| Hermann Lingg |
Kurzbiografie
Hermann Lingg (*22. Januar 1820 in Lindau am Bodensee – †18. Juni 1905 in München), unternahm nach dem Ende seiner Gymnasialzeit (1837) eine längere Italienreise (1838), danach studierte er Medizin in München, Freiburg, Berlin und Prag, und trat 1846 als Arzt in den bayerischen Militärdienst ein. Dass sein Bataillon 1848 revolutionäre Verbände in Baden niederschlagen half, bewirkte bei ihm eine Depression. Lingg wurde in eine Heilanstalt eingewiesen und 1851 als Geisteskranker zwangspensioniert. Eine positive Wende kam durch Eheschließung (1854) und die Publikation seiner Gedichte (1853). Trotz einer umfangreichen Produktion als Dramatiker und Epiker („Die Völkerwanderung“, 1866-68) bilden die Gedichte und Balladen den wichtigsten Teil seines Werkes. Auch im Münchner Dichterkreis um Emanuel Geibel (1815-1884) und Paul Heyse (1830-1914) spielte Lingg eine wichtige Rolle. 1890 wurde ihm der Adel verliehen. Die Italiengedichte stammen aus dem zweiten Band der dreibändigen Sammlung „Gedichte“. Seine in ihrer rhetorischen Machart von ferne an Schillers philosophische Gedichte erinnernde Lyrik handelt häufig von historischen Themen. Charakteristisch für seine Landschafts- oder Städte-Gedichte sind die historisch-antiquarisch-mythologischen Bildungselemente.
Gunter Grimm
[24]
Die Priesterin der Isis in Rom.
Heucheln soll ich Zauberkünste, In den Flammen trüber Dünste Spähen nach verborgnem Sinn; Aus der Vögel hohen Flügen Soll ich Prophezeiung lügen Um verhaßten Goldgewinn. Ob nicht bald ein Freier werbe, Ob ein grauer Schurke sterbe, Welch ein Frevler ihn beerbe, Frägt man die Aegypterin.
Völkern hier ein Licht zu schenken Und zur Wahrheit sie zu lenken, Wähnte die Prophetenbraut: – Weh, nun muß ich hier bei Kesseln Schauen, wie mit Lolch und Nesseln Schlangenhaut und Kröte braut, Muß mein edles Wissen schänden, Hohes sehn aus Sklavenhänden, [25] Und am Dreiweg Feuerbränden Niederstreu’n das Lorbeerkraut.
Ich, des großen Landes Tochter, Wo zuerst auf unterjochter Erdkraft sich der Geist vernahm, Jenes Landes, dessen Lehre Leuchtend über Land und Meere Einst an alle Völker kam; Ja, wir waren’s, die am frühsten Halt geboten Meer und Wüsten, Mit Gesang die Sterne grüßten, Thiere zogen fromm und zahm!
Jene Weisheit ist verloren Unter Gaukler, unter Thoren Stößt ein fremder Pöbel mich; Weh, was ließ ich den geliebten Strand des Nils, o dich Aegypten, Grab der Könige und dich; Wo beim Staub der Pharaonen Theure Seelenwandrer wohnen, Könnt’ auch ich im Schatten thronen Hochgeehrt und priesterlich.
Hier ist alles wie zerrissen; Nirgends knüpft ein Allmachtwissen Erdennacht und Himmelspol, [26] Durch bedeutungslose Ferne Irren tonlos hier die Sterne, Alles tönt mir leer und hohl; Ihr zerreißt den Isisschleier, Aber saget nun, Entweiher: Sehet die Natur ihr freier, Seit zertreten ihr Symbol?
Fromme Vögel seh’ ich schweben Nach dem tempelreichen Theben, Bald fliegt meine Seele mit; Wenn der Sternenkreis vollendet, Wenn zum Thal der Nil sich wendet, Siegeshoch im Segensschritt, Nimmer weil’ ich dann hienieden – Hohe Nacht der Pyramiden, Nimm mich auf, wenn ich um Frieden Deine goldnen Thore bitt’!
