goethe


Jutta Assel | Georg Jäger

Johann Peter Hebel
Alemannische Gedichte

Illustriert von Julius Nisle
und Sophie Reinhard

Einstellung: August 2014

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Gliederung

1. Vorlagen
2. Gedichte in Alemannisch und Hochdeutsch.
Illustrationen von Nisle und Reinhard
3. Goethes Rezension
4. Kurzbiographie zu Johann Peter Hebel
5. Illustrationen von Hebels "Alemannischen Gedichten"
6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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1. Vorlagen

Julius Nisle. Umrisse zu Johann Peter Hebels Allemannischen Gedichten, Einband

Julius Nisle. Umrisse zu Johann Peter Hebels Allemannischen Gedichten, Titelillustration

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Dreißig Umrisse zu J. P. Hebel's allemannischen Gedichten ... Von Julius Nisle. Mit einer Einleitung und Lebensbeschreibung. Fünfte, mit beigedrucktem Texte vermehrte Auflage. Stuttgart: Ad. Becher's Verlag (Gustav Hoffmann) [1862]. Roter Kalikoband mit Gold- und Blindpressung, dreiseitiger Goldschnitt. Gebunden Albert Schmidt Stuttgart. Höhe 18; Breite 21,5 cm (Einband).

Die Titelillustration zeigt oben ein Porträt Hebels im Lorbeerkranz, in der Mitte den Titel und unten eine Ansicht von Hausen. Text auf dem linken oberen Spruchband:. "Und ischs so schwarz und finster do, / se schine d’Sternli no so froh" [Aus dem Gedicht: Der Wächter in der Mitternacht]. - Text auf dem rechten oberen Spruchband: "und us der Heimeth chunnt der Schi’; / ’s muss lieblig in der Heimeth sy!" (Fortsetzung des Zitats auf dem linken oberen Spruchband].

Text unter der linken Illustration: "Und wenn de amme Chrützweg stohsch, / und nümme weisch, wo’s ane goht, / halt still, und frog di Gwisse z’erst, / ’s cha dütsch, Gottlob, und folg si’m Roth!" [Aus dem Gedicht: Der Wegweiser]. Text unter der rechten Illustration: Ne freudig Stündli, / ischs nit e Fündli? / Jez hemmers und iez simmer do; / es chunnt e Zit, würds anderst goh." [Aus dem Gedicht: Freude in Ehren].

Die Illustrationen von Sophie Reinhard sind folgender Ausgabe entnommen: Sophie Reinhard, Zehn Blätter zu Hebels Alemannischen Gedichten. Mit Zugabe der Texte hrsg. von Adrian Braunbehrens. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 1996.

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2. Gedichte in Alemannisch und Hochdeutsch.
Illustrationen von Nisle und Reinhard

Die "Alemannischen Gedichte" sind online verfügbar im Projekt Gutenberg.DE, in der Bibliotheca Augustana und bei zeno.org. Im Rahmen des Projekts "Johann Georg Jacobi und sein oberrheinischer Dichterkreis" wurde die anonyme Erstausgabe von 1803 von der UB Freiburg i. Br. digitalisiert.

Worterklärungen aus: Allemannische Gedichte von J. P. Hebel. Fünfte, vollständige Original Ausgabe mir drei Kupfer. Arau bei H. R. Sauerländer 1820 (Digitalisierung durch Google). Titelblatt mit Kupfer und Worterklärungen als PDF-Datei.

Die Übertragung ins Hochdeutsche durch Robert Reinick nach folgender Ausgabe: J. P. Hebel's allemannische Gedichte für Freunde ländlicher Natur und Sitten. Ins Hochdeutsche übertragen von R. Reinick. Mit Bildern nach Zeichnungen von Ludwig Richter. Leipzig, Verlag von Georg Wigand 1851 (Digitalisierung durch Google) - Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden dem heutigen Stand angeglichen.

Auf den alemannischen Text folgt jeweils die Übersetzung ins Hochdeutsche. Die Illustrationen von Julius Nisle sind dem alemannischen Text, die Illustrationen von Sophie Reinhard der Übersetzung ins Hochdeutsche beigegeben. Den Illustrationen von Nisle, die einem Originalabdruck entnommen sind, wird zum Studium der Details eine Vergrößerung beigegeben, den - einem verkleinerten Faksimiledruck entstammenden - Illustrationen von Reinhard hingegen nicht. Bis auf das Abschlussgedicht "Der Wegweiser. Guter Rat zum Abschied" sind alle von Reinhard illustrierten Gedichte auch von Nisle bebildert worden.

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Der Carfunkel

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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Wo der Ätti si Tubak schnätzlet, se lueget en d'Marei
fründlig und bittwis a: »Verzehlis näumis, o Ätti,
weisch, so wieder wie necht, wo 's Chüngi het welle verschlofe!«
Drüber rucke 's Chüngi und's Anne Bäbi und d'Marei
mit de Chunklen ans Liecht, und spanne d'Saiten, und striche
mittem Schwärtli 's Rad, und zupfen enander am Ermel.
Und der Jobbi nimmt e Hampfle Liechtspön, und setzt si
nebene Liechtstock hi, und seit: »Das willi verrichte.«
Aber der Hans-Jerg lit e lange Weg überen Ofe,
lueget aben und denkt: »Do obe höri's am beste,
und bi niemes im Weg.« Druf, wo der Ätti si Tuback
gschnitte het, und 's Pfifli gfüllt, se chunnt er an Liechtspon,
und hebt 's Pfifli drunter, und trinkt in gierige Züge,
bis es brennt. Druf druckt er 's Füür mit de Fingeren abe,
und macht 's Deckeli zu. »Se willi denn näumis verzehle«,
seit er, und sizt nieder, »doch müender ordeli still si,
aß i nit verstuun, eb's us isch, und du dört obe,
pack di vom Ofen abe! Hesch wieder niene ke Platz gwüßt?
Isch's der z'wohl, und glust's di wieder no nem Carfunkel?
Numme ken, wie sell ein gsi isch, woni im Sinn ha:
's isch e Plätzli näumen, es goht nit Egge no Pflug druf,
Hurst an Hurst scho hundert Johr und giftigi Chrüter,
's singt kei Trostle drinn, kei Summervögeli bsuecht sie,
breiti Dosche hüete dört e zeichnete Chörper.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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's wär ke ungschickt Bürschli gsi, sel seit me, doch seig er
zitlich ins Wirtshus g'wandlet, und über Bibel und Gsangbuch
sin em d'Charte gsi am Samstig z'oben und Sunntig.
Flueche het er chönne, ne Hex im rueßige Chemi
hätt sie bsegnet und bettet, und d'Sternen am Himmel hen zittert.
's het e mol im grüene Rock e borstige Jäger
zug'luegt, wie sie spiele. Mit unerhörte Flüeche
het der Michel Stich um Stich und Büeßli verlohre.
›Du vertlaufsch mer nit!‹ seit für si selber der Grünrock;
d'Wirtene het's no ghört, und denkt: ›Isch's öbbe ne Werber?‹
's isch ke Werber gsi, der werdet's besser erfahre,
wenn der Michel g'wibet het, und 's Güetli verlumpet.
Was het 's Stroßwirts Tochter denkt? Sie het em us Liebi
Hand und Jowort ge, doch nit us Liebi zum Michel,
nei, zu Vater und Muetter, es isch ihr Willen und Wunsch gsi.
Sellen Oben isch's in schwere Gidanke vertschlofe,
selli Mittnacht het's e schwere bidütseme Traum gha.
's isch em gsi, es chömm vo Staufe füren an d'Landstroß;
an der Landstroß goht e Chapeziener und betet.
›Schenket mer au ne Helgli, Her Pater, went der so gut si!
Bini nit e Bruut? 's cha si, 's het gueti Bidütig.‹
Landsem schüttlet si Chopf der Pater, und unter der Chutte
lengt er e Hampfle voll Helge. ›Do zieh der selber ein use!‹
Seit's, und wo nes zieht, so lengt's in schmutzigi Charte.
›Hesch echt 's Eckstei-As? 's bidütet e rote Carfunkel;
's isch ke gute Schick.‹ – ›Jo weger‹ seit es, ›das hani.‹
Wieder seit der Pater: ›Se zieh denn anderst, o Brütli!

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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Hesch echt siebe Chrütz?‹ – ›Jo weger‹, seit es und süfzget. –
›Tröst di Gott, zieh anderst! Es chönne no besseri drinn si.
Hesch e blutig Herz?‹ – ›Jo weger!‹ seit's und erschrickt drob. –
›Jez zieh no ne mol, 's cha si, di Heilige chunnt no! –
Isch's der Schuflebueb?‹ – ›Es wird wohl, bschauet en selber!‹ –
›Jo de hesch en! Tröst di Gott! Er schuflet di abe.‹
So het's im Kätterli traumt, und so het's selle mol gschlofe.
Stroßwirts Tochter, was hesch denkt, und hesch mer en doch g'no?
Jo, es het io müeßen und gseit: ›Ins Here Gotts Name!
No de siebe Chrützen und hinterem blutige Herze
chunnt mi Heilige, will's der Her, und schuflet mi abe.‹
Z'erst hätt's möge go. Zwor mengmol het no der Michel
gspielt und trunke, bis gnug, und gfluecht, und 's Kätterli ploget.
Mengmol isch er in si gange, wenn 's en mit Träne
bittet het, und bette. Ne mol se seit er: ›Jez willi
mit der akkordieren, und d'Charte willi verflueche.
Soll mi der Teufel hole, so bald i eini me a'rühr!
Aber ins Wirtshus gangi, sel willi, sel chani nit mide.
Grums und hül, so lang 's der g'falt, ich cha der nit helfe!‹
Het er 's Erst nit gehalte, sen isch er im Andere treu gsi.
Woner ins Wirtshus chunnt, se sizt mi borstige Grünrock
hinterm Tisch, selb dritt, und müschlet d'Charten, und rüeft em:
›Bisch mer e Cammerad, se chumm, se wemmer eis mache!‹
›Ich nit‹, seit der Michel, ›Bas Margret, leng mer e Schöppli!‹
›Du nit?‹ seit der Grün. ›Chumm numme, bis de di Schoppe
trunke hesch, und 's goht um nüt, mer mache für Churzwil!‹
›He‹, denkt binem selber der Michel, ›wenn es um nüt goht,
sel isch jo nit g'spielt‹, und sezt si nebene Grünrock.
's chunnt e Chnab ans Fenster mit lockiger Stirnen, und rüeft em:
›Meister Michel, uf e Wort! Der Stroße-Wirt schickt mi.‹
›Schick en wieder‹, seit er, ›i weiß scho, was er im Chopf het!
Wer spielt us? Und was isch Trumpf? Und gstoche das Eckstei!‹
Druf und druf! Z'letzt seit der Grün: ›Was bisch du ne Glückschind!
Möchtsch nit umme Chrützer mache?‹ – Sel isch jez eitue,
denkt der Michel, gspielt isch gspielt, und seit: ›Es isch eitue!‹
›Chömmet‹, rüeft der Chnab, und pöpperlet wieder am Fenster,
›Nummen uf en einzig Wörtli!‹ – ›Loss mi ung'heit jez!
Chrütz im Baum, und Schufle no, und no ne mol Schufle!‹
Und so goht's vom Chrützer bis endli zu der Dublone.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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Wo sie ufstöhn, seit der Grünrock: ›Michel, i cha di
jez nit zahle. Magsch derfür mi Fingerring bhalte,
bis i en wieder lös. Es sin verborgeni Chräfte
in dem rote carfunkel. O lueg doch, wie ner ein a'blizt!‹
's drittmol chlopft's am Fenster: ›O Michel, chömmet, wil's Zit isch!‹
›Loß en schwetze‹, seit der Grünrock, ›wenn er nit goh will!
Nimm du do mi Fingerring, und wenn de ke Chrützer
Geld deheim, und niene hesch, es cha der nit fehle.
Wenn der Ring am Finger steckt, und wenn de in Sack lengsch
alli Tag emol, se hesch e bairische Taler.
Nummen an kem Firtig, i wott der das selber nit rote.
Chasch mi witers bruche, se rüef mer nummen! I hör di.
Heißi nit Vizli Buzli, und hani d'Ohre nit bimer?‹
       Sieder briegget d'Frau deheim im einseme Stübli,
und liest in der Bibel und im verrissene Betbuch,
und der Michel chunnt und schändet: ›Findi di wieder
an dim ewige Betten und dunderschießige Hüle?
Lueg do, was i gunne ha, ne rote Charfunkel!‹
's Kätterli verschrickt: ›O Jesis‹, seit es, ›was siehni!
's isch ke guete Schick!‹ – und sinkt dernieder in Ohnmacht.
       Wärsch doch nümme verwacht, wie menge bittere Chummer
hättsch verschlofen, armi Frau, wo diner no wartet!
       Jez wird's tägli schlimmer. Uf alle Merte flankiert er,
alli Chülbene bsucht er, und wo me ne Wirtshus bitrittet,
z' nacht um Zwölfi, Vormittag und z' oben um Vieri,
sizt der Michel dört, und müschlet trüglichi Charte.
's Chind verwildert, 's Güetli schwindet, Acker um Acker
chunnt an Stab, und d'Frau vergoht in bittere Träne.
Goht er öbbe heim, git's schnödi Reden und Antwort:
›Chunnsch du Lump?‹ Und so und so. – Mit trunkene Lippe
fluecht der Michel, schlacht si Frau. Jez muß er zum Pfarer,
jez vor Oberamt, und mittem Haschierer im Turn zu.
Goht er schlimm, se chunnt er ärger, wennem der Vizli
Buzli wieder d'Ohre striicht, und Gallen ins Blut mischt.
       So währt's siebe Johr. Emol se bringt en der Buzli
wieder usem Turn, und ›Allo, göhn mer ins Wirtshus,
eb de heim chunnsch mit de Streiche, wo sie der ge hen!
Was der d'Frau zum Willkumm g'chocht het, wird di nit brenne.
Los, de duursch mi, wenni dra denk, es möcht mi versprenge,
wie's der goht, und wie der d'Frau di Lebe verbittret.
So ne Ma, wie du, wo 's Tags si Taler vertue cha.
Glückli bisch im Spiele, doch no nem leidige Sprüchwort,
mittem Wibe hesch's nit troffe, chani der sage.
Wärsch ellei, wie hättsch's so gut, und lebtisch so rüeihig!
's pin'get di, me sieht der's a, und d'Odere schwelle.
Trink e Schlückli Brenz, er chüelt der öbbe di Jast ab!‹
       Aber d'Frau deheim, mit z'semmegschlagene Hände
sizt sie uffem Bank, und luegt dur Tränen an Himmel.
Siebe Johr und siebe Chrütz!' so schluchzget sie endli,
's wird mer redli wohr, und Gott im Himmel well's ende!‹
Seit's und nimmt e Buch und betet in Todesgidanke.
Drüber schnellt der Michel d'Tür uf, und fürchterli schnauzt er:
›Hülsch au wieder? Du hesch's nötig, falschi Kanali!
Surchrut choch mer!‹ 's Kätterli seit: ›'s isch niene ke Füür meh.‹
›Surchrut willi! Lueg, i dreih der 's Messer im Lib um.‹ –
›Lieber hüt, as morn. De bringsch mi untere Bode
ei Weg wie der ander, und 's Büebli hesch mer scho g'mordet.‹ –
›Di soll der Dunder und's Wetter in Erdsboden abe verschlage!‹
Seit's und zuckt, und sinnlos schwanket 's Kätterli nieder.
O mi bluetig Herz‹, so stöhnt's no lisli, wo's umfallt.
Chumm, o Schuflebueb, do hesch mi, schufle mi abe!

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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Jez der Michel furt, vom schnelle Schrecken ergriffe,
lauft ins Feld, der Bode schwankt, und 's rasslet im Nußbaum.
›Vizli Buzli, rot mer du!‹ So rüeft er. Der Buzli,
hinterem Nußbaum stoht er, und chunnt, und frogt en: ›Was fehlt der?‹
›D'Kätheri hani verstoche, jez rot mer, was i soll mache!‹ –
›Isch das alles?‹ seit der Buzli. ›Weger de chasch ein
doch verschrecken, ass me meint, was Wunder passiert seig!
Närsch, jez chasch im Land nit bliebe, 's möcht e Verdruss ge.
Isch nit dört der Rhi? Und chumm, i will di bigleite,
's stoht e Schiff am Gstad!‹ – Jez stige sie ehnen im Sunggäu
frisch ans Land, und quer dur's Feld. Im einseme Wirtshus
brennt e Licht. ›Mer wen doch luege, wer no do in isch‹,
seit der Grün, ›wer weiß, do chasch der d'Grille vertribe!‹

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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       Aber im Wirtshus sitze no spoti nächtligi Gselle,
und 's goht vornen a mit Banketieren und Spiele.
›Chrütz isch Trumpf! Und no ne mol! Und chönnetder di do?
Gstoche die! Und no ne Trumpf! Und – gstoche das Herzli!‹
's isch scho halber Zwölfi. Will echt mit lockiger Stirne
jez ke Chnab erschine? Nei weger! Michel, es endet!
O, wie spielsch so söllich ungschickt! ›Gstoche das Herzli!
lengt em tief in d'Seel, und alli mol, wenn er e Stich macht,
wiederholt's der Grün, und wirft im Michel e Blick zu.
Drüber warnt's uf Zwölfi. Mit alliwil schlechtere Charte
spielt er allwil schlechter, und zahlt afange mit Chride.
Druf het's Zwölfi gschlage. Jez lengt er mit g'ringletem Finger
frisch in Sack: ›Wer wechslet no ne bairische Taler?‹
Schlechti Münz, Her Michel! Er lengt in glasigi Scherbe,
tut e Schrei, und luegt mit Gruus und Schrecke der Grün a.
Aber der Buzli leert si Brenntewigläsli und schmatzget:
›Michel, chumm jez furt, der Wirt würd wellen ins Bett goh!
's chömme hüt viel Gäst, sie hen e lustige Firtig.
Isch nit Ludwigstag, der fünfezwenzigst Augusti?
Dreih am Ring, so lang de witt, de bringsch en nit abe!‹

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel, Ausschnitt

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O, wie het der Michel g'lost – e lustige Firtig!
O wie het er d'Füeß am Tischbei unte verchlammert!
's hilft nit lang, und tut nit gut. Mit ängstlichem Bebe
stoht er uf, und seit ke Wort, und göhn mit enander,
vornen a der Grün, und an de Ferse der Michel,
wie ne Chalb im Metzger folgt zur bluetige Schlachtbank.
Öbbe ne Büchseschuss vom Wirtshus stellt en der Buzli.
›Michel‹, seit er, ›lueg, es stoht kei Sternli am Himmel!
Lueg, der Himmel hangt voll Wetter über und über!
's goht kei Luft, es schwankt kei Nast, es rührt si ke Läubli,
und du bisch mer au so still. I glaub, de witt bette
oder machsch der d'Ürten und isch der 's Lebe verleidet?
Wie de meinsch! Di Wahl isch schlecht, i muss der's bikenne.
Se, do hesch e Messer! I ha's am Blotzemer Mert g'chauft!
Hau der d'Gurgele selber ab, se chost's di ke Trinkgeld!‹«

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

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       So het der Ätti verzehlt, und mit engbrüstigem Otem
seit druf d'Muetter: »Bisch bal fertig? Mach mer die Meidli
nit so z'förche, 's sin doch nummen erdichteti Märli!« –
»Jo, i bi jo ferig!« erwiedert der Ätti, »dört lit er
mit sim Ring im Dorneghürst, wo d'Trostle nit singe.«
Aber d'Marei seit: »O Muetter, wer wird em denn förche!
Denksch, i merk nit, was er meint, und was er will sage?
Jo, der Vizli Buzli, das isch die bösi Versuchung.
Lockt sie nit, und führt sie nit in Sünden und Elend,
wenn e Mensch nit bete mag, und folgt nit, und schafft nüt!
Und der lockig Chnab isch gueti Warnig im Gwisse.
O, i chenn mi Ätti wohl, und sini Gidanke!«

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Der Karfunkel

(Da die Seite 42 in dem oben angegebenen Digitalisat fehlt, werden die ersten sechs Zeilen nach folgender Ausgabe wiedergegeben: J. P. Hebels allemannische Gedichte für Freunde ländlicher Natur und Sitten. Ins Hochdeutsche übertragen von R. Reinick. Leipzig: Gustav Fock [1850], S. 31. Die Übersetzungen weichen in Details voneinander ab.)

Wie den Tabak sich schneidet der Vater, sieht ihn Mariechen
Freundlich und bittweis an: "Ach Vater, du musst was erzählen,
Weißt? wie in voriger Nacht, wo das Gundel beinahe schon einschlief." -
Und so rücken das Gundel und Anne-Bäb und Mariechen
Mit den Kunkeln ans Licht und spannen die Saiten und streichen
Mit der Schwarte das Rad und zupfen einander am Ärmel.
Und der kleine Jakob der nimmt sich ein Bündelchen Lichtspähn',
Setzt zu dem Lichtstock sich und sagt: "da tu ich doch auch was!"
Aber Hans Jörg der streckt sich, so lang er ist, auf dem Ofen,
Kuckt herunter und denkt: "da oben hör' ich's am besten,
Und bin keinem im Weg." Drauf wie der Vater sich Taback
Hat geschnitten und 's Pfeifchen gestopft, da geht er zum Lichtspahn,
Hält sein Pfeifchen darunter und schmaucht in gierigen Zügen,
Bis es brennt. Dann drückt er das Feuer hübsch ein mit dem Finger,
Und macht's Deckelchen zu. "Mein'thalb, so will ich erzählen,"
Sagt er und setzt sich nieder. "Ihr müsst auch ordentlich still sein,
Macht mich nicht konfus, bevor es aus ist. Da oben
Du da! Pack dich vom Ofen! Hast keinen Platz denn hier unten?
Sticht dich der Haber? du sehnst dich auch wohl nach 'nem Karfunkel?
Wenn's nur nicht so einer, wie der ist, den ich im Sinn hab."
       'S gibt ein Plätzchen wo, da geht nicht Egge noch Pflug drauf,
Strauch an Strauch schon hundert Jahr' und giftige Kräuter,
Da singt keine Drossel, da fliegt kein Schmetterling drüber,
Breite Kröten bewachen da 'nen verwunschnen Leichnam.
'S war kein ungeschickter Bursch, so sagt man, doch wär' er
Fleißig ins Wirtshaus gangen und mehr als Gesangbuch und Bibel
Hätt' er die Karten geliebt am Samstag Abend und Sonntag.
Fluchen hat er können, 'ne Hex' im rußigen Schornstein
Hätt' sich bekreuzt und gebetet, die Stern' am Himmel gezittert. -
'S hat einmal im grünen Rock ein borstiger Jäger
Zugeschaut, wie sie spielen. Mit unerhörtem Gefluche
Hat der Michel Stich um Stich und Gulden verloren.
"Du läufst mir nicht weg!" sagt vor sich selber der Grünrock.
Aber die Wirtin hört's und denkt: "Das ist wohl ein Werber!"
Aber es war kein Werber, ihr werdet's schon noch erfahren,
Wenn der Michel ein Weib sich nimmt und 's Gut erst verlumpt hat.
Und des Strasswirts Tochter, was dacht sie dazu? Aus Liebe
Gab sie ihr Jawort ihm; doch nicht aus Liebe zum Michel,
Nein, zu Vater und Mutter, es war ihr Wunsch und ihr Willen! -
Noch am selbigen Abend da schläft sie ein in Gedanken,
Noch in selbiger Nacht da träumt sie schwer und bedeutsam,
'S träumt ihr da, sie kommt von Staufen her auf die Landstrass;
An der Landstrass gehet ein Kapuziner und betet.
"Schenkt mir ein Heil'genbild, Herr Pater, wollt ihr so gut sein?
"Seht, ich bin ja Braut, vielleicht hat's gute Bedeutung."
Langsam schüttelt den Kopf der Pater; unter der Kutte
Langt er die Hand voll Heiligenbilder. "Zieh dir eins selber!"
Sagt er und wie sie zieht, da sind es schmutzige Karten.

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

"Hast ein Eckstein-Ass? das bedeutet 'nen roten Karfunkel;
"'S ist kein guter Treffer!" - "Ja wirklich," sagt sie, "das hab' ich."
Wieder sagt der Pater zur Braut: "So zieh denn noch einmal!
"Hast wohl sieben Kreuz?" - "Ja wirklich" sagt sie und seufzet. -
"Tröst dich Gott, zieh anders! Es kann noch Bessres darin sein.
"Hast ein blutig Herz?" - "Ja wirklich," sagt sie erschrocken.
"Jetzt zieh noch einmal, 's kann sein, dein Heiliger kommt noch!"
"Ist es der Schüppenbub?" - "Es wird wohl, seht ihn doch selber!" -
"Ja! dann tröst' dich Gott, der schaufelt dich ein in die Erde." -
Solchen Traum hat Käthe gehabt, schwer hat sie geschlafen!
Strasswirts Tochter, hast es bedacht und doch ihn genommen?
Ja! sie hat ja müssen, sie sagt': "in's Herregotts Namen!
"Nach den sieben Kreuzen und hinter dem blutigen Herzen
"Kommt, wills Gott, mein Heil'ger und schaufelt mich ein in die Erde!"
       Anfangs ging es noch an, zwar manchmal spielt noch der Michel,
Trank und hat geflucht und plagt' und quälte die Käthe.
Manchmal ist er in sich gegangen, wenn sie gebetet
Und mit Tränen ihn bat. Einsmals, da sagt er: "Jetzt will ich
"Mit dir accordieren und will die Karten verfluchen.
"Soll mich der Teufel holen, sobald ich noch eine anrühr'!
"Aber in's Wirtshaus geh' ich, das kann ich nu einmal nicht lassen.
"Schluchz' und heul', so lang dir's gefällt, ich kann dir nicht helfen!"
Hielt er das Erst' auch nicht, das Andre hielt er gewisslich.
Wie er in's Wirtshaus kommt, so sitzt mein borstiger Grünrock
Hinterm Tisch mit Andern und mischt die Karten und ruft ihm;
"Kamrad, hältst mit mir? so kommt, wir wollen Eins machen!"
"Ich nicht," sagt der Michel, "He! Margreth, lang mir ein Schöppchen!"
"Du nicht?" sagt der Grüne. "So kommt denn, wenn du den Schoppen
"Hast getrunken, es geht um nichts, wir machens zur Kurzweil!"
"Nu," denkt bei sich selber der Michel, "wenn es um nichts geht,
"Ist's auch nicht gespielt," und setzt sich neben den Grünrock.
'S kommt ein Knab' an's Fenster mit lockiger Stirn und ruft ihm
"Meister Michel, auf ein Wort! der Strassenwirt schickt mich."
"Schick ihn wieder," sagt er, "ich weiß schon, was er im Kopf hat.
"Wer spielt aus und was ist Trumpf? und gestochen der Eckstein!"
Drauf und drauf! Der Grüne sagt: "Was bist du ein Glückskind!
"Spiel doch um 'nen Kreuzer!" - Das ist jetzt eins wie das andre,
Denkt der Michel, Spiel ist Spiel. "Mein'thalben denn," sagt er,
"Kommt doch," ruft der Knab und pocht von draußen ans Fenster,
"Blos auf ein einzig Wort!" - "Lass ungeschoren mich, hörst du?

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

"Kreuz dem Baum und Schüppen noch, und noch einmal Schüppen!"
Und so geht's vom Kreuzer bis endlich herauf zum Dukaten.
       Wie sie aufstehn, sagt der Grünrock: "Michel! ich kann dir
"Jetzt nicht zahlen. Du magst dafür den Ring hier behalten,
Bis ich einmal ihn lös'. Es sind verborgene Kräfte
"In dem roten Karfunkel. Sieh, wie der Stein da dich anblitzt!" -
Und zum drittenmal da klopfts. "Komm, Michel, 's ist Zeit noch!"
"Lass ihn klopfen," sagt der Grünrock, "wenn er nicht gehn will.
"Nimm du meinen Ring, und hast du im Hause und sonst wo
"Keinen Kreuzer Geld, gib acht, es wird dir nicht fehlen!
"Wenn der Ring am Finger steckt, und du langst in die Tasche
"Alle Tage einmal, so hast 'nen Bairischen Taler.
"Blos am Feirtag nicht, da möcht ich's doch dir nicht raten.
"Kannst du sonst mich brauchen, so ruf mich immer, ich hör dich.
"Vizli Putzli heiß ich, die Ohren hab ich schon bei mir."
       Und derweilen sitzt die Frau daheim in der Kammer,
Weint und liest in der Bibel und im zerrissnen Gebetbuch
Und der Michel kommt und wettert: "Find ich dich wieder
"Bei dem ewigen Beten und zackermentschen Geheule?
"Sieh doch, was ich gewonnen da hab', 'nen roten Karfunkel!"
Schrecken fasst die Käthe. "O Jesus, sagt sie, was seh ich!
"'S ist kein guter Treffer!" - und dabei sinkt sie in Ohnmacht.
       Wärst du doch nie erwacht! wie manchen bitteren Kummer
Hättst du verschlafen, du arme Frau, der dein noch gewartet!
       Jetzt wird's täglich schlimmer. Auf allen Märkten flankiert er,
Jede Kirmes macht er mit und kommt man ins Wirtshaus
Nachts um zwölf und Vormittags und Abends um Viere,
Sitzt der Michel da; mit falschen Karten hantiert er.
Heim verwildert sein Kind, es schwindet sein Gut und die Äcker
Werden versteigert, die Frau vergeht in bitteren Tränen.
Kommt er 'mal nach Haus, gibt's schnöde Reden und Antwort:
"Kommst du Lump?" und so und so. Mit trunkenen Lippen
Flucht der Michel und schlägt die Frau. Bald muss er zum Pfarrer,
Bald vor's Oberamt und mit dem Gendarm in's Gefängnis.
Schlimm hinein, noch ärger heraus! Da kommt denn der Vizli
Putzli und bläst ihm ins Ohr und mischt ins Blut ihm die Galle.
       So währt's sieben Jahr. Einmal da bringt ihn der Putzli
Wieder aus dem Turm: "Allons! und gehn wir ins Wirtshaus,
"Eh die Prügel nach Haus du bringst, die du eben bekommen!
"Was zum Gruß die Frau dir gekocht, das wird dich nicht brennen.
"Hör' du tust mir leid, es will das Herz mir zerreißen:
"Denk ich, wie dir's geht und die Frau dir's Leben verbittert.
"So ein Mann wie du, der Tags seinen Thaler vertun kann!
"Glück im Spiel das hast, doch nach dem leidigen Sprichwort
"Mit dem Weib ist's umgekehrt, das kann ich dir sagen.
"Wärst allein, wie hättst du es gut, und ein ruhiges Leben.
"Quälen tut es dich schon, man sieht's, dir schwellen die Adern.
"Trink noch einen Schluck! der Branntwein kühlt dir die Hitze.
       Aber daheim die Frau, mit wundgerungenen Händen
Sitzt auf der Bank und sieht durch Tränen auf zu dem Himmel.
"Sieben Jahr und sieben Kreuz!" so schluchzet sie endlich,
"Redlich wird mir's wahr, mag Gott im Himmel es enden!"
Sagt's und nimmt ein Buch und betet in Todesgedanken.
Drüber stößt der Michel die Tür auf. Fürchterlich brüllt er:
"Heulst schon wieder? 's tut nicht Not, du falsche Kanaille!
"Koch mir Saurkraut!" - Käthe sagt: "es brennt ja kein Feur mehr."
"Saurkraut will ich! Siehst! ich dreh dir das Messer im Leib um!" -
"Lieber heut als morgen! Du bringst mich noch unter den Boden,
"'S ist All' eins, und 's Kind, das hast mir auch schon gemordet!" -
"Dich soll das Donner und Wetter ins Erdreich nieder verschlagen,"
Sagt's und zuckt - und sinnlos schwankt die Käthe zu Boden.

