebet die Liebe noch fort.



[49]

Girgenti.

III. Elegie.

Ueber Erde und Himmel und Meer verweilet die Ruhe,
Lange ruhte der Nord, lange der Süden jetzt ruht,
Und auch du einst, mächtiges Akragantinon! Es wirket
Kunst nichts und Wissenschaft mehr, blos die Natur noch in dir,
Die, wie der Mensch auch zerstöret, doch immer von Neuem verjünget,
Aus dem Grabe ersteht, lieblicher Frische erblüht.
Endlos grünen die Bäume, es duftet ein ewiger Frühling;
Jede Jahrszeit ist da, einzig am Winter gebricht’s.
Der einst Akragantinon Reichthum erwerbende Oelbaum,
Köstlichen Segens erfüllt, steht am berühmtesten hier.
Sanfter Grüne ist er das Sinnbild des sanfteren Friedens,
Steht am geeigneten Ort ja, in dem Friedensgefild’.
Ich las da in den Trümmern des Tempels Homers Odyssea,
Las mit demselben Gefühl, was von Hellenen bereits
Vor Jahrtausenden hier erfreulich wurde gelesen.
Keine Hellenen sind mehr, aber noch wirket Homer.
Nach Jahrtausenden noch erzeuget des Weisen Gedanke;
Weder Zeit noch Raum giebt es für unseren Geist.
Daß die Höh’ Empedokles theilte, die Hitze zu mildern
Durch die Lüfte des Nords, in der mittäglichen Stadt,
Stellte mir schnell vor die Seele: empor aus der Fläche
Eine Höhe zum Schutz wider erkältenden Wind
[50] Künstlich zu bilden, verbessernd Münchens ungünstige Lage,
Fest zu halten des Lichts alles belebenden Strahl;
Wie zum Nutzen, zur Schönheit der kalt unfreundlichen Gegend,
Die nicht von der Natur mütterlich wurde bedacht,
Heitere Blüthen und fröhlich rankende Traubengelände
Sah am südlichen Theil dieser Anhöhe ich schon,
Einen Wald dem Gipfel entsteigen, dem Boreas wehrend,
Abzuhalten des Moors Nebel erzeugenden Hauch.
Liebliches Bild, dich sieht in lebendem Reize die Seele!
Kann ich den Saamen nicht streu’n, lege denselben ich hin,
Daß er aufbewahret verbleibe den kommenden Zeiten,
Daß, was mir nicht vergönnt, werde des Späteren Werk.



[51]

Syrakus.

IV. Elegie.

Meinem Geist schwebt das, was hier geschehen, vorüber:
Das, was jetzt Syrakus, war das Geringste davon.
Keiner Säule Fragment, die Spur selbst keines der Tempel,
Nur zerbröckelt Gestein siehet der forschende Blick.
Zwischen Tychas und Akratines verwüsteter Stätte
Liegt das Theater, allein aus der hellenischen Zeit,
Liegt das Amphitheater, das blutgetränkte Gebäude;
Wo der Römer gewohnt, baute der Grausame sich’s.
Volkreicher nun als Sicilien bist, Syrakus, du gewesen,
Aber der Sterblichen Zorn, aber die wüthende Zeit
Schonten nicht dein, sie, die auf Erden ein Jedes vertilgen;
W e r d e n  und  E n d e n  enthält immer des Irdischen Loos.
Warest auf Felsen gegründet, doch stürzest du darum nicht minder,
Einstmals herrliche Stadt, größte der griechischen Welt.
Was in dir sich begeben, ich sehe es wieder von Neuem,
Die Vergangenheit zeigt frühe Vergangenheit mir:
Wie als Vater und Held hier Gelon beglückend gewaltet,
Dion, Timoleon dann lieber befreyt als geherrscht,
Und der Dionyse, Agathokles blutiges Wüthen;
Unglück währt lang, doch schnelle verschäumet das Glück.
In Hierons Benehmen gen Rom erscheinet uns jenes
Schon der Fürsten in der Napoleonischen Zeit.
[52] Syrakus fiel und fallen gemußt auch hätten die Fürsten,
Herrschen sollt’ Rom lang, aber Napoleon nicht.
Menschen-Klugheit, sie nicht hat Europa gerettet,
Hat an den Abgrund geführt; Rettung ertheilte nur Gott.



[53]

Taormina.