[188]
Neapels Golf.
1.
Die See geht hoch, die Sterne glänzen, Neapels Golf liegt vor uns da In Nacht, geschmückt mit allen Kränzen, Hier Cap Misen, dort Ischia!
Wie Riesen trotzig, feste Thürme Schau’n von dem Ufer in das Meer, Aus früher Zeit der Völkerstürme, Des Zaubergürtels Schutz und Wehr.
O lockend war’s um dich zu ringen Italien, Seebraut huldgekrönt, Wie oft hat hier, dich zu bezwingen, Der Krieger Schlachtenruf getönt!
Entstammt von deinem Ruhmeskranze Bekämpften sich die Sturmeswehn, Mit Feuer, Schwert und Eisenlanze Bandale, Sachse, Sarazen.
[189] Nun drunten längst in Klipp’ auf Klippen, Schläft bei des Pariers Marmorstein, Bei Gold Carthago’s, bei Gerippen In Sidons Purpur ihr Gebein.
Sie greifen oft im Traum von Siegen Zum Schwerte, das die Feinde traf, Doch Amphitrite’s Töchter wiegen Die Helden wieder ein in Schlaf;
Und Eos streuet Rosen lächelnd Auf Inseln, Vorgebirg und Schlucht, Und ihr entgegeneilet fächelnd Ein Zephir über Bajä’s Bucht.
[190]
2.
Das Grab Virgils schmückt ewig ein Blüthenkranz Im dunklen Reblaub über dem Felsenpfad, Und drüben in Sorrento flüstern Schwellende Wogen Gesänge Tasso’s.
Auch dort, wo Typhons Zorn in den Kratern rollt, Wo donnernd ausströmt Rauch und unendlich Glühn, Aus Asche blüht auch dort Weinstock; Siege, ja siege Lyäus, Sieger!
Du, kühn mit Panthern scherzender Genius, O schreit’ hervor aus deinem Gebirg, wo spät Der Eremit noch kniet, und Mondlicht Zwischen den Säulen des Klosters schimmert!
Wenn aus den Kratern bis zu der Sterne Chor, Daß selbst der Erdgrund bebt, Meteore sprühn, Dann komm’ zu uns, und sei mit uns – und Lach’ uns im perlenden vollen Kelchglas!
[191]
Auf dem Vesuv.
Wir hatten uns am Kraterrand Die Fackeln angezündet, Und schwangen nun in unsrer Hand Die Gluth vom Feuerherde, Der aus dem Grund der Erde In Flammen sich entschlündet.
Ich ließ voraus den Führer gehn, Und blieb in Nacht und Stille Allein noch bei den Felsen stehn, Nur über mir die Sterne, Nur tief aus dunkler Ferne Der Nachtgesang der Grille.
Nur hie und da ein Meteor Stieg aus den Kratertiefen Ins schweigende Azur empor, Und zeigte mir die Spuren Erloschner Lavafluren, Die ringsum lautlos schliefen.
[192] Welch ungeheures Todtenreich! Und außer mir kein Leben, Kein Leben fühlt’ ich, und zugleich Fühlt’ ich ein tödtlich Trauern, Ein namenloses Schauern Mein einsam Herz durchbeben.
Ich sah in dieser dunklen Kraft, Die ewig gährt und nimmer Trotz aller Gluthen Segen schafft, Das Abbild eines Strebens, Das groß ist, doch vergebens, Das schön ist, doch nur Schimmer.
Unendlich einsam fühlt’ ich mich; Mir war’s, als ob der warme, Aus meiner Brust, der Odem wich, Als sänk’ ich schon den kalten Planetischen Gewalten Versteinert in die Arme.
Und eine Sehnsucht ging mich an Nach oft geschmähten Banden; Mich zog’s nach allem Weh und Wahn Des Erdenlebens wieder. Erhöhter stieg ich nieder, Als oben ich gestanden.
