goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Bilder zu Gedichten
von Moritz Graf Strachwitz

Stand: November 2019

Das Goethezeitportal publiziert 10 Gedichte des weitgehend vergessenen Moritz Graf von Strachwitz (1822-1847), mit Zeichnungen von Felix Wichert, in Holzschnitt ausgeführt von R. Brend'amour's xylographischer Anstalt. Strachwitz, Spross einer angesehenen Adelsfamilie in Schlesien, studierte die Rechte, quittierte jedoch die Beamtenlaufbahn und führte ein freies, ungebundenes Leben. Mehrmals sprach er sich gegen den "Schacher", das "Philister-" und "Memmenthum" der Gegenwart und für die Werte der heroischen Zeit des Rittertums aus. Strachwitz war ausschließlich Lyriker. Im  literarisch-geselligen "Sonntags-Verein zu Berlin", bekannt  als "Tunnel über der Spree", wurde er in den 1840er Jahren und über seinen Tod hinaus zur "Identifikations-" und "Leitfigur" des Kreises (Weißert). Die bekannteste Würdigung von Strachwitz als Charakter und Balladendichter stammt von Fontane, der einige Zeit, wie er sich erinnert, "einer der Eifrigsten in der Strachwitz Gemeinde" war.

Vorlage:
Fünfzehn Bilder zu Moritz Graf Strachwitz Gedichten. Original-Zeichnungen von [Felix] Wichert, Lieutenant im 38. Infanterie-Regiment. In Holzschnitt ausgeführt von R. Brend'amour's xylographischer Anstalt in Düsseldorf. Breslau, Verlag von Eduard Trewendt [1867]. 16 lose Blätter. 4o Monogramm des Illustrators: F W.

Das Titelbild stellt eine Burg dar, gerahmt von zwei Rittern. Durch das geöffnete Tor (der Schlüssel steckt noch) fällt der Blick auf einen ritterlichen Kampf oder ein ritterliches Turnier. Im Rahmenwerk wird verwiesen auf das "Märchenland" und die Welt der Sagen.

Zu Brend'amour, Richard (1831-1915) siehe den Artikel in Wikipedia, URL
http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Brend'amour

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Gliederung

1. Bilder und Texte
2. Notizen zu Strachwitz
3. Literatur und Weblinks
4. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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Widmungsgedicht

Der Schacher und das Memmenthum, sie spreizen sich allwärts;
Wo spricht für Ehr' und Heldenruhm ein ritterliches Herz?
Doch, wen der junge Thatendrang zu kecker Wagniß zieht,
Der hört vielleicht zum Becherklang ein altes Heldenlied.

Mein Blut ist warm, mein Herz ist jung, gern läuft es fort mit mir,
Gern schwingt es der Begeisterung gluthfarbiges Panier;
Es wühlt noch gern mit Kindessinn im alten Sagenwust:
D'rum nehmt sie heut in Frieden hin, die bunte Märchenlust!

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1. Bilder und Texte

Es wurden 10 Illustrationen ausgewählt.
Beigegeben sind die vollständigen Texte der illustrierten Gedichte.

Noch ein Reiterlied

Den letzten Kuß, den letzten Schluck!
Ich bleibe Dir keines schuldig;
Es schmachtet nach dem Schenkeldruck
Mein Rößlein ungeduldig.

Der linke Fuß im Bügel wiegt,
Der rechte steht im Grase,
Die linke Faust im Zügel liegt,
Die rechte liegt am Glase.

Er sah das Blut der Trauben an
Und stürzt' es wild hinunter,
Der Hengst, er hub zu schnauben an,
Der Säbel klirrte munter.

Er hob sie empor und herzte die Dirn'
Und hob und herzte sie wieder,
Es wogt auf des Mädchens weiße Stirn
Der weiße Helmbusch nieder.

Und wird man mich bringen stumm und blaß,
Und tät' man mich erschießen,
So sollst Du mir ein volles Glas
Auf die blutigen Lippen gießen.

Und sollst Deinen Mund mit heißen Druck
Auf meinen pressen geduldig;
Den letzten Kuß, den letzten Schluck!
Dann bleib' ich Dir Beides schuldig.

Den letzten Kuß, den letzten Schluck!
Wir müssen uns endlich trennen;
Der Hengst bekam den Schenkeldruck
Und streckte sich aus zum Rennen.


Das Elfenroß

Es hatt' eine Dam' einen Renner flink,
Ein rasches, rotes Roß;
Zum Boden herab die Mähne hing,
Blitzfunken die Nüster schoß.

