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Jutta Assel | Georg Jäger
Sagen und Legenden
Adelheid von Stolterfoth: Rheinischer Sagen-Kreis
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Der Bürgermeister von Köln Durch Köln um Mittag schreitet Der Bürgermeister Gryn; Die Frau'n und Jungfrau'n blicken Gar sittig nach ihm hin. - Und mit entblösstem Haupte Begrüsst den theuren Mann Wohl mancher gute Bürger, So freundlich als er kann. "Wohin, Herr Bürgermeister, So eilig sonder Rast?" "Zum Erzbischof geladen Bin ich, sein selt'ner Gast. Der Kaiser kommt bis morgen In unsre gute Stadt, Der will gar ernstlich hören, Was sie zu klagen hat. Da will der Herr mich kirren Mit seinem Mandelbrei." - "O gehet nicht zum Bischof, Der meint's mit euch nicht treu! Nun - segne Gott den Imbis, Das ist kein froher Gang; Mit Feinden will man kämpfen, Nicht aber tafeln lang. Doch wenn die Becher kreisen Thut oft sich auf das Herz, Dann mag ein Weiser fügen Den Ernst zum heit'ren Scherz. Gedenkt, dass uns der Bischof Will unser Recht entziehn, Und könnt ihr für uns reden, So thut's wie immer, kühn." Er nickt und geht vorüber Herr Gryn, der hohe Greis, Um seine Stirne wallen Die Locken silberweiss, Doch aus den Augen flammet Noch kühne Jugendglut, Noch schlägt sein Herz in Treue Und ungebeugtem Muth. Bald thun sich ihm die Pforten Des hohen Schlosses auf, Ein Page führt ihn schweigend Zum goldnen Saal hinauf; Da steh'n zwei schwarze Mönche Mit lächelndem Gesicht, Die beugen tief die Häupter, Und Gryn, der Edle, spricht: "Mein gnäd'ger Herr, der Bischof, Hat mein begehrt zum Mahl, Bin ich zu früh gekommen, Weil noch so leer der Saal? Oed fand ich auch die Hallen, Wo sind die Ritter heut'? Rhineck und Vittinghofen, Und Limburg, kühn im Streit." "Folgt uns, gestrenger Meister, Ihr kommt zu guter Frist, Noch weilt der Herr im Garten, Wo's kühl und schattig ist. Wir sollen euch geleiten Zu ihm hinab sogleich, Bald ist das Mahl bereitet, An selt'nem Gaste reich." Sie führen durch die Gänge Trepp' auf und ab Herrn Gryn, Er sieht's nicht, wie sie lächeln So tückisch vor sich hin. An einer kleinen Pforte Sie machen plötzlich Halt. "Tritt ein!" so rufen beide, Ihn fassend mit Gewalt. Und durch die offne Thüre Stösst ihn das Paar hinein, Ein teuflisches Gelächter Hallt schaurig hinterdrein: "Lass dir's bei'm Mahl gefallen, Verräther unsers Herrn! Ruf' deine stolzen Bürger, Sie helfen dir ja gern." Da sieht der Greis mit Schaudern Im Löwenzwinger sich, Und aus der Ecke funkeln Zwei Augen fürchterlich. Jetzt grüsset ihn der Löwe Mit schrecklichem Gebrüll, Wild schüttelt er die Mähnen, Dann wird er plötzlich still - Und öffnet, mordbegierig, Den blut'gen Rachen weit; Doch schon gerüstet stehet Herr Gryn zum Todesstreit. Er schlang den dichten Mantel Um seine linke Hand Und zog mit seiner Rechten Das kurze Schwert gewandt. So springt ein Hund voll Freude An seinem Herrn hinauf, Wie jetzt, nach Blute lechzend, Der Löw' sich richtet auf. Er schlägt die scharfen Klauen Ihm in die kühne Brust Und aus den Augen flammet Des Hungers gier'ge Lust. Doch Gryn, voll starken Muthes, Stemmt fest sich an die