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Karfunkel

"O mein blutig Herz!" so stöhnt sie leis, eh sie umfällt.
"Komm, du Schüppen-Bub, da hast mich, scharr in die Erd' mich!"
       Jetzt der Michel fort, vom schnellen Schrecken ergriffen
Läuft er in's Feld, der Boden schwankt und es rasselt im Nussbaum.
"Vizli Putzli rat du mir!" so ruft er; der Putzli,
Hinterm Nussbaum steht er und kommt. "Was fehlt dir denn?" fragt er.
"Hab erstochen die Käthe, du rat mir, was ich soll machen!" -
"Ist das Alles?" fragt der Putzli. "Wirklich, du kannst doch
"Einen erschrecken, dass man meint, was Wunder passiert sei!
"Narr, im Lande geht's nicht mehr, Verdruss könnt's geben.
"Ist nicht da der Rhein? So komm, ich will dich begleiten,
"'S steht am Ufer ein Schiff!" - Drauf steigen sie drüben im Sundgau
Frisch an's Land und quer durchs Feld. Im einsamen Wirtshaus
Brennt ein Licht. "Wir wollen doch seh'n, wer da noch darin ist."
Sagt der Grüne. "Wer weiss, du kannst dir die Grillen vertreiben!"
       Aber im Wirtshaus sitzen noch späte nächt'ge Gesellen
Und von vorn geht's wieder an mit Zechen und Spielen.
"Kreuz ist Trumpf! Und noch einmal! Und kennt ihr auch die schon?
"Weg mit ihr! Und noch ein Trumpf! Und - gestochen das Herz da!"
'S ist schon halber zwölf. - Will denn mit lockiger Stirne
Jetzt kein Knab' erscheinen? Ich glaube, Michel, es endet!
'S greift ihm tief in die Seel' und immer, wenn er 'nen Stich macht,
Wiederholt's der Grüne und wirft dem Michel 'nen Blick zu.
Drüber geht's auf zwölf. Mit allemal schlechteren Karten
Spielt er allemal schlechter, und schreibt schon an mit der Kreide.
Jetzt schlägts zwölf, da langt er mit seinem beringelten Finger
Frisch in den Sack. "Wer wechselt noch 'nen bairischen Taler?" -
Schlechte Münz', Herr Michel! Er greift Glasscherben statt Thaler,
Tut 'nen Schrei und sieht den Grünen mit Schrecken und Graus an.
Aber der Grüne leert sein Branntweingläschen und schmatzet:
"Michel, komm jetzt fort, der Wirt möcht wollen zu Bett gehn
"Kommen doch heut' viel Gäst'! es gibt 'nen lustigen Feirtag.
"Ist nicht heut Sankt Ludwigstag? Wir sind im August doch?
"Dreh am Ring, so lang du willst, du bringst ihn nicht 'runter!"
O wie hat der Michel gehorcht: - ein lustiger Feirtag!
O wie hat mit den Füßen er sich geklammert an's Tischbein.
'S hilft nicht lang' und tut nicht gut. Mit Zittern und Beben
Steht er auf und sagt kein Wort. Sie gehn mit einander;
Vorn da geht der Grüne und ihm auf der Ferse der Michel,
Wie ein Kalb dem Schlächter folgt zur blutigen Schlachtbank.
Etwa 'nen Büchsenschuss vom Wirtshaus stellt ihn der Putzli.
"Michel," sagt er, "sieh, es steht kein Stern da am Himmel!
"Sieh, der Himmel hängt voll Wetter über und über!
"'S geht kein Wind, es schwankt kein Ast, es rührt kein Blatt sich
"Und du bist mir auch so still. Du willst doch nicht beten?
"Oder machst dir die Rechnung und ist dir das Leben verleidet?
"Wie du meinst! Schlecht ist die Wahl, ich muss dir's bekennen.
"Nimm, da hast ein Messer, ich kauft's erst neu auf dem Jahrmarkt,
"Schneid' dir selber die Gurgel doch ab, so kost't es kein Trinkgeld!"
       So hat der Vater erzählt und mit engbrüstigem Atem
Sagt die Mutter: "Bist du bald fertig? Mach mir die Mädchen
"Doch nicht graulig, es sind ja doch erdichtete Märchen!" -
"Ja, ich bin schon fertig," erwidert der Vater, "da liegt er
"Mit dem Ring im Gestripp, rings um singt nirgends 'ne Drossel."
Aber das Evchen sagt: "I Mutter, wer wird sich denn fürchten!
"Denkst, ich merk nicht, was er meint und was er will sagen?
"Ja, der Vizli Putzli, das ist die böse Versuchung.
"Lockt sie nicht, und führt sie nicht in Sünden und Elend,
"Wenn ein Mensch nicht beten mag, ist trotzig und tut nichts!
"Und der lockige Knab', der warnt, das ist das Gewissen.
"O ich kenn schon meinen Vater und seine Gedanken!"

*****

Das Hexlein

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Das Hexlein

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Und woni uffem Schnidstuehl sitz
für Basseltang, und Liechtspön schnitz,
se chunnt e Hexli wohlgimut,
und frogt no frei: »Haut's Messer gut?«

Und seit mer frei no »Guete Tag
und woni lueg, und woni sag:
»'s chönnt besser go, und Große Dank
se wird mer's Herz uf eimol chrank.

Und uf, und furt enanderno,
und woni lueg, isch's nümme do,
und woni rüef: »Du Hexli he!«
se git's mer scho kei Antwort meh.

Und sieder schmeckt mer's Esse nit;
stell umme, was de hesch und witt,
und wenn en anders schlofe cha,
se höri alli Stunde schlah.

Und was i schaff, das g'rotet nit,
und alli Schritt und alli Tritt,
se chunnt mim Sinn das Hexli für,
und was i schwetz, isch hinterfür.

's isch wohr, es het e Gsichtli gha,
's verluegti si en Engel dra,
und 's seit mit so 'me freie Mut,
so lieb und süß: »Haut's Messer gut?«

Und leider hani's ghört und gseh,
und sellemols und nümme meh.
Dört isch's an Hag und Hurst verbei,
und witers über Stock und Stei.

Wer spöchtet mer mi Hexli us,
wer zeigt mer siner Mutter Hus?
I lauf no, was i laufe cha,
wer weiß, se triffi's doch no a!

I lauf no alli Dörfer us,
i such und frog vo Hus zu Hus,
und würd mer nit mi Hexli chund,
se würdi ebe nümme g'sund.

*****

Das Hexchen

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Das Hexchen

Da saß ich auf der Schnitzelbank
Und schnitt, weil mir die Zeit zu lang,
Lichtspähne, wie man denn so tut,
Da kam ein Hexchen wohlgemut.

Sagt: "Guten Tag!" wie man so tut
Und fragt: "Schneidet auch das Messer gut?"
Ich sag': "So so!" und "Schönen Dank!"
Auf einmal wird das Herz mir krank.

Ich auf und hinterm Hexchen drein,
Weg ist sie! je, wer holt die ein!
Ich ruf' ihr nach: "So komm doch her!"
Gar keine Antwort krieg' ich mehr.

Seitdem schmeckt mir kein Essen nicht.
Gib, was du willst, ich mag es nicht.
Wenn Alles schläft und nichts sich regt,
Hör' ich, wie jede Stunde schlägt.

Und was ich mach', nichts hat Geschick.
Auf Schritt und Tritt, im Augenblick
Ist all mein Sinn beim Hexchen gleich,
Und was ich schwätz', ist dummes Zeug.

'S ist wahr, sie ist so wunderschön,
Ein Engel müsst' sich dran versehn.
Wie sagt sie mit so frischem Mut
So lieb und süß: "Schneidet's Messer gut?"

Das einz'ge Mal, da kam sie her,
Seitdem sah ich sie niemals mehr.
Weg war sie über Stock und Stein,
Durch Busch und Zaun; wer holt sie ein?

Wer findt mir jetzt mein Hexchen aus,
Wer zeigt mir seiner Mutter Haus?
Ich lauf und such', was ich nur kann,
Ich denk', ich treff' es doch noch an.

In jedes Dorf lauf' ich hinaus,
Ich frag' und such' von Haus zu Haus.
Und wird mein Hexchen mir nicht kund,
Mein Lebtag' werd' ich nicht gesund!

*****

Die Mutter am Christabend

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Die Mutter am Christabend

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Er schloft, er schloft! Do lit er, wie ne Grof!
Du lieben Engel, was i bitt,
bi Lib und Lebe verwach mer nit,
Gott gunnt's m'im Chind im Schlof!

Verwachmer nit, verwachmer nit!
Di Muetter goht mit stillem Tritt,
sie goht mit zartem Muttersinn,
und holt e Baum im Chämmerli d'inn.

Was henki der denn dra?
Ne schöne Lebchuechema,
ne Gitzeli, ne Mummeli
und Blüemli wiiss und rot und gel
vom allerfinste Zuckermehl.

's isch gnueg, du Mutterherz!
Viel Süeß macht numme Schmerz.
Gib's sparsem, wie der liebi Gott,
nit all Tag helset er Zuckerbrot.

Jez Rümmechrüsliger her,
die allerschönste, woni ha,
's isch nummen au kei Möseli dra.
Wer het sie schöner, wer?

's isch wohr, es isch e Pracht,
was so en Öpfel lacht;
und isch der Zuckerbeck e Ma,
se mach er so ein, wenn er cha.
Der lieb Gott het en gmacht.

Was hani echt no meh?
Ne Fazenetli wiiß und rot,
und das eis vo de schöne.
O Chind, vor bittre Träne
biwahr di Gott, biwahr di Gott!

Und was isch meh do inn?
ne Büechli, Chind, 's isch au no di.
I leg der schöne Helgeli dri,
und schöni Gibetli sin selber drinn.

Jez chönnti, traui, goh;
es fehlt nüt meh zum Guete –
Potz tausig, no ne Ruete!
Do isch sie scho, do isch sie scho!

's cha si, sie freut di nit,
's cha si, sie haut der 's Füdeli wund;
doch witt nit anderst, sen isch's der gsund;
's mueß nit si, wenn d' nit witt.

Und willsch's nit anderst ha,
in Gottis Name seig es drum!
Doch Muetterlieb isch zart und frumm,
sie windet roti Bendeli dri,
und macht e Letschli dra.

Jez wär er usstaffiert,
und wie ne Maibaum ziert,
und wenn bis früeih der Tag verwacht,
het 's Wiehnechtchindli alles gmacht.

De nimmsch's und danksch mer's nit;
drum weisch nit, wer der's git.
Doch macht's der numme ne frohe Muet,
und schmeckt's der numme, sen isch's scho guet.

Bim Bluest, der Wächter rüeft
scho Ölfi! Wie doch d'Zit verrinnt,
und wie me si vertieft,
wenn's Herz an näumis Nahrig findt!

Jez, bhütdi Gott der Her!
En anderi Cheri mehr!
Der heilig Christ isch hinecht cho,
het Chindes Fleisch und Blut ag'no.
Wärsch au so brav, wie er!

*****

Die Mutter am Christabend

Er schläft, er schläft! das ist einmal ein Schlaf!
So recht, du lieber Engel du!
Tu mir die Lieb' und lieg' in Ruh,
Gott gönnt es meinem Kind' im Schlaf!

Erwach' mir nicht, ich bitt', ich bitt'!
Die Mutter geht mit stillem Tritt,
Sie geht mit zartem Muttersinn,
Und holt den Baum zur Kammer hin.

Was häng' ich dir denn an?
'Nen Pfefferkuchenmann,
Ein Kätzelchen, ein Spätzelchen,
Und Blumen bunt und süß und weich,
Und Alles ist von Zuckerteig.

Genug, du Mutterherz!
Viel Süßigkeit bringt Schmerz.
Gib sparsam, wie der liebe Gott;
Tagtäglich nützt kein Zuckerbrot.

Jetzt rote Äpfel her,
Die schönsten, die ich haben kann!
Es ist auch nicht ein Fleckchen dran,
Wer hat sie schöner, wer?

'S ist wahr, es ist 'ne Pracht,
Was so ein Apfel lacht;
Der Zuckerbäcker wär' ein Mann,
Der solchen Apfel machen kann!
Den hat nur Gott gemacht.

Was hab' ich denn noch mehr?
Ein Tüchelchen hübsch weiß und rot,
Es ist eins von den schönen;
O Kind, vor bittren Tränen
Bewahr dich Gott, bewahr dich Gott!

Was häng' ich sonst noch hin? -
Dies Büchlein, Kind, ist auch noch dein;
Da leg' ich Bilder dir hinein,
Gebete sind von selber drin.

Jetzt wär' genug wohl da? -
Jetzt hast du alles Gute -
Der tausend! Ja, 'ne Rute,
Die fehlte noch, da ist sie ja!

Vielleicht - sie freut dich nicht,
Vielleicht - sie schlägt die Haut dir wund,
So manchem war es schon gesund,
Sei gut, so schlägt sie nicht.

Fängst du darnach es an,
In Gottes Namen sei es drum!
Die Mutterlieb' ist fromm und zart,
Sie windet rote Bänder um
Und macht ein Schleifchen dran. - -

Jetzt wär' er ausstaffiert,
Wie 'n Kirmesbaum geziert;
Dann heißt es, wann der Tag erwacht,
Das Christkind hat den Baum gebracht.

Mir dankst du nicht dafür,
Wer's gab, wer sagt es dir?
Doch macht es dir nur frohen Mut
Und schmeckt es dir, so ist es gut.

Rief da der Wächter nicht
Schon elf? Wie doch die Zeit verrinnt!
Man merkt die Stunden nicht,
Wenn's Herz an etwas Nahrung find't.

Jetzt - Gott behüte dich,
Ein ander Mal denn mehr!
Heut war es, wo der heil'ge Christ
Ein Kind wie du geworden ist,
Werd auch so brav, wie er!

*****

Gespenst an der Kanderer Straße

's git Gspenster, sel isch us und isch verbei!
Gang nummen in der Nacht vo Chander hei',
und bring e Ruusch! De triffsch e Plätzli a,
und dört verirrsch. I setz e Büeßli dra.

Vor Ziten isch nit wit vo sellem Platz
e Hüsli gsi; e Frau, e Chind, e Chatz
hen g'otmet drinn. Der Ma het vorem Zelt
si Lebe g'lo im Heltelinger Feld.

Und wo sie hört: »Di Ma lit unterm Sand«,
se het me gmeint, sie stoß der Chopf an d'Wand.
Doch holt sie d'Pappe no vom Füür und blost,
und git's im Chind, und seit: »Du bisch mi Trost!«

Und 's wär's au gsi. Doch schlicht e mol mi Chind
zur Türen us, und d'Muetter sizt und spinnt,
und meint, 's seig in der Chuchi, rüeft und goht,
und sieht no just, wie's uffem Fußweg stoht.

Und drüber lauft e Ma, voll Wi und Brenz,
vo Chander her ans Chind und überrennt's,
und bis sie 'n helfe will, sen isch's scho hi,
und rüehrt sie nit – e flösche Bueb isch's gsi.

Jez rüstet sie ne Grab im tiefe Wald,
und deckt ihr Chind, und seit: »I folg der bald!«
Sie sezt si nieder, hütet's Grab und wacht,
und endli stirbt sie in der nünte Nacht.

Und so verwest der Lib in Luft und Wind.
Doch sizt der Geist no dört, und hüetet's Chind,
und hütigs Tags, de Trunkene zum Tort,
goht d'Chandrer Stroß verbei an sellem Ort.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Gespenst an der Kanderer Straße

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Und schwankt vo Chander her e trunkne Ma,
se sieht's der Geist s'im Gang vo witem a,
und füehrt en abwärts, seig er, wer er sei,
er losst en um kei Pris am Grab verbei.

Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüst und hott,
und bsinnt si: »Bini echterst, woni sott?«
Und luegt und lost, und mauet öbbe d'Chatz,
se meint er, 's chreih e Guhl an sellem Platz.

Er goht druf dar, und über Steg und Bruck
se maut sie eben all'wil witer z'ruck;
und wenn er meint, er seig jez bald dehei,
so stoht er wieder vor der Weserei.

Doch, wandle selli Stroß her nüechteri Lüt,
se seit der Geist: »Ihr tüent mi'm Büebli nüt!«
Er rührt sie nit, er losst sie ordeli
passieren ihres Weg. – Verstöhntder mi?

*****

Gespenst an der Kanderer Straße

Es gibt Gespenster, das ist ausgemacht!
Geh nur von Kandern heim in dunkler Nacht
Und hab' 'nen Rausch, du triffst 'ne Stelle an,
Wo du verirrst; ich wett' 'nen Gulden dran.

Vor Zeiten stand nicht weit von selbem Platz
Ein kleines Haus. Ein Weib mit Kind und Katz'
Hat drin gelebt. Der Mann war vor dem Zelt
Erschlagen in dem Heltelinger Feld.

Und wie sie hört: "Dein Mann liegt in dem Sand",
Wollt sie den Kopf einrennen an der Wand;
Doch holt vorher vom Feuer sie geschwind
Den Brei, und bläst, und gibt ihn ihrem Kind.

Das war ihr Trost! - Da schleicht einmal das Kind
Zur Tür' hinaus. Die Mutter sitzt und spinnt,
Und glaubt es in der Küche, ruft und geht
Und sieht noch just, wie's auf dem Fußweg steht.

Da kommt gelaufen ein betrunkner Mann
Von Kandern her und rennt das Kindchen an.
Es fällt, sie will ihm helfen. Ja, zu spät!
Es rührt sich nicht! - Wie war es derb und nett!

Da macht sie ihm ein Grab im tiefen Wald,
Begräbt ihr Kind und sagt: "Ich folg' dir bald!"
Sie setzt sich hin und hat das Grab bewacht,
Und endlich stirbt sie in der neunten Nacht.

Und so verwest der Leib in Luft und Wind;
Doch sitzt der Geist noch dort und hütet's Kind.
Und heut'gen Tags, den Trunkenen zum Tort
Geht da die Straß vorbei am selben Ort.

Und schwankt von Kandern her ein trunkner Mann,
So sieht's der Geist ihm schon von weitem an,
Und führt ihn abwärts, sei er, wer er sei,
Um keinen Preis darf er am Grab vorbei.

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Gespenst an der Kanderer Straße

Er kommt vom Weg, er taumelt hin und her:
"Wo bin ich denn? Geht Alles in die Quer'?"
Er sieht und horcht; miaut wo eine Katz,
Er meint, es kräh' der Hahn auf selbem Platz

Er geht drauf los und über Steg und Brück',
Und jetzt miaut es wieder mehr zurück.
Jetzt meint er, wär' er seinem Hause nah,
Da steht er wieder vor der Schenke da.

Doch wer sich nüchtern auf der Straß' befind't,
Dem sagt der Geist: "du tust nichts meinem Kind!"
Und rührt sich nicht, lässt jeden ordentlich
Passieren seinen Weg. - Versteht ihr mich?

*****

Der Statthalter von Schopfheim

Vetter Hans-Jerg, 's dunnert, es dunneret ehnen am Rhistrom,
und es git e Wetter! I wott, es zög si vorüber.
's chunnt so schwarz – nei lueget, wie's blizt, und loset, wie's windet,
wie's im Chemi tost, und der Guhl uffem Chilcheturn gahret!
Helfis Gott! – 's chunnt alliwil nöcher und alliwil stärcher.
Ziehnt doch d'Läden a, der Glast möcht' d'Auge verblende,
und jez holet 's Chrüsli und sitzet do ummen, i willich
us den alte Zite vom Statthalter näumis verzehle.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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Friedli het me nem gseit, und het's e seltseme Bueb ge,
isch's der Friederli gsi in siner Juged, das weißi!
Aber schöner as er isch ken durs Wiesetal gwandlet,
woner no Burechnecht bim alte Statthalter gsi isch.
Chrusi Löckli het er gha und Auge wie Chole,
Backe wie Milch und Bluet und rundi chräftige Glieder.
's Meisters Vreneli het an ihm si eigeni Freud gha,
er am Vreneli au, doch isch er numme der Chnecht gsi. -
Nei, wie macht's, und nei, wie schüttet's! Bringet der 's Chrüsli
und e Ränftli Brot derzu? Jez sitzet und loset! –
Vor fünfhundert Johren, i ha's vom Ätti erfahre,
isch e schwere Chrieg und sin Panduren im Land gsi.
Drunter isch's und drüber gange, was me cha sage.
Rich isch richer worden an Geld, an Matten und Hochmut,
Arm isch ärmer worden, und numme d'Schulde hen zueg'no.
Menge brave Ma het's nümme chönne prästiere,
het si Sach verloren und Hunger g'litten und bettlet.
Mengi hen si zsemme g'rottet zwische de Berge.
Z'letzt het no der Friede ne Pack Maroden im Land g'lo,
gföhrli Volch mit Schwert und Büchse, listig und unheim.
's sin bitrüebti Zite gsi, Gott well is biwahre!
Sell mol het e Bur uf der Egerte nieden an Farnau
Hus und Schüre gha und Stiere, 's wärich ke Tropfe
Wasser uffene g'standen, und uf de Matte vo Farnau
bis go Huse Tensch und Tensch und Schmehlen an Schmehle
het der Ueli g'meiht, und 's Heu uf d'Egerte heimg'füehrt,
aber e wüste Ma zue dem, wie's ken meh in siebe
Here Ländere git, im Welschland isch er so worde.
Hätt em der Statthalter z'Schopfe nit 's Vreneli endli zur Frau ge,
's Vreneli voll Verstand, und wie der Morge so lieblig,
's hätt 's ke Magd im Hus bis Betzit chönnen erlide,
und kei Chnecht hätt zuenem dingt. Es chunnt eim e Bettler,
und me git em ke Brot, se seit me doch öbben im Friede:
»Helfich Gott!« – Er nit! »I will der 's Bettle verleide«,
het er gseit, »und gang, wil's Zit isch! Flieh mi der Teufel!«
Und die arme Lüt hen 's Gott befohlen, und briegget.
Jedem chunnt si Zit! So öbbe ne Wuche vor Wiehnecht
het der Ueli gmetzget, und het er gwurstet bis z'Obe,
het er z'Nacht si Chrüegli glüpft bim brotene Ribbli.
»Vreni gang in Cheller!« und »Vreni leng mer z'trinke!«
het er mehr as zwenzig mol mit brochener Stimm gseit.
Gsinnet hen sie 'n emol uf siebe Mos und e Schöpli.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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Aber wo meinetder mög sel Zit der Friederli gsi si?
Öbben im Fuetergang? Bi's Meisters Stieren und Rosse?
Hender gmeint, jo wohl! Scho z'Fasnecht isch er im Meister
us de Hände gwütscht, sust hätt en der Statthalter ghüblet.
Het er näumis bosget, se willi 's nit verrote;
was goht's mi denn a? Furt isch er! Über e Monet
het me ke Spur meh gha, bis öbben afangs Aprille
stoht er bi den arme Manne zwische de Berge.
Schön an Wuchs und Gsicht, und fründli gegen de Lüte,
muetig wie ne Leu, doch voll verborgener Bsinnig,
hen sie 'n alli gern, und sage: »Seig du der Hauptma!
Was de seisch, das tüemer, und schickis numme, se göihmer,
hundertfüfzig Ma und siebenesiebezig Buebe!«
Und der Friedli seit: »D'Marodi wemmer verfolge.
Wenn e riche Bur die Arme ploget und schindet,
wemmer em der Meister zeigen, ass es en Art het,
bis au wieder Recht und Gsetz und Ordnig im Land isch.«
Helfis Gott der Herr! – Jez rüeft der Hauptma sim Völchli:
»Manne, was fange mer a? I hör der Ueli het gmetzget,
's wär e Site Speck wol us der Büttene z'hole
und e Dotzet Würst. Wie wär's? Doch 's Vreneli duurt mi.
Besser isch's, es göhn e paar, und singen ums Würstli!
Saget, i löß en grüeßen, er soll's im Friede verzehre,
und mer vo der Sau doch au ne Müsterli schicke.
Hemmer nit menge Hirz us sine Gärte verscheuchet?
Hemmer uf sine Matte ne Habermarkstörzli vertrette?
Oder e Bäumli gschüttlet? Isch sine Chnechten und Buebe
nummen au so viel gscheh? Sie hen doch ghüetet und g'wassert
z'nacht um Eis, und früeih vor Tag; sie könne nit chlage.
Leget em's ordlig ans Herz, i wünsch ich gueti Verrichtig!«
Seit's und 's göhn drei Bueben, und chömme mit Säcke zum Ueli.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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»Guten Obe!« – »Dunderschieß! Was hender, was wender?« –
»He, mer chömme do abe vom Sattelhof. Zeiget, wie sinder!
So het üse Meister gseit, so sagemer wieder.«
Schlimmer Wis isch, wo sie cho sin, 's Vreneli näume
dusse gsi, doch d'Chnecht sin uffem Ofebank glege,
und der Ueli voll Wi git grobi Reden und Antwort.
»Saget euem Meister – (es isch mit Ehre nit z'melde).
Meister hi und Meister her, und wer isch der Meister?
's lauft so Waar jez gnug im Land, wo bettlen und stehle,
Schereschlifer, Hafebinder, alti Saldate,
Sägefeiler, Zeinemacher, anderi Strolche.
Wemmen alle wott ge, me müeßt no mittene laufe.
Packetich, jez isch's hochi Zit!« – »He jo, der Gottswille!
Numme ne Hämpfeli Mehl, und nummen au so ne Würstli!« –
»Wart du Siebechetzer, e Rippestückli wird guet si!
Jobbi, gang an d'Stud, und leng mer de Fareschwanz abe!
Wenderich packe jez gli, i frog, ihr luftige Strolche!«
Jo, sie hen si packt, doch hinterne schliche vom Ofe
d'Chnecht zur Türen us, und suche 's Vreneli dusse.
»Meisterne, jez isch's gfehlt, jez Meisterne, helfet und rotet!
Das und das isch gscheh, si hen's nit an is verdienet.
Hemmer 's Wasser gchert, und hemmer de Hirze ghüetet
z'nacht um Eis, und früeih vor Tag, mer chönne nit chlage,
kuntereri si hennis ghulfe, gell aber, Jobbi?
Aber chömmemer wieder, so werde sie anderster rede.«
's Vreneli lost und lost, es macht bidenklichi Miene;
's Vreneli bindet d'Chappen, und schüttlet 's Mailänder Halstuech,
's Vreneli chnüpft am Fürtuechbendel – »Seppli, spann's Ross a,
und e Welle Strau, hesch ghört, und loß mer der Meister
nüt eninne werden, und gang ein d'Farnauer Stroß uf,
lueg, öb alles sicher isch, und niene ke Volch stoht!«
Sieder chömme d'Bube mit leere Säcke zum Friedli.
Tausig Sapermost, wie sin em d'Flammen ins Gsicht cho!
Wo ner sie frogt: »Was hender?« und wo sie'm dütliche Bricht gen:
»Nüt, und wüssetder was? Göhnt ihr enandermol selber!
's isch im Ueli z'heiß, der sollet cho, go nem blose!« –
»'s isch e Wort, i gang«, seit jez der Hauptma und funklet,
»'s soll en nit lang brenne, 's isch chüel im Farnauer Chilchhof!
Ueli, du hesch 's lezt im Räf, sel chani der sage!«
Seit's, und pfift im Wald, und gschwinder as me ne Hand chert,
pfift's vo Wald zu Wald an allen Enden und Orte,
und es lauft derher vo allen Orten und Ende.
»Allo, frisch, bergab! Der Egerten-Ueli het gmetzget,
's goht in eim jez hi, mir metzge hinecht der Ueli!
's duuret mi frili si Frau, 's wird uding ab is verschrecke.«
Jez chunnt's schwarz bergab, wohl über Studen und Hecke,
nebe Reibbech aben ins Tanners Wald, und vo dörtweg
rechts und links ins Fahrnauer Holz, was gischmer, was heschmer!
D'Wälder fahre mit Schlitte voll Spö der Wiese no abe,
sehn's und huure nieder am Steinebrückli und bette:
»Alli guete Geister!« und »Heiligi Muetter Gottis!«
Aber wo der Hauptma bi Farnau usen an Wald chunnt,
düsslet er: »Buebe z'ruck! I hör e Wägeli fahre;
's chönnt d'Faktorene si, sie isch die Nemtig go Basel,
und der müent sie nit verschrecke, lönt mi ellei goh!«
Seit's, und wiener chunnt, wütsch's übers Wägeli abe,
und goht uffen dar, und luegt em fründlig in d'Auge.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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»Friedli, bisch's!« – »I mein's emol!« – »Se bis mer Gottwilche
unterm freie Himmel und unter de liebe Sterne!
Gell, i darf di duze? Was wirsch do nummen au denkt ha
ob mim trutzige Ma und sine trutzige Rede.
Lueg, i cha nit derfür, wo's z'spot isch, seit mer's der Sepli
dussen am Wasserstei. Es wär sust anderster gange.
O, de glaubsch nit, wieni gstroft bi. Besseri Zite
hani g'lebt ins Vatters Hus. Jez sin sie vorüber.
Chumm, do bringi der näumis, e Säckli voll dürri Chriesi,
schöni Gumpistöpfel, und au e bizzeli Geißchäs,
do ne Säckli Habermehl und do ne paar Würstli,
und e Logel voll Wi, gib achtig, ass es nit gäutschet,
's isch kei Bunte druf, und au ne Rölleli Tubak.
Chumm e wenig absits, bis do die Wälder verbei sin,
und bis ordli, hesch g'hört, und nimm di Gwissen in Obacht.«
Aber der Friedli schwört: »Bi Gott, der Ueli mueß sterbe!
's isch nit Gnad!« Doch 's Vreneli seit: »Jez los mer e Wörtli:
Gschwore hesch, und jo, wenn's Zit isch, sterbe mer alli,
und der Ueli au, doch loß du lebe, was Gott will,
und denk an di selber und an die chünftige Zite.
So blibsch nit, wie de bisch, und so ne Lebe verleidet.
Bisch nit im Land deheim, und hesch nit Vater und Muetter?
Öbbe möchtsch au heim, den erbsch en ordeli Güetli
in der Langenau, und gfallt der e Meidli, de hättsch's gern,
isch's bim Ätti nit Nei, de chasch no Stabhalter werde.
Nimm, wie müeßt's der werden, an so ne Missetat z'denke,
und mi's Here Stab mit bluetige Hände z'regiere!
Halt's im Ueli z'gut! Si Grobheit nimmt für en Ehr uf,
's isch zwor keini gsi, doch denk au, ass er mi Ma isch!
Schlacht's nit z'Schopfen Ölfi! 's isch Zit, se sag mer, witt folge?«
Aber der Friederli stoht, er stoht in schwere Gidanke,
und het d'Auge voll Wasser, und möcht gern schwetzen und cha nit.
Endli bricht em's Herz: »Nu jo denn, wenn d'mer e Schmutz gisch!
Bhüetdi Gott der Her, und jo, i will mi bikehre.
Buebe, jez packet uf, mer wen im Friede verlieb neh!
Göhnt e paar uf d'Möhr und schießet näumen e Hirzli!«
Seit's und goht in Wald, und lueget an Himmel und briegget.
bis si d'Sternen ins Morgeliecht tunken, und drinn verlösche.
Endli goht er au, doch luege mengmol enander
d'Mannen a, und sage: »Was fehlt doch echterst im Hauptma?«
Aber 's Statthalters Tochter lit jez bim Ueli und stoßt en:
»Schnarchle mer doch nit so! Me cha jo nit nebe der schlofe!«
Und der Ueli zuckt und streckt si: »Vreni wie isch mer?« –
»He, wie wird's der si?« – »I ha ne bluetige Traum gha.
Vreni, 's goht nit guet, i ha mi selber seh metzge.
Hen sie mi nit verstochen, und in der Büttene brüeihet,
mittem Messer gschabt? De glaubsch nit, wie's mer so weh tuet!«
Aber 's Vreneli seit: »He, 's macht nüt. Chunnt der nit mengmol
öbbis für? Jez isch es d'Sau, drum hesch die seh metzge.«
Aber 's Ueli's Schlof isch us, und schweri Gidanke
chämpfe bis an Tag mit sine zerrüttete Sinne,
bis er 's Kaffi trinkt, bis 's Vreneli Suppen ischnidet,
bis en alte Ma verzagt zur Stubetür itritt:

