goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Ludwig Christoph Heinrich Hölty:
Elegie auf ein Landmädchen
(1774)

Mit Illustrationen von Daniel Chodowiecki

Optimiert für Firefox
Eingestellt: November 2011
Stand: März 2015

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Gliederung

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1. Ludwig Christoph Heinrich Hölty:
Elegie auf ein Landmädchen.
Mit Illustrationen von Daniel Chodowiecki

Text

Schwermuthsvoll und dumpfig hallt Geläute
Vom bemooßten Kirchenthurm herab;
Väter weinen, Kinder, Mütter, Bräute;
Und der Todtengräber gräbt ein Grab.

Angethan mit einem Sterbekleide,
Eine Blumenkron' im blonden Haar,
Schlummert Rößchen, so der Mutter Freude,
So der Stolz des Dorfes war.

Ihre Lieben, voll des Mißgeschickes,
Denken nicht an Pfänderspiel und Tanz,
Stehn am Sarge, winden, naßes Blickes,
Ihrer Freundin einen Todtenkranz.

Ach, kein Mädchen war der Thränen werther,
Als du gutes, frommes Mädchen bist,
Und im Himmel ist kein Geist verklärter,
Als die Seele Rößchens ist.

Wie ein Engel, stand, im Schäferkleide,
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür.
Wiesenblumen waren ihr Geschmeide,
Und ein Veilchen ihres Busens Zier.

Ihre Fächer waren Zephyrs Flügel,
Und der Morgenhayn ihr Putzgemach,
Diese Silberquellen ihre Spiegel,
Ihre Schminke dieser Bach.

Sittsamkeit umfloß, wie Mondenschimmer,
Ihre Rosenwangen, ihren Blick,
Nimmer wich der Seraph, Unschuld, nimmer,
Von der holden Schäferin zurück.

Jünglingsblicke taumelten, voll Feuer,
Nach dem Reiz des lieben Mädchens hin,
Aber keiner, als ihr Vielgetreuer,
Rührte jemahls ihren Sinn.

Keiner als ihr Willhelm! Frühlingsweihe
Rief die Edeln in den Buchenhayn,
Angeblinkt von Mayenhimmelbläue,
Flogen sie den deutschen Ringelreihn.

Rößchen gab ihm Bänder, mancher Farbe,
Kam die Erndt', an seinen Schnitterhut,
Saß mit ihm auf einer Weitzengarbe,
Lächelt' ihm zur Arbeit Muth.

Band den Weitzen, welchen Willhelm mähte,
Band, und äugelt' ihrem Liebling nach,
Bis die Kühlung kam, und Abendröthe
Durch die falben Westgewölke brach.

Über alles war ihm Rößchen theuer,
War sein Taggedanke, war sein Traum.
Wie sich Rößchen liebten und ihr Treuer,
Lieben sich die Engel kaum.

Willhelm, Willhelm! Sterbeglocken hallen,
Und die Grabgesänge heben an,
Schwarzbeflorte Trauerleute wallen,
Und die Todtenkrone weht voran.

Willhelm wankt, mit seinem Liederbuche,
Naßen Auges, an das ofne Grab,
Trocknet, mit dem weißen Leichentuche,
Sich die hellen Thränen ab.

Schlummre sanft, du gute, fromme Seele,
Bis auf ewig dieser Schlummer flieht.
Wein' auf ihrem Hügel, Philomele,
Um die Dämmerung, ein Sterbelied.

Weht, wie Harfenlispel, Abendwinde,
Durch die Blumen, die ihr Grab gebar,
Und im Wipfel dieser Kirchhoflinde
Nist' ein Turteltaubenpaar.

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Illustrationen
mit zugeordnetem Text

Schwermuthsvoll und dumpfig hallt Geläute
Vom bemooßten Kirchenthurm herab;
Väter weinen, Kinder, Mütter, Bräute;
Und der Todtengräber gräbt ein Grab.

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Angethan mit einem Sterbekleide,
Eine Blumenkron' im blonden Haar,
Schlummert Rößchen, so der Mutter Freude,
So der Stolz des Dorfes war.

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Ihre Lieben, voll des Mißgeschickes,
Denken nicht an Pfänderspiel und Tanz,
Stehn am Sarge, winden, naßes Blickes,
Ihrer Freundin einen Todtenkranz.

***

Wie ein Engel, stand, im Schäferkleide,
Sie vor ihrer kleinen Hüttenthür.
Wiesenblumen waren ihr Geschmeide,
Und ein Veilchen ihres Busens Zier.

***

Ihre Fächer waren Zephyrs Flügel,
Und der Morgenhayn ihr Putzgemach,
Diese Silberquellen ihre Spiegel,
Ihre Schminke dieser Bach.

