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Gustav Pfizer

Kurzbiografie

Gustav Pfizer (*29. Juli 1807 in Stuttgart – †19. Juli 1890 ebd.) entstammte einer hochgestellten Beamtenfamilie. Nach seiner Ausbildung am niederen theologischen Seminar in Blaubeuren, setzte Pfizer seine Kollegien 1825-1830 am Tübinger Stift fort. Nachdem er als Vikar in Stuttgart den zweiten Teil der Pfarrerausbildung absolviert hatte, kehrte er 1832 als Repetent an das Tübinger Stift zurück. 1834 unternahm Pfizer eine halbjährige Reise durch Italien, die die protestantisch asketische Lebenseinstellung des Theologen nicht sonderlich beeindruckte. Erlebte die Mehrzahl dichtender Italienfahrer im 19. Jahrhundert eine geistige und/oder sinnliche Emanzipation, so wirkt Pfizers schmale Italienlyrik wie eine Pflichtübung, welche erwartungsgemäße und obligatorische Klischees italienischer Landschaft und Kultur zitiert. Pfizer führte ein für das 19. Jahrhundert typisches, von allen Extravaganzen und Skandalen unbelecktes, biederes Gelehrtendasein mit ausgeprägten politischen und poetischen Ambitionen. Die Zeitgenossen schildern den gemäßigten (National-)Liberalen als distanziert und unnahbar, mit philosophisch spekulativer Neigung, die, hegelianisch à la mode, auch die Gedankenwelten seiner Kommilitonen David Friedrich Strauß (1808-1874) und Friedrich Theodor Vischer (1807-1887) beherrschte. Wie diese gehörte Pfizer auch zu einer Vielzahl von Absolventen des Tübinger Stifts, die ihre Ausbildung mit der „Geniepromotion“ abschlossen. 1836 erteilte die philosophische Fakultät Tübingen für seine Luther-Biographie („Martin Luther’s Leben. Stuttgart 1836) den Doktorgrad. Als Schriftsteller, Übersetzer, Lyriker und Redakteur war Pfizer, der sich in Stuttgart zeitlebens als Gymnasialprofessor niederließ, außerordentlich emsig und produktiv. Der tüchtige Pädagoge verfasste historische Werke für die Jugend: u.a. die „Geschichte Alexanders des Großen“ (1846) und die „Geschichte der Griechen“ (1847). Vor allem in den dreißiger und vierziger Jahren war Pfizer als Übersetzer fleißig, was ihm den Spott Karl Gutzkows einer „Übersetzungsmaschiene“ [sic!] einbrachte: u.a. die im 19. Jahrhundert weit verbreitete und heute noch beliebte Übertragung des Nibelungenliedes (1842), die vor allem durch die dramatischen Illustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1882) und Eugen Napoleon Neureuther (1806-1882) ihre ästhetische und kurios-altväterliche Attraktivität bewahrt hat, Übersetzungen der Dichtungen Byrons, der Romane von George Payne Rainsford James und Übertragungen aus den Werken des schriftstellernden Ehepaares Rosina und Edward Bulwer-Lytton. Als Lyriker ebenso rührig gab Pfizer 1831 mit seinem Bruder Paul, einem späteren Abgeordneten in der Frankfurter Nationalversammlung, und mit Hermann Hauff „Fünfzehn politische Gedichte“ heraus und die eigene Sammlung „Gedichte“, die er Ludwig Uhland zueignete. Durch diese Widmung geriet Pfizer in den Bannkreis des Verdammungsurteils Goethes über Uhland und dessen „Schule“. Neben etlichen Gelegenheitspublikationen folgten 1835 „Gedichte. Neue Sammlung“, 1840 „Dichtungen epischer und episch-lyrischer Gattung“, 1844 „Der Welsche und der Deutsche. Aeneas Sylvius Piccolomini und Gregor von Heimburg. Historisch-poetische Bilder aus dem fünfzehnten Jahrhundert“ – Spuren eines Pfizers Persönlichkeit inspiriert habenden Italienerlebnisses sucht man auch in diesem Romanzenkranz umsonst. Die lyrische Leistung Pfizers, wie das solide Handwerkertum vieler poetae minores im 19. Jahrhundert, wurde mit dem formvollendeten Platen verglichen; sicherlich ein hinkender Vergleich, wenngleich Pfizer mit Platen die tiefe Abneigung gegen Heinrich Heine (1797-1856) teilte. Die Polemik Pfizer versus Heine et vice versa gehört zu jenen Literaturfehden, die aus persönlichen Motiven wie Neid und Eifersucht entstanden sind. Pfizers Aufsatz „Heines Schriften und Tendenz“ („Deutsche Vierteljahrsschrift“, 1838), in dem er umständlich und pedantisch Heines Mangel an Ernsthaftigkeit und Tiefe expliziert, veranlasste Heine, sich die „reflektierende Fledermaus“ im „Schwabenspiegel“ (1839) vorzuknöpfen, die mit Halbzitaten, Wortfälschungen und Textverschnitten Verleumdung betreibe: „Es gibt Länder, wo dergleichen mit einem Halsband von Hanf belohne wird“, doch versichere Heine, „daß ich in der Heiterkeit meines Herzens nicht den mindesten Unmut wider Herrn Pfizer empfinde. Im Gegenteil, sollte ich je imstande sein, ihm einen Liebesdienst zu erweisen, so werde ich ihn gewiß nicht lange zappeln lassen.“

Yvonne-Patricia Alefeld





[339]

Der Kranke in Italien.

1.

Was kamst zu schaun du in dieß Land so hold?
Willst du, gehüllt in purpurfarbnen Sammt
Den greisen Priester sehn beim heil’gen Amt?
Bist du der Kunst, der göttlichen, im Sold?

Hat die Granate, der Citrone Gold
Dem bleichen Fremdling solchen Wunsch entflammt?
Vernahmst du, daß man hier nicht streng verdammt
Die Liebesglut von Tristan und Isold?

Lockt dich das Bild der Welt beim Carneval?
Der Leichtsinn, gaukelnd auf der Vorzeit Gruft?
Der heiße Wein, umlaubt noch im Pokal?

Pompeji’s Fund? Der Tiber rost’ger Raub?
Die Geister, tanzend in des Meeres Duft?
Der frischen Schönheit Glanz und heil’ger Staub?


2.

O nichts von diesem! gönnt mir eine Stätte,
Sey es ein Hain, sey’s unter Tempelsäulen,
Wo von Apollos scharfen Todespfeilen
Ich, schwergeängstet, meine Jugend rette!

[340] Laßt ruhen mich im Laub und Blumenbette,
Daß seine Blicke mir vorübereilen,
Daß Wohlgerüche stärken mich und heilen,
Und ich gewinnen mag die theure Wette.

Ich fleh’ Euch Götter, Menschen, Bäume, Rosen!
O laßt nicht weiter den Verfolger streben,
Und mir vergönnet Rast, dem Athemlosen.

Daß ich, von Eurer Schönheit Wall umgeben
Unangefochten länger noch darf kosen
Mit meinem innigtrauten, süßen Leben!



Quelle:
Gedichte von Gustav Pfizer. Neue Sammlung. Stuttgart: Verlag von Paul Reff 1835.

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