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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»Chümmi, Reckholderbeeri! Will nieme nüt chrome do inne?«
»Nei, der löset nüt!« – »Drum isch's mer au nit ums Löse!
Chönnti, Meister Ueli, mit euch e wengeli rede?
Isch das eui Frau, se mag sie's hören, es schadt nüt.
Nechte fahri selbfeuft mit Waar der Wiese no abe,
ich, mi Rössli, mi Bueb, und 's Richertlis Rössli und Matthis.
Womer an Farnau chömme, so stoht's voll Mannen und Buebe
links im Wald, und an der Stroß e luftige Kerli.
's stoht e Wibsbild binem, es mag e suferi gsi si,
wenni's unter hundert sieh, se willi 's erchenne;
het der Mond nit gschienen, und hani d'Auge nit bimer?
So viel hani ghört: ›'s isch gfluecht, der Ueli muss sterbe!‹
Woni neben abe gang, se seit er's zum Wibsbild.
Witers weiß i nüt, und witers chani nüt sage.
Warten isch nit gut, me lost, und wandlet si's Wegs furt.
Bhüetich Gott, i gang, und tüent jez selber, was guet isch.« –
Wie het's Vreneli glost! Doch bhaltet's verständigi Bsinnig.
»Hesch en denn nit gmerkt, es isch em nummen um Brenz gsi?«
Aber s' Uelis Ghör isch weg, er lit in der Ohnmacht,
d'Auge stöhn verchehrt, me sieht fast nüt meh vom Schwarze,
d'Zungen isch em glähmt, sie luegt vor usen, und chölschblau
isch er bis an Hals. Me holt der Meister vo Hage,
holt vo Zell der Dokter-Friedli, 's isch em nit z'helfe.
Friederli du hesch d'Wohret gseit, der Ueli muss sterbe.
Vormittag isch's so, und Nomittag isch's anderst.
Schwetze lehrt er nümmen, und siechet ebe so ane,
bis am dritte Tag; uf ei mol schnappt er und endet,
und am Zistig druf, se singt's haupthöchlige: ›Mitten
wir im Leben sind
‹ – d'Stroß uf zum Farnauer Chilchhof.
Furt treit hen sie en, sel isch gwis, doch heißt es, en andre
heig en gholt, und 's gang zu Ziten e bluetigen Eber.
Göhntder z'Nacht vom Bergwerch heim, und hentder uf d'Site
gladen, und der sehnt en Eber mit bluetige Wunde,
göhnt em still usweg. Es isch der Egerten-Ueli.
Sehntder nüt, sen isch er's nit. Ich ha nen no nie gseh.
       Aber wer wird jez mit Zuespruch 's Vreneli tröste?
Groß isch 's Leid just nit, und siebe Wuche no Pfingste
rüeft me 's wieder us. Mit wem? Der werdet nit froge.
Grüseli het der Vater gmacht, und gschworen: »I lid's nit!
So ne vertlaufene Burst mit miner liibliche Tochter,
mit mi'm Fleisch und Blut? I führ di selber ins Zuchthus.«
Aber was isch's gsi? – Es isch die einzigi Tochter,
und isch Frau für ihns, und mag er roten und warne,
muess er's ebe lo gscheh, – doch het's em nümmen ins Hus dörft,
het's au nümme bitrette, bis no Micheli si Vater
z'Wil dur d'Wiese ritet, er het e Wage voll Wi gchauft.
Groß isch's Wasser gsi, und finster, wo sie derdur sin,
und chunnt usem Weg, und 's tribt en aben und abe,
bis er abem Choli fallt und nümmen ans Gstad chunnt.
An der Schorebruck, dört hen sie 'n mornderigs gfunde.
       Aber jez zieht üser Paar im Friede go Schopfe,
und nimmt B'sitz vo Hus und Guet, der Friedli wird Burger,
füehrt si ordelig uf, er cha guet lesen und schribe, –
Helfis Gott! – und stigt nootno zu Würden und Ehre.
Wer wird Chilchelueger, und wer wird Weibel und wer stoht
bald am Rothusfenster und lächlet güetig, wenn öbbe
mittem Hut in der Hand e Langenauer verbei goht?
Isch's nit mi Herr Frieder mit siner lockige Stirne? –
Nei, wie macht's, und nei, wie schüttet's, loset doch numme,
fangt's nit vornen a? – Z'letzt sage d'Burger: »Der Hügli
cha jo nit Gschriebes lese, wie chaner denn Statthalter blibe?
's wär für Ihn, Her Frieder, und Er muss d'Burger regiere.
Er isch e brave Ma, in alle Stücke biwandert,
und si Frau, Statthalters Bluet, mit Tuged bihaftet,
isch die gueti Stund, und gscheit, no gscheiter, as Er schier.
Sager nit lang Nei, 's nuzt nüt, mer lön is nit brichte.« –
»Nu, se sagi Jo, 's Regiere chunnt mi nit suur a.« –
Dreimol chlöpft der Hurlibaus – nei loset, wie's schüttet,
lueget, wie's dur d'Chlimse blizt! – Im Pflueg und im Engel
hen sie tanzt bis tief in d'Nacht, und gessen und trunke.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

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Wohr isch's, e brävere Ma hätt d'Stadt nit chönnen erchise,
und im Vreneli gunni 's au. In d'Schopfemer Chilche
het er en Orgle gschafft, vor sine Ziten isch nüt gsi,
(z'Huse stoht sie no), d'Marodi het er vertriebe,
und uf d'Burger Obsicht treit, und groten und gwarnet.
Aber si Frau und er, sie hen in Frieden und Liebi
mit enander glebt, und Guts an Armen erwiese,
jo, und 's isch em e Muetter zu siebe Chindere worde, –
Helfis Gott! – und 's stammt von ihnen im Schopfemer Chilchspiel
mengi Famili her, und blüeiht in Richtum und Ehre. –
Helfis Gott, und bhütis Gott! Ins Here Gotts Name,
das het gchlöpft, und das het gmacht, 's isch weger e Schlag gsi! –
Menge Famili, se sagi – die wenigste wüsse's meh selber.
Wer sie sin, und wie sie heiße, das willi jez sage.
Zwor isch 's Chrügli leer – nei loset, was git's uf der Gaß duß?
Vetter Hans-Jerg, 's stürmt! Fürio! 's lauft alles der Drau zu.

*****

Der Statthalter von Schopfheim

Vetter Hans Jörg, es donnert, es donnert drüben am Rheinstrom!
Nu, das gibt ein Wetter! Ich wollt', es zög' sich vorüber. -
Wie das schwarz kommt! nein, wie's blitzt! und hört, wie der Sturm pfeift!
Helf uns Gott! - 'S kommt all'weil näher und alleweil' stärker.
Zieht doch die Läden an, man wird ganz blind von dem Leuchten.
Und jetzt bringt mir's Krügel, und setzt euch herum da, ich will euch
Vom Statthalter erzählen aus alten vergangenen Zeiten.
Friedel hieß man ihn; gab's wo einen seltsamen Burschen,
War's gewiss der Friedel in seiner Jugend, das mein' ich!
Aber schöner als er ging durch das Wiesental keiner,
Da er als Baurknecht noch beim alten Statthalter diente.
Krause Locken hat er gehabt und Augen wie Kohlen,
Backen wie Milch und Blut und runde kräftige Glieder.
Bärbel, des Statthalters Tochter, hat Freud gehabt an dem Friedel,
Friedel an Bärbel auch, doch war er immer der Knecht doch -
Nein, wie rollt's! und nein, wie gießt es! Bringt doch das Krügel,
Auch 'nen Schnitten Brot dazu! Jetzt sitzet und höret!
       Vor fünfhundert Jahren - mein Vater pflegt's zu erzählen -
War ein schwerer Krieg, Panduren fielen ins Land ein,
Drunter ist's und drüber gegangen, was man kann sagen,
Reich ist reicher worden an Geld, an Wiesen und Hochmut,
Arm ist ärmer worden; was zunahm, waren die Schulden.
Mancher brave Mann hats nicht mehr können prästieren,
Hat sein Hab verloren, hat hungern müssen und betteln,
Manche haben sich drum in den Bergen zusammengerottet.
Endlich warf noch der Frieden ein Pack Marodeur in das Land uns.
Recht unheimlich gefährliches Volk mit Schwertern und Büchsen,
'Sind betrübte Zeiten gewest, Gott woll uns bewahren!
       Zu der Zeit, da lebt' ein Bauer da unten bei Farnau,
Hatte Haus und Scheur und Stiere. Nicht eine Pfütze
Blieb auf dem Felde stehn und auf den Wiesen von Farnau,
Weit ins Land hin Schleus' an Schleus'! es hat auch der Uhli
Halm an Halm gemäht und 's Heu in die Scheuern gefahren.
Aber ein wüster Mann zu dem, wie 's keinen in sieben
Herren Ländern gibt; in Welschland ist er so worden.
Hätt er das Bärbel, des Statthalters Kind, zur Frau nicht bekommen,
'S Bärbel voller Verstand und wie der Morgen so lieblich,
Keine Magd im Haus hätt's nur eine Stunde ertragen
Und kein Knecht bei ihm sich verdingt. - Es kommt wohl ein Bettler
Und man gibt kein Brot, so sagt man doch eben in Frieden:
"Helf euch Gott!" - Er nicht! "Ich will dir's Betteln verleiden,"
Hat er gesagt: "Und geh, 's ist Zeit, sonst holt dich der Teufel!"
Und die armen Leute befahlen sich Gott, und sie weinten.
Jedem kommt sein Tag! So, wohl 'ne Woche vor Weihnacht
Hat der Uhli geschlachtet und Wurst gemacht bis zum Abend,
Drauf zur Nacht sein Krügel gehoben und Braten gegessen,
"Bärbel! lauf zum Keller!" und "Bärbel, reich mir zu trinken!"
Lallt er mehr als zwanzigmal mit betrunkener Stimme. -
Bis auf sieben Maß und ein Schöppchen konnt er es bringen!
       Aber der Friedel, wo meint ihr nu wohl, dass der da gesteckt hat?
Wohl im Futtergang? bei des Statthalters Stieren und Gäulen?
Meint ihr? Ei ja wohl! Schon Fastnacht war er dem Herren
Aus den Händen gewutscht, sonst wärs ihm übel ergangen.
Hat er irgend was Schlimmes getan, ich will's nicht verraten;
Was geht's mich denn an? Fort ist er! Über 'nen Monat
Hatte von ihm man keine Spur. Bis Anfang Aprilen
Steht er zwischen den Bergen da unter den armen Gesellen,
Schön an Wuchs und Gesicht und freundlich gegen die Leute,
Mutig wie ein Löwe, doch drinnen voller Besinnung.
Alle hatten ihn gern und sagten: "Sei du der Hauptmann!
"Was du uns sagst, das tun wir, und wirst du uns schicken, so gehn wir
"Hundert und funfzig Mann und sieben und siebenzig Jungen!"
Und der Friedel sagt: "Ich nehm es an, und das erste,
"Was wir tun, das ist: die Marodeurs zu verfolgen.
"Auch wo ein reicher Bauer die Armen plaget und schindet,
"Wollen wir schon zur Vernunft ihn bringen, dass es 'ne Art hat,
"Bis auch wiederum Recht und Gesetz und Ordnung im Land ist." -
Helf uns Gott der Herr! (1) - Einst ruft seine Scharen der Hauptmann.
"Leute! Was tun wir? Da hör ich, der Uhli hat neulich geschlachtet.
"'S wär da so manche Speckseit' wohl aus den Bütten zu holen,
"Und auch ein Dutzend Würst'. Wie wär's? Mich daurt nur das Bärbel.
"Besser ist's, es gehen ein Paar, und bitten um Wurst ihn.
"Sagt: ich lass ihn grüßen, er soll's im Frieden verzehren,
"Und mir von der Sau doch auch zur Probe was schicken.
"Haben wir doch ihm so manchen Hirsch aus den Gärten verscheuchet!
"Nicht ein Hälmchen haben wir ihm auf den Wiesen zertreten,
"Nicht 'nen Baum geschüttelt! Ist seinen Knechten und Jungen
"Auch ein Haar nur gekrümmt? Sie haben gehütet, gewässert
"Nachts um Eins und früh vor Tag; sie können nicht klagen.
"Legt es ihm recht ans Herz, ich wünsch euch gute Verrichtung!"
Sagt's und es gehen drei Bursche und kommen mit Säcken zum Uhli.
"Guten Abend!" "Sackerment! Was habt ihr? was wollt ihr?" -
"Na! Wir kommen da oben vom Sattelhof. Zeigt, wie ihr's meinet!
"So hat unser Meister gesagt, so sagen wir wieder."
Schlimmer Weis' ist, wie sie gekommen, grade das Bärbel
Eben nicht da und die Knechte die liegen hinter dem Ofen.
Und der Uhli, voll Wein im Kopf, hat grob sie empfangen:
"Saget eurem Meister" - (man kann's mit Ehren nicht sagen)
"Meister hin und Meister her, und wer ist der Meister?
"'S läuft so Bagasche genug im Land mit Betteln und Stehlen,
"So Topfbinder, Scherenschleifer und alte Soldaten,
So Korbflechter, Sägenfeiler und andres Gesindel.
"Wollt' man allen geben, mit ihnen müsst' man noch laufen.
"Packt euch fort, 's ist hohe Zeit!" - "Herr, habt doch Erbarmen!
"Gebt 'ne Hand voll Mehl und nur ein Stückelchen Wurst uns." -
"Wart du Lump! Ein Rippenstück das sollt ihr bekommen.
"Jacob, lang mir vom Pfosten den Ochsenziemer herunter!
"Wollt ihr euch packen jetzt? ich frag, ihr Lumpengesindel!"
Ja, sie packten sich schon, doch hinter ihnen da schlich auch
Sich der Knecht hinaus und suchte draußen das Bärbel,
"Frau! Jetzt steht es schlimm, ach Frau, jetzt helfet und ratet!
"Das und das ist geschehn. Sie haben's um uns nicht verdient.
"Haben die Wiesen wir doch gewässert um Eins in der Nacht oft,
"Oder früh am Tag, wir können wirklich nicht klagen.
"Ja, konträr! sie halfen uns noch. Nicht, Jacob? so ist's doch!
"Aber kommen wir wieder, jetzt werden sie anderster reden!" -
Bärbel horcht und horcht, sie macht bedenkliche Mienen,
Bärbel setzt die Mütze sich auf, drauf nimmt sie ihr Halstuch,
Bärbel knüpft an der Schürze, "spann an," so sagt sie zum Joseph,
"Nimm auch ein Bündelchen Stroh, und hör', pass auf, dass mein Mann nichts
"Davon merkt. Geh einer hinunter den Farnauer Weg hin,
"Seht, ob alles auch sicher da ist und nirgend sich Volk zeigt!"
       Derweil kommen die Bursche mit leeren Säcken zum Friedel,
Tausendsapperlot, fuhr dem die Glut ins Gesichte,
Wie er sie fragte: "Was habt ihr?" und wie sie darauf ihm berichtet:
"Nichts! - Und weißt du was? Geh du ein andermal selber!
"'S ist dem Uhli zu heiß, du sollst ihm kommen, was blasen!" -
"Nehmt mein Wort! ich geh!" - sagt jetzt der Hauptmann und funkelt,
"Lang' soll's ihm nicht brennen, 's ist kühl im Farnauer Kirchhof.
"Uhli, mit dir ist's aus, dran kannst du glauben, ich sag dir's" -
Sagt's und pfeift in den Wald, und eh man die Hand nur umkehrt,
Pfeifts von Wald zu Wald an allen Enden und Orten
Und es läuft daher von allen Orten und Enden.
"Hallo! Frisch bergab! Es hat geschlachtet der Uhli,
"'S geht so fort, und in dieser Nacht kommt er an das Messer.
"Zwar leid tut mir die Frau, sie wird sich grausam erschrecken."
Jetzt zieht's schwarz bergab, hin über Stauden und Hecken
Neben Reibach nieder zum Tanner-Wald und von dort weg
Rechts und links in's Farnauer Holz, wie's Donner und Wetter.
Waldleut fahren mit Schlitten voll Spähn auf der Wiese herunter,
Sehens und ducken sich nieder am Steiner Brückel und beten:
"Alle guten Geister" und "Heilige Mutter Maria!" -
Aber wie jetzt der Hauptmann bei Farnau her aus dem Wald kommt,
Spricht er leis': "Ihr Jungen! zurück! Ich hör einen Wagen,
"'S könnt die Faktorin sein, sie ist vor kurzem nach Basel,
"Aber erschrecken dürft ihr sie nicht, lasst mich nur allein gehn!"
Sagt's und wie er kommt, huscht es vom Wägelchen nieder
Und es geht auf ihn zu und sieht ihm freundlich ins Auge:

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

"Friedel! bist's?" "Nu wohl! ich meins!" "Grüß Gott! und willkommen
"Unterm freien Himmel und unter den lieben Sternen!
"Gelt, ich darf dich duzen? Was wirst du gesaget nur haben
"Zu dem Trotz von meinem Mann und den hässlichen Reden!
"Sieh, ich kann nicht dafür. Wie's schon zu spät war, da sagt mir's
"Erst der Joseph draußen. Es wär' sonst anders gegangen.
"Ach wie bin ich gestraft, du glaubst es gar nicht! zu Hause
"Hab ich bessere Zeiten verlebt. Jetzt sind sie vorüber!
"Komm, da bring' ich dir was, 'nen Sack voll getrockneter Kirschen,
"Schöne gebackne Äpfel, und auch ein Stückelchen Geiskäs',
"Und ein Ankerchen Wein; gib Achtung, dass er nicht ausläuft,
"'S ist kein Spund darauf, und auch 'nen Beutel mit Tabak.
"Komm ein wenig zur Seit, bis die Waldleut dorten vorbei sind,
"Und sei ordentlich, hörst? und nimm dein Gewissen in Obacht."
Aber der Friedel schwört: "Bei Gott, der Uhli muss sterben!
"Ohne Gnad'!" Doch Bärbel sagt: "So hör doch ein Wort noch:
"Hast es geschworen, nu ja, wenn's Zeit ist, sterben wir alle
"Und der Uhli auch, doch lass du leben, was Gott will,
"Und denk an dich selber und deine künftigen Zeiten.
"So bleibst nicht, wie du bist und solch ein Leben verleidet.
"Bist nicht im Land zu Haus und hast nicht Vater und Mutter?
"Möchtest einmal nach Haus, da erbst ein ordentlich Gütchen
"In der Langenau dann, und gefällt dir ein Mädel zur Frau wo
"Und sagt "Ja" ihr Vater, so kannst du Schulze noch werden.
"Sag, wie müsst es dir werden, die Untat nur dir zu denken,
"Unseres Herren Amt mit blutiger Hand zu verwalten!
"Halt's dem Uhli zu gut! Nimm seine Grobheit als Ehr' auf,
"War's auch keine Ehr', so denk doch, dass er mein Mann ist. -
"Zeit ist's, Eilfe schlägt's in Schopfheim! wirst du mir folgen?"
Aber der Friedel, der steht und steht in schweren Gedanken,
Hat voll Wasser die Augen und möcht' gern reden und kann nicht.
Endlich bricht ihm das Herz. "So gib mir 'nen Kuss und ich folg' dir!
"B'hüt dich Gott der Herr! nu ja, ich will mich bekehren.
"Leute! packt jetzt auf! im Frieden wollen wir heimgehn.
"Geht ein Paar in den Grund und schießt uns etliche Hirsche!" -
Sagt's und geht in den Wald und sieht zum Himmel und weinet,
Bis ins Morgenlicht sich die Sterne tunken und ausgehn.
Endlich da geht auch er, doch sehen manchmal einander
Die Gesellen sich an und sagen: "Was fehlt denn dem Hauptmann?" -
       Aber das Bärbel, das liegt derweil beim Uhli und stößt ihn:
"Schnarch' nicht so! Man kann ja nicht ruhig neben dir schlafen!"
Und der Uhli zuckt und streckt sich: "Bärbel, wie ist mir?"
"Nu, wie wird's dir sein?" - "Ich hatt 'nen blutigen Traum da,
"Bärbel, es geht nicht gut, mich selbst sah eben ich schlachten,
"Träumt, sie stächen mich ab und brüh'ten mich dann in der Bütte,
Schabten mich mit dem Messer. Du glaubst nicht, wie mir's so weh tut?"
Aber das Bärbel sagt: "Was tut's denn? Kommt dir nicht manchmal
"So was vor? Du dacht'st an die Sau, drum sahst du dich schlachten."
Aus ist's mit dem Schlaf beim Uhli, schwere Gedanken
Kämpfen bis an den Tag mit seinen zerrütteten Sinnen,
Bis er Kaffee trinkt und Bärbel die Suppe zurecht macht.
       Schüchtern tritt derweilen ein alter Mann in die Stube:
"Kümmel! Wacholderbeeren! Will keiner kaufen da drinnen?" -
"Nein, wir brauchen nichts." - "Es ist auch nicht um zu handeln.
"Könnt ich, Meister Uhli, mit euch ein Wörtchen wohl reden?
"Ist das eure Frau, so mag sie 's hören, es schadt nichts.
"Vorige Nacht, wir fuhren zu fünf die Wiese herunter,
"Ich, mein Gaul, mein Jung' und des Richters Gaul und der Matthes.
"Wie wir an Farnau kommen, da steht's voll Männern und Burschen
"Links im Wald. Ein wind'ger Patron steht dicht an der Straßen,
"Bei ihm steht ein Weibsbild, es war wohl saubere Ware,
"Wenn ich's unter Hunderten säh', so will ich's erkennen;
"Schien der Mond doch hell und hab' ich nicht Augen im Kopfe?
"So viel hört' ich: geflucht ist worden: der Uhli muss sterben!
"Wie ich vorbei ihm geschlichen, da sagt' er's eben zum Weibsbild.
"Weiter hört' ich nichts und wüßt nichts weiter zu sagen;
"Warten ist schlimm dabei, man hört und geht seiner Wege.
"Nu, behüt' euch Gott! und tut jetzt selber, was gut ist." -
Wie hat's Bärbel gehorcht! Doch behielt sie die volle Besinnung:
"Hast es denn nicht gemerkt, es war ihm blos um den Branntwein!"
Aber des Uhli's Gehör ist weg, er liegt in der Ohnmacht
Und verdreht die Augen, man sieht fast nichts als das Weiße.
Seine Zung' ist ihm gelähmt, schwarzblau ist er worden
Bis an den Hals. Man läuft und holt den Meister von Hagen,
Holt von Zell den Doktor, es ist nicht mehr ihm zu helfen.
Friedel du sprachst ein wahres Wort: der Uhli muss sterben!
Vormittags ist's so und wieder anders nach Mittag.
Mit dem Sprechen ists vorbei, so siecht er und siecht er
Bis am Dienstag darauf; da, hört man, singen sie: "Mitten
Wir im Leben sind
" auf der Strass zum Farnauer Kirchhof.
Dass sie ihn fortgetragen, gewiss ist's, aber ein Andrer
Sagt man, hätt' ihn geholt, und ein blutiger Eber, der soll da
Umgehn seit der Zeit, so sagt man. Wenn in der Nacht ihr
Mal vom Bergwerk eben zu Hause gehet und habt was
Schwer im Kopf, und seht den Eber mit blutigen Wunden:
Geht ihm still aus dem Weg; das war der Feldbauer Uhli.
Seht ihr ihn nicht, dann ist er's nicht; ich sah ihn noch niemals.
       Aber wer wird denn jetzt wohl das Bärbel trösten? Ihr Leiden
Ist grad nicht so groß, und sieben Wochen nach Pfingsten
Bietet man wieder sie auf. Mit wem? Ihr werdet's schon wissen,
Grauslich hat da der Vater getan und geschworen: "ich leid's nicht!"
"So ein verlaufener Bursche mit meiner leiblichen Tochter,
"Meinem Fleisch und Blut? Ich führ dich selber ins Zuchthaus!" -
Aber was geschah? - Sie ist die einzige Tochter
Und ist Frau für sich, und mag er raten und warnen,
Muss er's lassen geschehn - doch durft sie in's Haus ihm nicht kommen.
Hat's auch nimmer betreten, bis nach Micheli ihr Vater
Dicht an Weil einmal durch die Wiese reitet, er hat da
Einen Wagen voll Wein gekauft, das Wasser war eben
Groß, und finstere Nacht und wie sie glücklich da durch sind,
Kommt er aus dem Weg, und es treibt ihn weiter und weiter,
Bis vom Gaul er fällt; das Ufer sah er nicht wieder,
Weiterhin unter der Brück', da hat man ihn Morgens gefunden.
       Aber jetzt, da zieht unser Paar in Frieden nach Schopfheim,
Nimmt Besitz von Hab und Gut und der Friedel wird Bürger,
Führt sich ordentlich auf, er kann gut lesen und schreiben -
Helf uns Gott! - - und steigt allmählich zu Würden und Ehren.
Wer wird Kirchvorsteher und wer Inspektor und wer steht
Bald am Rathausfenster und lächelt gütig, wenn grade
Mit dem Hut in der Hand ein Langenauer vorbeigeht?
Ist's nicht mein Herr Friedel mit seiner lockigen Stirne? - -
Nein, wie blitzt's und nein, wie gießt das! Seid einmal still doch!
'S fängt von Neuem an! - Zuletzt da sagen die Bürger:
"Seht, der Hügli, der kann Geschriebenes nicht einmal lesen.
"Ist es die Möglichkeit, wie kann der Statthalter bleiben?
"'S wär' für ihn, Herr Friedel! Er muss die Bürger regieren.
"Er ist ein braver Mann und in allen Stücken bewandert,
"Auch ist ja seine Frau Statthalters Blut und mit Tugend
"Wohl begabt und gescheit, gescheiter fast als Er selber.
"Sag' Er uns nicht lang Nein, wir lassen uns nichts drein reden!" -

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Statthalter von Schopfheim

"Nu, so sag ich: Ja! 's Regieren kommt mir nicht saur an."
Dreimal knallen die Böller - Nein, hört mir doch, wie es gießet!
Seht, wie's durch die Ritzen da blitzt! - - Im Pflug und im Engel
Tanzten sie bis in die Nacht und haben gezecht und gegessen.
Wahr ist's; nie doch erwählt sich die Stadt einen braveren Mann wohl!
Und dem Bärbel, dem gönn' ich es auch. Er hat auch in Schopfheim
In der Kirch' 'ne Orgel gestiftet, es gab da noch keine
Bis zu seiner Zeit; die Marodeurs, die vertrieb er,
Auf die Bürger da hatt' er Acht, gab Rat, wo er konnte.
Aber sein braves Weib und er, in Frieden und Lieben
Lebten sie mit einander und taten Gut's an den Armen,
Ja und sie ist ihm auch Mutter von sieben Kindern geworden. -
Helf uns Gott! - Und es stammt von ihnen im Schopfheimer Kirchspiel
Manche Familie noch her und blüht in Reichtum und Ehre. -
Helf uns Gott und behüt uns Gott! In's Herre Gott's Namen
Das war ein Schlag und das war ein Knall! Gab das ein Gekrache! -
Manche Familie, sagt ich - die wenigsten wissen es selber. -
Wer sie sind und wie sie heißen, ich will es euch sagen.
Zwar, mein Krügel ist leer - Nein horcht! Was gibts auf der Strass da?
Vetter Hans Jörg, es stürmt! Feur! Feur! das läuft durcheinander!

