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Goethe, Schiller und die Goethezeit auf Google+

August Wilhelm von Schlegel

Kurzbiografie

August Wilhelm von Schlegel (*8. September 1767 in Hannover – †12. Mai 1845 in Bonn), Sohn des evangelischen Pfarrers und Schriftstellers Johann Adolf Schlegel (1721-1793), studierte Theologie und Philologie an der Universität Göttingen, wo ihn der Altphilologe Christian Gottlob Heyne (1729-1812)für die Antike und der Dichter-Professor Gottfried August Bürger (1747-1794) für Shakespeare und die zeitgenössische Literatur begeisterten. Nach vier Jahren als Hauslehrer in Amsterdam (1791-95) wirkte er von 1798 bis 1801 als Professor an der Universität Jena. Er arbeitete an Schillers Zeitschrift „Die Horen“ mit, fertigte Rezensionen für die „Allgemeine Literaturzeitung“ an und war Mitherausgeber der Zeitschrift „Athenäum“ (1798-1800). Zwischen 1797 und 1810 übersetzte er zusammen mit seiner Frau Caroline geb. Böhmer (1763-1809) siebzehn Dramen Shakespeares, eine Arbeit, die von Wolf Heinrich von Baudissin (1780-1878) und Dorothea Tieck (1799-1841) vollendet wurde. In seinen Berliner Vorlesungen „Über schöne Litteratur und Kunst“ (1884) behauptete er die Ebenbürtigkeit der antiken, der germanischen und romanischen Literatur des Mittelalters. Nach der Scheidung von seiner Frau (1803) lebte er bis 1817 als Lebenspartner der französischen Schriftstellerin Germaine de Staël (1766-1817) in deren Schloss Coppet am Genfersee, die er auf Reisen nach Italien, Österreich, Russland, Dänemark und Schweden begleitete. 1813 trennte er sich von Mme. de Staël und unterstützte den schwedischen Kronprinzen durch Abfassen von Reden und Proklamationen. 1815 wurde Schlegel in den Adelsstand erhoben. Seit 1818 Professor für Literatur- und Kunstgeschichte an die Universität Bonn, wurde er, neben Wilhelm von Humboldt 1767-1835) und Franz von Bopp (1791-1867), zu einem der Begründer der vergleichenden Literaturwissenschaft. Er selbst hat die indischen Epen „Bhagavad-Gita“ und „Râmâyana“ übersetzt und ediert. Weniger erfolgreich waren seine eigenen Dichtungen (Drama „Ion“,1803, „Gedichte“, 1800). Goethe bediente sich in metrischen Fragen seines versierten Rats. Schlegels eigene Gedichte verraten formale Könnerschaft, überzeugen aber nicht durch Originalität und Individualität.

Gunter Grimm

 

[373]

Der Dom zu Mailand

Anm. (von 1811). Dieses Wunderwerk der gothischen Baukunst ist dadurch in seiner Art einzig, daß es von außen und innen mit weißem Marmor bekleidet, und die schlanke Thurmspitze ganz daraus erbaut ist. Der Ueberfluß an Marmor hat auch die Verzierung mit einer unzählbaren Menge Bildsäulen veranlaßt. Von einem deutschen Meister entworfen, ist das Gebäude nachher durch einen Architecten aus der Schule des Michel Angelo weitergeführt, und die Vorderseite nach dem Geschmacke der damaligen Zeit abgeändert. Endlich ist der Bau liegen geblieben, so daß im Jahre 1805 noch ein Theil des Daches bloß mit Holz gedeckt war. [Was durch Napoleon und die österreichischen Kaiser seitdem für den mailänder Dom geschehen, ist bekannt genug. Anm. d. H.]

 

Gebirge du von Pfeilern, Bogen, Mauern,
  Mit deutscher Kunst des welschen Himmels Prangen!
  An deinem hochgethürmten Umriß hangen
  Die Blicke staunend halb und halb mit Trauern.