Dem Renner, dem war sie treu und hold,
Mit Silber war er gezäumt,
Beschlagen der Huf mit rotem Gold,
Mit Perlen der Gurt gesäumt.

Und eh' die Sonne am Himmel schwamm,
In dem Stalle die Dame war,
Sie kämmte dem Tier mit goldigem Kamm
Sein goldiges Mähnenhaar.

Und Seide sie flocht und Perlenband
Mit dem Lilienfinger hinein,
Es trank der Renner aus ihrer Hand
Den roten Burgunderwein.

Den vollen Arm, den weißen Arm
Um des Tieres Nacken sie schlug;
Es rann von der Wange die Träne warm
Auf des Renners glänzenden Bug:

»Mein stolzes Roß, mein treues Roß,
Dir klag' ich all mein Leid.«
Auf riß das Roß, auf dehnte das Roß
Die schnaubende Nüster weit.

»Sie wollen mir trauen als Bettgenoß
Den falschen, verhaßten Mann.«
Da sprengte das Roß, da riß das Roß
Der goldenen Halfter Bann.

»Mein rotes Roß, mein rasches Roß,
Heut rette mich, oder nie!«
Tief senkte das Roß, tief bog das Roß
Vor der Herrin das schlanke Knie.

Und sah sie an gar bang und lang,
Gar traulich und flehentlich,
Die Dame sich auf den Renner schwang,
Der Renner von hinnen strich.

Die Schwalbe, die unten im Sturme glitt,
Sie holt' ihn nimmer ein,
Der Sturm, der oben auf Wolken ritt,
Keucht' ächzend hinterdrein.

Es steht ein Schloß im Elfenwald,
Ein diamantenes Schloß,
Da stockt' es im Laufe, da macht' es halt,
Da stand es, das schnelle Roß.

Und als sie ihm dankend den Hals umfing,
Es koste mit Mund und Hand,
Statt des Renners der Dame im Arme hing
Der König von Elfenland:

»Du schöne Frau, du minnige Frau,
Nun sollst du mein eigen sein.
Das Elfenschloß und der Elfengau
Ist alles, alles dein!

Und wie du vordem in Hof und Stall
Kredenzt mir den roten Wein,
So kredenze fortan mir in Schloß und Hall'
Die roten Lippen dein.«


Wie der Junkherr Ebbelin die Nürnberger foppen tät

Ich weiß eine Märe, gut und kühn,
Von keckem Ritterwerk:
Es fingen den Junkherrn Ebbelin
Die Herren von Nürenberg.

Sie fingen ihn mit Hinterlist,
Sie schnürten ihm Hand und Fuß:
»Nun haben wir dich, du schlimmer Christ,
Der Galgen dir werden muß.«

Und jeder Ritter von Wag' und Ell',
Der machte ein stolz Geschrei,
Und jeder Schuster- und Schneidergesell,
Der hatte sein Wort dabei.

Fünf Schneider schleppten des Ritters Speer,
Wie Goliaths Weberbaum,
Sie keuchten gewaltig und schwitzten sehr
Und brachten ihn vorwärts kaum.

Die Sporen ein tapferer Fleischer hob,
Zwei Schreiner den Helm zugleich,
Und wenn der Helmbusch im Winde stob,
Da wurden sie blaß und bleich.

Und zwischen Mauer, Graben und Tor,
Da wollten sie hängen ihn;
Da sprach zu dem mannlichen Bürgerchor
Der Junkherr Ebbelin:

»Ihr Herrn, nehmt mir das Wort nicht krumm!
Es sei meine letzte Bitt':
Laßt reiten mich im Zwinger herum
Meinen allerletzten Ritt.

Rundum ist Schanze, Tor und Schloß,
Ich kann euch nicht entgehn,
Laßt mich mein Roß, mein tapfres Roß,
Zum letzten Male sehn.«

Es brachten das Roß Gesellen vier,
Den Junkherrn banden sie los;
Wie schwang sich auf das schlanke Tier
Der Degen, kühn und groß!

Und wie er es trieb mit Hieb und Ruf,
Mit Zunge, Schenkel und Hand,
Da flogen ringsum von des Renners Huf
Da Männlein in den Sand.

Wild stampfte der Hengst und tanzte keck,
Zum Graben sprengt' er herum;
Die Herren befiel ein grimmer Schreck,
Sie standen betäubt und dumm.