[193] Wie leuchtete das Licht so schön Aus den gestirnten Fluren Auf Buchten, Haine, Rebenhöh’n Durch’s Dunkel der Kastanien; Die Nacht lag auf Campanien Und auf dem Meer azuren.
[194]
Pompeji.
Auferstandne Stadt der Heiden, Sei gegrüßt, Ersehnte du! Heut noch heiter wie beim Scheiden Lachst du deiner Sonne zu.
Ueberall aus dunkler Lava Drängen Blumen sich an’s Licht, Die Reseda, die Agava, Auch die Myrthe fehlet nicht.
Rosen blühn im Schlafgemache – Lippen, die schon längst verdorrt, Sprachen in der schönsten Sprache Hier dereinst der Liebe Wort.
Um die Säulen rankt sich wilder Epheu und wie früher schau’n Die erstandnen Marmorbilder Auf zum alten Aetherblau’n.
[195] Nur des Meeres wechselvolle Woge, die sonst hier gekreis’t, Wich von ihrer Uferscholle, Und wie sie der Menschengeist.
Eine andre Menschheit baute Dieser Tempel heitern Raum, Und nur fremd sieht die ergraute Ihrer Jugend fernen Traum.
Nur wie halbverstandne Dichtung Mahnt auch mich, was hier noch glänzt; Ach, ich fühl’s, wie gut Vernichtung Und Vollendung sich begrenzt.
Freudig kam ich, Stadt der Alten, Und mit Wehmut scheid’ ich nun. Würdest unter deiner kalten Lava du nicht besser ruhn?
Auf die Worte der Beschwörung Stiegst du zögernd aus der Gruft; Jetzt erst faßt dich die Zerstörung, Schatten taugt nicht Himmelsluft.
[196]
Bajä.
Mit Purpursegeln fliegt nach der Küste zu Ein reizend Prachtschiff, ist es ein Geisterboot Aus jener alten Heideninsel, Eine der goldenen Gondeln Nero’s?
Nach seiner marmorstrahlenden Villa fährt Der Herrscher Roms und kost der Geliebten Haupt Und zärtlich spricht er: „Nimm die Lyra, Rühre die Saiten, geliebte Cypris!“
Horch, voll die Lyra klang, und es sang das Kind: Als jene Gluthnacht wüthend um Rom sich schlang, Da warf das Feuer vor dich nieder Einen verbrennenden Zweig vom Lorbeer.
Ich sah auf dich, Herr! Ruhig erhobst du dich, Schlugst deine weltmüd-trunkenen Augen auf, Und lächelnd sprachest du die Worte: „Ilions Flammen verdunkelt e i n Tag.“
[197] So möcht’ auch ich von liebender Gluth verzehrt Zu deinen Füßen sterben, und sterbend noch Dich küssen! Siehe, deine Sklavin Bietet dir Persephoneia’s Aepfel.
Die schöne Nymphe sang es, und Nero sprach: „Wenn einst hereinbricht meine Verhängnißnacht, Erhebe dich zuerst und stürze Ueber die Scheiter mir nach zum Orkus!“
[198]
Lied im Süden.
Sonnenuntergang! Lautlos ruhen Säulengang Und verlassne Marmorbäder, Wo den stillen Weg entlang Noch antiker Wagenräder Furchen trägt der Lavastein. Roth im Abendschein Wirft der Oelwald längre Schatten Längs der braunen Felsenplatten Um den Bergabhang – Sonnenuntergang.
Abenddämmerung! Blumen athmen wieder jung! Und in uns erblühn die weißen Rosen der Erinnerung. Könnt’ ich sie verwelken heißen? Schnell im Süden kommt die Nacht, Flüchtig ist die Macht [199] Deines schwärmerischen Glückes, Wie die Flammen eines Blickes, Voll Begeisterung, Abenddämmerung.
Sommermitternacht! Nur noch die Cicade wacht, Ringsum ruhn die dunkeln Thäler. Unter alter Tempelpracht, Wo gestürzte Capitäler Meine Kissen, wo mein Haupt Lorbeer selbst umlaubt, Sollt’ ich’s nicht gestehn im Liede, Wie dein tiefer, stiller Friede Ganz mich glücklich macht, Sommermitternacht!
