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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen und Legenden

Adelheid von Stolterfoth: Rheinischer Sagen-Kreis

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Frauenlobs Tod

Es läuten alle Glocken
Zu Mainz mit Trauerklang
Und durch des Domes Hallen
Tönt ernster Grabgesang.
  
Ein Zug von edlen Frauen
Zieht ein durch's hohe Thor,
Und schwarze Flöre wallen,
Es ragt ein Sarg empor.
  
Und um die schwarzen Fahnen
Flammt helles Kerzenlicht,
Und stralt auf manches holde
Verweinte Angesicht
  
Und stralt auf einen Todten
Mit sanftem Glanz hinab,
Den acht der schönsten Frauen
Getragen an das Grab.
  
Sie weinen und sie singen
Ein Trauerlied zumal,
Und giessen Wein hernieder
Aus goldenem Pokal.
  
Und streuen Ros' und Myrthen
Und helles Rebenlaub
Hinab auf's harte Lager,
Wo ruhen soll sein Staub.
  
"Wen tragt ihr, edle Frauen,
So trüb und kummerbleich?
War es vielleicht ein König,
Der Krone liess und Reich?"
  
"Wir tragen keinen König,
Geziert mit ird'schem Glanz,
Und unverwelklich schmücket
Diess Haupt ein Lorbeerkranz."
  
"So tragt ihr einen Helden
Aus ritterlichem Blut,
Der einst in wilden Schlachten
Gekämpft mit kühnem Muth?"
  
"Wir tragen keinen Ritter,
Er ward nicht Held genannt;
Nur eine gold'ne Harfe
Trug diese fromme Hand.
  
Doch mit der goldnen Harfe
Kämpft' er so manchen Streit,
Und hat sich Ruhm gewonnen
In allen Landen weit.
  
Wir tragen einen Sänger
In Traurigkeit und Schmerz,
Er weiht' uns seine Lieder
Wir - weih'n ihm unser Herz.
  
Und schweigt er gleich auf ewig,
Der uns so hoch erhob,
Tönt doch durch alle Zeiten
Sein Name - Frauenlob!"
  
Sie sagen's und sie senken
Den Theuern in das Grab,
Und ihre Thränen fallen
Wie Perlensaat hinab.
  
Doch eine bleiche Jungfrau
Schaut still von ferne zu;
Es nahm der bleiche Sänger
Ihr Glück und ihre Ruh.
  
Sie weint nicht, und sie klagt nicht,
Es schweigt allein ihr Mund -
Vielleicht nach wenig Tagen
Deckt sie der kühle Grund.

 

 

Ums Jahr 1317 starb, als Domherr von Mainz, der Minnesänger Heinrich von Meißen, berühmt durch seine Lieder (x) zur Ehre der Jungfrau Maria und zum Lob der Frauen, daher ihm auch der ehrende Beiname Frauenlob ward.

Die Frauen der Stadt Mainz geleiteten ihn unter "Weinen und Klagen" zu seiner Ruhestätte. Acht derselben trugen seinen Sarg und brachten bei dieser würdigen Leichenfeier des edlen Sängers reiche Libationen von Wein. Auf Frauenlobs altem Grabstein, welcher am sogenannten Wendelstein im Dom zu Mainz gestanden, und 1744 durch die Schuld von Bauleuten zertrümmert ward, sah man sein bekränztes Brustbild und den mit drei (Blumen-)Kronen verzierten Sarg, wie er von acht Frauen getragen wird.

An die Stelle dieses Grabsteins kam auf Verwendung des verdienten rheinischen Geschichtsschreibers Vogt, 1783, ein neuer, welcher nach der vorhandenen Zeichnung des alten gemacht und etwa 22 Schritte von der ehemaligen Stätte entfernt, aufgerichtet wurde.

(x) In den Quartalblättern des Vereins für Literatur und Kunst in Mainz, 1838, dritter Jahrgang, giebt Dr. Ettmüller aus der Jenaischen Handschrift eine Sammlung bis jetzt noch nicht erschienener Lieder Frauenlobs, und unser gemüthlicher vaterländischer Dichter, Professor Braun, fügt im 4. Heft desselben Jahrgangs eine interessante, von mir zu obigen Anmerkungen benutzte Skizze über Frauenlobs Leben, Tod und Begräbniß bei.

 

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