Inhalt

 

Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

Johann Christoph Friedrich Schiller

Kurzbiografie

Johann Christoph Friedrich Schiller (*10. November 1759 in Marbach a. Neckar – †9. Mai 1805 in Weimar), zweites Kind des Wundarztes und Offiziers Johann Kaspar Schiller (1723-1796) und seiner Frau Elisabeth Dorothea (1732-1802), wuchs in bescheidenen Verhältnissen eines pietistisch geprägten Elternhauses auf. Als 13-Jähriger wurde er auf Befehl des württembergischen Herzogs Carl Eugen (1728-1793) in die Militärakademie, die wegen ihres strengen Regimentes gefürchtete herzogliche „Pflanzschule“ (die spätere „Hohe Karlschule“) eingewiesen. 1775 nahm Schiller das Studium der Medizin auf, legte 1779 die Dissertation „Philosophie der Physiologie“ vor, die ungedruckt blieb und im November 1780 die zweite Dissertation „Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“, die veröffentlicht wurde. Bereits 1777 entstanden die ersten Szenen der „Räuber“, die 1780 weiter ausgearbeitet wurden und 1781 anonym im Selbstverlag mit fingiertem Druckort erschienen. Das Drama, mit dem der Sturm und Drang ausklingt, wurde 1782 in Mannheim mit großem Erfolg inszeniert und Schiller, inzwischen Regimentsmedikus, der an der Erstaufführung ohne Beurlaubung teilnahm, mit Arrest bestraft und von Carl Eugen mit Nachdrücklichkeit aufgefordert, das „Komödienschreiben“ zu unterlassen. Die spektakuläre Flucht aus der Haft, gemeinsam mit dem Musiker und Komponisten Andreas Streicher (1761-1833), hat dazu beitragen, den jungen Dramatiker als Verkörperung der antifeudalen Sturm und Drang-Ideale zu glorifizieren und den Schiller-Mythos politisch zu instrumentalisieren. 1783 beendete Schiller das bürgerliche Trauerspiel „Kabale und Liebe“ („Luise Millerin“), das im folgenden Jahr wiederum mit großem Erfolg aufgeführt wurde und wandte sich den Intrigen am Hofe König Philipps II. mit dem dramatischen Gedicht „Don Karlos“ zu. 1784 hielt er seine Antrittsrede vor der „Kurfürstlich Deutschen Gelehrten Gesellschaft“, die später unter dem Titel „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“ Kulturgeschichte schreiben sollte. Trotz seiner Triumphe an der Mannheimer Bühne verlängerte Wolfgang Heribert von Dalberg (1750-1806) Schillers Vertrag als Theaterautor nicht; auch die leidenschaftliche Beziehung zu der Schriftstellerin Charlotte von Kalb (1761-1843) stürzte das junge Talent vorübergehend in eine Krise. 1785 entstanden das Romanfragment  „Der Geisterseher“ und die Ode „An die Freude“, die in Beethovens Instrumentalversion seit 1985 die offizielle Hymne der Europäischen Union ist. 1787, dem Erscheinungsjahr des „Don Karlos“, war Schiller Gast bei Christian Gottfried Körner (1756-1831) in Leipzig und Dresden. Von 1787 bis 1788 hielt er sich in Weimar auf, wo er Kontakte zu der angebeteten Charlotte von Kalb, Christoph Martin Wieland (1733-1813), Johann Gottfried Herder (1744-1803), Goethes „Urfreund“ Karl Ludwig von Knebel (1744-1834) und zu der umschwärmten Schauspielerin Corona Schröter (1751-1802) unterhielt. 1788 veröffentlichte Schiller die „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung“ und das philosophische Gedicht  „Die Götter Griechenlandes“, das in Wielands renommierten „Teutschem Merkur“ erschien. Am 7. September 1788 fand die erste, noch distanzierte Begegnung mit Goethe statt. Am 15. Dezember wurde Schiller als a.o. Professor für Geschichte nach Jena berufen, wo er 26. Mai 1789 die erste berühmte Vorlesung „Was heisst und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“ und weitere Vorlesungen „Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunden“ hielt. 1790 wurde Schiller mit dem Einkommen sichernden Hofratstitel ausgezeichnet und heiratete Charlotte von Lengefeld (1766-1826), obwohl er sich auch stark zu seiner Schwägerin Caroline (1763-1847), die mit dem empfindsamen Roman „Agnes von Lilien“ (1798) reüssierte und später als Schiller-Biographin hervortrat („Schillers Leben. Verfasst aus Erinnerungen der Familie, seinen eigenen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner“, Stuttgart 1830), hingezogen fühlte. Im Oktober erteilte die französische Nationalversammlung Schiller das französische Bürgerrecht. 1791 begann Schiller sich intensiv mit der Philosophie Immanuel Kants auseinanderzusetzen; im gleichen Jahr allerdings wurden auch Symptome einer ernsten Erkrankung merklich. 1793 erschienen die kunsttheoretischen Schriften „Kallias-Briefe“, „Über Anmut und Würde“ und „Über das Erhabene“. Im Sommer 1794 führten Goethe und Schiller ihr legendär gewordenes Gespräch über die Urpflanze, aus dem jene Freundschaft erwuchs, die zum Inbegriff der Weimarer Klassik wurde. 1795 erschien die erste Nummer der „Horen“ mit Schillers bedeutender Abhandlung „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“; in den nächsten Heften stammten aus Schillers Feder die Schriften „Belagerung von Antwerpen“ und „Über naive und sentimentalische Dichtung“. 1796 erfolgte die Herausgabe des „Musenalmanachs“ und Schiller und Goethe dichteten die gefürchteten „Xenien“. 1797, dem sogenannten Balladenjahr, entstanden im Wettstreit mit Goethe „Der Taucher“, „Der Handschuh“, „Die Kraniche des Ibykus“ u.a.. 1798 erschien das Gedicht „Das Glück“, 1799 wurden „Das Lied von der Glocke“ und „Wallenstein“ beendet. Im Dezember 1799 siedelte die Familie Schiller nach Weimar über. Es entstanden 1801 die Tragödien um ‚starke’ Frauen „Maria Stuart“ und die „Jungfrau von Orleans“. Im November 1802 wurde Schiller geadelt. 1803 wurde „Die Braut von Messina“, 1804 „Wilhelm Tell“ vollendet. 1805 bearbeitete er Racines „Phädra“ für die deutsche Bühne und wandte sich der Fortführung des „Demetrius“ zu. Eine chronische Lungen- und Bauchfellentzündung setzte dem unermüdlichen Schaffen des bedeutendsten deutschen Dramatikers, des Lyrikers von Rang, des Philosophen, Historikers und Übersetzers ein jähes Ende. Italien hatte Schiller nie besucht und es hat lediglich eine marginale Bedeutung in seinem Werk inne, obwohl der Idealismus der Weimarer Klassik sich an dem Erbe der Antike und des Humanismus italienischer Kunst und Kultur profilierte. Als atmosphärischer Hintergrund dient der Italientopos in dem republikanischen Trauerspiel „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ (1783) und in „Der Geisterseher“ – in seiner Lyrik ist er nebensächlich, da Schillers mythologisches und antiquarisches Interesse dem ästhetisches Credo „Was unsterblich im Gesang soll leben, / Muß im Leben untergehn“ verpflichtet war.

