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Jutta Assel und Georg Jäger

Georg Büchner: Dantons Tod

Illustriert von Paul Hübner, 1920

 

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Zweiter Akt.
Vierte Szene
Das Revolutions-Tribunal

 

Hermann (zu Danton). Ihr Name, Bürger.
Danton. Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts und mein Name im Pantheon der Geschichte.
Hermann. Danton, der Konvent beschuldigt Sie, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orleans, mit den Girondisten, mit den Fremden und der Faktion Ludwigs des XVII. konspiriert zu haben.
Danton. Meine Stimme, die ich so oft für die Sache des Volkes ertönen ließ, wird ohne Mühe die Verleumdung zurückweisen. Die Elenden, welche mich anklagen, mögen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande bedecken. Die Ausschüsse mögen sich hierher begeben, ich werde nur vor ihnen antworten. Ich habe sie als Kläger und als Zeugen nötig. Sie mögen sich zeigen. – Übrigens, was liegt mir an Euch und Eurem Urteil? Ich hab es Euch schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl sein; – das Leben ist mir zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich darnach, es abzuschütteln.
Hermann. Danton, die Kühnheit ist dem Verbrecher, die Ruhe der Unschuld eigen.
Danton. Privat-Kühnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene National-Kühnheit, die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft für die Freiheit gekämpft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. – Sie ist meine Kühnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik gegen meine erbärmlichen Ankläger bediene. Kann ich mich fassen, wenn ich mich auf eine so niedrige Art verleumdet sehe? – Von einem Revolutionär, wie ich, darf man keine kalte Verteidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit. (Zeichen von Beifall unter den Zuhörern.) – Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orleans konspirirt, zu den Füßen elender Despoten gesessen zu haben; mich fordert man auf, vor der unentrinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu antworten! – Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese Lästerung verantwortlich sein!
Hermann. Ich fordere Sie auf, mit Ruhe zu antworten; gedenken Sie Marat's, er trat mit Ehrfurcht vor seine Richter.
Danton. Sie haben die Hände an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn aufrichten und ihnen entgegentreten; unter dem Gewichte jeder meiner Handlungen werde ich sie begraben. – Ich bin nicht stolz darauf. Das Schicksal führt uns die Arme, aber nur gewaltige Naturen sind seine Organe. – Ich habe auf dem Marsfelde dem Königtume den Krieg erklärt, ich habe es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getötet und den Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. (Wiederholte Zeichen von Beifall.Er nimmt die Anklageakte.) Wenn ich einen Blick auf diese Schandschrift werfe, fühle ich mein ganzes Wesen beben. Wer sind denn die, welche Danton nötigen mußten, sich an jenem denkwürdigen Tage (dem 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die privilegierten Wesen, von denen er seine Energie borgte? – Meine Ankläger mögen erscheinen! Ich bin ganz bei Sinnen, wenn ich es verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das Nichts zurückschleudern, aus dem sie nie hätten hervorkriechen sollen.
Hermann (schellt). Hören Sie die Klingel nicht?
Danton. Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben verteidigt, muß deine Schelle überschreien. – Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den zerstückten Leibern der Aristokraten geätzt. Meine Stimme hat aus dem Golde der Aristokraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter Wogen von Bajonetten begrub. (Lauter Beifall.)
Hermann. Danton, Ihre Stimme ist erschöpft. Sie sind zu heftig bewegt. Sie werden das nächste Mal Ihre Verteidigung beschließen, Sie haben Ruhe nötig. – Die Sitzung ist aufgehoben.
Danton. Jetzt kennt Ihr Danton - noch wenige Stunden – und er wird in den Armen des Ruhmes entschlummern.

 

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