Ein steinern Heer von Vätern und Erbauern
  Der Kirche hält dich, selbst ihr Bild, umfangen,
  Und lehrt, wie wandelbar die Zeit empfangen
  Wahrheit, so alle Zeit soll überdauern.

Der Chor vertieft sich ernst in farb’gem Lichte,
  Doch Eitelkeit der klügelnden Geschlechter
  Hat das Portal der alten Form entwendet.

Nun laßen sie, des Heiligen Verächter,
  In nacktem Wust den Tempel unvollendet,
  Und so verstummt die marmorne Geschichte.

 

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel’s sämmtliche Werke. Hrsg. von Eduard Böcking. Erster Band Leipzig: Weidmann’sche Buchhandlung 1846.

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[21]

Rom

Elegie.

            ____

An Anne Louise Germaine

Baronin von Staël-Holstein, geb. Necker.

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Hast du das Leben geschlürft an Parthenope’s üppigem Busen,
  Lerne den Tod nun auch über dem Grabe der Welt.
Zwar es umlächelt die Erde von Latium heiterer Himmel,
  Rein am entwölkten Azur bildet sich Roms Horizont,
Wie es die Ebne beherrscht mit den siebengehügelten Zinnen
  Bis zu dem Meer jenseits, dort vom Sabinergebirg.
Aber den Wanderer leitet ein Geist tiefsinniger Schwermuth
  Mit oft weilendem Gang durch des Ruins Labyrinth.
Von uralter und ältester Zeit, unerwecklich entschlummert,
  Heget der Ort Nachhall, bleibet der Stein Monument.
Fast in der Dinge Beginn fand Zuflucht hier vom Olympus,
  Hier im genügsamen Reich waltete golden Saturn.
Drüben erstreckte sich dann dein Sitz, zweistirniger Janus;
  Nach Jahrtausenden noch heißet der Hügel von dir.
[22] Ferner, ein hirtlicher Held Arkadiens, wendet Evander
  Sich ansiedelnd hieher; Amphitryoniades
Ward, aus Iberien kommend, beherbergt unter dem Strohdach
  Pallanteum’s, und schlug, rächend, im Felsengeklüft
Cacus, der Nachbarn Schrecken, den flammaushauchenden Räuber:
  Also cyklopisch verwirrt starrte noch Wildniß umher.
Endlich erschwollen die Segel aus Phrygien: mild sie empfangend
  Ebnete landeinwärts Tibris den Wellenerguß,
Denn wohl wußt’ er bestimmt den Entführer der troïschen Laren,
  Fruchtbar an Weltherrschaft Ilions Asche zu sä’n.
Aber Lavinium wurde nur erst, dann Alba gepflanzet,
  Keiner der Sterblichen noch hatte von Roma gehört.
Langsam reifte zum Licht die Geburt; es versuchte das Schicksal
  Vieles darum: nie gab’s eine gewaltigere.
Mavors muß erst liebend entglühn, die Vestale gebären,
  Erst sich der Wölfin Gier mildern in Mütterlichkeit,
Ehe die weihende Furche der Pflugschaar konnte den Umkreiß
  Jener romulischen Stadt ziehn um den Berg Palatin.
Doch wie der Halbgott gleich in der Wieg’ einst Schlangen erwürgte,
  Wies, unmündig und klein, schon sie den hohen Beruf.
Die zwölf Adler des Zeus, so Romulus sah zu der Rechten,
  Ueber den Erdball einst sollten sie breiten den Flug.
Nicht durch rohe Gewalt: Rom wußte den Tod zu verachten,
  Aber das Leben zugleich ehrt’ es mit Sitt’ und Gesetz.
Der das Asyl aufthat, der Genoß lupercalischer Räuber,
  Ordnete Väter, und ward selber zum Vater Quirin.