Und über Graben, Schanz' und Wall
Hinsprang er wild und toll,
Indes herüber mit Donnerschall
Des Ritters Gelächter scholl:

»Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch
Den Adler, stolz beschwingt,
Eh' Krämerwitz und Krämerjoch
Den Ritternacken zwingt.«

So rief der freudige Rittersmann
Und wandte den wilden Gaul,
Die Herren sahen einander an
Und machten ein großes Maul.

Wohl oftmals schon mir's widerfuhr,
Wenn ich zu sehr getollt,
Daß Philistertum und Philisternatur
Mich fangen und hängen gewollt.

Da sprang ich auf mein schnelles Roß,
Aufs Roß der Phantasie,
Sein Huf zerschmetterte Tor und Schloß,
Die Guten fingen mich nie.

Hei, Lumpengesindel, gib mir Platz,
Hinüber, mein Roß, hinaus!
Hei, Schenkeldruck und Sprung und Satz,
Ade, Philisterhaus!

Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch
Den Adler, stolz beschwingt,
Eh' Philisterwitz und Philisterjoch
Den Dichternacken zwingt.

Junker Eppelein von Gailingen (gest. 1381) war ein fränkischer Raubritter, der die Handelswege nach und aus Nürnberg unsicher machte. "In Nürnberg wurde er zum Tod am Galgen verurteilt. Der Legende zufolge soll er mit seinem Pferd über die Mauer des Nürnberger Burggrabens gesprungen und entkommen sein. Die Nürnberger wurden bis in die heutige Zeit hinein wegen ihres Missgeschicks mit der Bemerkung „Die Nürnberger hängen keinen – sie hätten ihn denn!“ vom Volksmund verspottet." (Wikipedia)


Der Elfenring

Drum rat' ich jedem Junker flink,
Der geht nach Hofe fein,
Er setze sich nicht auf die Elfenhöh',
Allda zu schlummern ein!

Dänische Ballade

Ich weiß es wohl, Ihr liebt es nicht,
Zu hören alte Geschichten,
Allein der Wald ist gar zu grün,
Zu prächtig rauschen die Fichten!

Ich weiß es wohl, Ihr hört's nicht gern,
Doch kann ich Euch nicht dienen,
Hier gellt kein Laut der geschwätzigen Welt,
Nur Hirsche grasen im Grünen. –

Ins Grüne ritt Herr Edelfried;
Es blühte sein Mund im Scherze,
Ihm unterm Sattel tanzte sein Roß,
Und innen tanzte sein Herze.

Ich kenne Dich wohl, Herr Edelfried,
Und wie Dir ist zu Sinne,
Dein Herz, Dein neunzehnjähriges Herz,
Es tanzt vor lachender Minne!

»Im Grünen schlummert die Sommernacht,
Der Mond webt Silberflitter,
Wem heute das Herz nicht vor Minne tanzt,
Das ist ein schlechter Ritter!«

Ins Grüne sprang Herr Edelfried,
Den Zaum ins Geäste schlang er,
Er stellte sich in den Elfenring,
Das Horn an die Lippe schwang er.

Im Nachtwind wehte sein Reiherbusch,
Er stand gelehnt am Schwerte,
Er blies den allersüßesten Reim,
Ich weiß nicht, wer's ihm lehrte.

Doch wer ihm immer das Lied gelehrt,
Er hat's nicht lange geblasen,
Ihn zog ein wunderschlanker Arm
Hernieder in den Rasen:

»Du weiße Fee, Du listige Fee
Wie bin ich vor Dir erschrocken!«
Das Schwert versank im wehenden Gras,
Zusammen flossen die Locken.

Ein langer Kuß, – o edler Wald!
Er starb in den säuselnden Blättern,
Und wer die Beiden verraten hat,
Den mögen die Wipfel zerschmettern!<


Der gefangene Admiral

Sind heute dreiunddreißig Jahr,
Seit ich kein Segel sah,
Es steht der Turm unwandelbar,
Die Kett' ist ewig da.
Sie haben gemauert den Delphin
In lichtlos Felsgestein
Und unerreichbar über ihn
Ein winzig Fensterlein.
Nicht, daß ich fern von Licht und Tag,
Macht mir das Herz so schwer,
Als daß ich dich nicht zu schaun vermag,
Mein heiliges blaues Meer!

Ich höre nicht, wie die Brandung rollt,
Und keiner Möwe Geschrill.
Und wenn die Kette nicht rasseln wollt',
So wär' es totenstill.
Sie bauten wohl fern vom Meer den Turm,
Wo keine Woge prallt,
Kein Bootsmann pfeift, und pfeift kein Sturm,
Kein Schuß den Sturm durchschallt.
Nicht, daß man in schweigende Nacht mich warf,
Macht mir das Herz so schwer,
Als daß ich dich nicht hören darf,
Mein tiefaufdonnerndes Meer!