[200]
Pästum.
Brütend liegt der Mittag über Pästums öder Fiebergegend, Schwüle Nebel niederlegend, Selbst die Sonne schimmert trüber, Und die alte Stadt Poseidons, Stumm und einsam liegt sie da, Ein zerstörtes Sodoma.
Auf zerbrochnen Steincolossen Umgestürzter Architrave Blühen Cactus und Agave, Um die alten Mauern sprossen Rothe Blumen und Akanthus; Duftig wuchern drüberhin Thymian und Rosmarin.
Nur ein gelber Tempelriese Trägt noch seine Quaderbalken, Um den Giebel fliegen Falken, Epheu rankt sich um die Friese; [201] Und die Natter und die Eidechs Sonnt sich an der Tempelwand, Wo geflammt der Opferbrand.
Ungebrochen stehn die schlanken Dorersäulen; ein Jahrtausend Sahen sie vorüberbrausend; Throne stürzten, Völker sanken; Ueber ihre Marmorhäupter Wie durch’s Meer, dem sie geweiht, Weht ein Hauch der Ewigkeit.
[202]
Capri.
Am Abend kamen die Winde frischer, Wir fuhren das holde Capri vorbei, Die Barcarole sang ein Fischer Und hing sein tropfend Ruder bei.
Zwei Vorgebirge, die Bucht umragend, Erhoben, von Kaktus und Wein umlaubt, Der Vorzeit Mauerkronen tragend, Ihr sonnverbranntes Felsenhaupt.
Dort drüben die Villa des Römertyrannen, Ein wüster zertrümmerter Steincoloß, Und hier, fast wie aus deutschen Tannen Ein hohenstaufisch Felsenschloß.
Der Schiffer wußt’ uns viel zu erzählen Vom finstern Cäsar Tiberius, Wie er dort oben in prunkenden Sälen Gehaust voll Angst und Ueberdruß,
[203] Und wie er um die hohlen Schläfe Beim Blitzgezuck am Meeresstrand, Befürchtend, daß der Gott ihn träfe, Den Lorbeer schlang mit feiger Hand.
Und weißt du, fragt’ ich, nichts zu sagen Von jenen andern Trümmern dort? Lebt auch von ihres Herrschers Tagen Noch ein Gedächtniß der Menschen fort?
Der Schiffer fuhr sich über die Stirne, Und sprach: das ist ein vergessener Traum; In meinem alten Matrosengehirne Vergehn die Märchen wie Meeresschaum.
Er sprach’s und eine Mandoline Erklang vom Strand – es mahnte mich, Als käm’ aus jener Burgruine Ein klagend Echo: Friederich.
Und nicht mehr in den öden Gängen Den finstern Römer sah ich drohn; Ich sah bei Fest und Minnesängen Constanza’s blondgelockten Sohn.
[204] Ich sah an des Altanes Borden Ihn sinnend stehn, auf’s Schwert gelehnt, Im Geist bekümmert um den Norden, Das Herz dem Süden zugesehnt.
Und als schon Nacht den Strand umwebte, Der Mond im dunkeln Meer erblich: In meiner Seele Tiefen bebte Noch lang das Echo: Friederich.
[205]
Im Colosseum.
Es leuchtet mir Orion Vom dunkeln Himmelssaum, Versteinter Hyperion, In deiner Oede Raum.
Hier ragten einst die Hallen Wie du Titan zum Licht; Es hieß in Schutt sie fallen Ein ewiges Gericht.
Nun lerne Stolz sich beugen, Wo Trümmer unerreicht Von solcher Größe zeugen, Daß Grau’n das Herz beschleicht.
Einst Meer von Menschenwogen, Käfigt und Kerkerschlund Auf Pfeilern, Säulenbogen Ein kleines Erdenrund.
[206] Das Wuthgebrüll des Tigers, Wie klang es angenehm Dem Satyrohr des Siegers In Band und Diadem.