(1) Das "Helf uns Gott" sagt der hier erzählende Bauer jedesmal beim Scheine eines neuen Blitzes.

*****

Hans und Verene

Es gfallt mer nummen eini,
und selli gfallt mer gwis!
O wenni doch das Meidli hätt,
es isch so flink und dundersnett,
            so dundersnett,
i wär im Paradies!

's isch wohr, das Meidli gfallt mer,
und 's Meidli hätti gern!
's het alliwil e frohe Muet,
e Gsichtli het's, wie Milch und Bluet,
            wie Milch und Bluet,
und Auge wie ne Stern.

Und wenni 's sieh vo witem,
se stigt mer's Bluet ins Gsicht;
es wird mer übers Herz so chnapp,
und 's Wasser lauft mer d'Backen ab,
            wohl d'Backen ab;
i weiß nit, wie mer gschicht.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Hans und Verene

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Am Zistig früeih bim Brunne,
se redt 's mi frei no a:
»Chumm, lüpf mer, Hans! Was fehlt der echt?
Es isch der näume gar nicht recht,
            nei gar nit recht!«
I denk mi Lebtig dra.

I ha 's em solle sage,
und hätti 's numme gseit!
Und wenn i numme richer wär,
und wär mer nit mi Herz so schwer,
            mi Herz so schwer,
's gäb wieder Glegeheit.

Und uf und furt, jez gangi,
's wird jäten im Salat,
und sag em's, wenni näume cha,
und luegt es mi nit fründli a,
            nit fründli a,
so bini morn Saldat.

En arme Kerli bini,
arm bini, sel isch wohr.
Doch hani no nüt Unrechts to,
und sufer gwachse wäri jo,
            das wäri scho,
mit sellem hätt's ke Gfohr.

Was wisplet in de Hürste,
was rüehrt si echterst dört?
Es fisperlet, es ruuscht im Laub.
O bhüetis Gott der Her, i glaub,
            i glaub, i glaub,
es het mi näumer ghört.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Hans und Verene

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Hans und Verene, Ausschnitt

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»Do bini jo, do hesch mi,
und wenn de mi denn witt!
I ha's scho sieder'm Spötlig gmerkt;
am Zistig hesch mi völlig bstärkt,
            jo, völlig bstärkt.
Und worum seisch's denn nit?

Und bisch nit rich an Gülte,
und bisch nit rich an Gold,
en ehrli Gmüet isch über Geld,
und schaffe chasch in Hus und Feld,
            in Hus und Feld,
und lueg, i bi der hold!«

»O Vreneli, was seisch mer,
o Vreneli, isch's so?
De hesch mi usem Fegfüür gholt,
und länger hätti 's nümme tolt,
            nei, nümme tolt.
Jo, friili willi, jo!«

*****

Hans und Käthe

Ich weiß nur einzig Eine,
Die mir so recht gefällt!
Ach wenn ich doch das Mädel hätt,
Es ist so flink und wundernett,
            so wundernett,
Ein Himmel wär' die Welt!

Wahr ist es, sie gefällt mir,
Wahr ist's, ich hätt sie gern!
Das Mädel ist wie Milch und Blut,
Hat immer solchen frohen Mut,
            solch frohen Mut,
Hat Augen wie zwei Stern'.

Wenn ich sie seh von weitem,
Gleich brennt mir das Gesicht,
Es wird mir so beklommen hier,
Die Augen stehn voll Wasser mir,
            voll Wasser mir,
Weiß nicht, wie mir geschicht.

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Hans und Käthe

Am Dienstag früh beim Brunnen,
Da redt sie frisch mich an:
"Komm, hilf mir Hans! Was hast denn du?
"Es geht mit dir nicht richtig zu,
            nicht richtig zu!" -
Ich denk mein Lebtag dran.

Ich hätt's ihr sollen sagen;
Hätt' ich es nur getan!
Ach wenn ich doch nur reicher wär',
Und wär' mir nicht das Herz so schwer,
            das Herz so schwer,
Es ging vielleicht noch an.

Ach was! ich geh. Ich weiß schon,
Sie jätet jetzt Salat.
Ich sag es ihr, wenn ich nur kann,
Und sieht sie mich nicht freundlich an,
            nicht freundlich an,
Bin morgen ich Soldat.

Ein armer Kerl, das bin ich,
Arm bin ich, das ist wahr;
Ein Unrecht aber tat ich nicht,
Ich hab doch auch kein schlimm Gesicht,
            kein schlimm Gesicht,
Damit hat's nicht Gefahr. -

Was knistert da im Busche?
Was hat denn da gerauscht?
Es war, als flüstert was im Laub.
Was ist denn das? Herr Gott! ich glaub,
            ich glaub, ich glaub,
Es hat mich wer belauscht!

"Da bin ich ja, da hast mich,
"Nu? willst du mich denn nicht?
"Der Dienstag hat mir's klar gemacht;
            ja, klar gemacht;
"Warum auch sprichst du nicht?

"Bist du nicht reich an Gelde,
"Bist du nicht reich an Gut,
"Ein treu Gemüt ist mehr als Geld,
"Kannst schaffen auch in Haus und Feld,
            in Haus und Feld,
"Und sieh, ich bin dir gut!" -

Ach Käthe, ist es wirklich!
Ach Käthe, sagst du Ja?
Ich dacht', mit mir da wär' es aus,
Ich hielt es auch nicht länger aus,
            nicht länger aus.
Ja, freilich will ich, ja!

*****

Der Bettler

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Bettler

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»En alte Ma, en arme Ma,
er sprichtich um e Wohltat a.
E Stückli Brot ab euem Tisch,
wenn's eue guete Willen isch!
He jo, dur Gotts Wille!

In Sturm und Wetter, arm und bloß,
gibore bini uf der Stroß,
und uf der Stroß in Sturm und Wind
erzogen, arm, e Bettelchind.
Druf woni chräftig worde bi,
und d'Eltere sin gstorbe gsi,
se hani denkt: Saldatetod
isch besser weder Bettelbrot.
I ha in schwarzer Wetternacht
vor Laudons Zelt und Fahne gwacht,
i bi bim Paschal Paoli
in Korsika Draguner gsi,
und gfochte hani, wie ne Ma,
und Bluet an Gurt und Sebel gha.
I bi vor menger Batterie,
i bi in zwenzig Schlachte gsi,
und ha mit Treu und Tapferkeit
dur Schwert und Chugle 's Lebe treit.
Zletzt hen sie mi mit lahmem Arm
ins Elend gschickt. Dass Gott erbarm!
He jo, dur Gotts Wille!«

»Chumm arme Ma!
I gunn der's wienis selber ha.
Und helf der Gott us diner Not,
und tröst di, bis es besser goht.«

»Vergelt's der Her, und dank der Gott
du zarten Engel wiiß und rot,
und geb der Gott e brave Ma! –
Was luegsch mi so biwegli a?
Hesch öbben au e Schatz im Zelt,
mit Schwert und Roß im wite Feld?
Biwahr di Gott vor Weh und Leid,
und geb dim Schatz e sicher Gleit,
und bring der bald e gsunde Ma!
's goht ziemli scharf vor Mantua.
's cha si, i chönnt der Meldig ge. –
Was luegsch mi a, und wirsch wie Schnee?
Denkwol, i henk mi Bettelgwand
mi falsche graue Bart an d'Wand!
Jez bschau mi recht, und chennsch mi no?
Geb Gott, i seig Gottwilche do!«

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Bettler

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»Her Jesis, der Friedli, mi Friedli isch do!
Gottwilche, Gottwilche, wohl chenni di no!
Wohl het mi bigleitet di liebligi Gstalt
uf duftige Matten, im schattige Wald.
Wohl het di bigleitet mi b'chümmeret Herz
dur Schwerter und Chugle mit Hoffnig und Schmerz,
und briegget und betet. Gott het mer willfahrt,
und het mer mi Friedli und het mer en gspart.
Wie chlopft's mer im Buse, wie bini so froh!
O Muetter, chumm weidli, mi Friedli isch do!«

*****

Der Bettler

Ein alter Mann, ein armer Mann
Spricht euch um eine Wohltat an,
Von eurem Tisch ein Stücklein Brot!
Erbarmt euch mein in meiner Not,
Tut es um Gottes Willen!

In Sturm und Wetter, arm und blass,
Geboren bin ich auf der Strass';
Und auf der Strass' in Sturm und Wind
Erzogen, arm, ein Bettelkind.
Drauf, wie ich kräftig worden bin,
Da starben mir die Eltern hin.
Da dacht' ich denn: Soldatentod
Ist besser doch wie Bettelbrot. -
Ich hab' in schwarzer Wetternacht
Vor Zelt und Fahnen oft gewacht.
Gefochten hab' ich wie ein Mann,
Manch feindlich Blut vom Säbel rann.
Vor mancher Batterie ich stritt,
Wohl zwanzig Schlachten macht' ich mit,
Und treu und tapfer, sicherlich,
Schlug ich durch Schwert und Kugeln mich,
Bis sie zuletzt mit lahmem Arm
Mich heimgeschickt, dass Gott erbarm!
Ach ja, durch Gotte willen! -

"Komm, armer Mann!
"Ich geb dir, was ich geben kann.
"Und weiter helf' der liebe Gott
"Und geb' dir Trost in deiner Not." -

Vergelt's der Herr und dank dir Gott!
Du zarter Engel weiß und rot.
Er geb' dir einen braven Mann. -
Was siehst mich so beweglich an?
Hast auch wohl einen Schatz im Zelt,
Mit Schwert und Ross im weiten Feld?
Erspar' der Herr dir Weh und Leid,
Geb' deinem Schatz ein gut Geleit,
Und bring' gesund ihn wieder her!
Es geht jetzt scharf im Felde her;
Vielleicht dass ich dir sagen kann - -
Du wirst ja blass! Was siehst mich an? - -
Ich denk, den Bart werf ich zur Seit'
Und auch das falsche Bettelkleid!
Und jetzt schau her und kennst mich noch?
Gott geb, ich bin willkommen doch! - -

"Herr Jesus, der Friedel, mein Friedel ist da!
"Willkommen, willkommen! da hab ich dich ja! -
"Wo immer ich ging, im Feld und im Wald,
"Da war mir, als säh' ich auch deine Gestalt!
"Wie ist dir gefolgt mein bekümmertes Herz
"Durch Schwerter und Kugeln, in Hoffnung und Schmerz
"Mit Beten und Weinen! Gott hat mir willfahrt
"Und hat meinen Friedel vor Unglück bewahrt.
"Wie klopft mir's im Busen, ich bin ja bei dir!
"Ach Mutter! so komm doch, mein Friedel ist hier!"

*****

Auf einem Grabe

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Auf einem Grabe

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Schlof wohl, schlof wohl im chüle Bett!
De ligsch zwor hert uf Sand und Chies;
doch spürt's di müede Rucke nit.
       Schlof sanft und wohl!

Und 's Deckbett lit der, dick und schwer
in d'Höchi gschüttlet, uffem Herz.
Doch schlofsch im Friede, 's druckt di nit.
       Schlof sanft und wohl!

De schlofsch und hörsch mi »Bhüetdi Gott«,
de hörsch mi sehnli Chlage nit.
Wär's besser, wenn de 's höre chönntsch?
       Nei, weger nei!

O, 's isch der wohl, es isch der wohl!
Und wenni numme bi der wär,
se wär schon alles recht und gut.
       Mer tolten is.

De schlofsch und achtisch 's Unrueih nit
im Chilcheturn die langi Nacht,
und wenn der Wächter Zwölfi rüeft
       im stille Dorf.

Und wenn's am schwarze Himmel blizt,
und Gwülch an Gwülch im Donner chracht,
se fahrt der 's Wetter übers Grab,
       und weckt di nit.

Und was di früeih im Morgerot
bis spot in d'Mittnacht bchümmert het,
Gottlob, es ficht di nümmen a
       im stille Grab.

Es isch der wohl, o, 's isch der wohl!
und alles, was de glitte hesch,
Gott Lob und Dank, im chüele Grund
       tut's nümme weh.

Drum, wenni numme bi der wär,
so wär jo alles recht und guet.
Jez sitzi do, und weiß kei Trost
       mi'm tiefe Schmerz.

Doch öbbe bald, wenn's Gottswill isch,
se chunnt mi Samstig-z'oben au,
und druf, se grabt der Nochber Chlaus
       mir au ne Bett.

Und wenni lig, und nümme schnuuf,
und wenn sie 's Schloflied gsunge hen,
se schüttle sie mer 's Deckbett uf,
       und – »Bhüetdi Gott!«

I schlof derno so sanft wie du,
und hör' im Chilchturn 's Unrueih nit.
Mer schlofe, bis am Sunntig früeih
       der Morge taut.

Und wenn emol der Sunntig tagt,
und d'Engel singe 's Morgelied,
se stöhn mer mit enander uf,
       erquickt und gsund.

Und 's stoht e neui Chilche do,
sie funklet hell im Morgerot.
Mer göhn, und singen am Altar
       Hallelujah!

*****

Auf einem Grabe

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Auf einem Grabe

Schlaf wohl, schlaf wohl im kühlen Bett!
Zwar liegst du hart auf Sand und Kies,
Doch spürt's dein müder Rücken nicht.
            Schlaf sanft und wohl!

Auf deinem Herzen dick und schwer
Hoch aufgeschüttet liegt das Bett.
Du schläfst in Frieden, fühlst es nicht,
            Schlaf sanft und wohl!

Du hörst nicht mein "Behüt dich Gott",
Hörst meine bangen Klagen nicht;
Wär's besser wohl, wenn du's vernähmst?
            Nein! wahrlich, nein!

Es ist dir wohl, es ist dir wohl!
Und wenn ich nur erst bei dir wär',
Dann wär' schon Alles recht und gut,
            Wir sind uns lieb.

Du schläfst, hörst nicht den Glockenschlag
Im Kirchturm dort die lange Nacht,
Nicht wenn der Wächter Zwölfe ruft
            Im stillen Dorf.

Und wenn's am schwarzen Himmel blitzt,
Und Wolk' an Wolk' im Donner kracht,
Das Wetter fährt dir über's Grab
            Und weckt dich nicht.

Und was dich früh im Morgenrot
Bis Mitternacht bekümmert hat,
Gottlob, es ficht dich nicht mehr an
            Im stillen Grab.

Es ist dir wohl! o 's ist dir wohl
Und was du auch gelitten hast,
Gott Lob und Dank, im kühlen Grund
            Tut's nimmer weh.

Drum, wenn ich nur erst bei dir wär',
Dann wär' ja Alles recht und gut.
Jetzt sitz ich da, weiß keinen Trost
            Für meinen Schmerz.

Und doch, vielleicht, wenn Gott es will,
Kommt auch mein Samstag bald heran,
Dann gräbt auch mir der Nachbar Klaus
            Mein kühles Bett.

Und wenn mein Atem stille steht,
Mein Schlaflied dann gesungen ist,
Dann schütten sie mein Deckbett auch
            Und - "Gott mit dir!"

Dann schlaf auch ich so sanft wie du
Und hör' im Turm die Glocken nicht,
Wir schlafen, bis am Sonntag früh
            Der Morgen taut.

Und wenn einmal der Sonntag tagt,
Der Engel Morgenlied uns weckt,
Dann stehn wir mit einander auf,
            Gesund und frisch.

Und eine neue Kirche dann
Sie funkelt hell im Morgenrot.
Wir gehn und singen am Altar
            Halleluja!

*****

Der Knabe im Erdbeerschlag

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Knabe im Erdbeerschlag

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E Büebli lauft, es goht in Wald
am Sunntig Nomittag;
es chunnt in d'Hürst und findet bald
Erdbeeri Schlag an Schlag;
es günnt und isst si halber z'tod,
und denkt: ›Das isch mi Obedbrot.‹

Und wie nes isst, se ruuscht's im Laub;
es chunnt e schöne Chnab.
Er het e Rock, wie Silberstaub,
und treit e goldne Stab.
Er glänzt wie d'Sunn am Schwizerschnee.
Si lebelang het's nüt so gseh.

Druf redt der Chnab mi Büebli a:
»Was issisch? I halt's mit!«
»He, nüt«, seit's Büebli, luegt en a,
und lüpft si Chäppli nit.
Druf seit der Chnab: »He, issisch nüt,
du grobe Burst, se battet's nüt!«

Verschwunden isch mi Chnab, und's stöhn
die nöchste Hürst im Duft;
drus fliegt en Engeli wunderschön
uf in die blaui Luft,
und 's Büebli stoht, und luegt em no,
und chrazt im Hoor, und lauft dervo.

Und sieder isch kei Sege meh
im Beeri-Esse gsi.
I ha mi Lebtig nüt so gseh,
sie bschießen ebe nie.
Iss hampflevoll, so viel de witt,
sie stillen eim der Hunger nit!

Was gibi der für Lehre dri?
Was seisch derzu? Me mueß
vor fremde Lüte fründli si
mit Wort und Red und Grueß
und 's Chäppli lüpfe z'rechter Zit,
sust het me Schimpf, und chunnt nit wit.

*****

Der Knabe in den Erdbeeren

Ein Junge läuft, es geht zum Wald,
Am Sonntag ist es spät;
Er kommt zum Busch, da find't er bald
Erdbeeren wie gesä't.
Er pflückt und isst sich halb zu Tod'
Und denkt: "das ist mein Abendbrot."

Und wie er isst, da rauscht das Laub,
Es kommt ein schöner Knab',
Er hat ein Kleid wie Silberstaub,
Trägt einen goldnen Stab,
Hell wie die Sonn' auf Schweizerhöhn,
Nie hat man solchen Glanz gesehn.

Der Knabe spricht mein Jüngchen an:
"Was isst du? Zeig' einmal!" --
"Nichts," sagt der Junge, sieht ihn an,
Rührt nicht die Mütz' einmal.
Drauf spricht der Knabe: "Isst du nichts,
"Schon gut, so nütz es dir auch nichts."

Weg ist der Knabe; sieh, da stehn
Die nächsten Büsch' im Duft;
Draus fliegt ein Engel wunderschön
Auf in die blaue Luft.
Da steht mein Junge, spricht kein Wort,
Kratzt sich im Haar und macht sich fort.

Seitdem ist auch kein Segen nicht
Im Erdbeeressen drin.
Mein Lebtag sah ich so was nicht,
Kein Mensch wird satt darin.
Iss Hände soll, so viel du willst,
Denk nicht, dass du den Hunger stillst.

Was mag davon die Lehre sein?
Was meinst du wohl? - Man muss
Vor fremden Leuten freundlich sein
In Wort und Red' und Gruß,
Die Mütze ziehn zur rechten Zeit,
Sonst hat man Schand' und kommt nicht weit.

*****

Die Feldhüter

Hinte Wald und Berg bis an die duftige Wulke,
vorne Matte voll Chlee, und Saat und goldene Lewat,
stoht e Hütten im Feld und in der einsame Mittnacht.
Numme d'Sterne wachen, und numme no d'Feldberger Wiese,
und der Schuhu im Wald und öbbe Geister und Hirze.
Aber im Hüttli sitzen und hüete die buschige Felder
's Meiers muntere Fritz und 's Müllers lockige Heiner
»Heinerli«, seit der Fritz, »der Schlof goht lisli um d'Hütte.
Lueg, jez chuunt er is inen, und lueg doch weger, er het di!
Weidli, chumm ins Grün! Mer wenn im lieblige Wechsel
mitenander singen. Es weiht e lustige Nachtluft,
g'vätterlet mittem Laub und exerziert mit de Halme:
»Rechts um kehrt euch! Links her stellt euch! Nonemol rechts um!«
Aber 's Müllers Heiner mit siner lockige Stirne
streckt si und stoht uf, und sucht si gläserni Röhre.
»Fritzli, stoß mi nit!« Jez stehn sie gegen enander,
der am Chriesibaum, der an der duftige Linde,
und probiere d'Tön in ihrer Höchi und Tiefi,
setzen ab, und setzen a. »Sing, Heinerli, du z'erst!«
seit der Fritz, »de hesch doch, traui, näume ne Schätzli.«

Heiner.

Tränki früeih am Brunne, so holt au's Meieli Wasser.
Wäscht es am Obe Salat, se chummi wieder und tränki.
»Guten Obe!« – »Dank der Gott! Mer treffe's doch ordli.« –
»Jo, mer treffe's ordli; 's isch hüt e lieblige Tag gsi.«

Fritz.

In der Chilchen im Chor, und wenn der Her Pfarer e Spruch seit,
luegi mi Vreneli a, öb es au ordeli acht git,
und es luegt mi a, öb ich au ordeli acht gib.
Lauft au drüber 's Sprüchli furt, mer chönne's nit hebe.

Heiner.

Schön tönt d'Schopfemer Glocke, wenn früeih der Morgen in d'Nacht luegt;
süeß tönt d'Menschestimm wohl in der Schopfemer Orgle:
Schöner tönt es mi a, und süßer goht's mer zu Herze,
wenn mi's Meieli grüßt, und seit: »Mer treffe's doch ordli.«

Fritz.

Weiht der Früehlig ins Tal, und riesle die lustige Bächli,
und der Vogel zieht, furt möchti riten, und d'Welt us.
Wenn i bi mim Vreneli siz im heitere Stübli,
isch das Stübli mi Welt und, Gott verzeih mer's, mi Himmel.

Heiner.

Ziehni der Nüntelstei, gschickt baui Mühlen an Mühle:
»Uf und zu, und mir die Chue!« – Wer zeigt mer mi Meister?
Aber isch's Meieli do, und höri si Stimm und si Rädli,
oder es lueget mer zu, ne Schuelerbüebli chönnt's besser.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Die Feldhüter

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Fritz.

Cheigle mer uf em Plaz, sitzt's Vreneli unter der Linde,
fallemer Siebe gwis. Doch seits: »Zeig, triffsch mer der Chünig«,
triffi der Chünig ellei. Doch seit's: »Jez gangi«, und 's goht au,
und isch's nümme do, blind lauft mer d'Chugle dur d'Gasse.

Heiner.

Lieblige Ton und Schall, wo hesch di Gang in de Lüfte?
Ziehsch mer öbben ins Dorf, und chunnsch ans Meielis Fenster,
weck mer's lisli uf: »Es losst di der Heinerli grüeße.«
Frogt's mi früeih, so läugni's. Doch werde mi d'Auge verrote.

Fritz.

Vreneli, schlof frei wohl in dim vertäfelte Stübli,
in dim stille Herz, und chummi der öbben im Traum vor,
lueg mi fründli a, und gib mer herzhaft e Schmützli!
Chummi heim, und triff di a, i gib der en anders.

Heiner.

Her Schulmeister, o Mond, mit diner wulkige Stirne,
mit dim glehrte Gsicht, und mit dim Pflaster am Backe,
folge der dini Chinder, und chönne sie d'Sprüchli und d'Psalme?
Blib mer nit z'lang stoh bi sellem gattige Sternli!

Fritz.

Wülkli der chüele Nacht, in diner luftige Höchi,
seif mer der Schulmeister i mit diner venedische Seife,
mach em e rechte Schuum! So brav, und alliwil besser,
ass er sie nit chüsse cha, die gattige Sternli.

Heiner.

Ruuscht scho der Morgen im Laub? Göhn d' Geister heim uffe Chilchhof?
Arme Steffi, du bisch tief in der Wiesen ertrunke,
und di Chüngeli isch im heimlige Chindbett verschieden.
Aber jez chömmeter z'semmen all Nacht am luftige Chrützweg.

Fritz.

Füürige Manne im Ried und am verschobene Marchstei,
machetich numme lustig! Me weiß scho, werich zum Tanz spielt.
Chömm mer kein in d'Nöchi mit siner brennige Stange!
Daß di dieser und jener, du sappermentische Rotchopf! –

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Die Feldhüter

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»Friederli«, seit der Heiner, gern issi Eieren-Anke,
Ziebeleweihe so gern, doch chönnti alles vergesse,
höri di lieblige Stimm und dini chünstlige Wise.
Chömme mer heim ins Dorf, o wüßti, was der e Freud wär!
Gell, de nimmsch mer's ab, vier neui weltlichi Lieder
von des Sultans Töchterlein, der Schreiber im Korbe,
's dritt vom Dokter Faust, und 's viert vom Lämmlein im Grünen
's isch nit lang, i ha sie neu am Chanderer Märt gchauft.«
»Heinerli«, seit der Fritz, »i schenk dir e sufere Helge.
d'Mutter Gottis luegt im goldene Helgen in Himmel.
»Jesis Mareie«, seit sie, »wie isch's do oben so heiter«,
und ihr Gsicht wird sunnehell und lächlet so liebli,
aß me möcht katholisch werde, wemme sie aluegt.
Bring's dim Meili, weisch was, 's het au so fründligi Augen,
und bis nit so schüüch, und sag' em, wie's der ums Herz isch.

*****

Die Feldhüter

Hinten Wald und Berg bis zu den duftigen Wolken,
Vorne Matten voll Klee und Korn und goldene Rübsaat
Steht eine Hütte im Feld in einsamer Mitternacht Dunkel.
Nur die Sterne sie wachen und nur noch die Feldberger Wiese,
Und der Uhu im Wald, vielleicht auch Geister und Hirsche.
Aber im Hüttlein sitzen und hüten die buschigen Felder
Meiers munterer Fritz und des Müllers lockiger Heinrich.
"Heinrich," sagt der Fritz, "der Schlaf geht leis um die Hütte,
"Sieh, jetzt kommt er herein und sieh, wahrhaftig, er packt dich!
"Frisch! und komm in's Grüne, wir wollen im lieblichen Wechsel
"Miteinander singen. Es weht so lustig die Nachtluft.
"Horch, wie sie spielt mit dem Laub und exerziert mit den Halmen:
"Rechtsum kehrt euch! Links her stellt euch! Noch einmal rechtsum!"
Aber des Müllers Heinrich mit seiner lockigen Stirne
Streckt sich und steht auf und sucht sich die gläserne Pfeife.
"Fritzel, stoß mich nicht!" Jetzt stehn sie gegen einander,
Der am Kirschenbaum und der an der duftigen Linde
Und probieren die Tön' in ihrer Höhe und Tiefe,
Setzen ab und setzen an. "Sing', Heinrich, zuerst du!"
Sagt der Fritz, "du hast doch, denk ich, irgend was Liebes."

Heinrich

Tränk' ich des Morgens die Schafe, so holt auch die Käthe sich Wasser,
Wäscht sie am Abend Salat, so komm ich die Schafe zu tränken.
"Guten Abend!" - "Schön Dank! wir treffen doch richtig uns wieder," -
"Ja, wir treffen uns wieder; das war ein lieblicher Tag heut!"

Fritz

In der Kirchen im Chor und wenn der Herr Pfarrer den Spruch sagt,
Seh ich das Bärbel mir an, ob sie auch ordentlich Acht gibt,
Und sie sieht mich an, ob ich auch ordentlich Acht geb';
Läuft auch darüber das Sprüchel dann fort, wir können's nicht halten.

Heinrich

Schön von Schopfheim herüber ertönet am Morgen die Glocke,
Süß wie Menschenstimme wohl zu der Schopfheimer Orgel,
Schöner doch tönt es mich an und süßer noch geht mirs zu Herzen,
Wenn die Käthe mich grüßt und sagt: "Wir treffen uns wieder."