Mein greises Gebein ist schwer und leer,
Mein Leib wird nimmer heil,
Die Faust schwingt nimmer die Lunte mehr
Und nimmer das Enterbeil! –
Die große Flagge auf dem Mast,
Die Breitseit' lasset sehn,
Und Jungens, wen aufs Korn ihr faßt,
Der Teufel hole den! –
Nicht, daß ich verwelkt in Haft und Bann,
Macht mir das Herz so schwer,
Als daß ich auf dir nicht fechten kann,
Mein kampferschüttertes Meer!

Nun drauf und dran, geentert keck,
Und feuert noch einmal!
Ha Schiff an Schiff und Deck an Deck,
Und ich der Admiral! –
O fiel' ich doch im Kugelgezisch!
Hier lieg' ich siech und wund,
Hinschmachtend, wie im Sand ein Fisch,
Und sterbend, wie ein Hund.
Nicht, daß ich sterbe Zoll um Zoll,
Macht mir das Herz so schwer,
Als daß ich auf dir nicht sterben soll,
Mein oft bezwungenes Meer!

Die Segel hängt das Schiff im Leid,
Ein schwarzes, verwitwetes Weib,
Die Flagge deckt als Sterbekleid
Den toten Heldenleib.
Er sinkt ins Meer von der Spiegelwand,
Das bebt in heiliger Scheu. –
Mich aber scharren sie in den Sand
Und schießen nicht einmal dabei!
Nicht, daß mein Leben hier verrann,
Macht mir mein Herz so schwer,
Als daß ich in dir nicht schlafen kann,
Du Heldengrab, mein Meer!


Richard Löwenherz' Tod

1.
Hinweg die Lanze, hinab vom Roß!
Bei Gott und unsrer Frau!
Ich nehme das stolze Rebellenschloß
Noch vor dem Abendgrau.

Hinan, ihr Lords von Nord und Süd,
Hinan, auf Wall und Turm!
Durchs Löwenbanner der Sturmwind zieht,
Er heult: zum Sturm, zum Sturm!

Zieht, Schützen, den langen Bogen ans Ohr,
Der oft den Hirsch bedroht;
Auf, sendet in jedes Herz empor
Den graubefiederten Tod!

Hoch lebe das fröhliche Engelland,
Und jedes Stück davon!
Der König schwang in der Panzerhand
Die Streitaxt von Askalon.

nd wem die Axt um die Ohren pfiff,
Der ward auf ewig taub,
Und wem die Axt an den Nacken griff,
Der lag ohne Kopf im Staub.

2.
Wen legst du dort ins grüne Gras,
Sag' an, mein kühner Gesell? –
Seine Stirn ist hoch, seine Wange blaß,
Sein Aug' blickt grimmig hell.

Die Streitaxt hält die Faust umklemmt,
Als gält' es das ewige Heil;
Doch tief in dem blutigen Panzerhemd,
Da zittert der dünne Pfeil.

Die Faust ward matt, die Lippe weiß,
Der Schlaf ihn überkam;
Der Mund aber betete röchelnd leis':
»Für Gott und meine Dam'!«

Und wie er es sprach in zuckendem Schmerz,
Der todeswunde Mann,
Da hatte das brechende Löwenherz
Den letzten Schlag getan.

Die Faust war starr, und starr das Blut,
Die Lippe war stolz gebäumt,
Als riefe sie noch mit grimmem Mut:
»Still, wenn der Löwe träumt!«


Das Lied vom falschen Grafen

Ich bring' Euch wieder ein altes Lied
Von schwerem Liebesleid:
Es liebte der Däne Walafried
Eine Norwegs-Fischermaid,
Am Kreidegeklipp, wo sich bäumt die Flut
In schäumender Ungeduld,
Da küßt' er sie oft mit falschem Mut
Und schwur ihr ewige Huld.

Er schwur bei seines Schwertes Griff,
Bei seines Mantels Kreuz,
Bei dem Sturm, der die heulende See durchpfiff,
Bei der Dirne eigenem Reiz.
Er schwur ihr bei dem heiligen Meer,
Bei seines Vaters Bart,
Bei Rittertreu' und Ritterehr'
Nach falscher Ritter Art:

»Eh' schlinge mich ein der Woge Wut,
Eh' meine Treu zertaut!«
Es hörte den Schwur die Meeresflut,
Sie brüllte wild und laut.
Der Fant die Maid in die Arme schloß,
Fort ritt er mit leichtem Sinn,
Er ritt hinan auf das Felsenschloß,
Zu der jungen Königin.