V. Elegie.

Stille weilt hier längst; seit vieler Jahrhunderte Dauer
Tritt kein Kothurn mehr auf, zeigt sich die Maske nicht mehr.
Tauromenions Theater, du bist das größte von allen,
Aber der Umfang ertheilt Größe noch nie. Es erscheint
Jeder einmal auf der Bühne, um sie dann bald zu verlassen;
Ist ein Theater doch selbst die unermeßliche Welt.
Wie Sicilien, welches des Herrlichen Schauplatz gewesen,
Schön in den Trümmern noch ist, bist es, Theater, auch du.
Wo einst, mächtig ergriffen, die Tausend und Tausende saßen,
Fliehet die eilende Zeit einsam beständig vorbey.
Und so stellest du das, was auf dir vorgestellt worden,
Gegenwärtig selbst dar: ird’scher Vergänglichkeit Bild.
Hoch erhebt das Theater sich über die Wohnung der Menschen,
Ueber der Sterblichen Kreis schwebte das edle Gedicht,
Schwang mit Sophokles Muse empor aus den Leiden des Lebens,
Ueber sich selbsten der Mensch ruhig in heil’gem Gefühl
Frommer Ergebenheit in den ewigen göttlichen Willen,
Daß aus den Armen des Tod’s herrlich den Geist es erhob.



[54]

Palermo.

VI. Elegie.

Glühend verklärt sind die Lüfte, es glühen, entzündend, die Auen,
Glühend ist selber das Meer, Glut ist Sicilien ganz!
Diese von der Natur vor jeder gesegnete Insel,
Ueber deren Gefild’ liebend der Himmel sich wölbt.
Endlos lieget das Meer wie die Zukunft vor unseren Augen,
Aber das Felsengebürg’ heftet den spähenden Blick.
Da auf dem Berge, der steil sich erhebt aus den ewigen Fluthen,
Lebte die Heilige lang, stille verborgen der Welt.
Bey des Oelbaums bläßlichen, zart ergrünenden Blättern
Pranget aus dunkelem Laub uns die hesperische Frucht;
Zwischen den öd’ her ragenden felsigen Wänden der Berge
Lächelt bis Monreals Höh’ immer erblühende Flur.
Was in dem Norden erkünstelte Wärme nur spärlich erzwinget,
Herrlich in diesem Gefild’ schwellender Fülle gedeiht.
Glücklich durch die Natur, unglücklich durch deine Bewohner,
Wurde Schönheit auch dir, ach! zum Verderben doch blos,
Lockte den lüsternen Fremdling; jedem noch wardst du zur Beute,
Gegen die Seeräuber selbst fandest nicht Schutz du in dir.
[55] Was warst du, Sicilien! und was bist du geworden!
Einstens das fruchtbarste Land, leidest du Mangel nunmehr;
Und doch ist die Natur noch dieselbe, sie harret auf Menschen
Nur, die mit thätiger Hand bauen das üppige Land.
Sie verlanget sonst nichts, als liebend den Fleiß zu belohnen,
Aber sie sehnt sich schon lang, ach! und sie sehnt sich umsonst.
Weit ist auf der Insel gedehnt der Vergangenheit Schleyer,
Doch von jeglichem Volk blieben uns Spuren zurück.
Lebe in dem Gewesenen, lebe im reizenden Heute;
Daß das Heute so bald ohne ein Morgen wird seyn!
Sehnend verliert im bläulichen Duft der Gebürge
Cefalu’s sich mein Blick, kann sich nicht trennen davon,
Kann sich nicht trennen von Rosaliens bergigen Gängen,
Die mit Zaubergewalt fesseln das trunkene Aug’.
Welche schmerzliche Wehmuth dringt durch die trauernde Seele!
Von der Geliebtesten selbst scheidet es schwerer sich nicht.



[163]

Palermo’s Natur.

Immer halten freudevoll die Horen
Hier den kreisend ewig gleichen Tanz,
Sind im Anblick dieses Lands verloren,
Das die Anmuth schmückt mit ihrem Kranz.

Das Erhabne mit dem Milden, Zarten
Pranget in entzückend reichem Bund;
Was die schönsten Länder je bewahrten,
Thut in diesem sich beständig kund.

Zähl’ des hiesigen Gebirgs Gestalten,
Zähl’ die Farben, deren Glanz es schmückt,
Die die Felsenwände hier enthalten,
Und, was namenlos, ist ausgedrückt.

Keines Baumes rauschend grüner Wipfel
Strebt darauf zum Himmel doch hinan,
Keine Blume trägt der kahle Gipfel,
Dennoch welch’ ein Zauber hangt daran!

