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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen und Legenden

Adelheid von Stolterfoth: Rheinischer Sagen-Kreis

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Des Rheinbergers Grab


Kommt eine junge Maid gegangen,
Mit Muschelhut und Pilgerstab,
Ihr Blick ist trüb und bleich die Wangen,
Sie suchet ihres Liebsten Grab.
  
Er gab ihr einst in schönern Tagen
Der Treue Schwur und hielt ihn nicht.
Lebt er beglückt - sie hätt's ertragen,
Doch seinen Tod erträgt sie nicht.
  
Und wo des Rheinbergs Thürme schauen,
Hoch über's wilde Wisperthal,
Da zeigt ein Landmann ihr voll Grauen,
Wo ihn getroffen Feindesstahl.
  
Da ruht er in dem lockern Grunde,
Des Landes Furcht, der wilde Graf.
In seiner Brust die Todeswunde,
So schläft er nun den längsten Schlaf.
  
Er ist im kühnen Kampf gefallen
Mit Bischof Werners Uebermuth.
Verödet nun sind Rheinbergs Hallen,
Verheert sein Land, geraubt sein Gut.
  
Es blieb kein Freund ihm, kein getreuer,
Die Bundsgenossen fielen ab;
Doch - einem Herzen ist er theuer,
Rauscht gleich der Bannfluch um sein Grab.
  
Gebete tönten nicht und Lieder,
Weihwasser netzt die Stelle nicht. -
Doch heil'ge Thränen fallen nieder,
Verdunkelnd ihrer Augen Licht.
  
Und mit dem schwachen Pilgerstabe
Gräbt sie ein Eichenbäumchen aus,
Pflanzt es zu Häupten an dem Grabe
Und wandert fort in's Gotteshaus.
  
Doch wenn in stillen Klosterhallen,
Sie ausgeträumt den Lebenstraum,
Wenn längst des Ritters Grab zerfallen,
Dann rauscht noch stolz und schön der Baum.


 

 

Am rechten Ufer des Rheins, bey Lorch, mündet die Wisper, und von da zieht sich mehrere Stunden aufwärts, gegen das Gebirg zu, das wegen seiner romantischen Schönheit bekannte Wisperthal.

Etwa drei Stunden von Lorch entfernt, erheben sich von waldigen Bergspitzen die Ruinen der Burgen Kammerberg und Rheinberg, über die wilden seltsam in einander gewundenen Thäler. Rheinberg, die bedeutendere der Burgen (nebst Kammerberg zu den Besitzungen des Barons von Zwierlein gehörig) wurde im 13. Jahrhundert erbaut. Es war der Sitz der alten Rheingrafen, Truchseße von Rheinberg, welchem das Gaugrafen-Amt zustand. Sie trugen (x) das höchste Provinzialrichteramt in bürgerlichen Justizsachen als ein Erbamt vom Erzstifte Mainz, den Blutbann aber in peinlichen Sachen als unmittelbares Reichslehen. Ihre Gefälle, Gerechtsame und Nutzbarkeiten waren von der größten Bedeutung, so wie auch ihre Besitzungen auf dem linken und rechten Rheinufer. - Die Erzbischöfe von Mainz, eifersüchtig über die vielen Rechte und Vorzüge, welche den Rheingrafen gehörten, versuchten erst in Güte (1219) Unterhandlungen über die Beschränkung oder Aufhebung des Gaugrafen-Amtes anzuknüpfen. Als sich diese aber wieder zerschlugen, geschah 60 Jahre später die gewaltthätige Besitznahme desselben durch Erzbischof Werner von Mainz.

Der Rheingraf Sifrid war nämlich mit dem Grafen von Sponheim in einer Fehde verbündet und verheerte des Erzbischofs Land, sperrte die Schiffahrt auf dem Rhein, warf Kaufleute nieder und dergleichen mehr. Erzbischof Werner zog daher vor die Veste Rheinberg, eroberte und verheerte sie, und die Rheingrafen verloren alle Mainzer Lehen. Aber auch ihre Allodialbesitzungen im Rheingau wurden weggenommen, und so gelang es endlich dem Erzstifte Mainz, die Unterdrückung der einst mächtigen Rheingrafen zu vollenden. Sie zogen sich ganz weg aus diesen Gegenden, und erbauten zu ihrer neuen Residenz den Rheingrafenstein bei Kreuznach, von welchem noch einige Ruinen zu sehen sind.

(x) Bodmann, Rheingauische Alterthümer. II. S. 377 bis 396.

 

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