Es ruhe mein Lied an dieser Stell',
Die doch ein jeder weiß.
Der Markgraf war ein junger Gesell,
Der König war ein Greis! –
»Auf der hohen See, in den Wind hinaus,
Da liegt mein Schiff zur Wacht;
In Jütland in meines Vaters Haus
Da schlafen wir morgen Nacht.«

Es senkt auf die Wasser König Schlaf
Sein Zepter schwer und matt,
Mit der Fürstin fährt der Dänengraf
In das brausende Kattegat.
Eine Fischerdirn' mit braunem Gesicht,
Die rudert den Kahn mit Macht;
Der falsche Ritter kennt sie nicht,
Zu finster ist die Nacht.

Sie sieht nicht auf ihn, nicht auf die Dam',
Sie rudert für und für,
Sie stiert mit Blicken wundersam
Auf das Kreidegeklipp vor ihr.
Und näher rückt die Felsengestalt,
Wie ein Norwegs-Gletschergeist.
Des Dänen Arm mit süßer Gewalt
Sein königlich Lieb umkreist:

»Sei ruhig, mein Lieb, dort liegt mein Schiff,
Sei ruhig, bald ist's getan!«
Und näher kam das Felsenriff,
Und rascher schoß der Kahn.
Zwei Ruderschläge mit wilder Eil',
Die tat die braune Dirn',
Da stürmte der Nachen wie ein Pfeil
Nach der weißen Felsenstirn.

»Eh' schlinge mich ein der Woge Wut,
Eh' meine Treue zertaut!«
Es hörte den Schwur die rächende Flut,
Sie brüllte höhnisch laut.
Ein Ruderschlag, und es borst der Kahn
Mit wildem Gekrach entzwei. –
Die Woge, sie zog die alte Bahn,
Und drunter lagen die Drei!

 

Die Perle der Wüste

(Journal de Smyrne)

Zum Pascha von Beirut, vor seinem Heere,
Als just die Schaufel hielt der Bügelhalter,
Her trat ein Araber vom Roten Meere.

Es war ein brauner Scheich in rüst'gem Alter,
Weiß war sein Kleid, an dunkelroter Schleife
Da hing sein Perserschwert, sein Turbanspalter.

Es floß der Bart in vollster Schwärz' und Reife
Auf unsres Emirs bronzebraune Büste,
Er hielt ein Pferd am schmalen Zügelstreife.

Dreimal die Erde schlug sein Mund und grüßte
Den Pascha, der hinschielend nach der Stute
Gar gnädig sprach: »Steh auf, o Sohn der Wüste!«

Darauf der Scheich mit schmerzbewegtem Mute:
»Ich bringe Dir ein Roß, o Herr, zu Kaufe
Von der Koylani allerreinstem Blute.«

»Ein flücht'ger Staub der Wüste ist's im Laufe,
Doch fest wie Sinai, der Wolkenträger,
So steht's in des Gefechtes Feuertaufe.«

»Kennst Du den S'mum, den todbeschwingten Jäger?
Oft hab' ich ihn ereilt im tollsten Jagen
Und ihn beim Bart gezaust, den Steppenfeger.«

»Nimm hin das Roß, ich würd' ihm nie entsagen,
Wenn nicht der Hunger mir, der Markzerfresser,
Die dürren Krallen in das Fleisch geschlagen.«

»Nimm hin das Roß, nie ritt ein Fürst es besser,
Nie trank ein edler Tier mit Durstgelüste
Der Wüstenquelle heiliges Gewässer.«

»Ich gäb' es nicht um Ormus Perlenküste!
Doch! In der Öde hungern meine Knaben,
Und meinem Weibe dorrt der Quell der Brüste!«

Also der Mann, und in die Runde traben
Ließ er am Seil den vielgepries'nen Renner:
»Für tausend Tamans sollst das Tier Du haben.«

Der Türke schmunzelte, er war ein Kenner,
Die Stute war von wundervollem Baue,
Und schnurrbartstreichend staunten seine Männer.

Es schimmerte das Fell im reinsten Graue,
Gleich mattem Silber oder weißem Samte,
Gestrichen von der Hand der schönsten Fraue.

Schaumwellen glich die Mähn', das Auge flammte,
Im Bogen flog der Schweif, wild schnob die Nase,
Wenn sich das Bein zum Niedersetzen strammte.