Des Fechters trotzige Miene Zeigt noch im Tod die Wuth; Ha! träufelt Baldachine Den Balsam in sein Blut.
O mich ergreift ein Schauer! Die Welt, die hier verging, War marmorn wie die Mauer, An die sie Kränze hing.
Trotz aller Blumenkränze Blieb Erz des Heiden Brust, Trotz aller Lust der Tänze Und aller Chöre Lust. –
Noch lang wird mich begleiten Das Bild von einem Sein, Daß hier in alle Zeiten Laut spricht aus jedem Stein.
[207] Wo Wuth und eitle Größe Um Menschenblut geloost, Fließt nun für Noth und Blöße Der Gottesliebe Trost.
[208]
Ode an die Dioskuren.
Dein in Nacht eindunkelndes Land, o Rom, und Alles ruht schon, aber am Himmel zuckt es Wetterschwül herauf, und erhellt die beiden Erz’nen Colosse.
Euch begrüß’ ich, mächtige Meerbeherrscher! Euch begrüßt mein Lied, Polydeukes dich, und Castor! muthvoll euch zum Olymp auf schwingt ihr Söhne der Leda!
Während Blitz auf Blitz mit dem Dunkel streitet, Eilt ihr her auf schimmernden Rossen – flatternd Nachtgewölk hindurch und dem Schiffer hülfreich Mitten im Seesturm!
Tief ins Vorzeitgrau zu den Göttern führt ihr Meinen Blick zurück zum Heroenalter, Und zurück zu Helena’s unvergänglich Lockendem Liebreiz.
[209] Welch ein herrlich Menschengeschlecht umblüht euch! Jagdenfroh, kühn, wild, in der vollen Schönheit Erster Jugendkraft, in beständ’gem Kampf mit Himmel und Erde. –
Doch als lang hernach in der Zeiten Umlauf Hellas’ Volk aufblüht in erhab’ner Freiheit, Horch, da schallt Siegsruf, am Olymp, am Isthmus Donnern die Wagen!
Auf zum Wettkampf eilt, was Athen, was Argos Oder Sparta’s Fluren bewohnt, es drängt sich Schar an Schar kampftüchtiger Männer, hoher Göttergestalten.
In des Tempels schattigem Hain, wo hochher Ueber Lorbeer Pinien schau’n, da schimmern Weihgeschenke rings, und in Purpur goldreich Strahlende Gürtel.
Auf! ans Ziel jetzt! Zügelt die Hengste, Knaben! – So zwingt Muth, rein menschlicher Muth die Wildheit, So hält Freiheit ruhig die Zügel aufrecht, Ruhig und siegreich!
[210] Welch ein Tag, ihr Himmlischen! Wie das Volk jauchzt! Um den Sieger jauchzt, den der Fichtenzweig krönt! Von des Sängers Lippen erblüht ihm – ewig Dauernder Nachruhm.
Doch nur ihr seid Allen das schönste Vorbild Edlen Sinns und muthiger Jugend! Liebend Theilt ihr euch in alle Gefahr und alle Freude des Sieges!
Auch am Himmel bleibt ihr vereinigt; liebend Steigt ihr selbst zum Orkus hinab, und theilet Dort Unsterblichkeit, und zugleich die dunkeln Loose des Todes. –
Längst in Erzguß ragend am Meer sah staunend Euch die Nachwelt; aber es kamen einstmals Feindlich her, hochsegelnd im Kriegschiff, siegsstolz Trotzige Römer.
Und zu Schiff mit, Walzen und Tau nachschleppend, Trug das kriegslustschnaubende Volk posaunend Im Triumph euch Herrliche zu des Cäsars Hohem Palastthor.
[211] Hier nun knie’n auch wir, von dem fernsten Grenzland Dieses Weltreichs über Gebirg und Meerfluth Angelangt, wir Fremdlinge; euch den Rettern Nah’n wir mit Dankgruß.
