goethe


Jutta Assel | Georg Jäger
Goethe-Denkmäler
Eine Dokumentation

Edmund von Hellmer: Wiener Goethe-Denkmal
(1900)

Stand: Oktober 2009

Ausschnitt aus der Tafel:
Wiener Denkmäler

 

Gliederung

1. Das Wiener Goethe-Denkmal in alten Ansichten
2. Die Enthüllung 1900 in der Presse
3. Tafel: Wiener Denkmäler
4. Kurzbiographie zu Edmund von Hellmer
5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

 

1. Das Wiener Goethe-Denkmal
in alten Ansichten

Alte Postkarte. Göthe-Denkmal in Wien. Enthüllung 15. December 1900. Verlag M. Manenizza. Gesetzlich geschützt. Verso: Postkarte. Gelaufen. Datiert 1901. Poststempel unleserlich.

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Links: Alte Postkarte. Wien, Goethe-Denkmal. Verso, Signet: SMD Modiano Trieste. Nr. 11175. Postkarte. Nicht gelaufen.
Rechts: Alte Postkarte. [Ohne Titel.] Verso, Signet: WCo.VK im Schild. Wolf, Verein. Kunstanstalten, Wien. 103. Post-Karte. Nicht gelaufen.

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Alte Postkarte. Göthe-Denkmal von Prof. Edmund Hellmer. Wien I. 5147. Verso: Postkarte. Nicht gelaufen.

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Oben: Alte Postkarte. Goethedenkmal. Wien. Stengel & Co., Dresden u. Berlin 10507. Verso: Postkarte. Nicht gelaufen.
Unten: Alte Postkarte. Wien I. Goethe-Denkmal. Verso: Signet. Dr. Trenkler Co., Leipzig. 1905. Wn. 12. Postkarte. Nicht gelaufen.

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2. Die Enthüllung 1900 in der Presse

Neue Freie Presse, 16. Dezember 1900
(Auszüge)

Leibhaftig ist er den Wienern niemals erschienen, nie hat er den Boden dieser Stadt betreten, nun aber besitzen wir ihn wenigstens im Bilde. Seit heute steht sein Denkmal mitten unter uns, im Kerne der Hauptstadt. Mittag war es, als die hässlichen Vorhänge niederglitten und der freie Himmel zum erstenmal in dem neugegossenen Erze sich spiegelte, ein winterlicher Himmel allerdings, der aber sonnenhell leuchtete und es nicht hindern wollte, dass es auf eine Weile Frühling wurde im Herzen Aller, welche das schöne Bild zum erstenmale sahen und von seinem frischen Glanze den ersten Strahl empfingen. Die Sonne schien wie ausgerechnet über das Akademie-Gebäude herüber, als "die Hülle fiel," dem Dichter gerade ins Gesicht. …

Da steht Er nun, wir müssten richtiger sagen, da sitzt Er nun, in mild-ernster Hoheit thronend, der Goethe dem Schiller gegenüber, ein getrenntes Dioskurenpaar, geschieden durch den alltäglichen Lärm der großen Straße, durch die Treibjagd des laufenden, rennenden, rasenden Geschäftes, durch "Bürger-Nahrungsgraus" und "Ameis-Wimmelhaufen" (wie Mephisto spricht), der Freund dem Freunde fern und doch nahe genug, dass sie einander zuwinken, einander zurufen, miteinander reden könnten von Menschen und Dingen, die tagsüber zu ihren Füßen vorbeijagen, und wer weiß, ob nicht zuweilen in der Geisterstunde ihre Stimmen durch die Nacht flüstern, ob sie nicht mancherlei zu raunen haben werden über Schriftgelehrte und Pharisäer, solche, die still und namenlos verehren, und solche, die nur in gedrängter Festversammlung ihre Bewunderung entdecken.