Nicht eine Wunde schlug der Huf im Grase,
So, selbstgefällig an dem seid'nen Stricke,
Hinprahlte sie, die Tochter der Oase. –

Der Pascha winkte freudig mit dem Blicke;
Der Seckelmeister trat zum Beduinen,
Aufs Zählbrett pflanzend tausend blanke Stücke.

Der aber stand mit schwermutvollen Mienen
Und wandte nicht sein Auge von der Stute,
Als dächt' er ewig ihr zum Pfahl zu dienen.

Und leise wiehernd sprang heran die Stute,
Den kleinen Kopf auf seine Schultern stützend,
Und klug und traurig sah ihn an die Stute.

Er aber sprach mit Augen feucht erblitzend:
»Du wirst nicht mehr mit mir die Luft durchsausen,
Den Sand von Deinen Fersenbüscheln spritzend;«

»In Marmorställen wirst Du fürder hausen,
Du wirst nicht mehr im Zelt mein Lager wärmen,
Nicht mehr mit meinen Kindern Datteln schmausen;«

»Nein, federprunkend, unter Pracht und Lärmen,
Mit goldnen Zügeln, perldurchwirkten Mähnen,
Wirst Du vor prächtigen Geschwadern schwärmen!«

Und reubewältigt knirscht' er mit den Zähnen
Und küßte auf den Hals das Tier und weinte,
Und selbst die Stute weinte helle Tränen.

Da vor dem Pascha, welcher höhnisch greinte,
Küßt' er den Staub und schrie: »Nimm ab den Sold mir,
Um den mein Roß ich zu verschachern meinte;«

»Gib mir mein Roß; was soll das schnöde Gold mir,
Als daß mein Roß damit zur Schlacht ich schmücke.
Gib mir mein Roß zurück, o Herr, sei hold mir!«

Darauf der Pascha: »Juckt Dich Dein Genicke?
Mein ist das Pferd, Dein ist das Geld, so bleib' es,
Und gehst Du nicht, lass' ich Dich hau'n in Stücke!«

Doch jener, immer noch gebognen Leibes:
»Nimm, Herr, Dein Gold und laß mir meine Stute,
Die Perle meines Stamms und meines Weibes;«

»Und willst Du nicht, so nimm mich samt der Stute,
Laß mich als Troßknecht Deine Pferde striegeln,
Ich kann nicht heimgehn ohne meine Stute!«

Der Pascha rief, und aus den breiten Bügeln
Mit draht'nen Peitschen sprangen die Tataren,
Dem Lästigen die Sohlen zu beflügeln.

Der aber griff den Renner bei den Haaren
Und durch den schönen Hals mit festem Schlage
Ließ schneidend er die Perserklinge fahren.

Der Säbel schnitt – und lautlos, ohne Klage,
Sah er sein köstlich Tier zusammenknicken,
Das blickt' ihn an, als ob's noch Dank ihm sage.

»Dich wird fürwahr kein fremder Sattel drücken,
Kein fremder Daumen wird Dein Kammhaar fassen,
Kein fremder Sporn die Flanke Dir zerstücken! –

Mich aber, Pascha – magst Du pfählen lassen!«


Sonst und jetzt

Mein Lieb, die Welt ist kalt und kahl,
Die Leute träg' und trübe,
Es ist, beim Himmel, nicht einmal
Viel Spaß mehr bei der Liebe.

Wir schmachten uns von weitem an
Und küssen uns in der Nähe
Und fahren auseinander dann,
Daß keiner es erspähe.

Wenn Wolken zwischen uns sich ziehn,
So hörst Du auf, mich zu grüßen,
Und ist Dein Zorn recht weit gediehn,
So fall' ich Dir zu Füßen.

Wir lieben uns, wie es nutzt und frommt,
Damit die Welt nicht richte,
Und wenn die Sache aufs Höchste kommt,
So mach' ich schlechte Gedichte.

Wir führen uns beim Spazierengehn
Und lieben uns unendlich
Und manchmal, nun, Du mußt's gestehn,
Langweilen wir uns ganz schändlich! –

– Wie war die Zeit doch blühender,
Die Zeit der Helme und Koller!
Da waren die Weiber noch glühender,
Die Männer frischer und toller.

Da war die Liebe noch Heiligtum,
Das Schwert noch schärfer und spitzer,
Da waren die Frauen der Helden Ruhm,
Die Helden Frauenbeschützer. –

– Es streckt in die Nacht, in die Mondscheinnacht
Der Turm sein Haupt, das starre,
Durch die Mondscheinnacht tönt liebentfacht
Das klagende Lied der Guitarre.