Wand, Fährt tief ihn in den Rachen Mit der umwund'nen Hand Und stösst mit kräft'gem Schwunge, Trotz seiner Wunden Schmerz, Die oft geprüfte Klinge Dem Löwen in das Herz. Er stürzt zu seinen Füssen, Von Purpur überthaut, Dann wird's im Zwinger stille, Bald schweigt der letzte Laut. Doch Gryn, mit heisser Andacht, Dankt froh dem Herrn der Welt, Der seine frommen Kinder Oft wunderbar erhält. Und Stunden flieh'n vorüber, Längst ist es Abend schon, Da dringt in seine Ohren Der Sturmesglocke Ton, Er hört verworr'ne Stimmen Und lauten Waffenklang, Und endlich brausst der Aufruhr Die heil'ge Stadt entlang. Bald sprengt den festen Zwinger Die treue Bürgerschaar, Nach ihrem Meister suchend, Der heim nicht kommen war. Der Erzbischof erzittert In seinem festen Schloss, Kann nicht die Mönche schützen Vor dem empörten Tross. Die glaubten ihm zu dienen, Wär' todt sein bied'rer Feind - Nun hängen sie beisammen Am Galgen treu vereint. Er aber schwört bei'm Kaiser Am andern Tage frei, Dass er die That verdamme, An allem schuldlos sey. Doch Rudolf, der die Klagen Des edlen Gryn's gehört, Dass Kölns frommer Bischof Den guten Frieden stört, Dass er die Bürger hasse Der freien Reiches Stadt Und ihre theuren Rechte Verletzt, verachtet hat; Und Rudolf sagt: "entscheidet Im Kampf den alten Strauss Und führet Kölns Schlüssel Zwei Meilen weit hinaus. Dort geht, wie sich's geziemet, Mann gegen Mann zum Streit, Und wer sie kann gewinnen Sey Herr für alle Zeit." Da zieh'n die Kölner Bürger Gerüstet all' auf's Feld, Und stolz an ihrer Spitze Steht Gryn, der alte Held. Und mit des Bischofs Söldnern Erhebt sich blut'ge Schlacht, Viel hundert seiner Krieger Umhüllet Todesnacht. Doch Gryn, der Löwenbänd'ger, Steht wie ein Fels im Meer, Des Kampfes Wogen brausen Ohnmächtig um ihn her. Er siegt mit seinen Schaaren Für's alte, gute Recht, Und ewig wird ihn preisen Das kommende Geschlecht. Längst ist vorbei gegangen Die alte finstre Zeit, Wohl reich an grossen Thaten, Doch auch an schwerem Leid. Verschwunden sind die Tage Der trotzigen Gewalt, Der wilden Ritter Stimmen Sind lange schon verhallt. Und ihre Burgen sanken Am königlichen Rhein - Und mancher Dichter ziehet Jetzt friedlich aus und ein. Und wo die Adlerfahne Von hoher Zinne weht, Da grüsst er sie mit Freuden, Wenn er vorüber geht.
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Die Geschichte des kühnen Kölner Bürgermeisters Gryn (x) soll 1262, als die Stadt im Streit mit dem Erzbischof Engelbert II. war, vorgefallen seyn.
Sie ist am Rathhaus zu Köln, an der Vorderseite des Erkers, und in besser erhaltener Bildhauerarbeit auch noch an einem andern Erker im innern Hofraum des Gebäudes zu sehen (xx).
Einige poetische Freiheiten, welche ich mir bei der Bearbeitung dieses schönen Stoffes erlaubte, mögen entschuldigt werden.
(x) Alte Kölner Chronik v. J. 1499 und Sebastian Münsters Cosmographie. (xx) Sammlung von Ansichten öffentlicher Plätze, merkwürdiger Gebäude und Denkmäler in Köln, herausgegeben von J. P. Weyer, Stadtbaumeister, nebst Aphorismen aus Kölns Geschichte von Th. J. J. Lenzer. 1827.
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