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Schiller-Denkmal
von Johannes Schilling, 1876

Links: Alte Postkarte. Wien I. Friedrich v. Schiller-Denkmal. Verso: Signet. Dr. Trenkler Co., Leipzig. 1905. Wn. 30. Postkarte. Nicht gelaufen.
Rechts: Alte Postkarte. 239. Wien. Schillerdenkmal. Beschrieben, aber nicht gelaufen.

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Dieses Gegenüber von Goethe und Schiller ist einzig in seiner Art und in keiner anderen Stadt zu treffen. Weimar hat das Doppelstandbild von Rietschel: sie stehen dort Beide auf demselben Sockel, Seit' an Seite, beinah' Arm in Arm. Aber diese Anlage, dass sie sich von Angesicht zu Angesicht sehen, die Straße herüber und hinüber grüßen können, das ist ein Einfall, den man in Wien gehabt hat, und es ist kein schlechter Einfall. Insofern wäre der Platz für das Denkmal aufs beste gewählt. […]

Meister Hellmer, der Schöpfer unseres Goethe, huldigt offenbar der Ansicht, dass ein öffentliches Denkmal entsteht und erschaffen wird, um gesehen zu werden, und nach diesem, ziemlich unanfechtbaren Grundsatz handelt er: Du sollst und musst ihn sehen, diesen meinen Goethe, und wenn du dich weigerst, stoß' ich dir die Nase auf den Marmor. Freilich, wenn man sehen soll, muss man sehen können, und auch dies erleichtert uns der Künstler, indem er das Standbild ziemlich niedrig stellt, selbstverständlich nicht so niedrig wie seinen Schindler im Stadtpark, aber doch nicht so hoch, als es sonst bei Statuen der Brauch. Er schafft uns einen bequemen Sehwinkel. Es bedarf keiner physischen Anstrengung, um das Kunstwerk zu genießen. Man braucht kein Fernrohr, um bis zur Stirne zu kommen, braucht sich nicht den Hals auszurenken, um nur bis zum Stiefel des Helden zu gelangen. Fast ohne aufzusehen, sieht man diesen Goethe. Er ist unserer Sphäre näher gerückt, er thront in unserem Gesichtsbezirk, immer noch über uns, das versteht sich, aber doch nachbarlich genug, dass der Festredner einen vollen Brustton heraufholen und mit Recht ausrufen darf: Er ist unser! […]

Noch etwas Neues sieht man auf den ersten Blick an dem Denkmal, und dieses Neue führt uns zum guten Alten zurück. Man sieht nämlich etwas, was man nicht sieht: keine geschwätzigen Attribute, keine flügellahmen Allegorien, keinerlei vorlautes Beiwerk, das den Dichter zu erklären, zu erläutern, zu kommentieren, zu symbolisieren sich abmühte. Das Werk deutet sich selbst. Goethe sitzt ganz allein da droben, Goethe, der Alleinherrscher, und neben ihm kauert nicht die Hilflosigkeit des Künstlers. Für gewöhnlich beweist es ja nichts Anderes, als Unzulänglichkeit des Talentes, wenn Bildhauer ihre Statuen mit feierlichem Schnickschnack überladen. Da drängen sich allerhand Nebenfiguren herbei, um auch mitzutun, und aus irgendeinem verschollenen Himmel fallen geistlose Abstraktionen herunter und bleiben an dem Sockel kleben. Die Hauptsache aber wird umgangen, der Held wird allenfalls mit einem flachen Medaillon abgefertigt. Wir besitzen ja glücklicherweise auch Künstler, welche die figurenreichsten Monumente zu bewältigen wissen, solche Monumente sollten aber doch die Ausnahme bleiben, während es jetzt fast als Regel gilt, die Hauptsache über dem Beiwerk zu vernachlässigen."

