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Heines »Buch der Lieder«
in Illustrationen von Edmund Brüning

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Don Ramiro

"Donna Clara! Donna Clara!
Heißgeliebte langer Jahre!
Hast beschlossen mein Verderben,
Und beschlossen ohn' Erbarmen.
 
"Doch warum, o schöne Herrin,
Sind gerichtet deine Blicke
Dorthin nach der Saalesecke?"
So verwundert sprach der Ritter.
 
Donna Clara! Donna Clara!
Ist doch süß die Lebensgabe!
Aber unten ist es grausig,
In dem dunkeln, kalten Grabe.
 
"Siehst du denn nicht, Don Fernando,
Dort den Mann im schwarzen Mantel?"
Und der Ritter lächelt freundlich:
"Ach! das ist ja nur ein Schatten."
 
Donna Clara! Freu dich, morgen
Wird Fernando, am Altare,
Dich als Eh'gemahl begrüßen –
Wirst du mich zur Hochzeit laden?"
 
Doch es nähert sich der Schatten,
Und es war ein Mann im Mantel;
Und Ramiro schnell erkennend,
Grüßt ihn Clara, glutbefangen.
 
"Don Ramiro! Don Ramiro!
Deine Worte treffen bitter,
Bittrer als der Spruch der Sterne,
Die da spotten meines Willens.
 
Und der Tanz hat schon begonnen,
Munter drehen sich die Tänzer
In des Walzers wilden Kreisen,
Und der Boden dröhnt und bebet.
 
Don Ramiro! Don Ramiro!
Rüttle ab den dumpfen Trübsinn;
Mädchen gibt es viel auf Erden,
Aber uns hat Gott geschieden.
 
"Wahrlich gerne, Don Ramiro,
Will ich dir zum Tanze folgen,
Doch im nächtlich schwarzen Mantel
Hättest du nicht kommen sollen."
 
Don Ramiro, der du mutig
Soviel Mohren überwunden
, Überwinde nun dich selber –
Komm auf meine Hochzeit morgen."
 
Mit durchbohrend stieren Augen
Schaut Ramiro auf die Holde,
Sie umschlingend spricht er düster:
"Sprachest ja, ich sollte kommen!"
 
"Donna Clara! Donna Clara!
Ja, ich schwör es, ja ich komme!
Will mit dir den Reihen tanzen; –
Gute Nacht, ich komme morgen."
 
Und ins wirre Tanzgetümmel
Drängen sich die beiden Tänzer;
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Trommeten.
 
"Gute Nacht!" – Das Fenster klirrte.
Seufzend stand Ramiro unten,
Stand noch lange wie versteinert;
Endlich schwand er fort im Dunkeln. –
 
"Sind ja schneeweiß deine Wangen!"
Flüstert Clara, heimlich zitternd.
"Sprachest ja, ich sollte kommen!"
Schallet dumpf Ramiros Stimme.
 
Endlich auch, nach langem Ringen,
Muß die Nacht dem Tage weichen;
Wie ein bunter Blumengarten
Liegt Toledo ausgebreitet.
 
Und im Saal die Kerzen blinzeln
Durch das flutende Gedränge;
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Trommeten.
 
Prachtgebäude und Paläste
Schimmern hell im Glanz der Sonne;
Und der Kirchen hohe Kuppeln
Leuchten stattlich wie vergoldet.
 
"Sind ja eiskalt deine Hände!"
Flüstert Clara, schauerzuckend.
"Sprachest ja, ich sollte kommen!"
Und sie treiben fort im Strudel.
 
Summend, wie ein Schwarm von Bienen,
Klingt der Glocken Festgeläute,
Lieblich steigen Betgesänge
Aus den frommen Gotteshäusern.
 
"Laß mich, laß mich! Don Ramiro!
Leichenduft ist ja dein Odem!"
Wiederum die dunklen Worte:
"Sprachest ja, ich sollte kommen!"
 
Aber dorten, siehe! siehe!
Dorten aus der Marktkapelle,
Im Gewimmel und Gewoge,
Strömt des Volkes bunte Menge.
 
Und der Boden raucht und glühet,
Lustig tönet Geig' und Bratsche;
Wie ein tolles Zauberweben,
Schwindelt alles in dem Saale.
 
Blanke Ritter, schmucke Frauen,
Hofgesinde, festlich blinkend,
Und die hellen Glocken läuten,
Und die Orgel rauscht dazwischen.
 
"Laß mich, laß mich! Don Ramiro!"
Wimmerts immer im Gewoge.
Don Ramiro stets erwidert:
"Sprachest ja, ich sollte kommen!"
 
Doch, mit Ehrfurcht ausgewichen,
In des Volkes Mitte wandelt
Das geschmückte junge Eh'paar,
Donna Clara, Don Fernando.
 
"Nun, so geh in Gottes Namen!"
Clara rief's mit fester Stimme;
Und dies Wort war kaum gesprochen,
Und verschwunden war Ramiro.
 
Bis an Bräutigams Palasttor
Wälzet sich das Volksgewühle;
Dort beginnt die Hochzeitfeier,
Prunkhaft und nach alter Sitte.
 
Clara starret, Tod im Antlitz,
Kaltumflirret, nachtumwoben;
Ohnmacht hat das lichte Bildnis
In ihr dunkles Reich gezogen.
 
Ritterspiel und frohe Tafel
Wechseln unter lautem Jubel;
Rauschend schnell entfliehn die Stunden,
Bis die Nacht herabgesunken.
 
Endlich weicht der Nebelschlummer,
Endlich schlägt sie auf die Wimper;
Aber Staunen will aufs neue
Ihre holden Augen schließen.
 
Und zum Tanze sich versammeln
In dem Saal die Hochzeitgäste;
In dem Glanz der Lichter funkeln
Ihre bunten Prachtgewänder.
 
Denn derweil der Tanz begonnen,
War sie nicht vom Sitz gewichen,
Und sie sitzt noch bei dem Bräut'gam,
Und der Ritter sorgsam bittet:
 
Auf erhobne Stühle ließen
Braut und Bräutigam sich nieder,
Donna Clara, Don Fernando,
Und sie tauschen süße Reden.
 
"Sprich, was bleichet deine Wangen?
Warum wird dein Aug so dunkel? –"
"Und Ramiro? – –" stottert Clara,
Und Entsetzen lähmt die Zunge.
 
Und im Saale wogen heiter
Die geschmückten Menschenwellen,
Und die lauten Pauken wirbeln,
Und es schmettern die Trommeten.
Doch mit tiefen, ernsten Falten
Furcht sich jetzt des Bräutgams Stirne;
"Herrin, forsch nicht blut'ge Kunde –
Heute Mittag starb Ramiro."
 
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