Schirmt auch uns, auch ferner noch! Lenket huldreich Unsre Heimfahrt, gebt uns Geleit und Segen Auf dem Weg nach Haus, nach der süßen Heimath, Söhne des Aethers!
Egeria-Grotte.
Egeria, lieblicher Name, du lebst Im Hain noch, im Felsen der Quelle, Im Dunkel der Eichen! Du weilst, du webst Am Brunnen, im Eppich der Schwelle! Hier ward, o Nymphe, mit Reigentanz Dein Fest gefeiert in Chören – Die Stürme der Zeit vermochten nicht ganz Den heiligen Frieden zu stören. Hier könnt’ ich vergessen all’ irdische Pein, Die Sorgen in Lethe versenken. O Tal der Liebe, stets will ich dein, Hetrurisches Tempe, gedenken! Ich glaub’, es kommen in deinem Raum Vom Born, aus dem sie stammen, Die Seelen der Menschen, beflügelt im Traum, In heimlichen Stunden zusammen. [213] Im Schlummer führt Eros an liebender Hand Zu Lauben im Schatten der Myrten, Aus Fluthen den Schiffer an’s heimische Land, Zu Hirten aus Nacht die Verirrten.
[214]
Campagna Roms.
Wie mild erleuchtend längs der Ruinen dort Des Herbstes frühaufstrahlender Mond erglänzt, In goldnen Schlummerwellen hinströmt Ueber den Hügeln der Oede Romas!
Der Bäder, Aquädukte, der Tempel Rest – Dazwischen uralt heiliger Haine Nacht, Zerstörte Circusmauern, Trümmer Ruhend im Dunkel und tief im Grabschutt.
Erhab’ner Anblick, düster und ernst genug, Daß aller Schauer einer versunk’nen Zeit, Und w e l c h e r Zeit! uns anweht, jener Eh’rnen Epoche der Welterob’rung.
Ein Klang der Vorzeit rauscht mit des Adlers Flug Aus jedem Denkmal, aber noch schwebt ihr Geist Im stolzen Laut der alten Sprache Ueber den einst unterjochten Erdkreis.
[249]
Neapel.
Vom Golf Neapels bis zur Nordsee klaffen Die Länder auf in Haß – hie Ghibellinen, Hie, Welfen, hie Verwüstung und Ruinen! Hie Flammen, Sturmlauf, Rosse, Banner, Waffen!
Canossa läßt die Rache nicht erschlaffen, Vom Gotthardt führt mit seinen Paladinen Der Rothbart die gewaffneten Lawinen – Wer wird der Welt Alleingewalt erraffen?
Nicht Friedrichs hohe Kraft und nicht sein zweiter Nachkomme sieht den Krieg, die Feinde taufen Mit neuer Gluth stets neu erglühte Streiter.
Kann deinen Frieden, Erde, nichts erkaufen, Als rollend unter blutbespritzte Scheiter Das blonde Haupt des letzten Hohenstaufen?
Quelle: Hermann Lingg: Gedichte. Erster Band. Stuttgart: Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1871.
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[316]
Der Doge an das Meer.
Wenn Morgen sich erhebt am Himmelsbogen Die Sonne strahlend aus Venedigs Wiege, Nimm hin den Ring zur Mitgift seiner Siege, Das Pfand der Treue, das noch nie getrogen.
Weh! wenn es je dem Grunde deiner Wogen, Dem Schooß der anvermählten Fluth entstiege, Entankert von dem Eisenarm der Kriege, Vom Netz des blinden Glücks emporgezogen.
Es sink’, daß uns die Wellen es versöhne, Die tausendfach um dieses Eiland prallen, Der Tugend reinstes Gold und alles Schöne
Kann so dem Abgrund, so der Nacht verfallen. Hinab, ihr Nachtgedanken! übertöne Die Furcht, o Meer, mit deinen Stürmen allen!
[379]
Deutsch-italische Grenzstädte.
Am Eingang zu dem Zauberlande, Worin die schöne Göttin ruht, Steht ihr wie Riegel, Schloß und Bande, Ihr alten Mauern, auf der Hut.