Dann der ersinnende Numa, der heimlichen Nymphe Vertrauter,
  Reinigte alles in Kraft würdiger Religion.
Hütten genügten den Bürgern annoch, als, triftig den Enkeln
  Schon vorsorgend, die Stadt manches gemeinsame Werk
[23] Bauen gelernt: viereckig gehaun nach etrurischem Richtmaaß,
  Ohn’ anfugenden Kitt Massen auf Massen gelegt,
Hub sich die Ringmau’r ihnen, vertieften sich Wölbungen unten,
  Mit Bollwerken umdämmt wurde der Fels Capitol.
Viele Verfaßungen stürzten dahin: noch stehn die Gemäuer,
  Welch’ einst Ancus begann, oder Superbus entwarf.
Bald nun erschien der Decier Muth, und die Beile des Brutus.
  Häupter, vom Pflug oft her, oder vom Heerde, geholt,
Kamen, erretteten, siegten, vernichteten oder bezähmten,
  Und dann kehrten sie heim, still, zu dem Rindergespann.
Rüstigem Alter noch troff abhärtender Schweiß; doch schienen
  Unter dem greisen Gelock Runzeln der Stirn Diadem.
Drum auch liebte die Alten der Sterblichen Zeuger und Welt Herr,
  Weil sie im Abglanz Ihn stellten am würdigsten dar.
Oft zwar drängte sie Noth, doch jene verzweifelten nimmer,
  Denn die geheiligte Scheu wandte von ihnen die Furcht.
Mit der Gefahr wuchs jedem der Muth, sich für Alle dem Tod weihn,
  Schien einfältige Pflicht ihnen in bäurischer Brust.
Wollust preisen für Tugend, die Weisheit klügelnder Griechen,
  Schuf dem Fabricius Grau’n, nicht das gewaltige Thier.
Wacht, und bewahrt, o Römer, die Zucht! Nach Zeiten, da Trotz euch
  Veji in’s Antlitz bot, kommen gefährlichere.
Bald wird eure Geschicht’ Ein einziger langer Triumphzug,
  Und der ermüdete Blick zählt das Eroberte kaum.
Euch reift Ernte des Ruhms: euch hat Carthago gewuchert,
  Gleichwie der trunkene Gott euch Alexander gesiegt.
Zu Schiedsrichtern der Völker bestellt, und der Könige Schrecken,
  Falls ihr die Wage gerecht hieltet, so möchtet ihr wohl
Stets obwalten den Dingen nach Jovis untadlicher Vollmacht;
  Doch zu des Glücks Vorwurf macht ihr das hohe Gedeihn.
[24] Nicht der Samnite, des Galliers Wuth, nicht Hannibal dämpft euch.
  So will’s euer Geschick: selbst nur erlieget sich Rom.
Wer nie bebte dem Eisen, vom Golde nur wend’ er den Blick ab,
  Dessen bethörender Glanz hegt Basiliskennatur.
Hast du verlernt zu entbehren, und wähnst den Besitz zu ertragen?
  Herr dein selbst sein, gilt’s, oder von allem der Sclav.
Nie zu ersättigen schwelgt die Begier; die erkünstelten Laster,
  Her aus der Fremde geschifft, kauft unerschwinglicher Preis.
Feil ist Allen der Staat: dir, Crassus, um Sand des Paktolus;
  Stolz will schaltende Macht, Spiele der Pöbel und Brod.
Scaurus und Fabius heißt ihr wie sonst: doch erröthen der Ahnen
  Bildniss’ im Vorsaal euch; immer entartetere
Söhne sich zeugt das verderbte Geschlecht. Ohnmächtige Vorsicht,
  Die dem entnervenden Strom Schranken entgegengestellt!
Alles ja folget dem Strudel; das Recht wird falsches Gewebe,
  Freiheit wildes Gelüst, Larve die Religion.
Was dem Gemüth einprägten die biederen Bräuche der Vorzeit,
  Sind Buchstaben in Erz, dennoch erlöschet die Schrift.