Die Laute schmachtet, die Laute fleht,
Der Mond wird heller und heller,
Das Fräulein auf dem Söller steht,
Der Junker unter dem Söller.

Den Turm umklettert ein Rosenstrauch
Mit Ranken schweifend und lose.
Ich weiß nicht, fiel sie vom Windeshauch,
Doch nieder fiel eine Rose. –

– Auf tausend Helmen die Sonne blitzt,
Es flattert die Scharlachfahne,
Er auf dem bäumenden Schimmel sitzt,
Sie sitzt auf hohem Altane.

Den Speer gesenkt, die Zügel verhängt,
Das Haupt auf die Faust gebogen,
So kommt er durch die Schranken gesprengt,
Die Federn nicken und wogen.

Sie faltet die Hände im Todesschreck:
»Gott sei dem Liebsten gnädig!«
Ihr Liebster wiegt sich im Sattel keck,
Des Gegners Hengst ist ledig.

Durch die Nacht, durch die mondlos finst're Nacht
Vom Fenster baumelt die Leiter,
Durch die finstere Nacht, da schreiten sacht
Zwei Rosse und ein Reiter.

Er schlägt in die Hand ein, zwei, drei Mal:
»O, Dame! steige hernieder.
Meiner Rosse Gebein ist all von Stahl,
Dein Vater kriegt uns nicht wieder!«

Sie jagen von dannen Knie an Knie,
Im Takte setzen die Tiere,
Sein geharnischter Arm umklammert sie,
Seine Lippe berührt die ihre.

Das war die Zeit, die traurige Zeit,
Ihr wollt von ihr nichts wissen,
Indes die moderne Vortrefflichkeit
Faullenzt auf ledernen Kissen.

Das war die Zeit voll Wahn und Joch,
Die Zeit verdüstert und nachtvoll,
Das aber muß man ihr lassen doch:
Zu lieben verstand sie prachtvoll!

Das war die Zeit so rauh und roh!
Sie liegt schon lange begraben,
Wir aber jetzt, wir lieben nicht so,
Wir können's bequemer haben!

Die Droschke trägt das Schild "Vereins / 38 / Droschke". Die Glocke, die gerade geläutet wird, ist beschildert mit "Jetzt". 

Das Lied von der armen Königin

Es weht ein Lied mir durch den Sinn,
Ein Lied, recht wunderbar,
Das Lied von der reichen Königin,
Die doch eine Bettlerin war.

Zu des Königs Halle folgt mir hin,
Vor des Prunksaals offne Tür:
Im Saale stand die Königin,
Vor ihr der Kavalier.

Es war ein Junker edlen Stamms,
Ein schlanker, kühner Fant.
Ha wie das schwarze Galawamms
Ihm zu Gesichte stand! –

Der Junker neigt sich kalt und tief,
Aus der Halle schritt er leis,
Die Fürstin an das Fenster lief,
Es war ihr gar zu heiß!

Und wie sie sah vom höchsten Turm
In den mondbeglänzten Gau,
Da hob ein ganzer Wonnensturm
Den Busen der schönen Frau:

»Soweit das Herz mir strebt und denkt
In Erde, Meer und Luft,
Soweit der Blick sich hebt und senkt
In Tal und Bergesduft;«

»Soweit sich vor des Auges Strahl
Des Himmels Bogen spannt,
Soweit in Hütt' und Rittersaal
Wird alles mein genannt.«

»Mein ist der Helden Heeresbann,
Und mein ihr bester Ruhm,
Mein ist der allerschönste Mann
Im ganzen Königtum.«

»Mein ist sein Herz, und mein sein Mund,
Und mein sein Schwertesstreich,
Wie bin ich doch zu dieser Stund'
So unermeßlich reich!« –

Da ist die Fürstin schnell verstummt:
Was rauscht im Garten dort!
Es kommt zu ihr heraufgesummt,
Wie flüsternd Liebeswort.

Zwei Stimmen sind's, die erste, o!
Die kennt sie allzugut,
Die schwatzt so leicht und liebesfroh
Von Lust und Liebesglut.

Die spricht so ernst und schwört so heiß,
Sie schweigt. – Da rauscht ein Kuß!
Der Fürstin starrt das Blut zu Eis,
Es stockt ihr Hand und Fuß.

Sie sieht so starr ins Blaue hin
Im ungeheuren Harm. –
Wie war die reiche Königin
So unermeßlich arm!