Von Höhn, wo nah’ den Wolkenballen Der Adler trinkt die Alpenluft, Scheint ihr ins Thal herabgefallen, In Rebenlaub und Lindenduft.
Ihr selber seid ja Adlerhorste, Den Felsen an- und eingebaut; Um eure Schluchten, eure Forste, Wie warm des Südens Himmel blaut!
Die wilden Gletscherbäche münden An Rebhöhn in der Sonne Gluth Und die läßt ihre Strahlen zünden Am Eis noch in der Traube Blut.
In diesen tiefen Felsenrachen Voll Urwelttrotz, voll Zaubertrug, Hier war es, wo die Brut des Drachen Der Held, der deutsche Recke, schlug.
[380] Hier war’s, wo man der Erker baute Und Burgen in das Felsgestein, Und während unten klang die Laute, Schlug oben Schwerterklang darein.
Dann ging’s mit raschen Eisenschritten Hinunter durch Italiens Thor, Verwandelt wurden Sprache, Sitten, Gewaltig, wie noch nie zuvor.
Ihr alten Städte seid die Zeugen Des Uebergangs der Wanderung, Ihr saht die alte Welt sich beugen, Die neue werden stark und jung!
Und Dome bauten dann die Recken, Zu ruhn darin, nicht in der Gruft, Sich auf dem Steinsarg auszustrecken, Im Tod noch hoch in freier Luft.
So ruhn sie in den Sarkophagen Und reden von dem langen Streit, Von Dietrichs Fahrt, von Chriemhilds Klagen Und von der Rosengartenzeit.
[381]
Abschied von Venedig.
Noch tief im Morgenschlummer ruht Die Königin der Meeresfluth, Kaum hie und da ein Ruderschlag, Der Gruß von einem Gondolier, Der über Nacht zufrieden hier In seiner Barke lag, Bekündet schon den Tag.
Aus Nischen flackert hie und da Ein Schimmer, dem Erlöschen nah, Zuweilen schmettert wie im Traum, Man weiß nicht wo, mit süßem Schall Ihr letztes Lied die Nachtigall, Zuweilen winkt ein Blüthenbaum Von stiller Höfe Raum.
Lebwohl nun, stolze Stadt im Meer, Von dir zu scheiden wird mir schwer; Bei diesem Glas voll Sonnengluth, Bei diesem Glas voll Malvasier, [382] Für manchen schönen Traum in dir Hab’ Dank, du Fee der Meeresfluth – Für jeden Blick, der mir gelacht Aus deiner Augen Nacht!
[383]
Ravennas Pinienwald.
An Inseln bist du reich, an wundervollen, O heilig Meer, an Felsengrotten auch, Doch ganz scheint dir der Pinienwald entquollen, Womit Ravenna schmückt dein Zauberhauch! Da rauscht’s in luft’gen Höhn wie Wogenrollen. Das Sonnenlicht umspielt den Rosenstrauch, Wie Perlen schön und reicher noch und bunter Blüht als Mosaik Wiesenschmuck darunter.
Zuweilen rauscht’s wie eines Raben Schwingen, Lacerten huschen an dem Weg vorbei Und wilde Rosse tummeln sich und springen Und schaun dich an und schnauben stolz und frei, Ja hier ist etwas, das von Schmerz bezwingen, Das Unglück lindern kann, wie groß es sei. Den Herzen, welche schwer gelitten hatten, Entweicht der Gram in dieser Bäume Schatten.
Weit draußen ruhn vergangner Größe Spuren Und fernher nur dringt noch ein Widerhall [384] Der Schlachten, die dereinst vorüberfuhren, Um Mauern, bald sich neigend zum Verfall. Hier blühn in unversehrtem Schmuck die Fluren, Hier singt im Lorbeerbusch die Nachtigall Und in dem Ernst der hohen Wipfel walten Allein der Dichtung heilige Gestalten.
Quelle: Hermann Lingg: Gedichte. Zweiter Band. Stuttgart 1871.
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