Was wohl dürfte bestehn, wenn römische Tugend und Freiheit
  Niedergestürzt? Nichts bleibt unter dem Menschengeschlecht.
Auch so fielen sie groß. Als Bürgerentzweiung in Roms Blut
  Tauchte das römische Schwert, sah die besudelte Welt
Alles gebändigt, nur nicht die erhabene Seele des Cato.
  War frei leben versagt, sterben doch lehrten sie frei.
Solcherlei Trümmer entkamen der Tugenden Schiffbruch: nirgends
  Hat sich die Stoa wie hier würdige Schüler gestählt.
Immer noch will sich bewähren der Thatkraft mächtiger Nachdruck,
  Im ausschweifenden Thun kühner Gedanken Entwurf.
Dieß Zeitalter, entwöhnt der Bewunderung, buhlt um Erstaunen.
  Aus den Gemüthern hinaus flüchtet sich Roms Majestät
[25] Jetzo in Forum und Circus, Theater und Hall’ und Triumphthor,
  Jegliches edle Gebild griechischer Architectur.
Zwischen die Säulen und Giebel nun drängen sich marmorne Wunder,
  Athmender Statuen Volk dienet, gefangen geführt.
Denn es versammelt die einzige Stadt was Länder geziert hat:
  Was, anmuthigen Hauch leihend, der Grieche geformt,
Was, tiefdenkend und ernst, der Aegyptier; wachend am Tempel
  Liegt der basaltene Löw’ und der granitene Sphinx.
Aus äthiopischem Steinbruch einst von Sesostris entboten,
  Weit von Syene herab, lernte der Sonn’ Obelisk
Ueber die See hinfluten, den Nil für den Tiber vertauschen,
  Mit nachahmendem Strahl grüßen ein fremdes Gestirn.
Heute noch spricht er umsonst in verborgenen Hieroglyphen,
  Aber er macht auch kund, wer zu vernehmen es weiß,
Vom Umschwunge der Zeit, urweltlichen Menschengedanken,
  Herrlicher Reich’ Einsturz, und der Lebendigen Nichts.
Doch dieß Nichts schwellt an zum Giganten die rasende Willkür.
  Was wohl bliebe zurück, nicht von Despoten versucht?
Jene, die Rom brandmarkten mit allbeistimmender Knechtschaft,
  Haben den Abgrund ganz, lüsterner Frevel, enthüllt.
Weihrauch dampften Altäre der Brut unholder Dämonen,
  Bis sie der Schmach hinwarf plötzlich entgötternder Mord.
Freilich, es wetzt unmenschlich das Volk an den eigenen Sitten
  Selbst den tyrannischen Dolch, welcher im Innern ihm wühlt.
Tage, ja Wochen verbringt’s im umkreißenden Amphitheater,
  Stufen hinauf, zahllos, seht! an die Wolken geschaart;
Ueber dem Haupt hin wallet des Vorhangs duftender Purpur,
  Daß nur den Weichlingen nicht schade der sonnige Strahl.
Ihnen zu Füßen indeß, bluttrunkener Augen Ergötzen,
  Tobt Wehklagen und Wuth, und der bejubelte Tod.
[26] Zum Schauspieler erniedriget kämpft unwillig der Thiere
  König, und, minder geschätzt, wider den Sclaven der Sclav.
Africa hat sich erschöpft an Geburten der glühenden Wildniß,
  Tiger und Luchs und Hyän’; auch der Koloss Elephant
Flehet, verrathen und wund, Mitleid durch Jammergeberde,
  Der sonst offen im Feld römische Heere bestürmt.
Grausamer Spott! es erkennet die Meng’ in dem Bilde sich selbst nicht.
  Nicht für die Freiheit mehr, noch der Verbündeten Schutz,
Noch Grabmale der Väter geführt, willfahrend des Herrn Wink,
  Ward der entwürdigte Krieg gladiatorischer Scherz.