Das beste Monument des Menschen aber ist der Mensch," sagt Goethe ("Denkmale") und bekräftigt an anderer Stelle ("Wahlverwandtschaften"): "Doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis … es ist der Text zu vielen oder wenigen Noten; nur müsste es aber auch in seiner besten Zeit gemacht sein." Diesen Text zu singen, hat sich Edmund Hellmer beim Entwurf seines Goethe-Bildes vorgenommen, und die Begleitung sollte nicht über die Melodie herrschen, diese brauchte überhaupt keine Begleitung, sie sollte im Einklang ertönen. "Goethe" steht auf dem Sockel, blos dies Eine Wort, und so majestätisch vereinzelt sitzt auch der Dichter droben, nur Goethe, nichts als Goethe, wenn man sich am heutigen Tage trivial ausdrücken dürfte: Goethe "ohne Allem". Bloß rückwärts am Stuhle befindet sich ein allegorisches Relief, ziemlich bescheiden, eine dem Genius dargebrachte Huldigung vorstellend, im Übrigen aber haben wir wieder einmal ein Denkmal, das nicht mit Emblemen, Symbolen, tief- oder schiefsinnigem Firlefanz Theater spielt, sondern einfach das Menschenkind, dem es gewidmet ist, künstlerisch vergegenwärtigen will. […]

Goethe sollte ihm [dem Bildhauer Hellmer] in Goethe'schem Sinne erstehen, ohne Zutat, ausschließlich der Mensch im Menschen, in sich selbst gegründet, und man kann es schlechthin sagen: das ist dem Künstler gelungen. Das Werk gehört zu den schönsten unserer Denkmäler von allen, die wir auf dem Markte stehen haben. "In der Totalität seiner ganzen künstlerischen Erscheinung" wollte er den Dichter darstellen, und danach musste er das Lebensalter wählen. Er hat sich ihn zwischen 1800 und 1810 gedacht, im Alter zwischen fünfzig und sechzig Jahren, noch in der Fülle seiner Männlichkeit, auf der Höhe seines Ruhmes, im Vollglanz seiner Herrlichkeit. Wir können etwa das Jahr 1808 für den Wiener Goethe schreiben, das ist das Jahr, in welchem "Faust" erschien, der ganze erste Teil mit Bruchstücken des zweiten, das Jahr, in welchem Napoleon zu ihm sagte: "Vous êtes un homme" - ein gutes Jahr, in dem er freilich auch das Unglück hatte, von Kügelgen porträtiert zu werden. Der malte ihn als Geheimerat im Ministerstaate, wovon Hellmer natürlich nichts wissen will. Er hat es einzig auf den Dichter abgesehen.

Sein Goethe trägt einen langen Biedermannsrock, auch eine lange Hose, das Pantalon, welches damals noch als modern galt. Friedrich Wilhelm III. hatte es gesellschaftsfähig gemacht, er war zuerst ohne Kniehosen unter den Leuten erschienen, ein König als Sansculotte. In diese bürgerliche Tracht kleidet Hellmer seinen Goethe, also angetan setzt er ihn hinauf in den großen Sessel, welcher dem Marmorthrone Karl's des Großen in Aachen ähnlich sehen soll - warum nicht auch einmal den Herrscherstuhl für einen Dichter? - und da sitzt es nun geruhig, gelassen mit einer gewissen Nachlässigkeit, die Arme auf die Lehnen gelegt, ein Buch in der linken Hand, indes die rechte zwanglos über die Armstütze fällt, die ganze Gestalt von Frieden umflossen, der erhabene Großvater eines Geschlechtes, ein König, der es sich auf seinem Throne bequem gemacht hat.

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Alte Postkarte. Goethe-Kopf. (Goethe-Denkmal in Wien). Phot. Aufn. von S. Schramm, Wien V. Verso: Postkarte. Nicht gelaufen.