Welcher Zauber hanget an dem Meere,
Hier an Allem! an der Erde, Luft!
Höhres Leben füllet selbst die Leere,
Ueberall entquillt balsam’scher Duft.

[164] Bacchus, Floren, Ceres und Pomonen
Ganz gehöret dieses Götterland;
Liebend schmückend sie’s zugleich bewohnen,
Immerdar verweilend Hand in Hand.

Nur die Häupter einsam ferner Berge,
Da wohin es nie den Menschen führt,
Welche nur begrüßt das Lied der Lerche,
Vom Gewand des Winters sind berührt.

Ihrer Reize Fülle ausgegossen
Hat Natur in diesem Paradies,
Von Poseidons Wogen sanft umflossen,
Welches Helios Gunst noch nie verließ.

Alles Schöne blühet hier vereinet,
Alle Reize sind versammelt hier,
Nur ein einz’ges Fest das Leben scheinet,
H i e r    a l l e i n  befriediget sind wir.

Zart verkläret in dem Sonnenstrahle,
Bild der Phantasie, das groß und hehr,
Sehn als Wirklichkeit das Ideale,
Nichts zu wünschen bleibt dem Auge mehr.

Ruhe herrscht, es toset kein Gewimmel,
Lichter ist des stillen Aethers Blau,
Himmlischer ist selber hier der Himmel,
Tiefer sieht sich’s in den Weltenbau.

[165] Immer weicht die Welle, kommt gezogen
Stets von Neuem doch, das Bild der Zeit;
In des Meeres endlosen Wogen
Steigt sich jenes uns der Ewigkeit.

Den des ird’schen, eilten Strebens Müden
Lächelt hier mit ihrer Ruhe an
Die Natur, die herrlichste im Süden;
Da ist Wahrheit, in dem Norden Wahn.

Die dem Menschen Feindin dort geworden,
Hier mit ihm in traulichem Verein;
Pflanzendaseyn nur ertheilt der Norden,
In dem Süden lebt es sich allein.

In dem Nord umsonst nach Glück bemühet
Sich der Mensch, hier kommt es ungesucht,
Und des Südens jubelnd Leben glühet
Auf des Pomeranzenbaumes Frucht.

Wohl mit Recht geheiliget dem Frieden
Ward der Oelbaum in der frühen Zeit,
Von den Zweigen wehet er beschieden
Und versöhnet ist, was sonst entzweyt.

Jedes Landes Zierde, von der Pflanze,
Von der Blume, Staude bis zum Baum,
Windet sich zu  e i n e m  Blüthenkranze
In des Erdenballes schönstem Raum.

[166] Ja! genießen, nicht erwägen, denken
In des Augenblickes Wonne ganz,
In das Meer der Seligkeit versenken
Laß’ mich, leben in dem ew’gen Glanz.



[167]

LX. Sonett.

An Torquato Tasso.

Es hat dein Herz schon lange ausgeschlagen,
Das viel geliebt und darum viel gelitten,
Den Kampf des Lebens hast du ausgestritten,
Empfunden seine Wonnen, seine Plagen.

Nicht furchtbar kam für dich der Tod geschritten,
Nur jenseits konnte dir es wieder tagen,
Denn wer dem Werth des Lebens muß entsagen,
Für den ist Tod Gewährung seiner Bitten.

Der Friede deiner Seele ward zerstöret,
Dir ward gedankt mit schmählich gift’gem Hohne.
Wer glühend fühlt, den nennt die Welt bethöret.

Kein ird’scher Kranz sollt’ werden dir zum Lohne,
Der du der Erde niemals angehöret;
Es glänzt auf dir des Himmels ew’ge Krone.



Quelle:
Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bayern. Zweyter Theil. Dritte Auflage. München, im Verlage der Literar. Artist. Anstalt der J.G. Cotta’schen Buchhandlung. 1839.

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[123]

Auf Pästum,

wie es im Anfang des XIX. Jahrhunderts war, und wie es geworden.

Elegie.