Yvonne-Patricia Alefeld



[242]

POMPEJI UND HERKULANUM.

Welches Wunder begibt sich? Wir flehten um trinkbare Quellen,
Erde! dich an und was sendet dein Schooß uns herauf?
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entflohne zurück?
Griechen, Römer, o kommt! o seht, das alte Pompeji
Findet sich wieder, aufs neu bauet sich Hercules Stadt!
Giebel an Giebel steigt, der räumige Porticus öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben, herbei!
Aufgethan ist das weite Theater, es stürze durch seine
Sieben Mündungen sich fluthend die Menge herein.
[243] Mimen wo bleibt ihr? Hervor! Das bereitete Opfer vollende
Atreus’ Sohn, dem Orest folge der grausende Chor!
Wohin führet der Bogen des Siegs? Erkennt ihr das Forum?
Was für Gestalten sind das auf dem kurulischen Stuhl?
Traget, Lictoren, die Beile voran! Den Sessel besteige
Richtend der Prätor, der Zeug’ trete, der Kläger vor ihn.
Reinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem Pflaster
Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich hin.
Schützend springen die Dächer hervor, die zierlichen Zimmer
Reihn um den einsamen Hof heimlich und traulich sich her.
Oeffnet die Läden geschwind und die lange verschütteten Thüren!
In die schaudrigte Nacht falle der lustige Tag.
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke sich dehnen,
Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich sich hebt!
Frisch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden Farben.
Wo ist der Künstler? Er warf eben den Pinsel hinweg.
Schwellende Früchte voll und lieblich geordneter Blumen
Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor vorüber,
Emsige Genien dort keltern den purpurnen Wein;
Hoch auf springt die Bacchantin im Tanz, dort ruhet sie schlummernd,
Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch gesehn.
Flüchtig tummelt sie hier den raschen Centauren, auf einem
Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem Thyrsus ihn an.
Knaben! Was säumt ihr? Herbei! Da stehn noch die schönen Geschirre.
Frisch, ihr Mädchen, und schöpft in den etrurischen Krug!
Steht nicht hier noch der Dreifuß auf schön geflügelten Sphinxen?
Schüret das Feuer! Geschwind, Sklaven, bestellet den Herd!
Kauft, hier geb’ ich euch Münzen, vom mächtigen Titus gepräget;
Auch noch die Wage liegt hier, sehet, es fehlt kein Gewicht.
Stecket das brennende Licht auf den zierlich gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem Oel fülle die Lampe sich an.
Was verwahret dies Kästchen? O seht, was der Bräutigam sendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum Schmuck!
Führet die Braut in das duftende Bad, hier stehn noch die Salben,
Schminke find ich noch hier in dem gehöhlten Krystall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im ernsten Museum
Liegt noch ein köstlicher Schatz seltener Rollen gehäuft.
Griffel findet’ ihr hier zum Schreiben, wächserne Tafeln;
Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt.
Auch die Penaten, sie stellen sich ein, es finden sich alle
Götter wieder; warum bleiben die Priester nur aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte Hermes,
Und die Victoria fliegt leicht aus der haltenden Hand.
[244] Die Altäre, sie stehen noch da, o kommet, o zündet,
Lang schon entbehrte der Gott, zündet die Opfer ihm an!



[269]

Die Peterskirche.

Suchst du das Unermeßliche hier, du hast dich geirret;
Meine Größe ist die, größer zu machen dich selbst.


Quelle:
Schillers Sämmtliche Werke. Vollständige Ausgabe. Mit einer Einleitung von Karl Goedeke. Erster Band. Stuttgart 1877.

~~~~~~

Das Fach- und Kulturportal der Goethezeit