Wie wohl Schulen der Fechter, zur Wette von streitenden Meistern
  Gegen einander gestellt, schlägt Legion Legion.
Ob sie das Reich ausbieten, die prätorianischen Banden,
  Nur um der Knechtschaft Tausch fließt das verhandelte Blut.
Jene, die sonst ruhmvoller der Wüst’ Einwohner bekämpften,
  Fern an der Gränze der Welt, rauhes Barbarengeschlecht,
Gleichwie der Jäger das Wild aufstört in dem Lager der Bergschluft:
  Jetzt mißtraun sie dem Muth hinter verschanzendem Wall.
Parthischer Köcher Geschoß, zwiefach von den Rossen beflügelt,
  Scheuchet sie oft vor sich her, nicht in erdichteter Flucht.
Aber den sandigen Spuren des Hufs folgt hungrig der Schakal,
  Heult in der Nacht froh auf, witternd den Leichengeruch.
Den sie so lange gereizet, der Ur der hercynischen Forsten,
  Oft auch Stöße gefühlt seines gewaltigen Horns,
Er bricht endlich hervor, reißt hin durch jegliches Stellnetz,
  Und will selber den Feind suchen in dessen Gebiet.
Nicht halb zahm und dem Siege bequem, wie die Thiere des Circus,
  Wild wie der Heimath Wald heischt er entscheidenden Kampf.
[27] Ueber die Alpen herab schon wälzen sich neue Teutonen,
  Doch kein Marius naht! Aber ein bleiches Gespenst
Schwebt in des Heers Nachtrab, winkt hin zu den nordischen Haiden –
  Varus, er ist’s! – wo er einst diese Verderber erprobt.
Rom soll fallen, so ward’s in der Himmlischen Rathe beschlossen,
  Und vollziehn ihr Gericht soll das germanische Schwert.
Attila schreckte von fern, doch würdigt’ er nicht zu erobern:
  Deutsche begehrt’ er in Bund, Römern gebot er Tribut.
Aber es schickt Carthago vandalische Flotten dem Tiber;
  So weit hat sich des Glücks rollende Nabe gewandt.
Was schon Scipio dort, anschauend die eigne Verwüstung,
  Als in der Nacht, graunvoll, krachte der Flamme Ruin.
Und in den Wolken des Dampfs aufstieg Frohlocken und Wehruf,
  Aus dem heroischen Lied ahnenden Sinns prophezeit:
„Einst wird kommen der Tag, da das heilige Ilion hinsinkt,
  „Priamos auch, und des speerschwingenden Priamos Volk;“
Jetzo geschieht’s: kaum hebet ihr Haupt aus den rauchenden Trümmern,
  Schmucklos, bang’ und betäubt, ach! die Monarchin der Welt.
Roma, der Pallas Gespielin, ihr ähnlich am Schild und der Lanze,
  Leichter gegürteten Gangs nach Amazonengebrauch.
Die sonst Jupiters Winke gesandt von dem wallenden Helmbusch,
  Sitzt stilltraurend, und lehnt über zerbrochnen Trophä’n.
Nach viel grausenden Nächten, als alles verheert und geraubt war,
  Alles entvölkert, zuletzt kam die verlaßene Ruh.
Leise beseufzend umhaucht sie die halb noch verödeten Hügel,
  Welche, wie Gräbern geziemt, Tellus mit Rasen gedeckt.
Friedlicher mögen sie nun hinsinken, die letzten Ruinen,
  Längst zu verschwistertem Schutt neiget sich Säul’ und Gebälk.
[28] Sieh, hier lenkte herauf sich die heilige Straße: wie oftmals
  Her vom capenischen Thor trug sie den Pomp des Triumphs,
Feldherr, Krieger und Volk, und gefeßelter Könige Fußtritt,
  Oft vor dem Festruf scheu schneeiger Rosse Gespann,
Bis die geweiheten Ehren des Siegs, der Gelübde Bewährung