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Keiner als ihr Willhelm! Frühlingsweihe
Rief die Edeln in den Buchenhayn,
Angeblinkt von Mayenhimmelbläue,
Flogen sie den deutschen Ringelreihn.

***

Rößchen gab ihm Bänder, mancher Farbe,
Kam die Erndt', an seinen Schnitterhut,

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Saß mit ihm auf einer Weitzengarbe,
Lächelt' ihm zur Arbeit Muth.

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Band den Weitzen, welchen Willhelm mähte,
Band, und äugelt' ihrem Liebling nach,
Bis die Kühlung kam, und Abendröthe
Durch die falben Westgewölke brach.

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Willhelm, Willhelm! Sterbeglocken hallen,
Und die Grabgesänge heben an,
Schwarzbeflorte Trauerleute wallen,
Und die Todtenkrone weht voran.

***

Willhelm wankt, mit seinem Liederbuche,
Naßen Auges, an das ofne Grab,
Trocknet, mit dem weißen Leichentuche,
Sich die hellen Thränen ab.

***

Schlummre sanft, du gute, fromme Seele,
Bis auf ewig dieser Schlummer flieht.
Wein' auf ihrem Hügel, Philomele,
Um die Dämmerung, ein Sterbelied.
Weht, wie Harfenlispel, Abendwinde,
Durch die Blumen, die ihr Grab gebar,
Und im Wipfel dieser Kirchhoflinde
Nist' ein Turteltaubenpaar.

 

Rechtschreibung und Zeichensetzung nach: Ludwig Christoph Heinrich Hölty, Gesammelte Werke und Briefe. Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Göttingen: Wallstein-Verlag 1998, S. 184f.
Online bei zeno org, Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20005107415

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2. Das Buch und sein Verlag

Die Illustrationen sind folgender Ausgabe entnommen:
Ludwig Heinrich Christian Hölty: Elegie auf ein Landmädchen mit 12 Kupfern von Daniel Chodowiecki. [Wien:] Phaidon-Verlag [1924]. Gedruckt von Stähle & Friedel, Stuttgart. [15], 12 Bl. Höhe 12,5; Breite 7,5cm.

Der Verlag, dessen Name von Fritz Ungar stammt, scheint Ende 1922 seine Produktion aufgenommen zu haben. Zeitweise waren Béla Horovitz und der Schriftsteller Ludwig Goldscheider Gesellschafter. Die Produktion bis 1933 beschränkte sich fast ausschließlich auf gemeinfreie Belletristik, darunter Autoren wie Göckingk, Goethe, Kleist, Novalis, Schiller, Shakespeare in der Übersetzung von Schlegel-Tieck und Wordsworth. "Ungefähr ab 1927/28 tritt eine Wende weg von den 'Klassikern' zu Gegenwartsautoren hin. 1927 erscheint das allererste Werk im Phaidon-Verlag des Lyrikers, Romanschriftstellers und Literaturkritikers Klabund (d.i. Alfred Henschke), und dieser wird echter 'Verlagsautor', indem der Phaidon-Verlag die Rechte auf seine Werke erwirbt." (Hall, Bd. 2, S. 365). Ab 1933 verlagert sich der Programmschwerpunkt auf unpolitische Kunst und Kunstgeschichte (Ebd., S. 366). Das hinderte nicht, dass Phaidon im Nationalsozialismus als "Wiener Judenverlag" (zitiert nach Will Vesper ebd., S. 370f.) diffamiert wurde. Horovitz betrieb das Verlagsgeschäft zunächst in Zusammenarbeit mit dem Londoner Verlag Allen & Unwin weiter, sodann selbständig im Londoner Exil. Der Phaidon-Verlag firmierte als Phaidon-Press und entwickelte sich unter diesem Namen- nach eigenen Angaben - zum weltgrößten Kunstbuchverlag.

* Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938. 2 Bde. Wien u.a.: Hermann Böhlaus Nachf. 1985. Hier Bd. 2, S. 358 ff.
* Nigel Spivey: Phaidon 1923-98. London: Phaidon Press 1999. URL:
http://de.phaidon.com/resource/phaidon-history.pdf

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3. Artikel "Hölty" im Damen Conversations-Lexikon
Mit einem Bildnis Höltys

Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf das Bild

Ludwig Heinrich Christoph Hölty. Geb. 21. Dez. 1748; gest. 1. Sept. 1776. Signet: ATL [Aristophot. Taucha bei Leipzig]. Nicht gelaufen.