Einsam erhebt ihr euch, ehrwürdige Tempel der Vorwelt,
Oede war Alles um euch, still wie die Ruhe des Tod’s;
Aber der bildende Geist, er rief aus der Tiefe des Grabes,
Was Jahrtausende schon gänzlich Vergangenheit ist.
Wieder erstanden die Straßen und wiederum alle die Thore,
Leben erfüllte den Markt, Leben durchwogte die Stadt;
Hin zu den Tempeln bewegte sich flehend und dankend die Menge,
In geschäft’gem Gewühl drängte zum Hafen das Volk,
Der von rudernden Schiffen gewimmelt, die kamen und gingen,
Welche der Jubel empfing, welche begleitet der Schmerz.
Tauschend bereichern dieselben die Völker, die nahen, die fernen;
Alle Völker verknüpft freundlich das endlose Meer.
Jetzt ist das Nützlich-Gemeine hieher sogar eingedrungen,
In die Niedrigkeit zieht solches das Höchste herab.
Da sie wieder bebaut, nun erst ist die Gegend verwüstet,
Wo es angebaut ist, wird für die Seele es leer.
Wie man seltene Sachen mit Schlössern und Riegeln verwahret,
So seyd ihr, Tempel, nunmehr unter Verschluß uns gebracht,
Seyd gemacht zum Gegenstande elender, schnöder Gewinnsucht.
Euch entwürdigt der Mensch, euch, die verschonte die Zeit;
Hin ist euere Wirkung, nun erst dem Leben entrissen;
Posidonium, du bist jetzt auch vernichtet dem Geist.
Wenn die Herrlichkeit schwand, erhebet der Gegensatz wieder;
Doch das Gemeine vertilgt selbst die Erinn’rung davon.



[164]

Rom im October 1831.

Elegie.

Schöner als je ich dich sah, erblick’ ich dich, ewige Roma,
Himmel und Erde vereint bilden das herrlichste Fest.
Wärmer als in dem Sommer in Teutschland ist’s hier in dem Herbste,
Daß in der Jahr’szeit leicht irre der Nordländer wird.
Glühender scheinet die Sonne vom wolkenbefreyeten Himmel,
Klar vom besternten der Mond durch die so lauliche Nacht.
Jetzt hat der Ernst die Römer verlassen, und fröhlich sind alle,
Unterschied macht kein Stand, machet kein Alter darin;
Pflicht jetzt, munter zu seyn, die Jeder recht willig erfüllet.
Wie in dem Carneval füllt Lust im Oktober das Volk,
Es ist ein Monat der Freude; ein jeder ergeht sich im Freyen,
Die sonst in Mauern gebannt, strömen jetzt in die Natur.
Unabsehbar dehnt sich die Meng’ in die Villa Borghese,
Tausende werden geseh’n, doch ein Betrunkener nie.
Kirchen, Paläste, Ruinen, sie sind dieselben geblieben,
Rom ist das herrliche noch, es ist das nämliche; blos
Mir ist’s verändert. Natur und Kunst sind noch reizend verschlungen,
Aber die Seele sie fehlt, Liebe, du fehlst mir in Rom,
Die mich einstens beseligte, die mir zum Himmel es machte;
Nur die Erinnerung lebt, Roma! dein Ruhm und mein Glück.



[189]

An Italien im November 1835.

Immer hoffe ich und immer,
Daß ich finde laue Luft;
Doch verwirklicht wird es nimmer,
Ueberall herrscht kalter Duft.

Nur vergebens ist mein Hoffen,
Die Erfüllung wird ihm nicht,
Warmer Strahlen nicht getroffen,
Doch an ihm es nie gebricht.

Ob wir uns gleich oft betrogen,
Deucht Italien immer mild,
Hoffnung kommt mit uns gezogen,
Malt ein lachend, glänzend Bild.

Niemals! niemals es erscheinet
Das, wonach die Seele sehnt;
Doch, was ihr das Heut verneinet,
Sie erblüh’n im Morgen wähnt.



Quelle:
Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bayern. Dritter Theil. München, im Verlage der Literar. Artist. Anstalt der J.G. Cotta’sche Buchhandlung 1839.

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[32]

Auf der Insel Ischia.

Im Gewühle wird’s dem Menschen enge,
Sehnend zieht es seine Seele fort;
Aus des Lebens wogendem Gedränge
Fliehe er nach diesem Zufluchts-Ort.

Wie das Heute, so ist hier das Morgen,
Ew’ger Frieden weilet in der Brust,
Heiter, ohne Wünschen, ohne Sorgen,
In harmloser, stiller, inn’rer Lust.

Alle irdischen Begierden schweigen,
Sie betreten dieses Ufer nie,
Wie zurück die Wellen immer weichen,
Nicht auf diese Insel folgen sie.

Mild, in änd’rungsloser, ew’ger Gleiche
Winket freundlich die Natur uns zu,
Hier, in ihrem wunderschönen Reiche,
Alles athmet auf der Insel Ruh’.