  Unter dem Golddach barg Jupiter Capitolin!
Jetzt ein versäumter und einsamer Pfad, wo träge das Saumthier,
  Ländliche Waare zur Stadt schaffend, den Treiber ernährt.
Sieh das Palatium drüben, das alle Paläste benannt hat,
  Wo, weil Einer nur galt, wachsend des Einzigen Haus
Romulus Rom einnahm, und die alten Penaten hinaustrieb,
  Und dem bethörten Gelüst Nero’s zu enge doch schien.
Kann’s dein Auge noch blenden, ein epheuumranktes Gemäuer,
  Mit Weinreben umkränzt, Stauden und Gartengewächs?
Ueber dem Badegemach nun spielen der Winzerin Kinder,
  Und das Gewölbe bewahrt häusliches Ackergeräth.
„Weidet,“ so rief aus begeisterter Brust die Sibylle von Cumä,
  Als glorreichen Beruf sie dem Dardanier sang:
„Weil es vergönnt ist, weidet ihr Stiere, das Gras von den sieben
  „Höh’n! denn bald soll hier stehen die herrlichste Stadt.“
Nun ist’s wieder vergönnt: Jahrhunderte brachten im Kreißlauf
  Stets umwandelnd, den Stand frühester Zeiten zurück.
Dorthin lagert die Mittagsruh in dem niedern Velabrum
  Heerden, im Forum sogar tönet das Rindergebrüll.
Schau an dem grasigen Hügel die weidenden! wie sie des Cacus
  Höhle sich sorglos nahn unter dem Hang Aventins!
Am hochstämmigen Bau und den speergleichragenden Hörnern
  Scheinet der Landschaft Vieh noch geryonische Zucht.
Und es beschämet der Menschen Geblüt. Sind dieß die Quiriten?
  Jeglicher Kriegsarbeit fremd, und dem übenden Roß,
[29] Wie sein selber zu spotten hinunter gezogen ins Marsfeld
  Drängt sich in engem Verkehr bleiches und ärmliches Volk.
Was auch möge geschehn, ein geduldig erwartender Haufe;
  Bettler der Vorzeit stets, Bettler des Tages zugleich.
Tränkte Agrippa sie nicht mit dem Thau jungfräulicher Quelle,
  Auf Schwibbogen heran luftige Wege geführt,
Möchten sie wohl hinschmachten im Durst des versengenden Hundsterns,
  Oder sie schöpften ihr Naß lau in umsumpfendem Schilf.
Sind Bruchstücke der alten die Zier der erneuerten Tempel,
  Sehn Graburnen, erstaunt, sich wie Altäre verehrt;
Borgtet ihr porphyrne Sä[u]len genug und von punischem Marmor:
  Borgt von den Ahnherrn auch hohe Gesinnung einmal!
Aber umsonst. So sah ich verdorrt apenninische Eichen,
  Welchen sich Epheu rings, Bacchus geselliges Laub,
Schlang um die Aeste zu lockigem Schmuck; wohl lügt es die Krone,
  Doch nie dringet die Kraft mehr von der Wurzel in’s Haupt.
So auch spielt die Natur hier gern in gefälligen Gaben,
  Während zu männlicher That Ernst dem Gemüthe gebricht.
Einzig die Bildnerin Kunst wetteiferte noch mit der Vorwelt,
  Als, in dem Schooße der Nacht langem Vergeßen geweiht,
Jene hellenische Huldin erstand; an erhabnen Gebilden
  Wies sich ergiebig der Geist, nicht ja der Boden allein.
Raphael dichtete liebend, prophetisch ersann Bonarotti,
  Wägte des Pantheons Dom stolz in den Aether hinauf.
Aber sie auch schwand hin, die erheiternde Blüthe. ‚G e w e s e n’
  Ist Roms Wahlspruch; nennt, welches Bestreben ihr wollt,
Gähnend entschleichet die Zeit, als hätte sie nichts zu erwarten.
