goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Legenden-Motive auf Postkarten

Joseph Ritter von Führich
Genoveva 

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Golo wirft seinen Helfershelfer Benno den Felsen hinab.

 

Kap. 15. Golos böses Gewissen.

      Sie [Golo und sein Diener Benno] standen auf der höchsten Spitze des Felsens. Von unten glänzte im Mondlicht ein Wasser herauf. "So waren ihre Augen! So tief, so glänzend!" murmelte Golo, und plötzlich packte er Benno wild mit beiden Fäusten. "Du Bösewicht! Wie durftest du Hand an diese Augen legen! Wie durftest du die Unschuldige morden!"
      "Hattet Ihr's mir nicht befohlen?" fragte Benno schaudernd, und strebte umsonst, sich loszumachen.
      "Willst du jetzt die Schuld auf mich wälzen, du Schuft!" schrie Golo wie im Wahnsinn. "Hinab mit dir in den Abgrund!"
      "Laßt mich los! Ihr seid toll! Was tat ich Euch?" rief Benno zitternd, und suchte umsonst sich zu wehren gegen Golos wahnwitzigen Zorn.
      "Du sollst hinunter, du Mörder! Eher will ich nicht ruhen!" keuchte Golo.
      "So hört doch — ich hab' ihr nichts getan — wir haben sie nicht umgebracht!"
      Aber Golo verstand seine Worte nicht. "Hinab mit dir!" Noch ein letztes, kurzes Ringen, dann stürzte Benno, von Golos Fäusten hinabgeschleudert, in den finstern Grund.
      Golo stand da wie betäubt und starrte ihm nach. —
      "Was ist hier? Schrie nicht soeben jemand hier um Hilfe? Ist Euer Gefährte, mit dem Ihr ranget, hinabgestürzt?" so klangen fragende Worte an Golos Ohr und weckten ihn aus seiner Starrheit. Er wandte sich um. Hinter ihm stand ein Mann im Pilgerrock, den langen Wanderstab in der Hand.

 

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