Fritz

Weht der Frühling ins Tal und rieseln die lustigen Bächlein,
Und die Vögel sie zieh'n, fort möcht ich reiten, die Welt aus!
Sitz ich bei meinem Bärbel daheim im heiteren Stübchen,
Ist mir das Stübchen Welt, und, Gott verzeih mir's, der Himmel.

Heinrich

Zieh ich die Stein in dem Brett, wie geschickt bau ich Mühlen an Mühlen,
"Auf und zu und mir der Stein!" - Wer will mich da meistern?
Doch ist die Käthe dabei und ich hör' ihre Stimm' und ihr Spinnrad
Oder sie schau mir zu: ein Schulbub könnt es dann besser.

Fritz

Kegeln wir auf dem Platz, sitzt Bärbel da unter der Linde:
Fallen mir sieben gewiss. Doch sagt sie: "Triff mir den König!"
Treff ich den König allein. Doch sagt sie: "Ich geh'" und sie geht auch,
Und ich seh sie nicht mehr, blind läuft durch die Gasse die Kugel.

Heinrich

Lieblicher Ton und Schall, wo ziehst du doch hin durch die Lüfte?
Ziehst du vielleicht in's Dorf und kommst zu der Käthe an's Fenster,
Weck ganz leise sie auf, "dich grüßt der Heinrich," so sag' ihr,
Fragt sie mich früh, ich läugn' es, doch wird mein Aug' mich verraten.

Fritz

Bärbel, du schlaf mir wohl in deinem getäfelten Stübchen
Und in dem stillen Herzen, und komm ich dir eben im Traum vor,
Sieh mich freundlich an und herzhaft gib einen Kuss mir,
Komm ich dann heim und treff ich dich an, ich geb ihn dir wieder.

Heinrich

Herr Schulmeister, o Mond, mit deiner wolkigen Stirne
Mit dem gelehrten Gesicht' und mit dem Pflaster am Backen
Folgen dir auch die Kinder? und können sie Sprüche und Psalmen?
Bleib mir zu lange nicht stehn bei jenem freundlichen Sternlein!

Fritz

Wölkchen der kühlen Nacht, in deiner luftigen Höhe
Seif mir den Schulmeister ein mit deiner venedischen Seife,
Mach ihm nur tüchtigen Schaum! So brav! und alleweil besser!
Dass ihm das Küssen vergeht bei den schmucken zierlichen Sternlein!

Heinrich

Rauscht schon der Morgen im Laub? Gehn Geister heim auf dem Kirchhof?
Armer Steffen, du bist ja ertrunken tief in der Wiese
Und dein Gundel es ist gestorben im heimlichen Kindbett,
Doch jetzt kommt ihr zusammen all' Nacht am luftigen Kreuzweg.

Fritz

Feurige Männer im Ried und an dem verschobenen Grenzstein,
Macht euch lustig, nur zu! Man weiß schon, wer euch zum Tanz spielt.
Komm' mir keiner zu nahe mit seiner brennenden Stange!
Dass dich dieser und jener, du sappermentischer Rotkopf! -

"Fritz," so spricht der Heinrich, "gern ess ich Eier in Butter
Und Speckkuchen erst recht! Doch könnt' ich das Alles vergessen,
Hör' ich, wie lieblich du singst und deine künstlichen Weisen.
Kommen wir heim nach dem Dorf, und find ich, was irgend dir Spaß macht,
Gelt! du nimmst was ich hab', vier neue weltliche Lieder:
"Von des Sultans Töchterlein," "der Schreiber im Korbe,"
Das vom Doctor Faust und das vierte vom Lämmlein im Grünen.
'S ist nicht lang', ich kaufte sie neu auf dem Markte zu Kandern."
"Heinrich," sagt der Fritz, "Ich schenk' dir ein Heiligenbildchen,
Drauf die Mutter Gottes auf Goldgrund schaut aus dem Himmel,
"Jesus Maria!" so spricht sie, "wie ist es dort oben so heiter!"
Und ihr Gesicht wird sonnenhell und lächelt so lieblich,
Dass man möcht' katholisch werden, sobald man sie anschaut.
Bring du der Käthe das Bild; weißt? die ist grade so freundlich.
Und sei nicht so scheu und sag ihr, wie's dir um's Herz ist."

*****

Geisterbesuch auf dem Feldberge

Hani gmeint, der Denglegeist, ihr Chnabe vo Todtnau
seig e böse Geist, jez wüßti andere Bricht z'ge.
Us der Stadt, das bini, und will's au redli bekenne,
mengem Chaufher verwandt, "vo siebe Suppe ne Tünkli,"
aber e Sunntigchind. Wo näume luftigi Geister
uffem Chrützweg stöhn, in alte Gwölbene huse,
und verborge Geld mit füürigen Augen hüete,
oder vergosse Blut mit bittere Träne wäsche,
und mit Grund verscharre, mit rote Nägle verchratze,
sieht's mi Aug, wenn's wetterleicht. Sie wimsle gar sölli.
Und wo heilige Engel mit schöne blauen Auge
in der tiefe Nacht in stille Dörfere wandle,
an de Fenstere lose, und, höre sie liebligi Rede,
gegen enander lächlen, und an de Hustüre sitze,
und die frumme Lüt im Schlof vor Schade biwahre,
oder wenn sie, selb ander und dritt, uf Gräbere wandle,
und enander sage: »Do schloft e treui Muetter,
do en arme Ma, doch het er niemes betroge.
Schlofet sanft und wohl, mer wennich wecke, wenn's Zit isch«,
sieht's mi Aug im Sterneliecht, und höri sie rede.
Menge chenni mit Namen, und wemmer enander bigegne,
biete mer is d'Zit, und wechsle Reden und Antwort:
»Grüß di Gott! Hesch guti Wacht?« – »Gott dank der! so zimli.«
Glaubet's oder nit! – Ne mol, se schickt mi der Vetter
Todtnau zu, mit allerhand verdrießlige G'schäfte.
Wo mer's Kaffi trinken und Ankeweckli drin tunke:
»Halt er si nienen uf, und schwetz er nit, was em ins Mul chunnt«,
rüeft mer der Vetter no, »und loss er si Tabatiere
nit im Wirtshus liege, wie's sust bim Here der Bruuch isch!«
Uf und furt, i gang, und was mi der Vetter ermahnt het,
hani richtig versorgt. Jez sitzi z'Todtnau im Adler –
und jez gang i spaziere und mein, i chönn nit verirre,
mein, i seig am Dorf; zlezt chresmi hinten am Feldberg,
d'Vögel hen mi g'lockt, und an de Bächlene d'Blümli.
Selle Fehler hani, i cha mi an allem vertörle.
Drüber wird es chüel, und d'Vögel sitzen und schwige.
S' streckt scho dört und do e Stern am düstere Himmel
's Chöpfli use, und luegt, öb d'Sunn echt aben ins Bett seig,
öb es echt dörf cho, und ruft den andere: »Chömmet!«
Und i ha kei Hoffnig meh. Druf leg i mi nieder.
's isch e Hütte dört, und isch en Ärfeli Strau drinn.
›O du liebe Zit‹, so denki, ›wenn i deheim wär!
Oder es wär scho Mitternacht. Es wird doch e Gspenstli
näume dohinte si, und z'nacht um Zwölfi verwache,
und mer d'Zit vertribe, bis früeih die himmlische Lichter
d'Morgeluft verlöscht, und wird mer zeige, wo's Dorf isch.‹
Und jez, woni's sag, und mittem vordere Finger
's Zitli frog, wo's Zeigerli stand, 's isch z'finster für's Aug gsi,
und wo's Zitli seit, 's gang ab den Ölfen, und woni
's Pfifli use leng, und denk: »Jez trinki no Tubak,
assi nit verschlof‹ – bi'm Bluest, se fangen uf eimol
ihrer zwee ne Gspröchli a. I mein, i ha g'loset.
»Gell, i chumm hüt spoot? Drum isch e Meideli g'storbe
z'Mambach, 's het e Fieberli gha und leidigi Gichter.
's isch em wohl. Der Todesbecher hani em gheldet,
ass es ringer gang, und d'Augen hani em zudruckt,
und ha g'seit: Schlof wohl! Mer wen di wecke, wenn's Zit isch. – –
Gang, und bis so gut und hol mer e wengeli Wasser
in der silberne Schale, i will jez mi Sägese dengle.«
›Dengle‹, han i denkt, ›e Geist?‹ und düsele use.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Geisterbesuch auf dem Feldberge

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Woni lueg, so sitzt e Chnab mit goldene Fegge
und mit wiißem G'wand und rosefarbigem Gürtel
schön und liebli do, und nebenem brenne zwei Lichtli.
»Alle gute Geister«, sagi »Herr Engel, Gott grüeß di!« –
»Loben ihre Meister«, seit druf der Engel, »Gott dankder!« –
»Nüt für übel, Her Geist! Und wenn e Frögli erlaubt isch,
sag mer, was hesch du denn z'dengle?« – »D'Sägese«, seit er.
»Jo, sel siehni«, sagi, »und ebe das möchti gern wisse,
wozu du ne Sägese bruuchsch.« – »Zum Meihe. Was hesch gmeint?«
seit er zu mer. Druf sagi: »Und ebe das möchti gern wisse«,
sagi zuenem: »Isch's verlaubt? Was hesch du denn z'meihe?« –
»Gras, und was hesch du so spoot do hinte z'verrichte?« –
»Nit gar viel«, hani gseit, »i trink e wengeli Tubak.
Wäri nit verirrt, wohl wär's mer z'Todtnau im Adler.
Aber mi Red nit z'vergesse, se sag mer, wenn d' witt so gut si,
was du mittem Gras witt mache.« – »Futtere«, seit er.
»Eben und das nimmt mi Wunder, de wirsch doch, Gott will, ke Chue ha?« –
»Nei, ne Chue just nit, doch Chalbele«, seit er, »und Esel.
Siehsch dört selle Stern?« Druf het er mer obe ne Stern zeigt.
»'s Wiehnechtchindlis Esel, und 's heilige Fridelis Chalble
otme d'Sterneluft dört oben, und warten ufs Fuetter.
Und dört wachst kei Gras, dört wachse numme Rosinli«,
het er gseit, »und Milch und Honig rieslen in Bäche,
aber 's Vieh isch semper, 's will alli Morge si Gras ha,
und e Löckli Heu, und Wasser us irdische Quelle.
Dordurwille dengli jez, und willi go meihe.
Wärsch nit der Ehre wert, und seisch, de wellsch mer au helfe?«
So het der Engel gseit. Druf sagi wieder zum Engel:
»Lueg, 's isch so ne Sach. Es sott mer e herzligi Freud si,
d'Stadtlüt wisse nüt vo dem; mer rechnen und schribe,
zähle Geld, sel chönne mer, und messen und wäge;
laden uf, und laden ab, und essen und trinke.
Was me bruucht ins Muul, in Chuchi, Cheller und Chammer,
strömt zu alle Toren i, in Zeinen und Chreze;
's lauft in alle Gassen, es rueft an allen Ecke:
Chromet Chirsi, chromet Anke, chromet Andivi!
Chromet Ziebele, geli Rüebe, Peterliwurze!
Schwebelhölzli, Schwebelhölzli, Bodekolrabe!
Paraplü, wer koof? Reckholderberi und Chümmi!
Alles für bar Geld, und alles für Zucker und Kaffee ...
Hesch du au scho Kaffi trunke, Her Engel, wie schmeckt's der?« –
»Schwetz mer nit so närsch«, seit druf der Engel und lächlet.
»Nei, mir trinke Himmelsluft und esse Rosinli,
vieri alli Tag, und an de Sunntige fünfi.
Chumm jez, wenn de mit mer wit, jez gangi go meihe,
hinter Todtnau abe, am Weg, an grasige Halde.« –
»Jo, Her Engel, frili willi, wenn de mi mitnimmsch,
's wird afange chüel. I will der d'Sägese trage.
Magsch e Pfifli Tubak rauche, stoht's der zu Dienste.«
Sieder rüeft der Engel: »Puhuh!« Ne füürige Ma stoht,
wie im Wetter, do. »Chumm, zündis abe go Todtnau!«
Seit's, und voris her marschiert der Puhuh in Flamme,
über Stock und Stei und Dorn, e lebigi Fackle.
»Gell, 's isch chummli so«, seit jez der Engel: »was machsch echt?
Worum schlagsch denn Füür? Und worum zündisch di Pfifli
nit am Puhuh a? De wirsch en doch öbbe nit förchte,
so ne Fraufastechind, wie du bisch – het er di gfresse?« –
»Nei, Her Engel, gfresse nit. Doch muessi bikenne,
halber hani'm numme traut. Gut brennt mer der Tubak.
Selle Fehler hani, die füürige Manne förchi;
lieber sieben Engel as so ne brennige Satan.« –
»'s isch doch au ne Gruus«, seit jez der Engel, »ass d'Mensche
so ne Furcht vor Gspenstere hen, und hätte's nit nötig.
's sind zwee einzigi Geister de Mensche gfährli und furchtbar;
Irrgeist heißt der eint, und Ploggeist heißt der ander;
und der Irrgeist wohnt im Wi. Us Channe und Chruse
stigt er eim in Chopf, und macht zerrüttete Sinne.
Selle Geist füehrt irr im Wald uf Wegen und Stege,
's goht mit eim z'unterst und z'öberst; der Bode will unter eim breche!
d'Brucke schwanke, d'Berge biwege si, alles isch dopplet.
Nimm di vorem in Acht!« Druf sagi wieder zum Engel:
»'s isch e Stich, er bluetet nit! Her Gleitsma, i merk di.
Nüechter bini gwis. I ha en einzig Schöpli
trunke gha im Adler, und frog der Adlerwirt selber.
Aber bis so gut und sag mer, wer isch der ander?« –
»Wer der ander isch«, seit jez der Engel, »das frogsch mi?
's isch e böse Geist, Gott well di vorem biwahre.
Wemme früeih verwacht, um Vieri oder um Fünfi,
stoht er vorem Bett mit große füürigen Auge,
seit eim gute Tag mit glüehige Rueten und Zange.
's hilft kei ›Das walt Gott‹, und hilft kei ›Ave Maria!‹
Wemme bete will, enanderno hebt er eim's Muul zue;
wemmen an Himmel luegt, se streut er Äschen in d'Auge;
het me Hunger, und isst – er wirft eim Wermuet in d'Suppe;
möcht me z'Obed trinke, er schüttet Gallen in Becher.
Lauft me, wie ne Hirz, er au, und blibt nit dehinte;
schlicht me wie ne Schatte, so seit er: ›Jo, mer wen gmach tu‹.
Stoht er nit in der Chilchen, und sitzt er nit zue der ins Wirtshuus?
Wo de gohsch und wo de stohsch, sin G'spenster und G'spenster.
Gosch ins Bett, tuesch d'Auge zue, se seit er: ›'s pressiert nit
mittem Schlofe. Los, i will der näumis verzehle:
Weisch no, wie de g'stohle hesch, und d'Waisli bitroge?‹
So und so, und das und deis, und wenn er am End isch,
fangt er vorne a, und viel will's Schlofe nit sage.«
So het der Engel g'seit, und wie ne füürige Luppe
het der Puhu g'sprützt. Druf sagi wieder: »I bi doch
au ne Sunntigchind, mit mengem Geistli befründet,
aber b'hüt mi Gott der Her!« Druf lächlet der Engel:
»B'halt di G'wisse rein, 's goht über B'siebnen und B'segne,
und gang jez das Wegli ab, dört nieden isch Todtnau.
Nimm der Puhuh mit, und lösch en ab in der Wiese,
ass er nit in d'Dörfer rennt, und d'Schüüre nit azündt.
B'hüet di Gott, und halt di wohl!« Druf sagi: »Her Engel!
B'hüet di Gott der Her, und zürn nüt! Wenn de in d'Stadt chunnsch,
in der heilige Zit, se b'suech mi, 's soll mer en Ehr si.
's stöhn der Rosinli z'Dienst und Hypokras, wenn er di animmt.
D'Sterneluft isch rau, absunderlig nebe der Birsig.«
Drüber graut der Tag, und richtig chummi go Todtnau,
und gang wieder Basel zue im lieblige Schatte.
Woni an Mambech chumm, so trage sie 's Meidle use,
mittem heilige Chrütz und mit der verblichene Fahne,
mittem Chranz am Totebaum, und brieggen und schluchze.
Hent der's denn nit g'hört? Er will's jo wecke, wenn's Zit isch,
und am Zistig druf, se chummi wieder zum Vetter.
D'Tubakdose hani richtig näume lo liege.

*****

Geisterbesuch auf dem Feldberg

Immer meint ich, der Hämmergeist, ihr Todtnauer Knaben,
Sei ein böser Geist; jetzt kann ich Andres berichten.
Seht, ich bin aus der Stadt, und will's auch redlich bekennen,
Manchem Kaufherrn bin ich verwandt, im hundertsten Grad zwar,
Aber ein Sonntagskind. Wenn irgendwo luftige Geister
Auf dem Kreuzweg stehn, in alten Kellern wo hausen
Und verborgenes Geld mit feurigen Augen bewachen,
Oder vergossenes Blut mit bitteren Tränen da waschen,
In den Grund verscharren, mit roten Nägeln verkratzen,
Sieht's mein Aug' beim Wetterleuchten. Das schwirrt durcheinander!
Und wo heilige Engel mit schönen blauen Augen
In der tiefen Nacht die stillen Dörfer durchwandeln,
An den Fenstern horchen, und, hören sie liebliche Reden,
Gegen einander lächeln, und an den Haustüren sitzen,
Und die frommen Leut' im Schlaf vor Schaden bewahren,
Oder wenn sie zu Zwei'n und Drei'n auf Gräbern wandeln
Und zu einander sagen: "da schläft 'ne treue Mutter,
"Da ein armer Mann, doch hat er Niemand betrogen!
"Schlaft sanft, wir wollen euch wecken, wenn's an der Zeit ist,"
Sieht's mein Aug' im Sternenlicht, auch hör' ich sie reden.
Manchen, den kenn' ich mit Namen und wenn wir einander begegnen,
Bieten wir uns die Zeit und wechseln Reden und Antwort:
"Grüß dich Gott! hast gute Wacht?" - "Gott dank dir! so ziemlich,"
Glaubt mir's oder nicht! - Einmal, so schickt mich der Vetter
Fort nach Todtnau hin mit manch verdrießlichem Auftrag.
Wie wir so Kaffee trinken und Prätzel tunken in's Tässchen,
Ruft da der Vetter: "Nu halt er nicht länger sich auf und schwätz er
"Nicht, was ins Maul ihm kommt, und lass er die Schnupftabakdose
"Nicht im Wirtshaus liegen, wie's sonst beim Herren der Brauch ist." -
Auf und fort, ich geh, und was der Vetter mir auftrug,
Hab ich auch richtig besorgt. Drauf sitz ich zu Todtnau im Adler -
Geh spazieren darauf und mein', ich könnt nicht verirren,
Mein' auch, ich wär' am Dorf, zuletzt da klett'r ich am Feldberg,
Denn mich lockten die Vögel und neben dem Bache die Blumen.
'S ist nu so mein Fehler, ich kann mich in Alles vernarren.
Und derweil wird's kühl, die Vögel sitzen und schweigen,
Hier und da streckt auch ein Stern am düstern Himmel
Schon sein Köpfchen hervor und sieht, ob die Sonne zu Bett wär',
Ob's auch schon dürft' kommen und ruft den andern: "so kommt doch!"
Und es wird mir bedenklich; darauf so leg ich mich nieder.
'S ist 'ne Hütte am Ort und auch ein bisselchen Stroh drin.
"Auch du liebe Zeit," so denk ich, "wär ich zu Haus doch!
Oder wär`s nur Mitternacht! Es wird ein Gespenstchen
"Irgend doch dahinten wo sein, um Zwölfe erwachen
"Und mir die Zeit vertreiben, bis früh der Morgen dann ausbläst
"All die himmlischen Lichter und wird mir zeigen, wo's Dorf ist."
Und jetzt, wie ich so sprech', und die Uhr nehm' und mit dem Finger
Nach dem Zeiger fühl'! - es war ja dunkel, ich sah' nichts -
Und wie am Zeiger ich merk', es geht auf Zwölfe und wie ich
Nach dem Pfeifchen da lang' und denk: "jetzt musst einmal rauchen,
"Dass du's nicht verschläfst!" - der tausend, da fangen auf einmal
Ihrer Zwei ein Gespräch da an. Was spitzt ich die Ohren! -
"Gelt, ich komm' heut spät?" sagt einer, "da ist ja zu Mambach
"Eben ein Mädchen gestorben. Am Fieber lag es und Gichtschmerz.
"Wohl ist ihm! Den Todesbecher hielt ich dem Kinde,
"Dass es leichter ging, und drückt ihm zu seine Augen
"Und ich sagt': Schlaf wohl, ich weck' dich, wanns an der Zeit ist." -
"Du da, sei so gut und hol ein wenig mir Wasser
"In der silbernen Schale, ich will die Sense mir hämmern." -
Hämmern? hab ich gedacht, ein Geist? Ich taumle ins Freie,
Seh' mich um, da sitzt ein Knab` mit goldigem Flügel
Und mit weißem Gewand und rosenfarbigem Gürtel
Schön und lieblich da, und neben ihm brennen zwei Lichtchen,
"Alle gute Geister!" sag ich, "Herr Engel, Gott grüß dich."
"Loben ihren Herrn," sagt drauf der Engel, "Gott dank dir!"
"Nichts für übel, Herr Geist, und wenn zu fragen erlaubt ist,
"Sag mir doch, was hämmerst du da?" - "Nu," sagt er, "die Sense."
""Ja, das seh ich," sag ich, "und eben darum möcht ich wissen,
"Wozu du doch 'ne Sense brauchst?" - "Zum Mähen. Was meinst denn?"
Sagt er zu mir. Drauf sag ich: "das ist's ja, was ich möcht wissen."
Sag' ich zu ihm. "Mit Verlaub! was hast denn du wohl zu mähen?"
"Gras, und was hast du so spät noch hier zu verrichten?" -
"Nicht gar viel," sag ich, "ich rauch ein bisselchen Tabak,
"Wär' ich nicht hier verirrt, zu Todtnau säß ich im Adler.
"Aber - um meine Red' nicht zu vergessen - so sag mir:
"Was du denn eigentlich machst mit dem Gras." - "Nu! Futter!" so sagt er.
"Das grad nimmt mich Wunder, da hast du, so Gott will, 'ne Kuh auch?"
"Nein, eine Kuh just nicht, 'nen Esel, ja! und ein Kälbchen.
"Siehst du da oben den Stern?" drauf zeigt er mir oben ein Sternchen,
"Da ist Christkind's Esel und 's Kalb vom heiligen Friedel (1)
"Siehst! die trinken da Sternenluft und warten aufs Futter.
"Oben da wächst kein Gras, da gibt's nur lauter Rosinen,"
Sagt er, "und Milch und Honig, die rieseln da oben in Bächen;
"Aber das Vieh ist wählig, es will alle Morgen sein Gras auch
"Und ein Bündelchen Heu und Wasser aus irdischen Quellen;
"Eben drum will jetzt ich die Sense hämmern und mähen.
"Sagtest du nicht, du wolltest mir helfen, es wär' dir 'ne Ehre?"
All' das sagte der Engel zu mir, drauf sagt ich zum Engel:
"Sieh, es sollt' mich freun, doch ist dabei noch ein Haken!
"Stadtleut wissen damit nicht Bescheid, wir rechnen und schreiben,
"Zählen Geld, das können wir schon! und messen und wägen,
"Laden auf und laden ab und essen und trinken.
"Was man braucht ins Maul, in Küche, Keller und Kammer,
"Strömt zu allen Toren herein in Körben und Kannen.
"Durch die Gassen laufen die Leut' und rufen und schreien:
"Kirschen zu Kauf! kauft frische Butter! jungen Salat kauft!
"Kauft doch Zwiebeln, Schwefelhölzchen, schöne Kohlrabi,
"Regenschirm', wer kauft? Wachholderbeeren und Kümmel,
"Alles für bares Geld und alles für Zucker und Kaffee.
"Trankst auch Kaffee schon, Herr Engel, schmeckt dir der Kaffee?" -
"Schwätz mir nicht so närr'sch," sagt darauf der Engel und lächelt,
"Nein, wir trinken Himmelsluft und essen Rosinen,
"Vier am Werkeltag, am Sonntag essen wir fünfe.
"Komm jetzt, wenn du mich willst begleiten, ich gehe zum Mähen
"Hinter Todtnau ab, am Weg, am grasigen Abhang."
"Ja, Herr Engel, freilich will ich es, wenn du mich mitnimmst,
"'S fängt an kühl zu werden, ich will die Sense dir tragen.
"Willst ein Pfeifchen Tabak, so nimm! es steht dir zu Diensten!" -
Drauf so ruft der Engel: "Puhuh!" Ein feuriger Mann steht
Gleich wie das Wetter da. "Komm, leucht uns, wir wollen nach Todtnau!" -
Sagt's und vor uns her marschiert der Puhuh in Flammen
Über Stock und Stein als wie 'ne lebendige Fackel.
"Gelt! das ist gemütlich?" so sagt der Engel: "Was machst denn?
"Warum schlägst du denn Feur? Und warum zündst du das Pfeifchen
"Nicht am Puhuh dir an. Du wirst dich vor ihm doch nicht fürchten?
"So ein Sonntags-Kind wie du bist; sag': fraß er dich je schon?" -
"Nein, Herr Engel, gefressen das hat er mich nicht, doch bekenn' ich:
"Ganz vertrau ich ihm nicht. Mein Tabak brennt schon, ich dank schön!
"'S ist ein Fehler von mir, solch feurige Männer, die fürcht ich,
"Lieber sieben Engel als ein so brennstiger Satan." -
"'S ist doch grausam," sagt der Engel, "dass immer die Menschen
"Solche Furcht vor Gespenstern noch haben, es wär doch unnötig."
"Bloß zwei Geister, die sind den Menschen gefährlich und furchtbar,
"Irrgeist heißt er eine und Plagegeist heißet der andre;
"Und der Irrgeist wohnt in dem Wein. Aus Krügel und Kannen
"Steigt er einem zu Kopf und macht zerrüttete Sinne.
"Solch Gespenst führt irr' im Wald, auf Wegen und Stegen,
"Kehrt in einem das Oberst zu unterst, der Boden will brechen,
"Brücken schwanken, Berge bewegen sich, Alles ist doppelt.
"Nimm vor ihm dich in Acht!" - Drauf sag' ich wieder zum Engel:
"Ah! das war ein Stich, Herr Kamrad, aber er trifft nicht;
"Nüchtern bin ich; gewiss. Ich hab ein einziges Schöppchen
"Erst im Adler getrunken; da fragt nur den Adlerwirt selber,
"Aber seid doch so gut und erzählt von dem anderen Geist mir."
"Wer der andre wohl ist," sagt jetzt der Engel, "das fragst noch?
"'S ist ein böser Geist, Gott woll' vor ihm dich bewahren!
"Wenn man früh erwacht, um Viere oder um Fünfe,
"Steht er schon vor dem Bett mit großen feurigen Augen,
"Sagt schön guten Tag mit glühenden Ruten und Zangen,
"Und da hilft kein das-walt-Gott, kein Ave-Maria,
"Wenn man beten will, gleich hält er einem das Maul zu.
"Sieht man zum Himmel auf, gleich streut er Asch' in die Augen;
"Hat man Hunger und isst, - er wirft in die Suppe noch Wermut,
"Möcht' man trinken zu Nacht, in den Becher schüttet er Galle.
"Läuft man wie ein Hirsch, er mit und bleibt nicht dahinter.
"Schleicht man wie ein Schatten, er sagt: So gehn wir gemächlich!
"Steht er nicht in der Kirche und sitzt bei dir in dem Wirtshaus?
"Wo du gehst und stehst, Gespenster, lauter Gespenster!
"Gehst du zu Bett, so sagt er, was hat's denn grade so Eile
"Mit dem Schlaf? Hör' an, ich will dir etwas erzählen:
"Weißt noch, wie du gestohlen einmal, und die Waisen betrogen,
"So und so und das und dies, und, wenn er am End ist,
"Fängt von vorn er an und mit dem Schlaf ist es alle."
So hat der Engel gesagt und wie ein feuriger Klumpen
Hat der Puhuh gesprüht. Darauf sag ich wieder. "Ich bin doch
"Auch ein Sonntagskind, und kenn' manch liebes Gespenstchen,
"Aber behüt mich Gott der Herr!" Drauf lächelt der Engel:
"Halt dein Gewissen dir rein, 's geht über bekreuz'gen und segnen,
"Geh' für jetzt nur den Fußweg ab, da unten ist Todtnau.
"Nimm den Puhuh dir mit und lösch ihn aus in dem Flusse,
"Dass er nicht in die Dörfer rennt und Scheunen noch ansteckt.
"Gott behüt dich, halte dich wohl!" Drauf sagt ich: "Herr Engel
"Gott behüt dich, sei nicht bös' und wenn du zur Stadt kommst
"In der heiligen Zeit, so besuch mich, es wär' mir 'ne Ehre!
"'S stehn dir Rosinen zu Dienst und ein Gläschen, wenn's dir gefällig,
"Rau ist die Sternenluft, und absonderlich neben dem Wasser."
Drüber graut der Tag und richtig komm ich nach Todtnau
Und geh wieder auf Basel zu im lieblichen Schatten. -
Wie ich vor Mambach komm', da tragen sie auf der Bahre,
Mit dem Kreuz und mit den verblichenen Fahnen, das Mädchen,
Auf dem Sarg den Kranz und Alle weinen und schluchzen.
Habt ihr's denn nicht gehört, er will sie wecken, wenn Zeit ist! -
Und am Dienstag drauf, da komm ich wieder zum Vetter,
Und die Schnupftabaksdos', die ließ ich doch richtig wo liegen.