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Es ist ein prächtiger Goethe-Kopf. Das Gesicht blickt voll sinnender Betrachtung in die Welt, gedankenvoll. Ist es aber auch gedankenvoll? Es scheint sich eher vom Gedanken auszuruhen, als ihm nachzujagen. Was hätte der noch zu denken und zu dichten, der bereits den Faust geschrieben, der seinen Nachfahren so viel vorgedacht und vorgedichtet hat, dass ihnen kaum etwas zu dichten übrig blieb, dass die das Beste ihrer Zeit dem Nachdenken über Goethe widmen müssen? Mit dieser Ruhe klingt die Milde schön zusammen, von welcher das Gesicht überglänzt wird: das ist der Mann, der, gemeinem Hader der Welt entrückt, schon alles Glück der Erde gekostet hat, wenn auch noch nicht all ihr Weh, der Mann, der alles Menschliche erkennt und durchschaut, ein Richter sein könnte, doch ein Dichter bleibt, der so Vieles vergibt, weil er Alles versteht. Der ältere Goethe wird sonst mit viel strengerem Ausdruck dargestellt. In diesem Gesichte tönt etwas von dem jungen Lyriker nach.Ebenso menschlich wollte der Künstler die Hände ausgeführt wissen, auch sie sollten sprechen, nicht das Antlitz allein, und sie sind denn auch mit ungewöhnlicher Sorgfalt druchgearbeitet. Wir gestehen indes, dass uns diese Kunst etwas zu absichtlich vorkommt, fast zu virtuos. Von der Seite betrachtet, sieht es weniger aufdringlich aus, und so wird man wohl nicht selten das Urteil zu hören bekommen, dass die Profilwirkung des Denkmals eine noch bessere ist als die Vorderansicht. …Nach der Enthüllung hörte man den Dichter und seinen Bildner loben. "Bin begierig, wenn er einmal heruntersteigt," sagte neben uns ein junger Bursch. Sei ruhig, guter Jüngling, er wird heruntersteigen. Wenn es die Finsternis zu arg treibt, wenn sie den Himmel zu dicht verhängen will, dann wird dieser milde Goethe zeigen, wie stark er ist. Auf den Sessel wird er schlagen, dass das Erz erklingt, und mit dem Fuße wird er auftreten, dass der Granit unter seinem Schritte dröhnt, und er wird uns zeigen, dass er kein zur Ruhe gesetzter Gott ist, sondern ein Mensch, und das heißt ein Kämpfer sein. Wohl ruft er dann auch zum Freunde hinüber, dass er sich ihm anschließe, denn es ärgert ihn gewiss, zu sehen, wie man im Übermaße des Goethe-Jubels ein wenig vergisst, dass wir zwei solche Kerle haben. Und wenn diese Zwei Arm in Arm daherkommen, braucht man ohne Zweifel um die Zukunft der Deutschen nicht bange zu sein, kann man getrost auch das zwanzigste Jahrhundert in die Schranken fordern.Doch wir denken jetzt nicht an Kampf und Streit, wir wollen im Augenblicke leben und der Stunde danken, die uns das köstliche Geschenk gebracht hat, nach dessen Anblick wir mit gutem Gewissen niederschreiben dürfen: Wien ist um ein würdiges, edles, schönes Kunstwerk reicher geworden.

Das Goethe-Denkmal. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt; Wien, Sonntag, den 16. December 1900, S. 1-3, Feuilleton. Auszüge, Rechtschreibung behutsam modernisiert.

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Wiener Bilder, 15. Dezember 1900

Das Goethe-Denkmal in Wien. In: Wiener Bilder. Illustrirtes Familienblatt. V. Jg., Nr. 50; Wien, Sonntag, 16. December 1900, S.1-2. Darin das Bild: Professor Edmund Hellmer, der Schöpfer des Goethe-Denkmals und sein Werk.

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In dem Artikel wird das Gedicht zitiert, das Ferdinand von Saar (1833-1906) zur Eröffnung schrieb:

       Nun leuchtet auf das hehre Bild! --                              
                    Lang hat's

        Gefehlt in jenem Ehrenkranz, der Wien
        Mit Hochgestalten schmückt aus Erz und Marmor.
        Es leuchtet auf, und ihm vorüber wogt
        Der breite Strom des Lebens uns'rer Stadt.
        O schaut, in Ehrfurcht und Bewund'rung schaut
        Zu Ihm empor, der deutscher Dichtung Größe
        Weithin erstrahlen ließ über die Welt! …

        Goethe! Nicht eitel sei genannt sein Name -

        Nicht seines allgewalt'gen Schaffens Ruhm
        Mit dürft'ger Worte schwachem Klang gemessen!
        Wir wissen, was er war und ist - und ewig
        Sein wird!