Und auch ich hab’ solche hier gefunden,
Lebe endlich, endlich! wieder mir.
Es sind stille, seelenvolle Stunden,
Welche einsam ich genieße hier.

[33] Gleich des Meeres endeloser Fläche
Dehnt sich hier das sanfte Leben hin,
Keiner Leidenschaften wilde Bäche
Sich durch dieses ruh’ge Daseyn zieh’n.

Ferne von dem dumpfen Weltgetöse,
Unter diesem Himmel klar und rein,
Senk’ ich mich in die vergang’ne Größe,
Lebe der Natur und ihr allein.



[178]

An die Reisenden in Neapel.

Aus Neapel’s unendlichem Staubgewirbel, dem Lärmen,
Welcher den Menschen betäubt, daß er sich selbsten verliert;
Eile er fliehend, er eile, befreyend sich, hin nach Palermo,
Wo zurücke sich selbst wieder gegeben er wird.
Liebend umarmt ihn Natur, und liebend möcht’ er sie umarmen.
Da ist Süden! entzückt sieht und fühlt man ihn da.
Klar ist die Luft wie der Unschuld Gefühle, es scheinen gehauchet
Da die Berge, und blau dehnt sich das endlose Meer.
Alles ist Blüthe und alles ist Licht und Wärme und Leben.
Wie die Liebe, so ist diese Natur Ideal.



[181]

Palermo.

Ewig hier die Fluren blühen,
Lächelnd scheint auf sie die Sonne,
Glüh’nder aber noch erglühen
Hier die Augen voller Wonne.

Die Orangenblüthen hauchen
Fülle namlos süsser Düfte,
In balsam’schem Meer wir tauchen;
Lieblich wehen linde Lüfte.

Bilder schöner Sommerträume
Diese Berge, Luftgestalten;
Dichtung füllet alle Räume,
Die das Reizendste enthalten.

Diese Felsen schimmern röther,
Warme Farben hier umgeben,
Und durchsicht’ger glänzt der Aether,
Leichter fließet hin das Leben.

Endlos wie des Meeres Dehnen,
Ist des heitern Lenzes Währen.
Blos Genuß, hier giebt’s kein Sehnen,
Denn es giebt hier kein Entbehren.

[182] Innig an den Menschen schmieget
Sich die Luft in diesem Lande,
Herzend die Natur ihn wieget,
Fesselt mit dem Liebesbande.



[184]

Auf Italien.

Welch’ ein hehrer Geist durchwehte Italien einstens,
Dessen belebender Hauch überall Spuren uns ließ!
Auch die unbedeutendsten Städte enthalten Gebäude,
Denen die Kunst ihr Gepräg großartig aufgedrückt hat.
Staunen ergreifet den Wand’rer, Bewund’rung den Künstler,
Preisend die herrliche Zeit, welche entstehen es sah,
Was, wie von selbst sich ergeben, weil es der Genius beseelte;
Durch das Studium wird’s nicht, nicht durch den Fleiß wird’s bewirkt.
Längstens verschwand der Geist; das Geringste von jenen erreichen,
Wie sie auch immer bemüht, können die Neueren nie.



[287]

Palermo’s Sommer.

Wandelloser, heit’rer Gleiche
Reiht sich immer Tag an Tag,
Wie sie folgten, in dem Reiche
Des Saturn’s einander nach.

Klar, durchsichtig ist der Aether,
In dem heißen Sommerlicht,
Und kein Früher giebt’s, kein Später,
Die Veränd’rung giebt es nicht.

Golden da die Felsen glänzen,
Dunkle Bläue hat das Meer;
Von der Schönheit seh’n bekränzen
Alles wir, und alles hehr.

Friede bleibet der Gefährte,
Endlos, wie die Ewigkeit;
Und es giebt schon auf der Erde
Keinen Wechsel, keine Zeit.

Ueber alles lichter Schimmer,
Glühend, zauberischer Duft.
Reizend lächelt da es immer,
Wenn erzitteret die Luft.

[288] Seligkeit da alles hauchet,
Seligkeit die immer währt,
Und der Mensch in selbe tauchet,
Und Palermo ist verklärt.




Quelle:
Gedichte Ludwigs des Ersten, Königs von Bayern. Vierter Theil. München, im Verlage der Literar. Artist. Anstalt der J.G. Cotta’schen Buchhandlung. 1847.

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Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit