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Georg Friedrich Rudolph Theodor Herwegh

Kurzbiografie

Der sozial-revolutionäre Dichter und Übersetzer Georg Friedrich Rudolph Theodor Herwegh (*31. Mai 1817 – †7. April 1875 in Lichtenthal bei Baden-Baden) wurde als Sohn eines Gastwirts in Stuttgart geboren. Ab 1828 besuchte er die Lateinschule in Balingen, das Gymnasium in Stuttgart und das theologische Seminar im Kloster Maulbronn. 1835 folgten das Studium der Theologie, zu dessen Abbruch er aufgrund Insubordination gezwungen wurde, und das Studium der Rechtswissenschaften, das er ebenfalls vorzeitig beendete. Er arbeitete als freier Schriftsteller und Redakteur in Stuttgart für August Lewalds (1792-1871) Zeitschrift „Europa“ und für Karl Gutzkows (1811-1878) Blatt „Telegraph für Deutschland“. Nachdem er einen königlich-württembergischen Offizier beleidigt hatte, flüchtete er 1839 in die Schweiz, da ihm andernfalls die militärische Zwangsrekrutierung gedroht hätte. In Zürich gewann man ihn für die redaktionelle Arbeit an der Zeitschrift „Volkshalle“. 1841 publizierte er den ersten Teil seiner „Gedichte eines Lebendigen“ und reiste nach Paris, wo er Heinrich Heine (1797-1856) traf. Nach seiner Rückkehr nach Zürich trat er eine Stelle bei der von Karl Marx (1818-1883) redigierten „Rheinischen Zeitung“ an und schloss Freundschaft mit Ludwig Feuerbach (1804-1872). 1842 wurde er Redakteur für die Zeitschrift „Die junge Generation“ und veröffentlichte „21 Bogen aus der Schweiz“. Gegen Ende desselben Jahres erhielt Herwegh die lang ersehnte Audienz bei dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. Dieser verwies den trotzigen Dichter nach dem Treffen und einem Brief Herweghs, in dem er im Nachhinein dem Monarchen „unter vier Augen“ seine Meinung sagte, des Landes und verbot die „Leipziger Allgemeine Zeitung“, die das Schreiben abgedruckt hatte. Verhöhnungen und Schmähreden – unter anderem von seinen langjährigen Rivalen und Kritikern Ferdinand Freiligrath (1810-1876) und Heinrich Heine – folgten dem Literaten auf seiner Flucht. Er siedelte nach Paris um, wo er Michael Bakunin (1814-1876) und erneut Marx begegnete. 1844 wurde der zweite Teil der „Gedichte eines Lebendigen“ verlegt. Nach der Pariser Februarrevolution 1848 wurde Herwegh Präsident des Republikanischen Komitees und Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Legion, die, nachdem er während der Märzrevolution mit einer kleinen bewaffneten Truppe nach Baden geeilt war, bei Schopfheim besiegt wurde. Es kam zur erneuten Flucht in die Schweiz und zum Bruch mit den Begründern des ‚wissenschaftlichen Sozialismus’. Anfang der 1850er Jahre wurde Herweghs Haus zum Versammlungsort für Persönlichkeiten wie Richard Wagner (1813-1883), Gottfried Semper (1803-1879), Wilhelm Rüstow (1821-1878) und Franz Liszt (1811-1886). Während dieser Zeit arbeitete er für die Schweizer liberale Presse und anonym für die Zeitschrift „Kladderadatsch“. Der Zweite Italienische Unabhängigkeitskrieg löste bei Herwegh Hoffnungen auf eine europäische Revolution aus. 1860 übersetzte er unter dem Eindruck von Giuseppe Garibaldis (1807-1882) „Zug der Tausend“ die „Garibaldi-Hymne“ und wurde 1861 Mitarbeiter der Zeitung „Popolo d’Italia“. 1863 ernannte man ihn zum Bevollmächtigten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, dem Vorläufer der SPD, in der Schweiz, für den er das „Bundeslied“ (1863) schrieb. 1866 kehrte er als ein Mitstreiter der Arbeiterklasse nach Deutschland zurück und schloss sich 1869 der marxistisch-revolutionären sozialdemokratischen Arbeiterpartei an. In seiner Position als Mitarbeiter des sozialdemokratischen Blatts „Der Volksstaat“ veröffentlichte er weitere Gedichte. Herwegh reagierte äußerst entsetzt auf den mit dem deutsch-französischen Krieg und der Reichsgründung entstandenen ‚Hurra-Patriotismus’. Im Alter von 58 Jahren verstarb er an einer Lungenentzündung.
Auch Herweghs Italienlyrik ist durchweg am politischen Umsturz orientiert und drückt die Sehnsucht und Hoffnung auf eine italienische Republik aus. In dem Gedicht „Gegen Rom“ wendet er sich offen gegen die Unterdrückung und Vormachtstellung seitens des katholischen Klerus.
 