(1) Nach einer alten Sage hätte der heil. Fridolin (in der katholischen Schweiz und dem obern Schwarzwalde ein gefeierter Name) mit zwei jungen Kühen eine Tanne bei Säckingen in den Rhein geführt und dadurch diesen Fluss von der einen Seite der Stadt auf die andre geleitet.

*****

Riedliger's Tochter

»Spinnet, Töchterli, spinnet, und Jergli, leng mer der Haspel!
D'Zit vergoht, der Obed chunnt, und 's streckt si ins Frühjohr.
Bald goht's wieder use mit Hauen und Rechen in Garte.
Werdet mer flißig und brav und hübsch, wie 's Riedligers Tochter!
In de Borge stoht e Hus, es wachse jez Wesmen
uffem verfallene Dach, und 's regnet aben in d'Stube.
Frili 's isch scho alt, und 's sin jez anderi Zite,
weder wo der Simme Fritz und 's Eveli ghuust hen.
Sie hen 's Huus erbaut, die schönsti unter de Firste,
und ihr Name stoht no näumen am rußige Tremel.
Het me gfrogt: ›Wer sin im Wald die glücklichsten Ehlüt?‹
het me gseit: ›Der Simme Fritz und 's Riedligers Tochter‹,
und 's isch dem Eveli grote mit gar verborgene Dinge.
Spinnet, Chinder, spinnet, und Jergli, hol mer au Trieme!
Mengmol, wo der Fritz no bi den Eltere glebt het,
het en d'Mutter gno, und gfrogt mit bewegliche Worte:
›Hesch di no nit anderst bsunne? Gfalle der 's Meiers
Matte no nit besser zu siner einzige Tochter?‹
Und der Fritz het druf mit ernstliche Worten erwidert:
›Nei, sie gfallt mer nit, und anderst bsinni mi nümme.
's Riedligers suferi Tochter zu ihre Tugede gfallt mer.‹ –
›D'Tugede loß den Engle! Mer sin jez no nit im Himmel.‹ –
›Lönt de Chüeihe 's Heu ab's Meiers grasige Matte!‹ –
›D'Mutter isch e Hex!‹ – ›Und soll au d'Mutter e Hex si,
Mutter hi und Mutter her, und 's Töchterli willi!‹ –
›'s Meidli soll's gwis au scho tribe, d'Nochbere sage 's.‹ –
›Sel isch en alte Bricht, und dorum chani 's nit wende.
Winkt's mer, so muß i cho, und heißt es mi näumis, se tuenis.
Luegt's mer no gar in d'Augen, und chummi em nöcher an Buse,
wird's mer, ich weiß nit wie, und möchti sterbe vor Liebi.
's isch ke liebliger Gschöpf as so ne Hexli, wo jung isch.‹ –
Näumis het d'Mutter gwüsst. Me seit, das Meideli sei gwiß
in sim zwölfte Johr emol elleinig im Wald gsi,
und heb Erbeeri gsucht. Uf eimal hört es e Ruusche
und wo's um si luegt, se stoht in goldige Hore
nummen en Ehle lang e zierlig Frauweli vorem
inneme schwarze Gwand und g'stickt mit goldene Blueme
und mit Edelgstei. ›Gott grüeß di, Meiddeli!‹ seit's em,
›spring nit furt, und förch mi nit! I tue der kei Leidli.‹
's Eveli seit: ›Gott dank der, und wenn du 's Erdmännlis Frau bisch,
willi di nit förche!‹ – ›Jo frili‹, seit es, ›das bini.‹ –
›Meiddeli los und sag: chansch alli Sprüchli im Spruchbuch?‹ –
›Jo, i cha si alli, und schöni Gibetli und Psalme.‹ –
›Meiddeli, los und sag: gosch denn au flißig in d'Chilche?‹ –
›Alli Sunntig se tueni. I stand im vorderste Stühli.‹ –
›Meiddeli los und sag: folgsch au, was 's Müetterli ha will?‹ –
›He, will's Gott der Her, und froget 's Müetterli selber!
's chennt ich wohl, i weiß es scho, und het mer scho viel gseit.‹ –
›Meiddeli, was hesch gseit? Bisch öbbe 's Riedligers Tochter?
Wenn de mi Gotte bisch, se chumm au zu mer in d'Stube!‹
Hinter der Brumberihurst goht's uf verschwiegene Pfade
tief dur d'Felsen i. Hätt 's Frauweli nit e Laternli
in der Linke treit, und 's Eveli sorglich am Arm gführt,
's hätt der Weg nit gfunde. Jez goht e silberni Tür uf.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Riedligers Tochter

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Riedligers Tochter, Ausschnitt

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›O Herr Jesis, wo bini? Frau Gotte, bini im Himmel?‹ –
›Nei doch, du närisch Chind. In mi'm verborgene Stübli
bisch bi diner Gotte. Sitz nieder und bis mer Gottwilche!
Gell, das sin chosperi Stei an mine glitzrige Wände?
Gell, i ha glatti Tisch? Sie sin vom suferste Marfel.
Und do die silberne Blatten und do di goldene Teller!
Chumm, iss Hunigschnitten und schöni gwundeni Strübli!
Magsch us dem Chächeli Milch? Magsch Wi im christalene Becher?‹ –
›Nei, Frau Gotte, lieber Milch im Chächeli möchti.‹
Wones gesse het und trunke, seit em si Gotte:
›Chind, wenn d'flißig lehrsch, und folgsch, was 's Müetterli ha will,
und chumsch us der Schul und gosch zum heilige Nachtmohl,
willi der näumis schicke. Zeig wie, was wär der am liebste?
Wär's das Trögli voll Plunder? Wär's do das Rädli zum Spinne?‹ –
›Bald isch's Plunder zerrisse. Frau Gotte, schenket mer's Rädli!‹
›'s Rädli will gspunne ha. Nimm lieber 's Trögli voll Plunder!
Siesch die sideni Chappe mit goldene Düpflene gsprenklet?
Siehsch das Halstuch nit mit siebefarbige Streife,
und e neue Rock, und do die gwässerti Hoorschnur?‹ –
›Jo, 's isch mer numme z'schön. Frau Gotte, schenket mer's Rädli‹ –
›Willsch's, se sollsch's au ha, und chunnt's, se halt mer's in Ehre!
Wenn de 's in Ehre hesch, soll's au an Plunder nit fehle,
und an Segen und Glück. I weiß em verborgeni Chräfte.
Sieder nimm das Rösli und trag mer's sorglich im Buse,
ass denn au öbbis hesch vo diner heimliche Gotte!
Los und verlier mer's nit! Es bringt der Freuden und Gsundheit.
Wärsch mer nit so lieb, i chönnt der jo Silber und Gold ge.‹
Und jez het sie's gchüßt, und wieder usen in Wald gführt:
›Bhüet di Gott, und haltdi wohl, und grüeß mer di Muetter!‹
       So viel isch an der Sach, und deshalb het me ne nogseit,
d'Mutter seig e Hex, und nit viel besser ihr Meidli.
       Nu das Meiddeli isch mit si'm verborgene Blüemli
hübscher vo Tag zu Tag und alliwil liebliger worde,
und wo's us der Schul mit andere Chindere cho isch,
und am Ostertag zum Nachtmohl gangen und heim chunnt,
nei se bhütis Gott, was stoht im heitere Stübli? –
's Rädli vo birbaume Holz und an der Chunkle ne Riste,
mitteme zierlige Band us rosiger Siden umwunde,
unte ne Letschli dra, und 's Gschirli zum Netze vo Silber,
und im Chrebs e Spüli, und scho ne wengeli g'spunne.
D'Gotte het der Afang gmacht mit eigene Hände.
Wie het mi Eveli gluegt! Was isch das Eveli gsprunge!
Gsangbuch weg und Meie weg und 's Rädli in d'Arm gno,
und het's gchüßt und druckt. ›O liebi Frau Gotte, vergelt's Gott!‹
's het nit z'Mittag gesse. Sie hen doch e Hammen im Chöhl gha.
's isch nit usen ins Grün mit andere Chindere gwandlet.
Gspunne hätt's mit Händ und Füße; het em nit d'Muetter
's Rädli in Chaste gstellt, und gseit: ›Gedenke des Sabbats!
Isch nit Christus der Her hüt vo de Toten erstande?‹
Nu di Rädli hesch. Doch Eveli, Eveli weisch au,
wie me's in Ehre haltet, und was d'Frau Gotte wird gmeint ha?
Frili weißt's, worum denn nit, und het sie 'm verheiße:
›Wenn des in Ehre hesch, soll's au an Plunder nit fehle
und andere Sege‹, se het sie 's ghalte, wie 's recht isch.
Het nit in churzer Zit der Weber e Tragete Garn gholt?
Het's nit alli Johr vom finste glichlige Fade
Tuech und Tuech uf d'Bleichi treit und Strängli zum Färber?
He, me het jo gseit, und wenn's au dussen im Feld seig,
's Rädli spinn elleinig furt, und wie sie der Fade
unten in d'Spuhle zieh, wachs unterm rosige Bendel
d'Riste wieder no – sel müeßt mer e chummligi Sach si.
Und wer het im ganze Dorf die suferste Chleider
Sunntig und Werchtig treit, die reinlichsten Ermel am Hemd gha,
und die suferste Strümpf und alliwil freudigi Sinne?
's Frauwelis im Felseg'halt, si liebligi Gotte.
Drum het's Simmes Fritz, wo 's achtzeh Summer erlebt het,
zu der Mutter gseit mit ernstliche Miene und Worte:
›Numme 's Riedligers Tochter zu ihre Tugede gfallt mer.‹
Ihn hätten alli gno, er nummen eini von alle.
Mutterherz isch bald verschreckt, zwor sotti's nit sage.
Wo sie wieder e mol vo 's Meiers Tochter und Matte
ernstlig mittem redt, und will's mit Dräue probiere:
›'s git e chräftig Mittel‹, seit sie, ›wenn de verhext bisch.
Hemmer für's Riedligers g'huust? Di Vater sezt di ufs Pflichtteil,
und de hesch mi Sege nit, und schuldig bisch du dra.‹
›Mutter‹, erwidert der Simme, ›soll euer Sege verscherzt si,
stand i vom Eveli ab, und gehri vom Vater ke Pflichtteil.
Z'Stette sizt e Werber, und wo me uffeme Berg stoht,
lüte d'Türkeglocken an allen Ende und Orte.
Bluet um Bluet, und Chopf um Chopf, und Leben um Lebe.
Färbt mi Blut e Türkesebel, schuldig sin ihr dra!‹
Wo das d'Mutter hört, se sizt sie nieder vor Schrecke:
›Du vermesse Chind, se nimm si, wenn de sie ha witt;
aber chumm mer nit go chlage, wenn's der nit gut goht.‹
's isch nit nötig gsi. Sie hen wie d'Engel im Himmel,
mitenander g'lebt, und am verborgene Sege
vo der Gotte het's nit gfehlt im hüsliche Wese.
He, sie hen jo z'letzt vo's Meiers grasige Matte
selber die schönste g'meiht, 's isch alles endlich an Stab cho,
und hen Freud erlebt an frumme Chinden und Enkle.
       Tuent jez d'Räder weg, und Jergli der Haspel ufs Chästli!
's isch afange dunkel und Zit an anderi G'schäfte.«
Und so hen sie 's gmacht, und wo sie d'Räder uf d'Site
stellen, und wenn go und schüttle d'Agle vom Fürtuech,
seit no's Vreneli: »So ne Gotte möchti wohl au ha,
wo eim so ne Rad chönnt helsen und so ne Rösli.«
Aber d'Mutter erwidert: »'s chunnt uf kei Gotten, o Vreni,
's chunnt uf 's Rädli nit a. Der Fliß bringt heimlige Sege,
wenn de schaffe magsch. Und hesch nit 's Blümli im Buse,
wenn de züchtig lebsch und rein an Sinnen und Werke?
Gang jez und hol Wasser und glitsch mer nit usen am Brunne!«

*****

Riedligers Tochter

Spinnet Töchterchen, spinnet und Jürgen, lang' mir die Haspel,
Spät ist's schon, die Zeit vergeht! Bald sind wir im Frühjahr,
Bald geht's wieder hinaus mit Rechen und Hacken zum Garten.
Werdet mir fleißig und brav und hübsch wie des Riedligers Tochter! -
In den Bergen, da steht ein Haus, jetzt wuchert das Unkraut
Auf dem verfallenen Dach, und es regnet hinein in die Stube.
Freilich ist es schon alt. Das waren noch andere Zeiten,
Wie der Simmen-Fritz und 's Evchen dazumal lebten!
Die erbauten das Haus, das schönste Paar im Gebirge,
Und noch steht ihr Name zu lesen am rußigen Balken.
Hat man gefragt, wer sind im Wald die glücklichsten Eh'leut'?
Hat man gesagt: "der Simmen-Fritz und des Riedligers Tochter."
Ja, dem Evchen hat's auch geglückt mit verborgenen Dingen! -
Spinnet Kinder, spinnet! und Jürgen, hol mir die Winde! -
Manchmal, wie der Fritz noch bei den Eltern gelebt hat,
Nahm die Mutter ihn vor und fragt' mit beweglichen Worten:
"Hast dich noch immer nicht anders besonnen? Gefallen des Meiers
"Wiesen dir denn nicht besser mit seiner einzigen Tochter?"
Und der Fritz hat drauf mit ernstlichen Worten erwidert:
"Nein, sie gefällt mir nicht und nie besinn' ich mich anders,
"Riedligers hübsche Tochter mit ihren Tugenden will ich." -
"Lass den Engeln die Tugend! Hier sind wir noch lang' nicht im Himmel" -
"Lasst den Kühen das Heu von des Meiers grasigen Wiesen!" -
"Ihre Mutter, das ist 'ne Hex!" - "Und wär' sie 'ne Hex' auch,
Mutter hin und Mutter her, ich will ja die Tochter!" -
"Ja, die treibt's auch schon, gewiss! die Nachbaren sagens." -
"Das ist ein altes Gered', und was kann ich dabei helfen?
"Winkt sie mir, muss ich kommen, befielt sie mir etwas, ich tu es,
"Sieht sie mir gar in die Augen, und komm' ich ihr nah' an den Busen,
"Wird mir, ich weiß nicht wie, und sterben möcht ich vor Liebe.
"Lieblicher ist kein Geschöpf, als so ein Hexchen, das jung ist." -
Etwas wusst' schon die Mutter. Man sagt, das Mädelchen wär' 'mal,
Wie zwölf Jahr es war, allein im Walde gewesen,
Hätt' Erdbeeren gesucht. Auf einmal hört es ein Rauschen,
Und wie es um sich sieht, da steht mit goldigen Haaren
Eine Elle nur lang ein zierlich Weibchen da vor ihm,
Ganz im schwarzen Gewand, und gestickt mit goldenen Blumen
Und mit Edelgestein. "Gott grüß dich, Mädelchen!" sagt es,
"Spring' nicht fort und fürcht' mich nicht! Ich tu dir kein Leid an!"
Evchen sagt: "Gott dank dir, und wenn du des Erdmännels Frau bist,
"Will ich dich nicht fürchten!" - "Ja freilich," sagt sie, "das bin ich.
"Mädelchen hör' und sag: Kannst alle Sprüchel im Spruchbuch?"
"Ja, ich kann sie alle, auch schöne Gebetchen und Psalmen."
"Mädelchen hör' und sag': Gehst auch hübsch fleißig zur Kirche?"
"Alle Sonntag tu ichs. Ich steh im vordersten Stühlchen."
"Mädelchen hör' und sag: Bist auch hübsch folgsam der Mutter?" -
"Nu, will's Gott der Herr! da fragt mein Mütterchen selber!
"O die kennt euch schon, ich weiß, sie tät mir's erzählen."
"Mädelchen, wie? was sagst? Und bist du des Riedligers Tochter?
"Bist mein Patchen ja! da musst du zu Haus mich besuchen!"
       Hinter dem Brombeerstrauch geht's auf verschwiegenen Pfaden
Tief in die Telsen hinein. Hätt's Weibchen nicht ein Laternchen
In der Linken gehabt und am Arm das Evchen geführet,
Hätt's den Weg nicht gefunden. Da geht 'ne silberne Tür' auf.
"Ach, Herr Jesus, wo bin ich? Frau Pate, bin ich im Himmel?"
"Nein, du närrisch Kind. In meinem verborgenen Stübchen,
"Bist bei deiner Pate. Nu sei mir willkommen und setz' dich!
"Gelt, das sind doch kostbare Stein an den glitzrigen Wänden?
"Sind die Tische nicht glatt? die sind auch vom saubersten Marmor.
"Und erst da die goldenen Schüsseln, die goldenen Teller!
"Komm, iss Honigschnitten und schön gewundene Kringel,
"Willst aus dem Tässchen Milch? Willst Wein im kristallenen Becher?"
"Nein, Frau Pate, ich möcht' doch lieber die Milch in dem Tässchen."
Wie's gegessen nun hat und getrunken, da sagt ihm die Pate:
"Kind, wenn du fleißig lernst, und warst gehorsam der Mutter,
"Und kommst aus der Schul' und gehst zum heiligen Nachtmahl,
"Will ich dir auch was schicken. Was meinst, was wär' dir am liebsten?
"Wär's 'ne Kiste mit Zeug? Wär's da das Rädchen zum Spinnen?"
"Zeug ist bald zerrissen. Frau Pate, schenkt mir das Spinnrad!"
"Spinnen musst du am Rad. Nimm lieber voll Zeug da die Kiste!
"Siehst du die seidene Kappe mit goldenen Tüppeln gesprenkelt?
"Siehst du das Halstuch nicht mit siebenfarbigen Streifen,
"Und den neuen Rock und da die gewässerte Haarschnur?"
"'S ist zu schön für mich, Frau Pate! gebt mir das Spinnrad!"
"Willst du's? ich werd' es dir schicken und halt es auch hübsch mir in Ehren!
"Wenn du's in Ehren hältst, soll's auch an Zeug dir nicht fehlen
"Und an Segen. Ich weiß, es hat verborgene Kräfte.
"Nimm derweil dies Röslein und trag mirs sorglich im Busen,
"Dass du doch etwas auch hast von deiner heimlichen Pate,
"Hörst? Verlier mir's nicht. Es bringt dir Freud`und Gesundheit.
"Wärst du mir nicht so lieb, Gold hätt'st du und Silber bekommen."
Und drauf hat sie's geküsst und hat in den Wald es geführet:
"Gott behüt dich und halt dich wohl und grüß mir die Mutter!"
       So verhält sich die Sach' und deshalb ging das Gerede,
Dass die Mutter 'ne Hex und nicht viel besser die Tochter.
       Nu, das Mädchen das ist mit seiner verborgenen Rose
Lieblicher worden von Tage zu Tag und alleweil hübscher.
Und wie's aus der Schule gekommen mit anderen Kindern,
Und am Ostertag zum Nachtmahl geht und zurückkommt,
Nein, so behüt' uns Gott! was steht im freundlichen Stübchen?
Denkt! das Spinnrad ist es und an der Kunkel der Flachs auch
Zierlich mit Band umwunden mit rosenfarbiger Seide,
Unten ein Schleifchen; ein Schüsselchen auch zum Netzen, von Silber,
Und im Krebs ein Spühlchen, und schon ein wenig gesponnen.
Pate machte den Anfang schon mit eigenen Händen. -
Hat mein Evchen gekuckt! Was ist mein Evchen gesprungen!
Strauß und Gesangbuch weg und 's Rädchen genommen! Wie hat sie's
Da geküsst und gedrückt. "Ach liebe Frau Pate, vergelt's Gott!"
Nichts gegessen hat sie und 's gab doch Schinken zu Mittag.
Nicht ins Grüne ging sie hinaus mit anderen Kindern,
Hätt' gesponnen mit Händen und Füßen, wenn nicht die Mutter
Hätte verschlossen das Rad und gesagt: "Gedenke des Sabbats!
"Ist nicht Christus der Herr heut von den Toten erstanden?" -
Nu, ihr Spinnrad hat sie, doch Evchen! Evchen! und weißt auch,
Wie man's in Ehren hält und was die Frau Pate gemeint hat?
Freilich weißt es, warum denn nicht? Sie hat ja verheißen:
"Wenn du's in Ehren hältst, soll's auch an Zeug dir nicht fehlen.
"Und an anderm Segen." Und Evchen hielts, wie es recht ist.
Hat doch bald der Weber 'ne Trage voll Garn sich geholet,
Hat sie jedes Jahr doch vom feinsten gleichesten Faden
Stück auf Stück zur Bleiche getragen und Stränge zum Färber!
Ja, sie erzählten sogar, selbst wenn sie auch draußen im Feld war,
Hätt' das Rädchen alleine gesponnen, und wie sie den Faden
Unten zog hervor, wüchs' unter dem rosigen Bändel
Oben der Flachs dann fort. - Das lässt man schon sich gefallen!
Und wer hat im ganzen Dorf die saubersten Kleider
Sonn- und Markttags wohl, und am Hemd' die reinlichsten Ärmel
Immer gehabt und die saubersten Strümpf und die freudigsten Sinne?
War es das Patchen nicht vom Weibchen dort in den Felsen?
Drum, wie's achtzehn Jahr alt war, da hat zu der Mutter
Auch der Simmen-Fritz mit ernsten Worten gesprochen:
"Nur des Riedligers Tochter mit ihren Tugenden will ich!"
Leicht ist erschreckt ein Mutterherz (zwar sollt'ich's nicht sagen);
Als sie wieder einmal von des Meiers Tochter und Feldern
Ernstlich mit ihm spricht, will sie's mit Drohen probieren:
"'S gibt ein kräftig Mittel," sagt sie, "wenn du verhext bist.
"Haben wir denn für Riedligers nur so lange geplagt uns
"Und die Wirtschaft geführt? Dein Vater setzt dich auf's Pflichtteil.
"Meinen Segen hast du nicht, und schuld bist du auch dran."
"Mutter," sagt der Fritz, "soll Euer Segen verscherzt sein,
"Ja! da steh ich ab, und begehr von dem Vater kein Pflichtteil.
"Werber sitzen zu Stetten, und wenn man hoch auf dem Berg steht
"Hört man die Türkenglocken an allen Orten und Enden:
"Blut um Blut, und Kopf um Kopf, und Leben um Leben,
"Färbt mein Blut 'nen Türkensäbel, Ihr habt die Schuld dran!"
Wie die Mutter das hört, da sinkt sie nieder vor Schrecken:
"Du vermessen Kind! So nimm sie, willst du sie haben,
"Aber geht's nachher dir nicht gut, da komm mir nicht klagen!" -
'S war nicht nötig. Sie haben grad wie die Engel im Himmel
Mit einander gelebt und an dem verborgenen Segen
Von der Pate hat's nicht gefehlt im häuslichen Wesen.
Ja, sie haben zuletzt noch sogar von den Wiesen des Meier
Selbst die schönsten gemäht ('s ist Alles endlich versteigert),
Und erlebten noch Freud' an frommen Kindern und Enkeln.
       Tut die Räder jetzt weg! Jürg! leg' den Haspel aufs Kistchen.
Dunkel wird's allmählich und Zeit zu andern Geschäften. -
Und so taten sie's auch, und wie sie die Räder zur Seite
Stellen und gehen wollen, und schütteln sich rein ihre Schürzen,
Sagt das Bärbelchen noch: "Solch Patchen möcht ich schon haben,
"Die mir verhelfen könnt' zu solchem Röschen und Spinnrad!"
Aber die Mutter sagt: "Es kommt nicht an auf die Pate,
"'S kommt auch auf's Rad nicht an, der Fleiß bringt heimlichen Seegen,
"Wenn dir die Arbeit lieb. Und hast nicht ein Blümlein im Busen,
Wenn du züchtig lebst und rein an Sinnen und Werken?
"Geh jetzt, hol' mir Wasser und glitsch nicht aus an dem Brunnen!"

*****

Die Überraschung im Garten

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Die Überraschung im Garten

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»Wer sprüzt mer alli Früeih mi Rosmeri?
Es cha doch nit der Tau vom Himmel si;
sust hätt der Mangeld au si Sach,
er stoht doch au nit unterm Dach.
Wer sprüzt mer alle Früeih mi Rosmeri?

Und wenn i no so früeih ins Gärtli spring,
und unterwegs mi Morgeliedli sing,
isch näumis g'schafft. Wie stöhn jez reihewis
die Erbse wieder do am schlanke Ris
in ihrem Bluest! I chumm nit us dem Ding.

Was gilt's, es sin die Jumpfere usem See!
Me meint zwar, 's chömm, wie lang scho, keini meh.
Sust sin sie in der Mitternacht,
wenn niemes meh as d'Sterne wacht,
in d'Felder use gwandlet usem See.

Sie hen im Feld, sie hen mit frummer Hand
de brave Lüte g'schafft im Garteland,
und isch me früeih im Morgeschimmer cho,
und het jez welle an si Arbet go,
isch alles fertig gsi – und wie scharmant!

Du Schalk dört hinte, meinsch, i seh di nit?
Jo, duck' di numme nieder, wie de witt!
I ha mer's vorgstellt, du würsch's si.
Was falleder für Jesten i? –
O lueg, vertritt mer mini Sezlig nit!« –

»O Kätterli, de hesch's nit solle seh!
Jo, dine Blume hani z'trinke ge,
und wenn de wotsch, i gieng für di dur's Füür
und um mi Lebe wär mer dis nit z'tüür
und 's isch mer o gar sölli wohl und weh.«

So het zum Kätterli der Friedli g'seit;
er het e schweri Lieb' im Herze treit,
und het's nit chönne sage just,
und es het au in siner Brust
e schüüchi zarti Lieb zum Friedli treit.

»Lueg, Friedli, mini schöne Blüemli a!
's sin nummen alli schöne Farbe dra.
Lueg, wie eis geg'nem andre lacht
in siner holde Früehligstracht,
und do sitzt scho ne flißig Immli dra.« –

»Was helfe mer die Blüemli blau und wiß?
O Kätterli, was hilft mer's Immlis Fliß?
Wärsch du mer hold, i wär im tiefste Schacht,
i wär mit dir, wo au kei Blüemli lacht
und wo kei Immli summst, im Paredis.«

Und drüber hebt si d'Sunne still in d'Höh,
und luegt in d'Welt, und seit: »Was mueß i seh
in aller Früeih?« – Der Friedli schlingt si Arm
um's Kätterli, und 's wird em wohl und warm.
Druf het em 's Kätterli e Schmützli ge.

Illustration von Julius Nisle zu Johann Peter Hebels Gedicht Die Überraschung im Garten

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*****

Die Überraschung im Garten

Wer gießt so früh mir meine Nelken da?
Vielleicht der Tau? da wär der Goldlack ja
Doch nimmermehr so trocken noch;
Er steht wie sie im Freien doch!
Wer gießt mir alle Früh die Nelken da?

Wenn noch so zeitig ich zum Garten spring'
Und unterwegs mein Morgenliedchen sing',
Ist was getan. Wie stehn jetzt reihenweis
Die Erbsen wieder da am schlanken Reis
In voller Blüth'. 'S ist doch ein närrisch Ding!

Ich wett', es sind die Jungfern aus dem See,
Man glaubt, die tauchen nicht mehr in die Höh;
Doch weiß ich, sonst um Mitternacht,
Wenn nur allein der Mond gewacht,
Sind sie auf's Feld gekommen aus dem See.

Den braven Leuten da mit frommer Hand
Bestellten sie ihr Feld und Gartenland,
Und kam man früh im Morgenschimmer an,
Und wollt' man wieder zu der Arbeit dann,
War Alles fertig schon - und wie scharmant! -

Du Schelm da hinten, meinst ich seh dich nicht?
Ja, duck dich wie du willst, es hilft dir nicht,
Ich hab mir schon gedacht, du wirst es sein.
Was fallen dir für Faxen ein?
O sieh! zertritt mir meine Setzling' nicht! -

"Ach Käthe, dass du doch auch Alles siehst!
"Hast recht, ich bins, der deine Blumen gießt.
"Und wenn du willst, ich geh für dich durchs Feur,
"Und all mein Leben wär mir nicht zu teur.
"Es ist mir, ach, so wohl und doch so weh!"

So hat zur Käthe da der Fried gesagt.
Ja! Eine schwere Lieb' hat ihn geplagt,
Zu sagen hat er's nicht gewusst,
Und Käthe hat in ihrer Brust
'Ne zarte scheue Lieb' zum Fried gehabt. -

"Sieh, Friedel, meine schönen Blumen an!
"Was sind da lauter schöne Farben dran.
"Sieh doch, wie Eins zum Andern lacht
"In seiner hübschen Frühlingstracht.
"Da sitzt auch schon ein fleißig Bienchen dran!" -

"Schön sind die Blumen schon, das ist gewiss!
"Ach Käthe, sag, was hilft mir Alles dies?
"Wärst du mir gut, ich wär im tiefsten Schacht,
"Ich wär mit dir, wo auch kein Blümchen lacht,
"Und wo kein Bienchen summt, im Paradies!"

Und wie dann früh die Sonne kommen ist,
Schaut sie in's Tal und spricht: "Was das doch ist!
"So früh am Tag?" - Der Friedel schlingt den Arm
Um seine Käthe, wohl wird ihm und warm;
Da hat die Käthe ihren Fried geküsst.

*****

Der Wegweiser
Guter Rat zum Abschied

Weisch, wo der Weg zuem Mehlfass isch,
zum volle Fass? Im Morgerot
mit Pflueg und Charst dur's Weizefeld,
bis Stern und Stern am Himmel stoht.