                        Doch nein: wir wissen es nicht Alle!
        Wie Vielen von den Tausenden, die hier
        Im Drang des Tags vorüber eilen werden,
        Ist selbst sein Name fremd! Und ach, wie Vielen,
        Die diesen Namen kennen, ist der Geist
        Des Dichters noch ein Buch mit sieben Siegeln!
        Darum ragt jetzt das Bild in Sichtbarkeit
        Ein mahnend Zeichen auf: »Lernt Goethe kennen!«
        So spricht's vernehmlich zu Unzähligen -
        Zu Jenen auch, die ihn zu kennen glauben …

        Doch wer schon teilhaft seines Geist's geworden,
        Wer da erfüllt von ihm ist und durchdrungen,
        Erfreue sich am Anblick des Gewalt'gen,
        Wie ihn der heim'sche Künstler uns gebildet.
        In Nachempfindung der olymp'schen Züge,
        Die er im Leben trug. Ein Schmuck für Wien,
        Glänzt dieses Denkmal für ganz Österreich,
        Gehört's der Welt, gehört's der Menschheit an,
        Die unablässig nach Vollendung ringt -
        Nach jener hohen seelischen Vollendung,
        Die sich in Goethe leuchtend offenbart.
        So ist dies Bild ein Sinnbild auch der Zukunft,
        Der wir aus Bängnissen der Gegenwart
        Mit froher Zuversicht entgegenblicken:
        Nach Qual und Streit, nach Kampf und blut'gen Kriegen
        Wird sie dereinst in diesem Zeichen siegen!

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Tafel: Wiener Denkmäler I. Aus: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905-1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003.

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4. Kurzbiographie zu Edmund Hellmer

Professor Edmund Hellmer,
der Schöpfer des Goethe-Denkmals und sein Werk.

Das Goethe-Denkmal in Wien. In: Wiener Bilder. Illustrirtes Familienblatt. V. Jg., Nr. 50; Wien, Sonntag, 16. December 1900, S.1.

 