Katharina Junk



[61]   

Gegen Rom.

1841.

Noch einen Fluch schlepp’ ich herbei:
Fluch über dich, o Petri Sohn!
Fluch über deine Klerisei!
Fluch über deinen Sündenthron!
[62] Nur Gift und Galle war, o Papst,
Was du vom Pol bis zu den Tropen
Der Welt mit deinem Zepter gabst,
Mit deinem Zepter von Ysopen.

Weh dir! Europas Kanaan,
Das einen Brutus einst gezeugt
Und jetzt sich vor dem Vatikan
Mit feigem Sklavengruße beugt;
Im Fleisch der Menschheit ward zum Pfahl
Die Wiege des Rienzi Cola,
Seit Luthern traf des Bannes Strahl
Und seit loyal dort nur Loyola.

Der Boden, der von Honig troff,
Nur Tränen bringt er noch hervor,
Seit Heinrich in des Pfaffen Hof,
Ein Knecht im Büßerhemde, fror;
Sein Weihrauch ist ein Grabgeruch,
Das Eden wurde zur Sahara,
Und zu Italiens Leichentuch
Die farbenglühende Tiara.

Doch spreiz’ dich nicht, du stolzes Rom,
Dir ist ein baldig Ziel gesetzt;
Du bist ein längst versiegter Strom,
Der keines Kindes Mund mehr letzt;
Du bist ein tief gefallen Land,
Du bist das auferstandne Babel,
Der Trug ist deine rechte Hand,
Dein Schwert das Märchen und die Fabel.

Und ob du Diener dir erkürst
In aller Welt, du mußt vergehn;
Es kann wohl ohne Kirchenfürst
Der Geist, der heilige, bestehn.
Du Autokrat im Höllenpfuhl,
Empfange noch mein letztes Zeter!
Du Herrscher auf St. Petri Stuhl,
Fürwahr! du gleichest jenem Peter –

Dem keine Glut ins Antlitz flammt,
Wenn man ob Göttern hält Gericht,
Der, wenn man sie zum Kreuz verdammt,
Noch ruft: „Ich kenn’ die Menschen nicht!“
[63] Der, wenn die Erde selbst sich härmt
Und tief in sich zusammenschaudert,
Am Feuer seine Hände wärmt
Und mit des Richters Mägden plaudert.

Du bist kein Fels, wie Petrus war,
Du bist nur feig und schwach, wie er;
Ein Morgenhauch bringt dir Gefahr
Und streut dein Reich wie Sand umher!
Du wirst erliegen, Lügenhirt,
Empören werden sich die Denker,
Das Brausen des Jahrhunderts wird
Zertrümmern seine letzten Henker!



Quelle:
Herweghs Werke. Erster Teil. Gedichte eines Lebendigen. Hrsg. und mit einem Lebensbild versehen von Hermann Tardel. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart: Deutsches Verlagshaus Bong [1909].

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