Me hackt, so lang der Tag eim hilft,
me luegt nit um, und blibt nit stoh;
druf goht der Weg dur's Schüretenn
de Chuchi zu, do hemmer's jo!

Weisch, wo der Weg zum Gulden isch?
Er goht de rote Chrützere no,
und wer nit uffe Chrützer luegt,
der wird zum Gulde schwerli cho.

Wo isch der Weg zuer Sunntigfreud?
Gang ohni Gfohr im Werchtig no
dur d'Werkstatt und dur 's Ackerfeld!
Der Sunntig wird scho selber cho.

Am Samstig isch er nümme wit.
Was deckt er echt im Chörbli zue?
Denkwol e Pfündli Fleisch ins Gmües,
's cha si, ne Schöpli Wi derzue.

Weisch, wo der Weg in d'Armet goht?
Lueg numme, wo Tafere sin!
Gang nit verbei, 's isch guete Wi,
's sin nagelneui Charte drin!

Im letzte Wirtshus hangt e Sack,
und wenn de furt gohsch, henk en a!
»Du alte Lump, wie stoht der nit
der Bettelsack so zierlig a!«

Es isch e hölze Gschirli drin,
gib Achtig druf, verlier mer's nit,
und wenn de zueme Wasser chunnsch
und trinke magsch, se schöpf dermit!

Wo isch der Weg zue Fried und Ehr,
der Weg zuem gueten Alter echt?
Grad fürsi goht's in Mäßigkeit
mit stillem Sinn in Pflicht und Recht.

Und wenn de amme Chrützweg stohsch,
und nümme weisch, wo 's ane goht,
halt still, und frog di Gwisse z'erst,
's cha Dütsch, gottlob, und folg si'm Rot.

Wo mag der Weg zum Chilchhof si?
Was frogsch no lang? Gang, wo de witt!
Zum stille Grab im chüele Grund
füehrt jede Weg, und 's fehlt si nit.

Doch wandle du in Gottisfurcht!
I rot der, was i rote cha.
Sel Plätzli het e gheimi Tür,
und 's sin no Sachen ehne dra.

*****

Der Wegweiser
Guter Rat zum Abschied

Weißt, wo der Weg zum Mehlfass ist?
Zum vollen Fass? - Im Morgenwind
Am Pflug durchs Feld, bis Stern' um Stern'
Am Himmel aufgegangen sind.

Man sieht nicht um und bleibt nicht stehn
Und hackt so lang der Tag noch da.
Zur Scheune dann, zur Küche dann,
Und sieh, da haben wir es ja!

Weißt, wo der Weg zum Thaler ist?
Der geht dem Pfennig hinterher;
Und wer nicht auf den Pfennig sieht,
Bekommt den Thaler nimmermehr.

Wo ist der Weg zur Sonntagslust?
Geh hübsch dem Werkeltage nach
Die Werkstatt durch, durchs Ackerfeld,
Der Sonntag kommt von selbst darnach.

Am Samstag ist er nicht mehr weit,
Was deckt er wohl im Körbchen zu?
Ich denk' mir: Fleisch zum Sonntagskohl,
Vielleicht ein Schöppchen Wein dazu.

Weißt, wo der Weg zur Armut geht?
Wo Schenken sind, da sieh nur hin.
Geh nicht vorbei, 's ist guter Wein,
Sind nagelneue Karten drin.

Im letzten Wirtshaus hängt ein Sack,
Und gehst du fort, so häng' ihn an!
"Du alter Lump, wie steht dir nicht
"Der Bettelsack so zierlich an!"

Findst auch ein Schüsselchen von Holz,
Verlier' es nicht und, was ich bitt',
Wenn du beim Wasser gehst vorbei
Und trinken willst, so schöpf' damit!

Wo geht der Weg zu Fried und Ehr,
Zu einem guten Alter hin?
Grad aus, grad aus in Mäßigkeit,
In Pflicht und Recht mit stillem Sinn!

Und wenn du an dem Kreuzweg stehst
Und weißt nicht mehr, wo aus, wo ein:
Halt still, frag' dein Gewissen erst,
'S kann deutsch, Gottlob! drum folg' ihm fein.

Wo mag der Weg zum Kirchhof sein? -
Was fragst du noch, du liebe Seel?
Geh wo du willst! zum kühlen Grund
Führt jeder Weg, du gehst nicht fehl!

Doch wandle du in Gottesfurcht!
Das ist mein guter Rat dabei.
Der Ort hat ein geheimes Tor,
Dahinter gibt's noch mancherlei!

Illustration von Sophie Reinhard zu Johann Peter Hebels Gedicht Der Wegweiser. Guter Rat zum Abschied

*****

3. Jacobis Rezension

Allemannische Gedichte (x)

Diese Gedichte wurden in der Gegend, für welche sie eigentlich bestimmt und in deren Mundart sie abgefasst sind, mit allgemeinem, enthusiastischen Beifall aufgenommen. Über sie freute sich, und freut sich noch der Kenner und Nichtkenner der Poesie; der Geschäftsmann, der sonst auf die Gesänge der Musen wenig achtet; die gebildete und ungebildete Leserin, und die gemeine Volksklasse in Stadt und Dorf. Freilich hat zu einer solchen Aufnahme der Dialekt und das Lokale der Gedichte vieles beigetragen, weil jener die Aufmerksamkeit der feineren Welt reizte, und dem großen Haufen lieber und verständlicher als die Muttersprache war, und weil die Lokalität Allen das Vergnügen gewährt, mit der möglichsten Treue die Natur so dargestellt zu sehen, wie dieselbe sie am nächsten umgibt. Indessen bin ich versichert, dass eine Sammlung, wie diese, nicht nur an den Ufern des Oberrheins und am Fuße des Schwarzwaldes, sondern auch auf den Harzgebirgen, und an der Spree und Elbe gefallen würde, wenn sie dort verständlich wäre. Der Dichter widmet seine Poesien den Freunden ländlicher Natur und Sitten; folglich hat er für alle gesungen, für die es einen Gesang geben kann. Man darf nur Mensch sein, um seine Lieder zu fühlen. Oder ist das Wahre, Gute und Schöne, das er dem Volke mit heimischen Tönen und vertrauten Bildern lebendiger und wirksamer in die Seele bringen will, nicht in jeder Sprache dasselbe, nicht unter jedem Himmelsstrich? Anstatt das Interesse für ausländische Leser zu vermindern, muss eben das sie noch mehr anziehen, dass die Alleman[n]ischen Gedichte sie mit fremden Natur-Scenen und Sitten bekannt machen. Als Deutschen insonderheit, muss es ihnen wohltun, ein deutsches Völkchen kennen zu lernen, auf welchem, mehr als auf vielen anderen, noch der Geist seiner Väter ruht; voller Einfalt; mit Wenigem zufrieden, arbeitsam, gern der Ruhe genießend, wann die Arbeit getan ist; fröhlich bei Gelagen, und frisch und entschlossen zur Tat, sobald sie das Vaterland fordert. - Allerdings aber lässt sich von wenigen Lesern erwarten, dass sie, um ein Gedicht zu verstehen, sich in eine fremde Mundart hinein studieren, zumal, wenn dieselbe sich von der ihrigen zu weit entfernt, und überdies ihr Ohr, an eine weichere Aussprache gewöhnt, durch die härtere beleidigt wird. Eine Hauptschwierigkeit dabei ist, dass die Ausländer solchen Dialekt nicht hören, sondern nur in der Schrift sehen, welches denn, da die Töne nicht richtig genug angegeben sind, die Worte noch unverständlicher und übelklingender macht.

Anmerkung:
(x) Carlsruhe. In Macklots Hofbuchhandlung 1803. Der darin herrschende Dialekt ist, nach des V. Angabe, derjenige, "der von den Alpen herab zu beiden Seiten des Oberrheins zwischen den Vogesen und dem Schwarzwald und über diesen hinweg in einem Teil von Oberschwaben in mancherlei Abwandlungen gesprochen wird oder doch gekannt ist." - Eine reiche, nicht weniger naive als körnichte Sprache, welche die Mühe des Forschers hinlänglich belohnt!

Ich wünsche deswegen sehr, dass ein Mann, mit dem seltnen Talente begabt, womit Herder jede unter einem entfernten Himmel sprossende Blume in den einheimischen Boden zu verpflanzen weiss, die Allemannischen Gedichte, mit einigen unumgänglich nötigen Auslassungen und Veränderungen, übersetzte. Ihm wäre der Dank seiner Nation gewiss. Ein großer Teil der Leser fände schon darin Genuss, den Geist, die Laune und die Sitten der Schwarzwälder und der angrenzenden Landleute mit denen zu vergleichen, die man in anderen deutschen Provinzen antrifft. Welch eine Verschiedenheit, z.B. wenn man die Poesien, von welchen die Rede ist, mit den plattdeutschen von Voss zusammenhält! - Doch liegt in jenen ein weit höheres Interesse, als das Vergnügen einer solchen Vergleichung. Neuheit der Ideen und Bilder, eine ganz eigene Naivetät; unschuldiger Scherz, abwechselnd mit wohltätigem Ernst; erhabne Gedanken, deren Erhabenheit durch den einfältigen Ausdruck noch auffallender wird; tröstliche Wahrheiten, überall Leben und Wärme, und ein herzliches, inniges Verlangen, den müden Arbeiter aufzurichten bei seinem Tagewerk; die gemeinere Seele zu veredeln, ohne sie aus dem Kreise, worin sie wirken soll, wegzurücken, und den Menschen fest zu halten an dem, was sein Heiligstes sein und bleiben muss - Alles dieses gibt den Allemannischen Gedichten, nach meinem Urteil, einen so ausgezeichneten Wert, dass ich mich seit langer Zeit keiner interessanteren Erscheinung auf unserem Parnass erinnere. In Absicht der Unbefangenheit, des naiven Tons, des kindlichen Glaubens und der moralischen Tendenz, hat unser Dichter - nicht weil der jüngere, der selbst Original ist, von dem älteren gelernt hat, sondern weil zwischen beiden eine nahe Verwandtschaft ist - die mehrste Ähnlichkeit mit dem ehrlichen Claudius, dessen Werke ich für den jedesmaligen Prüfstein des Zeitalters ansehe; denn wehe dem Geschlechte, das von dem gutherzigen Grusse des Wandsbecker Boten sich wegwendet! - Vorzüglich haben beide, als Volksdichter, das mit einander gemein, dass sie nicht, um etwas Neues hervorzubringen, die Ansichten und Gefühle des Landbewohners bloß nachahmen, sondern dasjenige darstellen, wobei ihnen selber wohl ist. Immer hören wir den Sänger der Natur, und der Artist verrät sich nirgend.

Ich kann, so misslich auch das Unternehmen ist, der Versuchung nicht widerstehen, meine Behauptung mit ein Paar ausgehobnen Stellen aus den Allemannischen Gedichten zu belegen, die vor andern charakteristisch, und eben darum schwerer als andre in die hochdeutsche Mundart überzutragen sind.

Die erste ist aus einem Liede, der Winter betitelt. Nachdem unser Dichter den Schnee mit herabgeschütteter Baumwolle verglichen und einem über und über beschneiten Manne nachgerufen hat:

"Was läufst du mit dem weis[s]en Hut?
Es ist ja kein gestohlnes Gut!"

fährt er fort:

"Und Gärten ab und Gärten auf
Hat jeder Pfahl ein Käpplein auf;
Sie stehn, wie Herren, stolz und froh,
Und meinen, keiner hätt' es so.
Auch hat der Nussbaum seine Sach',
Und's Herren-Haus und's Kirchen-Dach.

Und Schnee und lauter Schnee umher!
Kein Fusspfad, keine Straße mehr!
Manch Samenkörnchen, klein und zart,
Liegt unterm Boden wohl verwahrt;
So lang es immer schneien mag,
Es harrt auf seinen Ostertag.

Manch Sommervöglein schöner Art
Liegt unterm Boden wohl verwahrt;
Hat keinen Kummer, keine Klag',
Und harrt auf seinen Ostertag.
Währts noch so lang, er kommt gewiss;
Indessen liegts und schlummert süß.

Und wenn die Schwalb' im Frühling singt,
Und Sonnen-Wärme nieder dringt,
Wie's dann erwacht in jedem Grab
Und streift sein Toten-Hemdlein ab!
Es schlüpft aus jeder Spalt' hervor
Und neues Leben steigt empor. -

Da fliegt ein hungrig Spätzlein her;
Ein wenig Brot ist sein Begehr;
Sieht einen so erbärmlich an,
Dass mans ihm wohl nicht weigern kann.
...............................................................
So nimm denn! Wahr ist, wie man spricht:
Sie säen nicht und ernten nicht;
Sie haben weder Pflug, noch Joch,
Und Gott im Himmel nährt sie doch."

Die andre Stelle wähle ich aus der Sonntagsfrühe. Der Sonnabend lässt sich vom Sonntage ablösen. Letzterer weckt die Sonne, welche gleich da zu sein verspricht.

"Und leiser auf den Zehen geht
Und freundlich auf den Bergen steht
Der Sonntag: Alles schläft in Ruh;
Er wandelt still dem Dörfchen zu,
Kommt an mit lachendem Gesicht
Und winkt dem Hahn: Verrat mich nicht!

Und wenn man endlich auch erwacht
Und durchgeschlafen hat die Nacht,
So steht er da im Sonnenschein,
Und guckt zum Fenster froh herein
Mit seinen Augen mild und gut
Und einem Sträußchen auf dem Hut.

Wie flimmert nun auf Gras und Laub
Vom Morgentau der Silberstaub!
Wie weht die frische Maienluft,
Voll Kirschenblüt und Schleenduft!
Das muntre Bienchen weiß allein
Vom Sonntag nichts, und sammelt ein.

Wie pranget nicht im Gartenland
Der Kirschenbaum im Maigewand,
Das Veilchen und die Tulipan,
Mit Sternenblumen neben dran, (x)
Und Hyacinthen überdies!
Man meint, man säh' ins Paradies.

Wie still es ist, wie heimlich! O,
Man ist so ruhig und so froh!
Man hört im Dorf kein Harr und Hott; (xx)
Gott grüß euch, Nachbar! Dank' euch Gott!
Es wird gottlob ein schöner Tag!

Ist alles, was man hören mag.

Ein Vöglein sagt zum andern: "Ja,
Er ists! auf einmal ist er da!
Er dringt mir schon mit goldnem Schein
Durch Blüt' und Laub in meinen Hain.
Der Stieglitz, überall voran,
Hat's Sonntag-Röcklein auch schon an.
       u.s.w.

(x) Narzissen.
(xx) Links und Rechts! Zuruf der Zugpferde.

Ich empfinde die Unvollkommenheit meines Versuchs; hoffe aber, meine Leser durch die Übersetzung eines andern Liedes einigermaßen zu befriedigen, das ich von dem Dichter, als Geschenk für dieses Taschenbuch, erhielt, und bei welchem derselbe einige Rücksicht auf die Ausländer genommen hat.

Der Abendstern

De bisch au wieder zitli do
Und laufsch der Sunne weidli no,
Du liebe, schönen Obestern!
Was gilts, de hettsch di Schmützli gern!
Er tripplet ihre Spure no,
Und cha si doch nit übercho.

Vo alle Sterne groß und chlei
Isch er der liebst, und er ellei;
Si Brüederli de Morgestern,
Si het en nit ums halb so gern;
Und wo sie wandlet us und i,
Se meint sie, müeß er um sie si.

Früeih, wenn sie hinterm Morgerot
Wohl ob em Schwarzwald ufe goht,
Sie füehrt ihr Büebli an der Hand,
Sie zeigt em Berg und Strom und Land,
Sie seit: »Tue g'mach, 's pressiert nit so!
Di Gumpe wird der bald vergoh.«

Er schwezt, und frogt sie das und deis;
Sie git em B'richt, so guet sie 's weiß.
Er seit: »O Muetter, lueg doch au,
Do unte glänzt's im Morgetau
So schön, wie in di'm Himmelssaal!«
»He«, seit sie, »drum isch's 's Wiesental

Sie fragt en: »Hesch bald alles gseh?
Jez gangi, und wart nümme meh.«
Druf springt er ihrer Hand dervo,
Und mengem wisse Wülkli no;
Doch wenn er meint, jez han i di,
Verschwunden ischs, weiß Gott, wohi.

Druf, wie si Muetter höcher stoht,
Und alsgmach gegenem Rhistrom goht,
Se rüeft sie 'm: »Chumm und fall nit do!«
Sie füehrt en fest am Händli no:
»De chönntsch verlösche handumcher.
Nimm, was mers en für Chummer wär!«

Doch, wo sie überm Elsis stoht,
Und alsgmach ehnen abe goht,
Wird nootno 's Büebli müed und still,
's weiß nümme, was es mache will;
's will nümme goh, und will nit goh,
's frogt hundertmol: »Wie weit ischs no?«

Druf, wie sie ob de Berge stoht,
Und tiefer sinkt ins Oberot
Und er afange, matt und müed
Im rote Schimmer d'Heimet sieht,
Se losst er sie am Fürtuech goh;
Und zottlet alsgmach hinte no.

In d'Heimet wandle Herd und Hirt,
Der Vogel singt, der Chäfer schwirt;
Und 's Heimli betet dört und do
Si luten Obesege scho.
Jez, denkt er, han i hochi Zit;
Gottlob und Dank, 's isch nümme wit.

Und sichtber, wiener nöcher chunnt,
Umstrahlt sie au si Gsichtli rund;
Drum stoht si Muetter vorem Hus:
»Chumm, weidli chumm, du chleini Muus!«
Jez sinkt er freudi niederwärts –
Jez ischs em wohl am Muetterherz.

Schlof wohl, du schönen Obestern!
's isch wohr, mer hen di alle gern.
Er luegt in d'Welt so lieb und gut,
Und bschaut en eis mit schwerem Mut;
Und isch me müed, und het e Schmerz,
Mit stillem Friede füllt er's Herz.

Die andere im Strahleg'wand,
He frili jo, sin au scharmant.
O lueg, wie 's flimmert wit und breit
In Lieb und Freud und Einigkeit!
's macht kein em andre 's Lebe schwer.
Wenns doch do nieden au so wär!

Es chunnt e chüeli Obedluft,
Und an de Halme hangt der Duft.
Denk wohl, mer göhn jez au alsg'mach
Im stille Frieden unters Dach!
Gang, Liseli, zünd 's Ämpli a!
Mach kei so große Dochte dra!

Erklärungen:

Weidli, geschwinde.
Schmützle, Kuss, Mäulchen
Cha, kann; überhaupt das ch öfters anstatt des k.
Übercho, überkommen, erhalten.
Obbem, ob dem, über dem.
Gumpe, hüpfen.
Das und deis, dieses und jenes.
Lueg, siehe.
Au, auch.
Wiesetal, ein Tal dieses Namens in der obern Marggrafschaft Baden.
Elsis, Elsass.
Ehne, jenseits.
Nootno, nach und nach.
Afange, endlich einmal.
Wiener, wie er.
Chunnt, kommt.
Eis, eines, jemand.
Ämpli, Lämpchen.

Übersetzung (x)

Du bist auch wieder zeitig da
Und, wie du pflegst, der Sonne nah,
Du lieber schöner Abendstern!
Was gilts, geliebkost wärst du gern!
Er läuft und trippelt - Nur gemach!
Kommst deiner Mutter doch nicht nach.

Von allen Sternen, groß und klein,
Ist er der liebst', und er allein;
Sein Brüderchen, den Morgenstern
Hat sie fürwahr nicht halb so gern;
Denn wo sie wandelt aus und ein,
Da meint sie, müsst' er um sie sein.

Früh, wenn das Morgenrot sich zeigt
Und auf die Sonn' am Schwarzwald steigt,
Führt sie das Knäblein an der Hand
Und weist ihm Berg und Strom und Land.
Du Wildfang! sagt sie: Wollen sehn!
Das Hüpfen wird dir bald vergehn.

Er aber schwatzt ohn' Unterlass,
Und fragt sie dies und fragt sie das.
O Mutter! sieh den Morgentau
Dort unten! sieh doch Feld und Au!
Sie glänzen, wie dein Himmelssaal. -
"Weiss wohl; drum ists das Wiesental."

Hast, fragt sie, alles nun gesehn?
Ich warte nicht, muss weiter gehn.
Er springt - denn nirgend hat er Ruh -
Auf manches weisse Wölklein zu;
Doch wenn er meynt, er hätt' es schon,
So ists, Gott weiss wohin, geflohn.

Als überm Rheinstrom nun sie steht,
Und jenseits mählich untergeht,
Wird nach und nach das Knäblein still,
Weiss nicht mehr, was es machen will;
Fragt hundert Mal: O sage doch,
Lieb Mütterchen! wie weit ists noch?

Zur Heimat wandeln Herd' und Hirt;
Der Vogel singt, der Käfer schwirrt;
Das Heimchen auch, so laut es kann,
Stimmt seinen Abendsegen an.
Jetzt, denkt er, hab' ich hohe Zeit;
Von hier, Gottlob, ists nicht mehr weit.

Und näher kommt er, und man sieht,
Wie sein Gesichtlein strahlt und glüht.
Die Mutter steht schon an der Tür:
"Komm, Liebchen, eilig komm zu mir!"
Da sinkt er freudig niederwärts -
Hier ist ihm wohl - ans Mutterherz.

Schlaf sanft, du schöner Abendstern!
Wahr ists, dich haben alle gern;
Siehst in die Welt so lieb und gut;
Beschaut dich eins mit schwerem Mut,
Und ist man müd', und hat man Schmerz,
Du füllst mit Frieden jedes Herz.

Die andern, die daneben stehn,
Sind freilich auch gar wunderschön.
O sieh, wie's flimmert weit und breit
In Lieb' und Freud' und Einigkeit;
Dem Nachbar macht es keiner schwer:
Wenns doch hier unten auch so wär!

Doch kühler wird die Abendluft,
Und an den Halmen hangt der Duft.
Denk wohl, wir gehn auch allgemach
Im stillen Frieden unters Dach.
Geh, Lise, zünd das Lämpchen an!
Mach keinen großen Docht daran!

Anmerkung:
(x) Die sechste Strophe konnte ich nicht so übersetzen, dass sie mit dem Ganzen harmoniert hätte; darum war ich genötiget, sie auszulassen.

In: Iris. Ein Taschenbuch für 1804. Hrsg. von J[ohann] G[eorg] Jacobi. Zürich, bey Orell, Füssli und Compagnie, S. 128-149. Unterzeichnet: J. G. J. [Johann Georg Jacobi]. Die Besprechung bezieht sich auf die anonyme Erstausgabe 1803. In Rechtschreibung und Zeichensetzung dem heutigen Brauch angenähert. Im Rahmen des Projekts "Johann Georg Jacobi und sein oberrheinischer Dichterkreis" wurde das Taschenbuch "Iris" von der UB Freiburg i. Br. digitalisiert.

*****

4. Goethes Rezension

Der Verfasser dieser Gedichte, die in einem oberdeutschen Dialekt geschrieben sind, ist im Begriff, sich einen eigenen Platz auf dem deutschen Parnass zu erwerben. Sein Talent neigt sich gegen zwei entgegengesetzte Seiten. An der einen beobachtet er mit frischem, frohem Blick die Gegenstände der Natur, die in einem festen Dasein, Wachstum und Bewegung ihr Leben aussprechen und die wir gewöhnlich leblos zu nennen pflegen, und nähert sich der beschreibenden Poesie; doch weiß er durch glückliche Personifikationen seine Darstellung auf eine höhere Stufe der Kunst heraufzuheben. An der andern Seite neigt er sich zum Sittlich-Didaktischen und zum Allegorischen; aber auch hier kommt ihm jene Personifikation zu Hülfe, und wie er dort für seine Körper einen Geist fand, so findet er hier für seine Geister einen Körper. Dies gelingt ihm nicht durchaus; aber wo es ihm gelingt, sind seine Arbeiten vortrefflich, und nach unserer Überzeugung verdient der größte Teil dieses Lob.

Wenn antike oder andere durch plastischen Kunstgeschmack gebildete Dichter das sogenannte Leblose durch idealische Figuren beleben und höhere, göttergleiche Naturen, als Nymphen, Dryaden und Hamadryaden, an die Stelle der Felsen, Quellen, Bäume setzen, so verwandelt der Verfasser diese Naturgegenstände zu Landleuten und verbauert auf die naivste, anmutigste Weise durchaus das Universum; so dass die Landschaft, in der man denn doch den Landmann immer erblickt, mit ihm in unserer erhöhten und erheiterten Phantasie nur eins auszumachen scheint.

Das Lokal ist dem Dichter äußerst günstig. Er hält sich besonders in dem Landwinkel auf, den der bei Basel gegen Norden sich wendende Rhein macht. Heiterkeit des Himmels, Fruchtbarkeit der Erde, Mannichfaltigkeit der Gegend, Lebendigkeit des Wassers, Behaglichkeit der Menschen, Geschwätzigkeit und Darstellungsgabe, zudringliche Gesprächsformen, neckische Sprachweise, so viel steht ihm zu Gebot, um das, was ihm sein Talent eingibt, auszuführen.

Gleich das erste Gedicht enthält einen sehr artigen Anthropomorphism. Ein kleiner Fluss, »die Wiese« genannt, auf dem Feldberg im Östreichischen entspringend, ist als ein immer fortschreitendes und wachsendes Bauermädchen vorgestellt, das, nachdem es eine sehr bedeutende Berggegend durchlaufen hat, endlich in die Ebene kommt und sich zuletzt mit dem Rhein vermählt. Das Detail dieser Wanderung ist außerordentlich artig, geistreich und mannichfaltig und mit vollkommener, sich selbst immer erhöhender Stetigkeit ausgeführt.

Wenden wir von der Erde unser Auge an den Himmel, so finden wir die großen leuchtenden Körper auch als gute, wohlmeinende, ehrliche Landleute. Die Sonne ruht hinter ihren Fensterläden; der Mond, ihr Mann, kommt forschend herauf, ob sie wohl schon zur Ruhe sei, dass er noch eins trinken könne; ihr Sohn, der Morgenstern, steht früher auf als die Mutter, um sein Liebchen aufzusuchen.

Hat unser Dichter auf Erden seine Liebesleute vorzustellen, so weiß er etwas Abenteuerliches drein zu mischen, wie im »Hexlein«, etwas Romantisches, wie im »Bettler«.

Dann sind sie auch wohl einmal recht freudig beisammen, wie in »Hans und Verene«.

Sehr gern verweilt er bei Gewerb und häuslicher Beschäftigung. »Der zufriedene Landmann«, »Der Schmelzofen«, »Der Schreinergesell« stellen mehr oder weniger eine derbe Wirklichkeit mit heiterer Laune dar. »Die Marktweiber in der Stadt« sind am wenigsten geglückt, da sie beim Ausgebot ihrer ländlichen Ware den Städtern gar zu ernstlich den Text lesen. Wir ersuchen den Verfasser, diesen Gegenstand nochmals vorzunehmen und einer wahrhaft naiven Poesie zu vindizieren.

Jahres- und Tageszeiten gelingen dem Verfasser besonders. Hier kommt ihm zugute, dass er ein vorzügliches Talent hat, die Eigentümlichkeiten der Zustände zu fassen und zu schildern. Nicht allein das Sichtbare daran, sondern das Hörbare, Riechbare, Greifbare und die aus allen sinnlichen Eindrücken zusammen entspringende Empfindung weiß er sich zuzueignen und wiederzugeben. Dergleichen sind: »Der Winter«, »Der Jänner«, »Der Sommerabend«, vorzüglich aber »Sonntagsfrühe«, ein Gedicht, das zu den besten gehört, die jemals in dieser Art gemacht worden.

Eine gleiche Nähe fühlt der Verfasser zu Pflanzen, zu Tieren. Der Wachstum des Hafers, bei Gelegenheit eines »Habermuses« von einer Mutter ihren Kindern erzählt, ist vortrefflich idyllisch ausgeführt. Den »Storch« wünschten wir vom Verfasser nochmals behandelt und bloß die friedlichen Motive in das Gedicht aufgenommen. »Die Spinne« und »Der Käfer« dagegen sind Stücke, deren schöne Anlage und Ausführung man bewundern muss.

Deutet nun der Verfasser in allen genannten Gedichten immer auf Sittlichkeit hin, ist Fleiß, Tätigkeit, Ordnung, Mäßigkeit, Zufriedenheit überall das Wünschenswerte, was die ganze Natur ausspricht, so gibt es noch andere Gedichte, die zwar direkter, aber doch mit großer Anmut der Erfindung und Ausführung, auf eine heitere Weise vom Unsittlichen ab-und zum Sittlichen hinleiten sollen. Dahin rechnen wir den »Wegweiser«, den »Mann im Mond«, »Die Irrlichter«, das »Gespenst an der Kanderer Straße«, von welchem letzten man besonders auch sagen kann, dass in seiner Art nichts Besseres gedacht noch gemacht worden ist.

Das Verhältnis von Eltern zu Kindern wird auch von dem Dichter öfters benutzt, um zum Guten und Rechten zärtlicher und dringender hinzuleiten. Hieher gehören »Die Mutter am Christabend«, »Eine Frage«, »Noch eine Frage«.

Hat uns nun dergestalt der Dichter mit Heiterkeit durch das Leben geführt, so spricht er nun auch durch die Organe der Bauern und Nachtwächter die höheren Gefühle von Tod, Vergänglichkeit des Irdischen, Dauer des Himmlischen, vom Leben jenseits mit Ernst, ja melancholisch aus. »Auf einem Grabe«, »Wächterruf«, »Der Wächter in der Mitternacht«, »Die Vergänglichkeit« sind Gedichte, in denen der dämmernde, dunkle Zustand glücklich dargestellt wird. Hier scheint die Würde des Gegenstandes den Dichter manchmal aus dem Kreise der Volkspoesie in eine andere Region zu verleiten. Doch sind die Gegenstände, die realen Umgebungen durchaus so schön benutzt, dass man sich immer wieder in den einmal beschriebenen Kreis zurückgezogen fühlt.