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Hölty, Ludwig Heinrich Christoph, einer der trefflichsten Lyriker, dessen Elegien an rührender Einfachheit, zarter Klage und süßer Melancholie wohl niemals übertroffen werden können, war 1748 in der Nähe von Hannover geboren. Von sehr schwächlicher Gesundheit, ohne alle Mittel, hatte der edle, fromme gefühlvolle Jüngling nichts, als seine Liebe zu der Kunst, der er allein lebte, zu dem Ideal, das er allein liebte, dem er seine Lieder sang. In Göttingen war er ein thätiges Mitglied des dortigen Vereins der Stolberge, Vossens, Bürger's u. A.; um aber unter den Freunden bleiben zu können, mußte er durch Privatunterricht und Uebersetzungen einen ärmlichen Unterhalt verdienen. Dieser Zustand, seine steigende Kränklichkeit und eine hoffnungslose Liebe erhöhten Hölty's Schwermuth und legten zugleich den Keim des Todes in die leidende Seele. Wehmüthig freundlich fühlte er immer naher und dichter seinen schwarzen Fittig sich umrauschen und starb am 1. September 1776, nachdem er kurz vorher im sichern Vorgefühle seiner Auflösung folgende Verse gedichtet hatte

    Ihr Freunde, hänget, wenn ich gestorben bin,
    Die kleine Harfe hinter dem Altar auf,
        Wo an der Wand die Todtenkränze
        Manches verstorbenen Mädchens schimmern.

    Der Küster zeigt dann freundlich dem Reisenden
    Die kleine Harfe, rauscht mit dem rothen Band,
        Das, an der Harfe festgeschlungen,
        Unter den goldenen Saiten flattert.

    Oft, sagt er staunend, tönen im Abendroth
    Von selbst die Saiten, leise wie Bienenton;
        Die Kinder, hergelockt vom Kirchhof,
        Hörten's, und sah'n, wie die Kränze bebten.


Damen Conversations - Lexikon. Hrsg. von Carl Herloßsohn. Neusatz und Faksimile
der 10-bändigen Ausgabe Leipzig 1834 bis 1838 (Digitale Bibliothek; 118) Berlin: Directmedia 2005, S. 5310f.

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Hölty, Silhouette

"Herr Hölty der Dichter. Gestorben in Hannover 1776." Silhouette aus der Lavater-Zimmermannschen Silhouettensammlung. In: Abteilungskataloge des Historischen Museums am Hohen Ufer Hannover. I. Stadtgeschichtliche Abteilung. Bearbeitet von Helmut Plath. Hannover 1970, Nr. 192.

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4. Nikolaus Lenau
Am Grabe Hölty's

Hölty! dein Freund, der Frühling, ist gekommen!
Klagend irrt er im Haine, dich zu finden;
Doch umsonst! sein klagender Ruf verhallt in
    Einsamen Schatten!

Nimmer entgegen tönen ihm die Lieder
Deiner zärtlichen schönen Seele, nimmer
Freust des ersten Veilchens du dich, des ersten
    Taubengegirres!

Ach, an den Hügel sinkt er deines Grabes
Und umarmet ihn sehnsuchtsvoll: »Mein Sänger
Tot!« So klagt sein flüsternder Hauch dahin durch
    Säuselnde Blumen.

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5. Eduard Mörike
An eine Lieblingsbuche meines Gartens
in deren Stamm ich Höltys Namen schnitt

Holdeste Dryas, halte mir still! Es schmerzet nur wenig:
  Mit wollüstigem Reiz schließt sich die Wunde geschwind.
Eines Dichters Namen zu tragen bist du gewürdigt,
  Keinen lieberen hat Wiese noch Wald mir genannt.
Sei du künftig von allen deinen Geschwistern die erste,
  Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt!
Und ein liebendes Mädchen, von deinem Dunkel umduftet,
  Sehe den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt.
Leise drückt sie, gedankenvoll, die Lippen auf diese
  Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerste Mark.
Wehe der Hand, die dich zu schädigen waget! Ihr glücke
  Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches Werk!

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Besuchen Sie das Projekt Der Göttinger Hainbund. Werk und Wirkung von Patrick Peters im Goethezeitportal mit Seiten zu Hölty.

Zu Daniel Chodowiecki vgl. folgende Seiten im Goethezeitportal:
* Daniel Chodowieckis »Totentanz«. Eine Kupferstichfolge
Hier finden Sie eine Kurzbiographie und Bildnisse Chodowieckis. Vgl. auch den Abschnitt "Goethe über Chodowiecki, Kupferstiche in Almanachen, Bilder nach dem Leben und Karikaturen".
* Daniel Chodowiecki: Von Berlin nach Danzig. Eine Künstlerfahrt im Jahre 1773
* Daniel Chodowiecki »Occupations des Dames«

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6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

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