*****

2. Notizen zu Strachwitz

 

Moritz Graf von Strachwitz,
Lithographie von Josef Kriehuber, 1841

Moritz Graf von Strachwitz, geboren am 13. März 1822 auf dem Familiensitz zu Peterwitz in Schlesien, entstammt einer angesehenen Adelsfamilie in Schlesien. Er erhielt eine gymnasiale Ausbildung und widmete sich dem Studium der Rechte in Breslau und Berlin. Seine Vermögensverhältnisse erlaubten es ihm, die juristische Laufbahn zu quittieren, in seine geliebte Heimat zurückzukehren und ein freies Leben zu führen. Gegen das Philisterthum  und ein bürgerliches Leben spricht er sich in mehreren Gedichten aus. Eine längere Reise führte ihn nach Schweden, Norwegen und Dänemark (siehe den Cyclus „Nordland“ in den „Neuen Gedichten“). Auf seiner Rückkehr aus Italien holte er sich in Venedig eine tödliche Krankheit. „Ich bin so krank und sterben möcht’ ich gerne in Venedig,“ heißt es in den zehn Gedichten auf Venedig. Verstorben ist Strachwitz am 11. Dezember 1847 in Wien

Strachwitz war ausschließlich Lyriker. Seine Gedichte liegen in zwei Sammlungen vor: "Lieder eines Erwachenden", 1842; "Neue Gedichte", 1848). Im 1827 gegründeten literarisch-geselligen "Sonntags-Verein zu Berlin", bekannt  als "Tunnel über der Spree", wurde er in den 1840er Jahren und über seinen Tod hinaus zur "Identifikations-" und "Leitfigur" des Kreises (Weißert, S. 90). Für die Balladenproduktion des Tunnels, die Fontanes Balladen umfasst,  wird Strachwitzens von einem "aristokratisch-heroischen Lebensgefühl getragenes, idealisiert-mittelalterliches Heldentum" bestimmend (ebd.). Er kritisiert das Philistertum ("gegen  "Schacher" und "Memmentum") und greift zurück auf die Welt der Märchen und Sagen.

Die bekannteste Würdigung von Strachwitz stammt von Theodor Fontane. Als Fontane 1844 in den Sonntagsverein eintrat, war Strachwitz bereits in seine Heimatprovinz Schlesien zurückgekehrt, war jedoch unter den "Tunnel-Leuten" weiterhin allgegenwärtig. "Wo drei zusammen waren, da war er Gegenstand der Unterhaltung". Er war von etwa 1840 bis 1843 "nicht bloß Mittelpunkt des Vereins, sondern zugleich auch aller Stolz und Liebling." Denn "er war wie seine Lieder: jung, frisch, gesund, ein wenig übermütig, aber der Übermut wieder gesänftigt durch Humor und Herzensgüte,"  wie ihn Fontane charakterisierte. Einige Zeit war Fontane "einer der Eifrigsten in der Strachwitz-Gemeinde", aber auch als er längst die Poetik dieser Zeit überwunden hatte, liebte er ihn um eines "Prachtgedichtes" willen, der heroischen oder nordischen Ballade "Das Herz von Douglas". (Zitate nach Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig)

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3. Literatur und Weblinks

Literatur

* Moritz von Strachwitz: Gedichte. Neusatz mit Biographie des Autors bearbeitet und eingerichtet von Michael Holzinger. 2013.
* Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Darin Kap. 1. Der Tunnel, seine Mitglieder und seine Einrichtungen. ─ Kap. 2. Mein Eintritt in den Tunnel. Graf Moritz Strachwitz.
* Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825-1933. Hrsg. von Wulf Wülfing, Karin Bruns und Rudolf Parr (Repertorien zur Deutschen Literaturgeschichte, 18) Stuttgart: Metzler 1998. ISBN 3-476-01336-7. Darin: Tunnel über der Spree, S. 430-455.
* Gottfried Weißert: Ballade (Sammlung Metzler). Stuttgart: Metzler 1980. ISBN 3-476-10192-4

Weblinks

* Eintrag in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Graf_von_Strachwitz
* Eintrag in der Allgemeinen Deutschen Biographie (Bd. 36, S. 480-483)
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Strachwitz,_Moritz_Graf_von

* Werke im Projekt Gutenberg-DE
https://gutenberg.spiegel.de/
* Werke bei Zeno.org
http://www.zeno.org/Literatur/M/Strachwitz,+Moritz+von


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Illustration auf dem Außentitel

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