Überhaupt hat der Verfasser den Charakter der Volkspoesie darin sehr gut getroffen, dass er durchaus, zarter oder derber, die Nutzanwendung ausspricht. Wenn der höher Gebildete von dem ganzen Kunstwerke die Einwirkung auf sein inneres Ganze erfahren und so in einem höheren Sinne erbaut sein will, so verlangen Menschen auf einer niederen Stufe der Kultur die Nutzanwendung von jedem Einzelnen, um es auch sogleich zum Hausgebrauch benutzen zu können. Der Verfasser hat nach unserem Gefühl das »fabula docet« meist sehr glücklich und mit viel Geschmack angebracht, so dass, indem der Charakter einer Volkspoesie ausgesprochen wird, der ästhetisch Genießende sich nicht verletzt fühlt.

Die höhere Gottheit bleibt bei ihm im Hintergrund der Sterne, und was positive Religion betrifft, so müssen wir gestehen, dass es uns sehr behaglich war, durch ein erzkatholisches Land zu wandern, ohne der Jungfrau Maria und den blutenden Wunden des Heilands auf jedem Schritte zu begegnen. Von Engeln macht der Dichter einen allerliebsten Gebrauch, indem er sie an Menschengeschick und Naturerscheinungen anschließt.

Hat nun der Dichter in den bisher erwähnten Stücken durchaus einen glücklichen Blick ins Wirkliche bewährt, so hat er, wie man bald bemerkt, die Hauptmotive der Volksgesinnung und Volkssagen sehr wohl aufzufassen verstanden. Diese schätzenswerte Eigenschaft zeigt sich vorzüglich in zwei Volksmärchen, die er idyllenartig behandelt.

Die erste, »Der Karfunkel«, eine gespensterhafte Sage, stellt einen liederlichen, besonders dem Kartenspiel ergebenen Bauernsohn dar, der unaufhaltsam dem Bösen ins Garn läuft, erst die Seinigen, dann sich zugrunde richtet. Die Fabel mit der ganzen Folge der aus ihr entspringenden Motive ist vortrefflich, und ebenso die Behandlung.

Ein Gleiches kann man von der zweiten, »Der Statthalter von Schopfheim«, sagen. Sie beginnt ernst und ahnungsvoll, fast ließe sich ein tragisches Ende vermuten; allein sie zieht sich sehr geschickt einem glücklichen Ausgang zu. Eigentlich ist es die Geschichte von David und Abigail, in moderne Bauertracht nicht parodiert, sondern verkörpert.

Beide Gedichte, idyllenartig behandelt, bringen ihre Geschichte als von Bauern erzählt dem Hörer entgegen und gewinnen dadurch sehr viel, indem die wackern naiven Erzähler, durch lebhafte Prosopopöien und unmittelbaren Anteil als an etwas Gegenwärtigem, die Lebendigkeit des Vorgetragenen zu erhöhen, an der Art haben.

Allen diesen innern guten Eigenschaften kommt die behagliche naive Sprache sehr zustatten. Man findet mehrere sinnlich bedeutende und wohlklingende Worte, teils jenen Gegenden selbst angehörig, teils aus dem Französischen und Italienischen herübergenommen, Worte von einem, von zwei Buchstaben, Abbreviationen, Kontraktionen, viele kurze, leichte Silben, neue Reime, welches, mehr als man glaubt, ein Vorteil für den Dichter ist. Diese Elemente werden durch glückliche Konstruktionen und lebhafte Formen zu einem Stil zusammengedrängt, der zu diesem Zwecke vor unserer Büchersprache große Vorzüge hat.

Möge es doch dem Verfasser gefallen, auf diesem Wege fortzufahren, dabei unsere Erinnerungen über das innere Wesen der Dichtung vielleicht zu beherzigen und auch dem äußeren technischen Teil, besonders seinen reimfreien Versen, noch einige Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie immer vollkommener und der Nation angenehmer werden mögen! Denn sosehr zu wünschen ist, dass uns der ganze deutsche Sprachschatz durch ein allgemeines Wörterbuch möge vorgelegt werden, so ist doch die praktische Mitteilung durch Gedichte und Schrift sehr viel schneller und lebendig eingreifender.

Vielleicht könnte man sogar dem Verfasser zu bedenken geben, dass, wie es für eine Nation ein Hauptschritt zur Kultur ist, wenn sie fremde Werke in ihre Sprache übersetzt, es ebenso ein Schritt zur Kultur der einzelnen Provinz sein muss, wenn man ihr Werke derselben Nation in ihrem eigenen Dialekt zu lesen gibt. Versuche doch der Verfasser, aus dem sogenannten Hochdeutschen schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen Dialekt zu übersetzen. Haben doch die Italiener ihren Tasso in mehrere Dialekte übersetzt.

Nachdem wir nun die Zufriedenheit, die uns diese kleine Sammlung gewährt, nicht verbergen können, so wünschen wir nur auch, dass jenes Hindernis einer für das mittlere und niedere Deutschland seltsamen Sprech- und Schreibart einigermaßen gehoben werden möge, um der ganzen Nation diesen erfreulichen Genuss zu verschaffen. Dazu gibt es verschiedene Mittel, teils durch Vorlesen, teils durch Annäherung an die gewohnte Schreib- und Sprechweise, wenn jemand von Geschmack das, was ihm aus der Sammlung am besten gefällt, für seinen Kreis umzuschreiben unternimmt, eine kleine Mühe, die in jeder Sozietät großen Gewinn bringen wird. Wir fügen ein Musterstück unserer Anzeige bei und empfehlen nochmals angelegentlich dieses Bändchen allen Freunden des Guten und Schönen.

Sonntagsfrühe

Der Samstig het zum Sunntig gseit:
»Jez hani alli schlofe gleit;
sie sin vom Schaffe her und hi
gar sölli müed und schlöfrig gsi,
und's gohtmer schier gar selber so,
i cha fast uf ke Bei me stoh.«

So seit er, und wo's Zwölfi schlacht,
se sinkt er aben in d' Mitternacht.
Der Sunntig seit: »Jez ischs an mir!«
Gar still und heimli bschließt er d' Tür;
er düselet hinter de Sterne no,
und cha schier gar nit obsi cho.

Doch endli ribt er d' Augen us,
er chunnt der Sunn an Tür und Hus;
sie schloft im stille Chammerli;
er pöpperlet am Lädemli;
er rüeft der Sunne: »d' Zit isch do!«
Sie seit: »I chumm enanderno!« –

Und lisli uf de Zeche goht,
und fründli uf de Berge stoht
der Sunntig, und's schloft alles no;
es sieht und hört en niemes goh;
er chunnt ins Dorf mit stillem Tritt
und winkt im Guhl: »Verrot mi nit!«

Und wemmen endli au verwacht
und gschlofe het die ganzi Nacht,
se stoht er do im Sunne-Schi'
und luegt eim zu de Fenstern i
mit sinen Auge mild und guet
und mittem Meien uffem Hut.

Drum meint er's treu, und was i sag,
es freut en, wemme schlofe mag
und meint, es seig no dunkle Nacht,
wenn d' Sunn am heitere Himmel lacht;
drum isch er au so lisli cho,
drum stoht er au so liebli do.

Wie glitzeret uf Gras und Laub
vom Morgetau der Silberstaub!
Wie weiht e frische Maieluft,
voll Chriesi-Bluest und Schleche-Duft!
Und d' Immli sammle flink und frisch,
sie wüsse nit, aß's Sunntig isch.

Wie pranget nit im Garte-Land
der Chriesi-Baum im Maie-Gwand,
Gel-Veieli und Tulipa
und Sterneblume nebe dra,
und gfüllti Zinkli blau und wiiß,
me meint, me lueg ins Paredies!

Und's isch so still und heimli do,
men isch so rüehig und so froh!
me hört im Dorf kei Hüst und Hott;
e Gute Tag! und Dank der Gott!«
und 's git gottlob e schöne Tag!
isch alles, was me höre mag.

Und 's Vögeli seit: »Frili jo!
Potz tausig, jo, er isch scho do:
Er dringtmer scho im Himmels-Glast
dur Bluest und Laub in Hurst und Nast!«
Und 's Distelzwigli vorne dra
het 's Sunntig-Röckli au scho a.

Sie lüte weger 's Zeiche scho,
der Pfarer, schint's, well zitli cho.
Gang, brechmer eis Aurikli ab,
verwüschet mer der Staub nit drab,
und Chüngeli, leg di weidli a,
de muesch derno ne Meje ha!

Der Rezension liegt die zweite Auflage, Karlsruhe, bei Macklot 1804, zugrunde. Erschienen in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Nr. 37, 13. Februar 1805, Sp. 289-294. "Der Weimarer Schriftsteller Johann Daniel Falk (1768-1826) hatte für die "Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung" eine Besprechung von Hebels Gedichten verfasst, die Goethe unzureichend schien und die er durch seine eigene ersetzte." (Sämtliche Werke. Münchner Ausgabe. Bd. 6,2. S.1143). "Goethe war von der in der Mundart vermittelten Lebensnähe und der unverbildeten menschlich-pädagogischen Redlichkeit der Gedichte Hebels so angetan, dass er aus ihnen oft im geselligen Kreise rezitierte" (ebd., S. 1142). Persönlich lernte Goethe Hebel erst am 3. und 4. Oktober 1815 kennen, als er mit Sulpiz Boisserée von Heidelberg nach Karlsruhe gefahren war.

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4. Kurzbiographie zu Johann Peter Hebel

Johann Peter Hebel, Porträt

Porträt Hebels
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Johann Peter Hebel, geb. 10. Mai 1760 | allemannischer Dichter | gest. 22. September 1826. Adolf Glattacker 1925. Cop n. Fedor Iwanowitsch, 1820. Universitäts-Bibliothek Basel. Adressseite:  Friedr. Gutermann, Photograph, Lörrach i. Baden. Nicht gelaufen.

Hebel, Johann Peter, vorzüglicher Dialektdichter und Volksschriftsteller, geb. 10. Mai 1760 in Basel, gest. 22. Sept. 1826 in Schwetzingen, besuchte die Schule in Hausen bei Schopfheim (Baden), erhielt seine weitere Vorbildung auf dem Pädagogium in Lörrach und dem Lyzeum in Karlsruhe und bezog 1778 die Universität in Erlangen, um Theologie zu studieren. Nachdem er eine Zeitlang als Pfarrvikar in dem Dorf Hartingen fungiert, wurde er 1783 Lehrer am Pädagogium in Lörrach und 1791 am Gymnasium in Karlsruhe mit dem Prädikat eines Subdiakonus. 1798 wurde er zum außerordentlichen Professor, 1805 zum Kirchenrat, 1808 zum Direktor des nunmehrigen Lyzeums, 1809 zum Mitglied der evangelischen Kirchenkommission, 1819 zum Prälaten und 1821 von der Universität Heidelberg zum Doktor der Theologie ernannt.

Hebel wählte für seine Gedichte die naiv-schalkhafte, vokalreiche Mundart der Umgegend von Lörrach; er hat hauptsächlich während seines dortigen Aufenthalts die Eindrücke gesammelt, die er in seinen »Alemannischen Gedichten« (Karlsruhe 1803 u. ö.) niederlegte. Sie enthalten treffliche Naturschilderungen, idyllenartig gehaltene Sittengemälde aus dem bäuerlichen Leben und sind durch Gemütstiefe, behaglichen Humor, naive Anschaulichkeit und nicht selten durch hochpoetischen Gehalt ausgezeichnet. Hochdeutsche Bearbeitungen, die aber ihren eigentümlichen Reiz verwischen, erschienen mehrere, z. B. von Robert Reinick (mit Bildern von Ludwig Richter, 7. Aufl., Leipz. 1893; Auswahl 1904).

Hebels Volksschriften: »Der rheinländische Hausfreund, oder Neuer Kalender mit lehrreichen Nachrichten und lustigen Erzählungen« (Karlsruhe 1808–11 u.ö.) und »Das Schatzkästlein des rheinländischen Hausfreundes« (Tübingen 1811 u. ö.) übertreffen fast alle ähnlichen Versuche der neuern Zeit an klarer Auffassung des deutschen, besonders süddeutschen Charakters, an reiner Menschlichkeit, kindlicher Naivität und gesundem Witz und sind Muster volkstümlicher Darstellung. Auch einen »Katechismus« und »Biblische Geschichten« (Stuttgart 1824, 2 Bde.) lieferte Hebel, dichtete auch einige hübsche Lieder und besonders treffliche Rätsel in hochdeutscher Sprache. Im Hofgarten zu Karlsruhe ward dem Dichter 1835 ein Denkmal errichtet.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Sechste Auflage 1905–1909 (Digitale Bibliothek; 100) Berlin: Directmedia 2003, S. 81.594-81.596. Redigiert und gekürzt.

Johann Peter Hebel, S Vreneli. Denkmal

Denkmal Hebels
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S'Vreneli anno 1800 | Anno 1900. Adressseite: Carl Zanger, Freiburg i.Br. Rechts unten: 16763. Gelaufen. Datiert 1914. Poststempel unleserlich.

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5. Illustrationen von Hebels "Alemannischen Gedichten"

Hebels "Allemannische Gedichte" sind mehrfach illustriert worden, unter anderem von Benjamin Zix (drei Radierungen in der dritten Auflage der Gedichte), Sophie Reinhard, Julius Nisle, Ludwig Richter und Kaspar Kögler. Am populärsten, und bis heute immer wieder nachgedruckt, wurden die Illustrationen von Ludwig Richter.

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Sophie Reinhard

Kurzbiographie

Sophie Reinhard, Selbstbildnis in KreideSophie Reinhard war eine Schülerin des Karlsruher Galeriedirektors Philipp Jakob Becker und des Münchner Galeriedirektors Johann Christian von Mannlich. Studienreisen führten sie 1808/09 nach Wien und von 1810 bis 1814 nach Italien, mit Aufenthalt in Rom und einer Reise nach Neapel. In Rom hatte sie Kontakt mit Peter Cornelius, Wilhelm Huber, Joseph Anton Koch, Friedrich Overbeck und Joseph Rebell, befreundet war sie mit der italienischen Malerin Bianca Milesi. Sie war Gast der Abendgesellschaft bei Karl Friedrich von Uexküll-Gyllenband. Vom Großherzog von Baden erhielt sie ab 1813 ein jährliches Künstlergehalt von 800 Gulden und wurde so Großherzoglich Badische Hofmalerin. Als Gegenleistung wurde erwartet, dass sie "von Zeit zu Zeit eine Arbeit einzuliefern oder auch auf desfalls anderweit erhaltene Weisung, Unterricht im Zeichnen zu ertheilen" (zit. nach Seibert, S. 87).

Ihr Werk umfasst biblische und regionalgeschichtliche Stoffe sowie italienische Genreszenen. Mehrfach Illustrierte sie literarische Stoffe, so die ''Alemannischen Gedichte'' von Hebel. In der Karlsruher Kunstausstellung war sie 1823 mit ''Markgräfin Anna von Baden speist Arme und teilt Arzneien aus'', einer Komposition nach dem Gedicht ''Beruhigung an Frida'' von Aloys Schreiber, und dem Aquarellbild ''Tod des Torquato Tasso'' sowie 1825 mit dem Historienbild ''Christoph I., Markgraf von Baden, weist die Gesandten Kaiser Maximilians I. ab'' und einer Heiligen Familie vertreten. Wie diese Beispiele zeigen, war Sophie Reinhard in den 1820er Jahren bekannt und geschätzt. Nach 1829 nahm sie jedoch an den Karlsruher Ausstellungen nicht mehr teil und fiel später der Vergessenheit anheim.

Bild: Sophie Reinhard, Selbstbildnis. Schwarze und rote Kreide. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Hier nach Katrin Seibert: Rom besuchen. München 2009. Bd. 2, Abb. 208.

Literatur
* Thieme-Becker
* Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethe-Zeit zwischen 1750 und 1850. Hrsg. von Bärbel Kovalevski. Hatje, Ostfildern-Ruit 1999. ISBN: 3-7757-0806-5
* Katrin Seibert, Rom besuchen – Italienreisen deutscher Künstlerinnen zwischen 1750 und 1850. 2 Bde. Meidenbauer, München 2009. ISBN 978-3-89975-694-4

Weblinks
* Edwin Fecker, Die Großherzoglich Badische Hofmalerin Sophie Reinhard. URL:
http://www.edwin-fecker.de/sophie_reinhard.htm
* Hubertus Kohle, Das Tassobild der deutschen Malerei des 19. Jh.s. URL:
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/114/1/tasso.pdf

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Zehn Blätter nach Hebels Alemannischen Gedichten, componirt und radirt von Sophie Reinhard. Heidelberg, bey Mohr und Winter 1820. - Neuausgabe: Sophie Reinhard, Zehn Blätter zu Hebels Alemannischen Gedichten. Mit Zugabe der Texte hrsg. von Adrian Braunbehrens. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter 1996. - Die zehn Illustrationen sind auch auf Postkarten, ohne Nennung der Künstlerin, erschienen (Verlag C. R. Gutsch, Lörrach, Hebelpostkarte Nr. 1-10). - Das folgende Geleitwort nach der Faksimileseite in der Neuausgabe.

Geleitwort von Hebel

Die Verlagshandlung dieser Blätter wünscht, dass ich sie mit einem Vorwort begleiten möge. Die Künstlerin erlaubt es, und ich spreche unbedenklich vor dem Publicum meine Freude an den schönen und sinnreichen Gestaltungen aus, welche sie geistreich und gemütlich den Phantasien der Dichtung gegeben hat. Mehreres darüber zu sagen enthalte ich mich. Es ist eine undankbare Bereitwilligkeit, dem Publicum loben zu wollen, was sich selber lobt, und denen, die Sinn und Gefühl haben, vorzusagen, was sie sehn und fühlen sollen. Nur Eins erlaube ich mir daher zu sagen, was sich nicht von selbst sehen und erkennen lässt. Schon oft haben Personen, welche die alemannischen Gedichte mit ihrem Beifall ehren, den Wunsch geäußert, dass Kupfer dazu in genauer Nachbildung der nationalen Tracht und Eigentümlichkeit des Völkleins, das in ihnen lebt, gegeben werden möchten. Ein Versuch, der in der dritten Auflage der Gedichte gemacht wurde, ist nur wenig gelungen. Sophie Reinhard, die selbst einige Jahre in jener Gegend gelebt hat, und für sie eine treue Erinnerung und Liebe bewahrt, hat diese Aufgabe vollkommen erreicht.

So sind sie in ihrem ganzen Tun und Wesen bis in ihr Inneres hinein, wie sie hier Teilweis erscheinen. Das schöne Bild der Tochter des Statthalters ist auch in dieser Hinsicht meisterhaft. Wie an ihr die vollständige weibliche, so stellt sich in Kätchen neben dem Kapuziner die leichtere jungfräuliche Tracht vollendet dar, und wer besonders die ältere und schönere sogenannte marggräfler Kleidung noch kannte, die sich immer mehr modernisirt und verkünstelt, der wird sie mit Vergnügen hier wieder finden, und dem Andenken aufbewahrt sehn. Verene am Brunnen ist in eine benachbarte vaterländische Nationaltracht eingekleidet, zu deren Wahl die aufmerksame Künstlerin, so wie zu dem Heiligenbilde auf dem Brunnen durch die Stelle: "Du hast mich aus dem Fegfeuer geholt" sich veranlasst sah.

Noch bin ich der sinnreichen Künstlerin die Gerechtigkeit des Geständnisses schuldig, dass ich nur einige dieser Kunstwerke fast in ihren ersten Entwürfen, und die meisten erst in den vollendeten Abdrücken gesehen habe, und an allem Verdienst ihrer Anlage und der weitern Ausführung einiger Gedanken keinen Anteil habe, auch nicht an den heiter launigten Zutaten, welche die Einweihung des Statthalters umgeben.

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Rezension im "Kunstblatt"

"Kunst-Blatt", 1820, Nr. 80, S. 319, unterzeichnet S. (= Ludwig Schorn?):

Leicht in italienischer Manier radierte Blätter, worin anziehende Momente aus den schönsten Bildern des genialen Volksdichters Hebel mit eben so viel Gemüt und Phantasie als Kenntnis der eigentümlichen Sitten und des Charakters des badischen Hochlandes - der schönen Heimat der allemannischen Lieder - dargestellt sind.

Die drei ersten Blätter enthalten Szenen aus dem Karfunkel. 1. Kätterli's Traum, der Kapuziner gibt ihr die Karten: "Hesch echt's Eckstei-Ass?  's bidütet e rote Charfunkel;" 2. Michel im Wirtshaus spielend, vom Knaben abgerufen. "Nummen uf en einzig Wörtli!" "Loss mi ung'heit jez!" 3. Kätterli erstochen, Michel flieht zur Türe hinaus: "O mi bluetig Herz, so stöhnt's no lisli im Falle.
     4. Das Hexlein:
         "Und woni uffem Schnid-Stuhl sitz
         Für Basseltang, und Liechtspöhn schnitz,
         Se chunnt e Hexli wohlgemut
         und frogt no frey: "Haut's Messer gut?"
     5. Hans und Verene am Brunnen.
         Am Zistig früeih bym Brunne,
         se redt's mi frey no a:
         "Chum, lüpf mer Hans! Was fehlt der echt?
         "Es isch der näume gar nit recht,
                      nei gar nit recht!"
         I denk mi Lebtig dra."
     6. Gespenst an der Kanderer Straße. Der Trunkene, vom Wege ab in einen Bach taumelnd, zur Seite des Grabes, wo der Geist der Mutter weint; in der Ferne Fußgänger die Straße ruhig hinziehend.
         "Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüst und hott
         "er bsinnt si! "Bini echterst, woni sott?"
     7. und 8. Der Statthalter von Schopfheim. Das erstere Blatt: Vreneli des Nachts auf dem Wege den Friedli aufsuchend: "Friedli bisch's?" - "I mein's emol!" - In der Ferne seine Leute. - Das zweite: Friedli zum Statthalter erwählt, im Rate sitzend: "Nu se sagi jo, i willich ordli regiere."
     9. Auf einem Grabe. "Schlof wohl, schlof wohl im chüele Bett." Eine weibliche Gestalt, zwischen Gräbern knieend und schmerzlich vor sich hinblickend. Auf den umherstehenden Kreuzen die Namen verstorbener Verwandten und Freundinnen der Künstlerin.
    10. Der Wegweiser oder guter Rat zum Abschied:
         "Doch wandle du in Gottes Furcht,
         J rot der, was i rote cha."
     Am Morgen bei Sonnenaufgang scheidet der Sohn aus dem älterlichen Hause. Der Vater sitzt am Tische, die eine Hand auf die eben zugeschlagene Bibel gelegt, mit der andern die Linke des Jünglings haltend und freundlich zu ihm sprechend. Hinter dem Sohn steht die Mutter und packt noch Obst und ein Fläschchen Wein in seine Taschen. Die Geschwister stehen trauernd und weinend umher.

Diese kurze Anzeige deutet schon an, dass die Künstlerin ihre Gegenstände sehr sinnig und verständig aufgefasst hat. Unter die gelungensten Blätter zählen wir vor allen das zweite, wo Michel in der Schenke mit dem Jäger und andern Gesellen spielend, sehr gut gruppiert, und die Köpfe voll Ausdrucks sind - dann das sechste, der Betrunkne an der Kanderer Straße - sehr lebendig gedacht und gut componiert, und in Nr. 9 die weibliche Figur, die von tiefem Gefühl zeugt. Die getreue Darstellung der Landestrachten gibt diesen Bildern ein eigenes Interesse, und wenn auch die Zeichnung zum Teil sicherer sein dürfte, so ist andrerseits die Behandlung durchgängig sehr keck und einfach.

Die verdienstvolle Künstlerin, in Carlsruhe geboren, und durch längern Aufenthalt in München, Wien und Italien gebildet, fühlte sich zu Darstellungen aus den Werken des vaterländischen Dichters um so mehr berufen, da sie einen Teil ihrer Jugend in jenen Gegenden verlebte, wo der allemannische Dialekt, und die Sitten, welche Hebel schildert, einheimisch sind. Ohne Zweifel werden diese Blätter allen Freunden der herrlichen allemannischen Gedichte willkommen sein.

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Über das Aquarellbild von Sophie Reinhard zu dem Gedicht "Die Häfnet-Jungfrau" aus den "Alemannischen Gedichten" urteilt das "Kunstblatt" (1823, S. 195): "Aus der Hefnetjungfrau würde der treffliche Alemannische Sänger sein eignes Lied wieder herausdichten können, wenn es sich auch in seinem Gedächtnis bis auf die letzte Spur verwischt hätte. So muss man Poesie in Gestalt und Farbe übersetzen."

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Julius Nisle

Kurzbiographie

Julius Nisle, geb. 8. April 1812 in Stuttgart, gest. daselbst 1850, Illustrator, Zeichner und Modelleur. Nisle war ein beliebter und vielbeschäftigter Illustrator. Er schuf Umrisszeichnungen zu Gedichten von Johann Peter Hebel (1837, ab der 3. Auflage 1845 (?) in veränderter Form; Reprint 1989), Ludwig Uhland (1837, 2. Auflage 1845, Reprint 1987) und Nikolaus Lenau (1841), zu Friedrich Schillers Dramen (1839-40, neue Ausgabe 1845) und zu den Jugendschriften von Christoph von Schmid (1838) u.a.m.; von 1840 an erschienen heftweise "Umrisse zu Goethe's Werken in 92 Blättern in Stahlstich". An erotischer Literatur illustrierte Nisle Boccaccios "Dekameron" und komponierte 48 Szenen für die "Casanova-Galerie" (lithographiert von Adolf Gnauth), ein Supplement für Casanovas Memoiren, das von den Behörden konfisziert wurde. Weiterhin illustrierte Nisle Kinderlyrik von Friedrich Güll (1836, Reprint 1978) und die Schriften im schwäbischen Dialekt von Sebastian Sailer. Nisles "Noch ein Todtentanz. Sechs Blätter mit erklärendem Text" sind ein Gegenstück zu Rethels "Auch ein Todtentanz". (Unter Benutzung des Eintrags in Wikipedia. Creative Commons-Lizenz.)

In das Werk Nisles führt die Seite "Julius Nisle und seine Casanova-Galerie" von Wolfgang Herrmann im Goethezeitportal ein.

Digitalisierungen:
* 30 Umrisse zu Hebel's allemannischen Gedichten Von Julius Nisle. 3. Aufl. Stuttgart: Hoffmann [ca. 1850]. Digitalisierung durch die Bayerische Staatsbibliothek München.
* Umrisse zu Goethe's Werken in 92 Blättern in Stahlstich, nach Zeichnungen von Julius Nisle. Digitalisierung durch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar.
* Sebastian Sailer: Sämmtliche Schriften in schwäbischem Dialekte. Mit Bildern von Julius Nisle. 3. Aufl. Ulm: Stettin'sche Buchhandlung [1842]. Digitalisierung durch die Bayerische Staatsbibliothek München.

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Umrisse zu Hebels "Allemannischen Gedichten"

Die Erstauflage der Nisleschen Umrissstiche erschien 1837, die zweite Auflage 1840. Für die dritte Auflage von 1845 hat Nisle Umzeichnungen der Illustrationen erarbeitet und sie um drei Stiche erweitert. Die hier verwendete 5. Auflage kam 1862 heraus; sie liegt auch in einem Nachdruck von 1979 vor.

Die 2. Auflage: Siebenundzwanzig Umrisse zu J. P. Hebels allemannischen Gedichten, Stuttgart: Literatur-Comptoir 1837, erschien im Nachdruck mit einem Nachwort von Robert Feger "Zu Julius Nisle und seinem Werk" im Verlag Kehrer, Freiburg im Breisgau 1989. - Dieser Reprint folgt der zweiten Auflage und gibt die Illustrationen in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder. Feger ermittelte die Erscheinungsdaten der Ausgaben und gibt einen Fassungsvergleich der Illustrationen.

Den Abbildungen auf dieser Seite liegt zugrunde: Dreißig Umrisse zu J. P. Hebel's allemannischen Gedichten ... Von Julius Nisle. Mit einer Einleitung und Lebensbeschreibung. Fünfte, mit beigedrucktem Texte vermehrte Auflage. Stuttgart: Ad. Becher's Verlag (Gustav Hoffmann) [um 1860]. Vorwort aus der dritten Auflage, S. V-VI:

"Die Darstellungen sind so treu und gelungen, dass nicht nur jeder, welcher die Gegend kennt, sich rasch orentiert und reiche Erinnerungen auftauchen fühlt beim Anblick dieser Bilder, sondern dass auch sogar ein Fremder, der diese Gegenden und den ganzen Süden noch nie gesehen, sich in denselben wird hineinversetzen und sich hier zurechtfinden können. Der Beifall, welchen Herrn Julius Nisle's Zeichnungen seit ihrem ersten Erscheinen gefunden haben, der seitherige Absatz von mehr als 10.000 Exemplaren, welcher sogar die Herstellung ganz neuer Stiche erforderlich machte, verbürgen am schlagendsten nicht nur die Vollkommenheit der Arbeit, sondern auch die allgemeine Teilnahme, welcher auch diese neue, von dem Künstler in Zeichnung und Gruppierung vielfach verbesserte und gesichtete Ausgabe entgegensehen darf."

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6. Rechtlicher Hinweis und Kontaktanschrift

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Prof. Dr. Georg Jäger
Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Deutsche Philologie
Schellingstr. 3
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E-Mail: georg.jaeger07@googlemail.com

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