Edmund von Hellmer, Bildhauer in Wien, geboren daselbst 12. (Taufschein17.) November 1850, besuchte zunächst das Wiener Polytechnikum, um sich zum Architekten auszubilden, wandte sich aber bald der Bildhauerei zu und kam zu seinem Oheim, dem Bildhauer Jos. Schönfeld in die Lehre. 1866 bezog er die Wiener Akademie als Schüler von Franz Bauer. Gleichzeitig arbeitete er im Atelier Hans Gassers. 1869 trat er zuerst mit einer selbstständigen Arbeit, "Der sterbende Achill" in der Münchner Internationalen Kunstausstellung vor die Öffentlichkeit. Es folgte ein großes figurenreiches Relief aus der Prometheus-Sage, das ihm ein Staatsstipendium auf 2 Jahre zum Zwecke einer Studienreise nach Italien eintrug.In Rom (1869/70) vollendete er ein lebensgroße "Gefesselte Andromeda" die bei ihrer Ausstellung im Wiener Künstlerhause 1871 das Gefallen eines böhmischen Gutsbesitzers (Heidl in Klattau) erregte, für den Hellmer diese noch ziemlich streng klassizistische Figur in Marmor ausführte. Gleichzeitig entstand eine große Gruppe "Diana und Endymion". Für die Wiener Weltausstellung 1873 schuf Hellmer die allegorischen Statuen der Austria und Hungaria am Südportal der Industriehalle, für die 1874 erbaute "Komische Oper" (später Ringtheater, 1881 abgebrannt) die Giebelgruppe. 1875 erhielt er den Auftrag zur Ausführung der Statue der Austria für die Fassage des Wiener Justizpalastes und zweier Gruppen für das kunsthistorische Museum.Nach Rückkehr von einer Studienreise durch Deutschland und Frankreich beteiligte er sich an der Konkurrenz für das Wiener Grillparzer-Denkmal und führte ein Denkmal (Marmor) für den Park des Herrn Angerer in Arco, 2 Grabdenkmale für Reichenberg, das Mozart-Denkmal (Bronzebüste) für den Kapuzinerberg bei Salzburg und dekorative Figuren für das Palais Panfili in Triest aus. 1877 erhielt er die Ausführung von 4 Figuren für das Rathaus und 2 Gruppen "Theologie" und "Philosophie" für die Universität in Auftrag und gewann die Konkurrenz zur Ausschmückung des Frontgiebels des Reichsratsgebäudes; erst 1888 vollendete er diese aus Laaser Marmor hergestellte vielfigurige Tympanondekoration, die die Verleihung der Verfassung durch Kaiser Franz Joseph I. zur Darstellung hat.1882 erhielt Hellmer den 1. Preis in der Konkurrenz für ein Siegesdenkmal zur Erinnerung an die Befreiung Wiens von den Türken (1683), das 1894 in der Erdgeschosshalle des Stephansturmes Aufstellung fand. Mit diesem mächtigen, vielfigurigen Tabernakel geht Hellmer mit fliegenden Fahnen aus der Lager der klassischen Antike in das des Barock über. Die schon in diesem echten Wiener Prunkstück ausgeprägten Genreelemente bildet Hellmer in den Werken seiner späteren Zeit immer stärker aus. Das Denkmal des Malers Schindler im Stadtpark (1895), das Goethe-Denkmal am Opernring (1900), die Standbilder der Kaiserin Elisabeth in Salzburg und des Bürgermeisters Frank im Stadtpark in Granz sind die bezeichnenden Hauptbeispiele dieser, allem Repräsentativen aus dem Wege gehenden realistischen Denkmalplastik Hellmers, die in dem (nicht ausgeführten) Entwurf zum Wiener Mozart-Denkmal (der Komponist in offener Säulenhalle am Spinett sitzend) das genremäßige Moment bis zur Stillosigkeit übertreibt.Aus neuester Zeit seien genannt der im Stil strengere Kastalia-Brunnen im Hof der Universität, der Monumentalbrunnen (zur Rechten) an der nach dem Michaeler-Platz zu gelegenen Fassade der Hofburg, Österreichs Landmacht symbolisierend, und das in der plastischen Form völlig zerfließende Denkmal des Walzerkönigs Johann Strauß im Wiener Stadtpark. Ganz Ausgezeichnetes hat Hellmer in seinen Bildnisbüsten (Bronzebüste des Vaters) und in einigen kleinplastischen Entwürfen (Diana auf galoppierendem Pferde) geleistet.Eine eklektisch-schmiegsame Natur, hat Hellmer das Heiter-Sinnliche des Wiener Lokaltons vorzüglich getroffen, was seiner Kunst eine Popularität verschafft hat, die ihre spezifisch formalen Qualitäten nicht ganz rechtfertigen. 1900 veröffentlichte er eine Schrift "Lehrjahre in der Plastik", die sich mit der Reform des bildhauerischen Unterrichts auf der Basis solider handwerklicher Erziehung beschäftigt. 1912 wurde Hellmer in den Ritterstand erhoben. Gestorben ist er am 9. März 1935 in Wien.

Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Hrsg. von Hans Vollmer. Bd. 16. Leipzig: E. A. Seemann 1923, S. 340f., Absätze eingefügt, redigiert. Artikel von Hans Vollmer.

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Alte Postkarte. Wien, Goethe-Denkmal. Im Bild unten links signiert: R. Preuss, rechts monogrammiert AK. . Verso: B.K.W. I. [Kunstverlag Brüder Kohn, Wien, I. Bezirk] 854-7. Nicht gelaufen.

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5. Rechtlicher Hinweis und Kontaktadresse

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