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Jutta Assel | Georg Jäger

Sagen und Legenden

Adelheid von Stolterfoth: Rheinischer Sagen-Kreis

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Roland, der treue Paladin


Von der Veste schaut der Ritter
Starr hinab zum Gotteshause,
Wo in ihrer stillen Klause,
Leis' umrauscht von Wind und Flut,
Die Geliebte sterbend ruht.
  
"Ritter Roland, wilder Reiter!
Willst du nicht zu Rosse steigen?
Möcht' dir meinen Falken zeigen,
Denn er ist, wie keiner, kühn. -
Siehst du dort den Reiher zieh'n?"
  
"Reit allein hinab, mein Jäger,
Nimmer wird' ich mit dir gehen,
Nimmer deinen Falken sehen -
Bring' ein Eichenreis vom Wald,
Flinker Jäger, bring' es bald."
  
"Ritter Roland, guter Zecher!
Willst du nicht die Flasche lehren,
Einer schönen Maid zu Ehren?
Nimm den schäumenden Pokal,
Trink' ihn aus mit einemmal."
  
"Trink' allein, mein froher Mundschenk,
Hab' kein holdes Lieb hienieden,
Was ich liebte, schläft in Frieden.
Nimm den Becher, er sey dein,
Nimmer trink' ich edlen Wein."
  
"Ritter Roland, kühner Streiter!
Willst du nicht die Rüstung schauen?
Kampfespreis von süssen Frauen,
Und die Kette, schön und blank,
Deines Kaisers letzter Dank?"
  
"Keine Rüstung, junger Knappe,
Keine Kette will ich haben,
Und ihr sollt mich nur begraben
Mit dem alten, starken Schwert,
Mit dem Schilde, gut und werth."
  
"Ritter Roland, Liedeskenner!
Soll ich nicht die Harfe schlagen?
Hab' ein Lied aus alten Tagen
Von der wilden Maurenschlacht
Stolz zu deinem Ruhm gemacht."
  
"Horch, o horch, getreuer Sänger!
Eine Glocke hör' ich schallen
Und den Grabgesang verhallen - -
Sänger! sing das Schlachtenlied,
Deines Helden Seele flieht." -
  
Und so schläft der treue Roland
Ruhig ein im Abendglanze.
Aber mit dem Eichenkranze,
Hundertjähr'gem Baum geraubt,
Schmückt der Sänger still sein Haupt.   

 

 

Die Sage versetzt den Tod Rolands, des kühnen Neffen Kaiser Karls des Großen, in die Burg Rolandseck. Er soll dieselbe erbaut haben, um seiner Geliebten nahe zu seyn, welche, durch die falsche Nachricht seines Todes getäuscht, in dem auf einer Rheininsel nahe dabei liegenden Kloster Nonnenwerth, den Schleier genommen hatte. Schiller versetzte diese schöne Sage unbegreiflicher Weise in die Schweiz.

Rolandseck, von einem hohen Felsengebirg auf der linken Seite des Rheins emporragend, war im 12. Jahrhundert Eigenthum des Erzstiftes Cöln, und schon zur Zeit Kaiser Friedrichs III. († 1439) eine Ruine.

 

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