  Stets dreht Ocnus am Seil, stets von dem Esel zernagt.
Janus erscheint hier selber, der Gott der Beginne, verstümmelt:
  Sein vorschauend Gesicht löschte der Jugendlichkeit
[30] Hoffnungen aus, formlos, unkenntlicher Züge; die andre
  Rückwärts schauende Stirn furchet unendlicher Gram.
Welches Gefieder noch brächt’ Augurien? welche Sibylle
  Deutete Zukunft wohl solchem versunkenen Sein?
Altert die Welt? und indeß wir Spätlinge träumen, entlöst sich
  Ihr hinfälliger Bau schon in lethäisches Graus?
Mit gleichmüthigem Sinne der Dinge Beschluß zu erwarten,
  Kein unwürdiger Ort wäre die ewige Stadt.
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Also sang ich am Fuße von Cestius Denkpyramide,
  Weil allmählich ihr Schatt’ unter den Gräbern verschwomm.
Dämmrung entfaltete rings den gefildeinhüllen[d]en Mantel.
  Um den Betrachtenden schwieg tiefere Feierlichkeit:
Fernher flüsterten nur wehmüthige dunkle Cypressen,
  Und mitfühlend, so schien’s, wankte der Pinie Haupt.
Stumm war alles Gewühl und Getös’ unruhiges Treibens,
  Leisesten Pulsschlag kaum spürte die ganze Natur,
Und fast schauerte mir, ob nicht den Lebendigen fremd ich
  Ohn’ eindrückende Spur wandelt’ im Schattengebiet.
Schwermuthsvoller Moment, wann, sinkend, des Tages Monarchin
  Sammt dem beseelenden Licht Formen und Farben entrückt;
Alles, gedämpft und erblaßt, mahnt unser entschwindendes Dasein,
  Und kein Hoffen erhebt über den irdischen Staub.
Noch nicht funkeln die Sterne, und gleichsam zwischen das Leben
  Dränget ein Stillstand sich, und die Unsterblichkeit, ein.
Doch, wie die heilige Nacht mit verheißenden Augen herabschaut,
  Ahnet der strebende Geist freudige Wiedergeburt.
Tröstend begegnete so dein Blick mir, edle Gefährtin,
  Jener entzückende Strahl göttlichen Doppelgestirns.
[31] Wahrheit wohnet in ihm, und die liebende hohe Begeistrung,
  Welche, zur Wonne dem Schmerz, selber in Thränen erglänzt.
Wem du botest der Freundschaft Hand, kann nimmer verzweifeln,
  Wann ungläubiger Hohn macht zum Fantom das Gefühl.
Zartheit hegend in tiefem Gemüth, bei’m Guten das Schöne,
  Kennst du der Huld Anhauch gleich wie der Größe Gewalt.
Mit vielfarbigem Zauber umgiebst du den Dichter: es hemmt nicht,
  Was Nationen entfernt, deinen geflügelten Geist.
Laß denn lauschen mich dir, Mittheilerin großer Gedanken,
  Wann das beredte Gespräch siegenden Lippen entströmt!
Viel von erhabenen Männern der Vorwelt wollen wir reden,
  Von Mitlebenden auch, oder den Opfern der Zeit.
Und wann unter den Weisen, die rein für das Ganze gestrebet,
  Wir aufsuchen ein Bild mildester Väterlichkeit,
Streng’ in der eigenen Brust, langmüthig dem Wahn und dem Undank,
  Gleichwie ein Schutzgeist schwebt über dem Menschengeschlecht:
Dann sei dessen Gedächtniß geheiliget, welchen zu kennen
  Nicht mir gegönnt war, ach! welchen du ewig beweinst.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel’s sämmtliche Werke. Hrsg. von Eduard Böcking. Zweiter Band. Leipzig: Weidmann’sche Buchhandlung 1846.

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